Regen statt Schnee. Hm.

Es regnet, es regnet, die Erde wird nass. Ich warte ein wenig auf den Schnee. Stöbere auf der Festplatte in alten Winterfotos. Die Wiesen weiß, das Haus weiß, alles weiß. Und mittendrin der Herr Cooper. Jetzt fängt das mit dem Warten auf die weiße Weihnacht an… Gestern lag schon eine Klitzekleinigkeit Schnee. Nachdem es zuvor gewittert hatte. Merkwürdig. Das hat wohl irgendwie mit der Wärme des Novembers und der jetzigen Abkühlung zu tun, orakelt der Blogger-Hobby-Metereologe. So. Heute nur kurz, habe einen Termin mit Frau Richter ein Büro und zwei Zimmer weiter. Meeting. Jobbesprechung. Umswitchen von Private auf Business. Wir müssen da im Rahmen eines größeren Auftrages ein paar Dinge klären, entscheiden, festzurren. Praktisch ist, das wir dazu überhaupt nicht das Haus verlassen müssen. Ein kleiner fiftyfifty-Vorteil. Wer will bei dem Wetter schon raus? Nur ein mir bekannter Hund. Denn den Herrn Cooper stört kein Wetter. Der hat immer seine Winter- und Regensachen an. Der springt sogar im Januar in den Bach. Natürlicher Neopren- und Taucheranzug. Hätte ich auch gerne, wenn das nicht so haaren würde.

Durban wie es singt und lacht.

Da treffen sie sich also zum UN-Klimagipfel im südafrikanischen Durban. Um zu reden. Über Kohlendioxid-Einsparungen. Immerhin, China bewegt sich. Ab 2020 könnte man sich einer Regelung in Form von Kyoto II unterwerfen. Bis dahin wolle man als Entwicklungsland gelten und als solches sein Recht auf wirtschaftliche Entwicklung mit allen Konsequenzen nutzen. Und so lange China nicht bereit ist, sich festzulegen, solange werden sich auch die USA nicht festlegen. Beide Länder zusammen emittieren über 40 % des gesamten Kohlendioxidausstoßes dieser Erde. Und sie stehen für rund 37 % der weltweiten Wirtschaftsleistung. Also wissen sie genau, weshalb sie da nicht gerne etwas unternehmen möchten. Es geht für alle Beteiligten darum, Geld zu verdienen. Und das ist bislang mit Kohlendioxidausstoß einfacher als ohne.

Das bedeutet: Es passiert erst einmal nichts.

Stand der Forschung ist, dass sich ein globaler Temperaturanstieg von unter 2 Grad Celsius nur bewerkstelligen lässt, wenn die globale Pro-Kopf-Kohlendioxid-Emission auf unter 2,5 Tonnen pro Jahr fällt. In Deutschland sind wir bei 10, in Amerika bei 20. Der Wert für China liegt aufgrund der großen Bevölkerung bei 3,9 Tonnen pro Kopf und Jahr. Im letzten Jahr sind die Emissionen weltweit um 5,9 % gestiegen, in diesem Jahr werden es 3,1 % sein. Wachstum also. Zunahme. Zunahme und Tsunami klingen scheinbar nicht von ungefähr her ähnlich. Schließlich soll die Weltbevölkerung bis 2050 auf neun Milliarden Menschen wachsen. Mehr Menschen, mehr alles.

Also nichts Neues. Weder im Westen noch im Osten noch im Süden noch im Norden. The same procedere as at every UN-Klimagipfel. Scheinbar sind die gesamten Delegationen mal wieder nahezu umsonst um den Erdball geflogen. Was für eine Klimabilanz wohl so ein UN-Gipfel hat?

Ich frage mich, was soll werden? Zurücklehnen? Kopf in den Sand stecken? Sich auf den Lorbeeren ausruhen, die sich Deutschland erarbeitet hat? Immerhin konnten wir im Klimaschutz-Index 2012 hinter Großbritannien den zweiten Platz belegen. Obwohl wir immernoch so viel Kohlendioxid ausstoßen wie ganz Afrika zusammen. Der Klimaschutz bleibt eine Herausforderung, der die Menschheit bei weitem noch nicht gewachsen ist. Was jeder einzelne beitragen kann, um auf 2,5 Tonnen pro Jahr zu kommen, zeigt der WWF-CO2-Rechner. Es gibt noch viel zu tun. In Durban wird es nicht getan.

Der Gott des Server-Gemetzels oder so…

Die Woche begann heute Morgen zuversichtlich, freudig, optimistisch mit einem: Serverabsturz. Miiuuuu, Bautz, Peng, Knall, Krach. Zoff. Kein fiftyfiftyblog On Air. Hallo? Ist da wer? Könnte mal jemand? Ich kam mit Cooper rein, war guter Dinge, wir waren noch im Dunkeln unsere Runde gegangen und ich war wirklich motiviert bis in die Haarspitzen. Und dann die Meldung, dass da kein fiftyfiftyblog ist. Tschüss auch, war schön mit dir. Bist wohl gerade mal Zigaretten holen, was?

Ich wollte über einen Film schreiben, den wir am Freitag zusammen mit einem befreundeten Pärchen gesehen haben. Der Gott des Gemetzels von Roman Polanski. Die Story meines Beitrags war nicht schlecht. Bei Polanski treffen zwei Pärchen aufeinander und massakrieren sich im Rahmen eines Kammerspiels verbal. Also zwei Pärchen auf der Leinwand, zwei gemeinsam im Publikum. Film meets reales Leben. Duplizität der Ereignisse, geballtes Konfliktpotenzial, Meinungen, Ansichten… Kate Winslet kotzt Jodie Foster auf den Wohnzimmertisch, Christoph Waltz neckt mit seinen Sarkasmen John C. Reilly. Was kann dieser Mann, dieser Christoph Waltz so herrlich schön, böse, feige, gemein und zynisch spielen.

Am Samstag hatten wir dann das Pärchen, also Freunde von uns sowie ein anderes Pärchen, also auch Freunde von uns, nicht zum Pärchenabend, sondern zum Essen eingeladen. In meinem Blogbeitrag hätte ich mit dieser Gesamtkonstellation von Pärchen und Treffen und Reden und Essen und Trinken gerne ein wenig sprachlich gespielt. Aber dann hat mir der Crash der Server die Energie aus der Tastatur geblasen. Meine Blogging-Zeit war für die Hotline und das Hilfecenter draufgegangen. Ich muss euch jetzt nicht erzählen, dass ich tausendmal “ja” ins Telefon gesagt habe und immer wieder meine Kundennummer eingegeben habe und letztlich niemand für mich da war. Aus der Warteschleife heraus erklang plötzlich immer das Besetztzeichen. Nach einer Dreiviertelstunde funktionierte alles wieder, ohne irgendein zutun, aber ich musste arbeiten. Kein Blogbeitrag.

Zumindest nicht heute Morgen. Eben hat sich hier ein kleines Zeitfenster aufgetan, weil sich Zoe zum Mittagessen Thunfisch-Sandwiches gewünscht hat. Die kann ich erst zubereiten, wenn die Kinder da sind. Also kann ich vorher nicht kochen, weil ich eh auch noch Salat und Mayonaise besorgen muss. Ihr seht, das Leben ist ein Vollwaschgang. Du weißt nie, wann du im Wollprogramm geschuckelt oder im Schleuderprogramm durchgewirbelt wirst. Stop and Go. Also hole ich jetzt gleich die Kinder vom Bus, fertige die leckersten Thunfisch-Sandwiches der Welt nach einem Rezept eines Greenpeace-Aktivisten, der manchmal Fünfe gerade sein lässt und freue mich an unserer neuen Weihnachtsdeko – die sollte nämlich auch einen Platz im heutigen Beitrag haben. Ela und ich haben am Samstag mit meinem Traktor eine kleine Birke aus dem Wald geholt, haben sie in einen großen Topf gepflanzt, in der Küche aufgestellt und passend zum Adventskranz mit bunten Weihnachtskugeln gemischt. Sieht schnuckelig aus. Die Kugeln im Glanz der 120 Leuchtbirnchen der Lichterkette. Tja, da kann man so kleine Serverirritationen doch einfach hinter sich lassen und sich an dem freuen, was kommt. Grrrr.

Leute, lest Böll!

Lesebefehl. Leute, wie Jim und seine Jungs immer sagen. Leute, Leute. Annegret hatte mich im Forum darauf gebracht, als sie Bölls Irisches Tagebuch empfahl. Habe ich mir bestellt. Dazu die Ansichten eines Clowns. Texte, die aus der Nachkriegszeit stammen. Fünfziger, sechziger Jahre.

Ich habe es bislang weder geschafft Grass, noch Lenz, noch Böll zu lesen. Meine literaturgeschichtlichen Studien haben diesen Zeitraum ausgeblendet. Ein Zufall? Hat sich nicht ergeben? Mitnichten. Ein Schutzreflex. Gestern Abend habe ich begonnen, Ansichten eines Clowns zu lesen. Gestern waren die Bücher eingetroffen. Am Abend vorm Ofen nach einer Partie Rommee mit Zoe, die mich ziemlich abgezogen hat (Grrrr – wir spielen seit cirka zwei Jahren. Jede Partie geht bis 1.000 Punkte. Wer 1.000 Punkte auf dem Konto hat, hat verloren. Der/ die andere erhält einen Punkt. Wer insgesamt 20 Punkte hat, gewinnt komplett. Ein Sieg über die letzten zwei, drei Jahre. Momentan steht es 17 zu 16 für mich. Zoe steht seit gestern Abend kurz vor der 17. Ausgleich. Allmählich wird es spannend.), fragte ich sie: Tagebücher oder Clown. Klar, Clown. war nicht anders zu erwarten. Suggestivfrage. Tatsächlich wollte ich zunächst lieber das Buch lesen. Den Mankell habe ich zur Seite gelegt. Mankell vs. Grass, was für ein ungleicher Kampf.

Ich begann zu lesen und wusste sofort, dass er es hat. Dicht, sprachlich intensiv. Und vor allem: Einen 100 Kilometer dicken Unterbau. Gefühlte, erlebte Wirklichkeit als Subtext. Der Mann war sechs Jahre lang im Krieg. Kam zurück, schrieb. Wand sich im Nachkriegs-Deutschland. Die Ansichten eines Clowns sind aufwühlend. Ein authentisches Buch, aus dem Leben, der Erfahrung heraus geschrieben. 253 kleine, eng beschriebene Seiten. Bei Seite 97 habe ich aus Vernunftgründen das Licht gelöscht.

Als Annegret das Wort Böll schrieb, war es für mich ein Flash. Ich habe Böll vergessen. Ignoriert. 1972 hat er den Literatur-Nobelpreis bekommen. Woran erinnere ich mich? Olympische Spiele in München, Anschlag auf die israelischen Sportler. Hubschrauber, Kampf, Explosion. Ich war sieben Jahre alt. An eine Nobelpreisvergabe erinnere ich mich nicht. 1974, Deutschland ist Weltmeister, ja. Großes Kino. Aber ein Literatur-Nobelpreis? Wir hatten kein schulfrei, es wurde nicht gesungen, es wurde kein Böll gelesen, es gab keine Böll Straßenfeste. Es war wie in Ansichten eines Clowns. Bloß nicht in der alten Scheiße rühren. Bloß nicht an die Nazis erinnern, die sich überall wieder eingenistet haben als Wendehälse. Gummimenschen. Schön die Schlaghosen der seventies drüber legen. Die sexuelle Revolte. Sich frei sexen.

Mein Vater trug Koteletten, las den Spiegel und besuchte Operetten. Er sah den Blauen Bock und Musik ist Trumpf. Er erzählte von den wilden Fünfzigern, von Tanzpartys, auf denen er Klavier gespielt hatte. Die Vergangenheit seines Vaters haben wir erst kürzlich besprochen und abgehakt. Zwei Jahre Entnazifizierung in einem englischen Umerziehungslager. 1956 an Darmkrebs gestorben. Innerlich zerfressen. Nun lese ich 2011 die Ansichten eines Clowns. Als wäre ich erst jetzt bereit dazu, als wollte ich Geschichte nachholen. Der Autor trägt den Namen Heinrich, wie mein rettender Gärtner-Opa, der kein Nazi war, aber doch 1945 nach Bonn an die FLAK musste. Scheinwerfer bedienen. Der in Remagen auf den Rheinwiesen gefangen war. Der entlassen wurde, weil er an einem Entlassungstag abseits stand. “Du da, rauf auf den LKW. Du kannst gehen.” Meine Eltern haben erzählt, wie ihre Väter nach Hause kamen.

Habe ich Böll aus Scham verweigert? Aus Selbstschutz? Weshalb haben wir Böll nicht in der Schule gelesen? Da ist einer, der hat den Blick, der hat eine Meinung, der steht aufrecht in der Zeit und hat etwas zu sagen, und der wird nicht weitergegeben. Kulturerbe. Was können wir froh sein, einen solchen Autor zu haben. Solche Autoren und Autorinnen. Es müsste einen Böll-Tag geben. Gestern starb Christa Wolf. Sie habe ich gelesen, wie viele andere ehemalige Schriftsteller/innen der DDR. Nun gehe ich in der Zeit einen Schritt zurück und nähere mich einem schwarzen Fleck auf meiner Geschichtskarte. Einer Zeit, die für meine Familie so große Bedeutung hat. Wir müssen wissen, was damals nach dem Krieg wirklich los war, um zu wissen, wie wir dorthin gekommen sind, wo wir heute stehen. Das ist Psychologie. Die Psychologie einer Gesellschaft, die sich bis in die Nervenbahnen von uns allen herunter bricht. Da gibt es nach wie vor einiges zu besprechen und los zu werden. Es gibt Dinge, die werden von Generation zu Generation weitergetragen. Wer glaubt, die Besenkammer sei ein guter Ort für Erinnerung, der hat ein Problem. Es hilft nichts, wir kommen nicht daran vorbei, dieses Kapitel auf unserem eigenen Tisch auszubreiten und anzuschauen. Alles andere ist Makulatur. Arabeskes Flickwerk. Schöner Schein. Danke, Heinrich. Von diesen Großvätern kann ich gar nicht genug haben.

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One Day in Paradise

Advent, Advent. 1. Dezember. Da geht das erste Türchen auf und was finde ich dahinter? Ein Geschenk von Gitta Becker. Sie sendet mir einen Lieben Gruß an den Fiftyfiftyblog in ihrem Blog. Sie hatte gestern meinen Beitrag Ruhe bewahren! Bewahren Sie die Ruhe! kommentiert und das Foto mit der Bank, den Ruheplatz am Wasser, in ihrem Blog verlinkt und so waren wir ins Plaudern geraten. Nizza. Sie war in Nizza, ich war in Nizza.

Nun möchte ich auf Gittas Nizza-Beitrag mit einem Nizza-Beitrag antworten. Im Frühjahr 2009 war ich mit Ela dort. Oder sie mit mir. Letztlich wir miteinander. Wir waren einen Tag durchgefahren bis Lyon, hatten ein nettes Abendessen in der Altstadt, haben uns am nächsten Tag kurz Avignon angesehen, um an die Küste zu kommen. In Sanary sur Mer, wo viele deutsche Schriftsteller im Exil lebten, schlenderten wir über einen typisch französischen Markt. Fühlten uns wohl. Aßen im Hafen mit Blick auf ein altes Holzschiff, das gerade renoviert wurde. Wir fuhren nach St. Tropez und ins Hinterland der Provence zum Wandern und von dort über Grasse einen Tag nach Nizza. Parkten das Auto an der Promenade, weit entfernt vom Stadtzentrum und eroberten die Stadt von Westen her. Auf diesem Weg entstand das Foto mit der Bank. Am Morgen, als es noch ruhig war.

Am Hotel Negresso vorbei schlenderten wir bis in die Altstadt. Besuchten den Markt, ließen uns durch die Gassen treiben, die uns irgendwann wieder ausspuckten. Wir hatten Hunger. Der im Kopf, die Sehnsucht nach Bildern, Meer, Sonne, war größer als der im Bauch. Wir ließen uns vom Hafen anziehen, setzten uns in ein kleines, gut gefülltes Restaurant draußen auf die Terrasse mit Blick auf die Boote des Yachthafens. Boote sind einfach immer sehr hoffnungsvoll und vielversprechend. Bewegliche Inseln. Fernweh.

Wir aßen gut, tranken Wein, Kaffee. Mit dem schreibenden Erinnern nun kommen die Bilder. Der Trubel dort, die pausierenden, erzählenden Menschen. Wir sind dann nicht an der Küste entlang zurück in die Stadt, sondern quer über den die Stadt trennenden Hügel. Rauf und runter. Und wir sind auch nicht die Promenade entlang zurückgelaufen, sondern durch eine hintere Straße. Dort entdeckte ich das Hotel Eden. Durch einen Zaun hindurch fotografiert. Eine schöne Szene, ein toller Name, dazu diese Unwirklichkeit der Baulücke mit dem parkenden Mercedes in Blau. Ein modernes Himmelreich. So also sieht er aus, der Himmel auf Erden.

Am nächsten Tag sind wir über Italien nach Hause gefahren. Haben fünf Stunden am Gotthard-Tunnel im Stau gestanden, was und nichts ausmachte. Die Bilder im Kopf, die schöne Reise und wir hörten “Gut gegen Nordwind”. Die Zeit verflog, wir kehrten zurück in den Alltag, trafen unsere Kinder wieder, den Hund. Alles schön, alles gut. Manchmal ist das Leben einfach ein kitschig schöner Rummelplatz vollen Farben und Eindrücke. Ich erinnere mich gerne. Ich denke, das ist der tiefere Sinn des Reisens, das eigene innere Bilderbuch mit Eindrücken zu bereichern. Vielleicht schaut ihr mal, was an Überraschungen hinter eurem ersten Türchen des Adventskalenders wartet, wenn ihr ein wenig tiefer hineinschaut und auf Entdeckungsreise geht.