In den letzten Tagen kamen hier im Blog Glaubensfragen auf, die mich beschäftigt haben. Ich meine, die beschäftigen mich schon immer. Und ich sehe und fühle hin, was um mich herum geschieht. Mittlerweile habe ich nur noch wenig Kontakt zur Kirche, erlebe sie aber dann doch immer wieder über die Teilnahme an Konfirmationen und Beerdigungen. Bevor ich angefangen habe, diesen Artikel zu schreiben, habe ich Zahlen recherchiert. Ich wollte kurz wissen, was die Fakten sind. Nach Wikipedia sieht es so aus, dass derzeit 30,5% der Deutschen katholisch sind und 29,5% evangelisch. Macht 60% Christen. Im Westen sind es derzeit 72%, im Osten 25% (nach Zahlen der Evangelischen Kirche).
Weshalb ich recherchiert habe? Wozu ich die Zahlen brauche? Nun, ich habe den Eindruck, dass bei uns hier auf dem Land die Kirche in der Zeit, seit der ich hier wohne, sich immer weiter aufgelöst hat. Es gibt nicht mehr die Pfarrer, weil es die Stellen nicht mehr gibt. Vielerorts hier heißt es, die Kirche sei pleite. Und tatsächlich haben wir die Konfirmation meines Patenkindes in einer Kirche mit Gemeindehaus gefeiert, die zum Verkauf steht. Das war ein wenig gruselig. Die war schon entweiht oder wie das heißt und stand nun wie erschlagen da. Nachdem in unserer Gemeinde hier der Pfarrer durch Burn-out ausgeschieden ist, wird ein 50% Nachfolger gesucht. 50% Pfarrer?
Bei Beerdigungen habe ich zuletzt wechselnde Prediger erlebt, die ich nicht kannte. Und die scheinbar auch nicht von hier kamen, denn immer, wenn der Name des verstorbenen Menschen genannt wurde, mussten sie nachlesen. Da entstanden peinliche Pausen. Was ist da los? Ist das nur auf dem Land so, oder auch in der Stadt?
Nun habe ich der Kirche selbst den Rücken gekehrt, weil ich mit ihr so gar nicht zurecht kam und mich anderweitig spirituell wohler fühle. Aber es ist kein gutes Gefühl, wenn sich Glauben zurückzieht. Glauben die Menschen heute anders oder ist tatsächlich der Atheismus unaufhaltsam auf dem Vormarsch? Das behauptet zumindest der Vorsitzende der Europäischen Evangelischen Allianz, der Tscheche Jiri Unger aus Prag. „In einem Seminar der Allianz-Konferenz im thüringischen Kurort Bad Blankenburg bezeichnete er den Atheismus als die am schnellsten wachsende Weltanschauung in Europa.“
Zieht Gott aus? Aus Deutschland? Zieht er sich zurück? Oder ziehen sich die Menschen zurück? In die materielle Welt. In die Welt der Wissenschaft, der Fakten, Fakten, Fakten. Oder ist das alles gar nicht so und die Kirchen sind eigentlich voll, was ich irgendwie nicht glaube.
Mein Gefühl ist: Die Sehnsucht ist da, allein die Form passt nicht mehr. Kürzlich war ich auf einer sehr deprimierenden Trauerfeier. Es wurde nur von Leid und Schuld gesprochen. Die Verstorbene hätte uns zurück gelassen und wir müssten nun ohne sie sehen, wie wir das weltliche Sein bewältigen. Eine Beerdigung ist so schon eine emotional anstrengende Angelegenheit. Einen Menschen, den man gekannt hat, zu verabschieden. Das letzte Geleit. Wir saßen in der kalten Friedhofskapelle und es wurde immer kälter. Keine Hoffnung, ganz wenig Trost. Die einzige Handreichung: Gott. Gott macht, Gott tut, Gott überall. Irgendwie war es ein blutleerer, kühler Gott. Wie schön wäre es gewesen, Trost zu bekommen im schwierigen Augenblick. Ein Gefühl von: Alles ist gut. Menschlichen Trost. Ich habe einmal bei einer Konfirmation einen alten Pfarrer erlebt. Der war als Vertretung gekommen und hielt eine Predigt, die war so kraftvoll. Jedes Wort gefühlt. Da war wirklich etwas im Raum. Wieso ist das so selten der Fall?
Ein schwieriges Thema. Puh. Zwischendurch wollte ich es einfach lassen. Dann habe ich mir gedacht: Nö. Muss raus. Vielleicht gibt es Antworten. Würde mich interessieren.

