Dem Meer so nah auf Schiermonnikoog

Gras 2

Den ganzen Tag unterwegs. Mit Herrn Cooper, sofern er kann. Er wird alt, will nicht mehr so weit. Heute ist er stehengeblieben, hat mich angesehen, wollte umkehren, der alte Junge. Nicht mehr an der Leine am Fahrrad. O.K. Habe ihn gelassen, trotz Leinenpflicht und entsprechender Blicke.

Er geht seinen Weg, in seinem Tempo. Manchmal bricht er mir das Herz.

Das Meer. Wie ein großer Bruder. Beruhigend, schützend. Fahre über die Insel mit dem Rad, laufe am Strand entlang, die Kamera dabei. Viel Natur, überwältigend groß, schön. Alleine auf der riesigen Sandbank. Eine halbe Stunde bis zum Wasser laufen. Ein paar Fotos, wenig Worte.

Kanal

Chocomel

Dangerous

Gras

Kanal 2

Kiter 2

Kiter 3

Kiter

Leuchtturm

Leuchtturm2

Lifeguard

Lifeguard2

Lifeguard3

Muschel

Segel

Spuren 2

Strand_Linie

Strand_Mann

Vögel

Spuren

Jens

Über Land

Im leichten Schritt enthoben
die weiche Seele in ein Tuch gehüllt
am Gürtel

Füße gleiten über frisch gewaschene Gefühle

Den Mantel abgelegt
das Zepter eingeschmolzen
das Pferd dem Ackerer geschenkt

Mit den Vögeln ziehen
eine Weile
im Bussardkreis
aufgenommen in die Krähenbande
an der Seite des Milans

Von oben
Küsse liegen sehen
deinen Zuckerwattemund

Ist Sehnsucht Flügel
oder Blei?

In allen Schritten
liegt die Welt
in bunten Tüchern

In Farben, Mustern
Rosenöl

sEPTEMBER 2015

„… dann ist das nicht mein Land.“

wertheim8_red
(Installation Sebastian Linnerz, Köln)

Respekt.

Natürlich war ich als Kind der Seventies immer für die Revolution. Nichtsdestotrotz habe ich bei der Bundeswehr als Scharfschütze gedient. Und anschließend für immer verweigert. Schizophren, könnte man meinen, denken, sagen. Nun. So ist dieses Land. Es gibt Freiheiten, Irrwege, Richtungsänderungen, Meinungen, Umdenken.

Eine Frau als Kanzlerin. Für dieses Land ein Novum. Ein Extra. Führungspositionen tragen Krawatte. Dunkelblau. Sie trägt Kostüm und Zurückhaltung. Angie-Fan zu sein, war bislang nicht einfach, es sei denn, man hat schon immer Karohemden getragen, das System nie in Frage gestellt, ist den geraden Weg gegangen, hat es stammtischgerade immer besser gewusst. „Kann nicht funktionieren, wird nicht funktionieren, das hat es noch nie gegeben.“ Konservativ halt. Da kann man technisch innovationieren, bleibt gesellschaftlich aber gerne die rote Laterne des Fortschritts. Aus Angst, aus der im Mantra wiederholten Sorge heraus, es könnte sich etwas verändern. Wenn das Konservative zum Fels wird, der kühl und starr Werte manifestiert und bewahren will, die Werte der Menschlichkeit und des Sozialen aber außen vor lässt, ist etwas faul im Staate Dänemark. Je dunkler, je starrer, je unmenschlicher.

Deutschland im Spätsommer 2015. Der lange Weg aus dem Krieg ist bei uns angekommen. Die Gesichter der Leidenden steigen aus dem Fernsehen über die Grenzzäune. Der Treck 1945. Rette sich, wer kann. Wo eine Not ist, ist auch ein Weg.

Eine vollkommen neue Situation. Herrje, die Nazis, wie sollen sie damit zurechtkommen. Da sitzen sie um ihre Gauleiter und klagen über die Zukunft Deutschlands. Dabei, einen lieben Dank an euch, habt ihr doch erst alles ins Rollen gebracht. Der Zauberlehrling seid ihr. Walle, walle. Ihr dachtet, die Revolution des nationalen Widerstandes wäre da und unter den Klängen Wagners in Form von „ROARR“ würde die Demokratie die Segel streichen und ein Führer käme aus den Tiefen des deutschen Bodens aufgefahren.

Loderndes Feuer. Der Wahnsinn Neros. Es soll brennen. Sie sollen brennen. Und nun? Wohin haben die Zündeleien geführt? Wohin die betrunkenen, grölenden Auftritte in Freital und Heidenau? Zunächst einmal sind die Städte als Marken verbrannt, zu unschönen Symbolen geworden. Sie tragen nun das Brandzeichen des Hasses und werden zu Stiefbrüdern von Hoyerswerda, Rostock, Mölln. Das ist gemein für die, die dort einfach nur leben möchten. So ist Leben. Zur falschen Zeit am falschen Ort.

Volksverräterin haben sie gerufen, als die Bundeskanzlerin in schwarzer Karosse vorfuhr. Das wird ihr nicht gefallen haben. Helmut Kohl hat das damals ignoriert, als die Familie Genc in Solingen verbrannt wurde von Nationalsozialisten. Angetrunkenen. Nach einem Polterabend. Immer sind sie angetrunken.

„Gürsün İnce (27) und Saime Genç (4) erlagen ihren Verletzungen nach einem Sprung aus dem Fenster. Ein sechs Monate alter Säugling, ein dreijähriges Kind und der 15 Jahre alte Bekir Genç wurden mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus gebracht. Bekir Genç erlitt schwerste Verbrennungen und unterzog sich seit dem Anschlag insgesamt 30 Operationen und Hauttransplantationen. 14 weitere Familienmitglieder erlitten zum Teil lebensgefährliche Verletzungen.“ (Wikipedia)

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.

Nun brennt es wieder in Deutschland. Die Nationalsozialisten brechen reihenweise Gesetze. Hassbegründet. Vererbt vom Großvater, Vater, Onkel. Braune Sozialisierung in Dortmund und Dresden. Dort scheint es am schlimmsten zu sein. Und natürlich hier und auch woanders. Auf Spiegel Online gibt es eine Karte der Brennpunkte, der Orte, an denen sie zugeschlagen haben. Auf Spiegel Online gibt es auch Jan Fleischhauer, der den „Gutmenschen“ ihr Mitgefühl vorwirft und sie in einer schmerzlichen Arroganz als dumm abkanzelt. Er scheint den Brandstiftern, den Volksrettern näher zu stehen als den Menschen in Dortmund und München, die früh Morgens am Bahnhof stehen, um zu helfen. Bespuckt und bepöbelt von denen auf der anderen Straßenseite.

An der Demokratie wird ein wenig gerüttelt. Ein Teil der Bevölkerung steht nicht hinter der Verfassung, die das Fundament unseres Landes, unseres Zusammenlebens ist. Die Nationalsozialisten haben versucht, diese Verfassung mit Brandbeschleunigern anzuflämmen. Kurz sah es so aus, als würden sie Aufwind bekommen. Ihr Lächeln in die Kameras wurde breiter. Und nun? Haben viele Menschen dieses Landes geantwortet. Die Hilfsbereitschaft ist grenzenlos. Auch wenn es Fleischhauer und der CSU und der NPD nicht gefällt, ein großer Teil der Menschen in diesem Land sind bereit, Zuflucht zu gewähren. Auch, wenn es 10 Milliarden Euro kostet. Auch auf die Gefahr hin, dass sich dieses Land verändern könnte.

Und dann sagt Angela Merkel: „Ich muss ganz ehrlich sagen: Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“

DANN IST DAS NICHT MEIN LAND.

Das ist ganz nah an Willy Brandts Kniefall. Das ist großes Kino. Gefolgt von der Aussage, dass die Verfassung keine Obergrenze kennt. Grundgesetz, Artikel 16 a: Politisch verfolgte genießen Asylrecht.

2006 beim Sommermärchen dachte ich: Hey, dieses Land hat sich verändert. 2015 nach Freital und Heidenau dachte ich: Schade, doch nicht. Nun denke ich doch wieder anders. Es gehört zum Wesen dieses Landes, dass wir dem Frieden nicht trauen. Wie viel Hitler steckt in Deutschland 60 Jahre danach? Ein Teil oder nur Spuren? Manche sind durchzogen, die meisten sind klar und tragen das Herz dort, wo es hingehört. Dieses Land, diese Demokratie ist nun stärker als vor einem Monat. Zusammenrücken tut gut, dann spürt man sich und verlässt die Lethargie des Wohlstands.

Nationalsozialisten wirken bedrohlich und böse, wirklich von Bedeutung sind sie nicht. Einfach nur unangenehm lästig. Das ist eine Botschaft, die mir gefällt.

Heartbeat

Leiter hinunter
Stirnlampenschein
Windungen, Fluss

Beschwerlich
glitschige Wände

Herabgelassen
am Seil
tief

Inmitten
meines Herzens

Die Gefangenen
im Käfig
schlafen

Tattoos
an den Wänden
gebrochenes Herz
Anker
Glaube, Liebe, Hoffnung

Die Strichliste
Narben
das eine Kreuz

Im Licht der Film
grelle Bilder
Super 8

Geburt, Fall
Inri
Immerwiederauferstehung

Das FUCK YOU
Graffiti
sorry

Die Sonne
durch die Brust
die Halle
rotglühend

Auf die Matratze
in der Ecke
zu dir

Kalaschnikow
Sonnenbrille
Dollarschein
die Kette
mit den 108 Perlen

sEPTEMBER 2015

Es dauert nicht mehr lange…

Jens 014

Dann wird der fiftyfiftyblog 5 Jahre alt. Ihr könnt zurückscrollen oder durch die Zeiten gehen, wie es in schön heißen würde.

Der erste Beitrag. Ein Gedicht. Kirschblütenblättersehnsucht. Siehe unten.

Fünf Jahre. Intensive Jahre. Es freut mich, sie nachlesen zu können, was ich nie tue. Nur Viveka macht das, weil sie mich liebt. Weil es sie interessiert, weil es viel über mich erzählt. Geliebtenforschung, nachfühlen, einfühlen, nachvollziehen, anfassen. Hätte sie einen Blog, ich würde versinken, Zeiten verlieren, den Überblick.

Ein Blog. Anfangs hatte ich Angst. Herrje, alle können das lesen – worldwide. Und jetzt? Hey, wir leben tatsächlich in einer offenen Gesellschaft (sofern man nicht den Status Refugee trägt, Kacke). Kann ich machen. Schreiben, denken, Gedichte posten.

Was mich ein wenig kratzt? Den Highscore in diesem Blog, den Tag der meisten Besuche, hält der Beitrag, in dem ich die Trennung gepostet habe. Fast 600x aufgerufen. Nichts hat mehr interessiert. Kein Gedicht, kein Text, kein Foto. Hm. So it is.

Ja, ich gebe zu, meine tatsächliche Sehnsucht ist es, dass eines meiner Gedichte durch die Decke gegangen wäre. Naiv. Nein. Sagen wir hoffnungsfroh. Grins.

Ihr wisst, so ein Blog ist bei aller Freude und der Lust des sprachlichen und virtuellen Austobens eben immer auch Arbeit. Er ist ein Teil von mir, wie immer das geschehen konnte. Keine Ahnung. Eine Bühne. Ein Präsentationsraum, ein Kontaktraum, der Aufmerksamkeit schenkt. Egopflege, Spiegelbild, Kontrollzentrum.

30. September 2010. Es ist noch ein wenig Zeit hin. Vorher feiere ich mit Ela und Freunden 200 Jahre. 4 x 50. Groundcontrol to Major Tom. Ein schönes Fest. Meine Mutter wird 77. Im Zeichen der Jungfrau.

Es stehen Dinge an. Ein Treffen mit Norbert van Ackeren. Er hat Viveka und mich gemalt. Öl. Kupfer. Ein großes Bild. Vielleicht wird es eine Lesung geben. Eine Ausstellung. Texte. Bilder. Ich bin aufgeregt. Mal wieder Publikum nach all den Jahren. Bühne. Keine Konzeptpräsentation vor Kunden, kein Business. Texte, Gedichte. Stimme. Vielleicht. Oder auch nicht. Wir werden sehen. Es würde mich ausgesprochen freuen.

Das Bild hängt in Köln. Bislang habe ich mich nicht getraut, es zu fotografieren. Aus Respekt. Aber es kribbelt. Ich möchte es fotografieren und spüren, was es mit mir macht, uns so zu sehen. Ich möchte es beschreiben. Freien Lauf lassen. Eine Köstlichkeit, die wartet.

Nun.

Wie geht es weiter? Allgemein? Blog? Leben? Wohnen? Genau genommen weiß ich es nicht. Allmählich löst sich hier die Familie auf, weil die jungen Mitglieder ihr entwachsen und Ela und ich Schritt für Schritt nun doch eigene Wege gehen. Wir haben über drei Jahre durchgehalten und die Familienkonstellation getragen. Viveka und Jens mussten das erdulden. Nicht immer einfach, wie ihr euch denken könnt. Wir werden sehen. Die Dinge ändern sich, das Leben läuft weiter, der Horizont wartet (was so viel heißt wie: Ich habe keine Ahnung, was in den nächsten Monaten mit meinem Leben konkret geschieht.)

Der Blog wird weiterlaufen. Ich liebe ihn sehr. Genau mein Format, meine Spielwiese. Manchmal wünschte ich, der Blog wäre geheimer und ich könnte meinem Tagebuch mehr von dem anvertrauen, was mich umtreibt. Aber dann. www. Es gibt doch noch Ecken, die sind im Herzen vergraben.

Kirschblütenblättersehnsucht

wirft der schmelzende Schnee

mir kalten Nebel in den Kragen

wann

wirst du kommen

Kirschblütenblättersehnsucht

küss mich

leg deine Hand in meine

die Katzenpfoteninnenseiten

ineinander

aufgelöst eins

nicht wartensehnen

nicht tränentropfen

alles

januar 2010