Interstellar – wollen wir die Erde wirklich verlassen?

IMG_0096

Nun, man kann diesen Film anschauen und interpretieren. Man kann ihn zurecht als ein Meisterwerk unserer Zeit betrachten und ihn beklatschen. Hollywood liefert ganz großes Kino. Im beachtenswerten IMDb-Ranking erreicht der Film bereits eine bemerkenswerte 8,9 von 10. Das katapultiert ihn in der alltime-hall-of-fame auf den 12. Rang. Excellent, Christopher Jonathan James Nolan.

Egal. Vergessen wir einmal den Film. All das Faszinierende um Raum und Zeit, schwarze Löcher und unendliche Unendlichkeit. Das Abenteuer auf der Suche nach einer Überlebenswelt im All. Der Plan B der Menschheit. Ein Blockbuster. Es geht um Katastrophe und Rettung. Ami-Style.

Was mich interessiert: Wieso jetzt?

Kunst und Kultur sind wie die Mode. Sie nehmen Dinge vorweg und kreieren Trends. Deshalb investieren Städte in Kunst, weil sie dadurch vorweg gehen und den Status ANGESAGT erhalten. Kultur ist ein starker Faktor.

Nun dreht dieser Nolan einen außergewöhnlichen Film. Auf die animierten, übers Wasser fliegenden Paramount Pictures-Sterne folgen 169 spannende Minuten. Diese Minuten sind eine Odyssee. Matthew McConaughey (der im Film COOPER heißt!!!), der mit dem Oscar für seine Rolle im Dallas Buyers Club, betritt Neuland und durchfliegt Dimensionen.

Auf der Suche nach neuem Lebensraum.

Das ist der Punkt. Das hat mich berührt. Tatsächlich hatte ich plötzlich das Gefühl, dass es hier nicht einfach um eine Story geht. Nicht einfach um einen Film, eine Geschichte, die Aneinanderreihung gelungener Bildsequenzen. Mich hat eine Botschaft getroffen. Die Menschen verlassen das sinkende Schiff. Klar, Gedankenspiele. Aber scheinbar rückt der Kosmos ins Zentrum des Interesses.

Hier unten ist es im Zusammenleben aller ein wenig krampfig geworden. Der Club of Rome hat die Horrorszenarien der Entwicklung schon vor langer Zeit an die Wand geschrieben. Nun zeichnet sich ab, das viele Dinge eintreten. Und es gelingt nicht, eine Sprache zu finden. Babel. Es klingt wie eine Kakophonie.

Während sich Wissenschaftler Strategien überlegen, wie die Erderwärmung zu minimieren ist. Wie sich CO2 kompensieren lässt, wie mit den Folgen des weiterhin austretenden radioaktiven Wassers von Fukushima umzugehen ist, halten die Ukraine und die Idioten vom Islamischen Staat die Welt in Atem. Halten wir fest: Im Jahr 2014 freuen wir uns, dass Amerika Islamisten bombardiert. Zeitgleich ist Krieg in der Ukraine und Russland widerfahren westliche Sanktionen. Äh, wie jetzt? Was ist passiert? Da war doch mal G8. Russland als Partner… Gehen wir jetzt rückwärts?

Es scheint ein attraktiver Gedanke zu sein, dort draußen hinter der ISS das gelobte Land zu suchen. Ein Paradies, in dem Milch und Honig fließen. Lieber Planet, wir müssen uns trennen und sagen Adieu. Sorry, wir habens verkackt und nun können wir hier nicht mehr leben. Wir lassen dir die Idioten (Nazis, IS & Co.) hier und entschwinden…

Wollen wir das? Klar, eine Frage zur Unzeit. Noch ist nicht aller Tage Abend. Noch ist die Apokalypse nicht now und Armageddon ist nur ein billiger Vorreiter von Interstellar. Alles Kino. Und dennoch vorstellbarer denn je. Wir setzen die falschen Akzente. Wir vergeuden unsere Energie dafür, den schwarzen al-Baghdadi in Schach zu halten. Jahre, die verpuffen. Kräfte, die sich in Allianzen aufreiben. Sinnlos. Braucht kein Schwein.

Ich bin noch keine 50 Jahre alt und kann mich an Zeiten erinnern, da sah es echt rosig aus. Russland und Amerika hatten sich entschlossen, Abrüstung zu betreiben. Ein Michail Gorbatschow hatte eine Zeitenwende eingeleitet. Ich dachte damals: Nun ist die Welt gerettet. Wie doof kann man sein. Hammerwerfer, Vollpfosten, Kurzsichtige sterben nie aus.

Und so werden Filme gedreht, die die Geschichte der Suche nach neuem Lebensraum im All erzählen. Atlantis. Nicht im Meer, hinter den Sternen… Genau jetzt. Heute im Jahr 2014. Und die Story macht Sinn. Ja, ist überlegenwert. Paff.

O.K. Genug gejammert. Immerhin durften wir Interstellar in der Luxus-Version erleben. Nobel geht die Welt zugrunde. Für eine liebe Freundin hatte ich Webtexte für ihre Hebammenseite geschrieben – sie hat sich mit Gutscheinen für das Residenz-Kino in Köln bedankt. So ein Edelkino mit Ledersitzen und Tischchen und Bedienung und Begrüßungs-Prosecco und Antipasti und Drinks… Himmlisch. Herzlichen Dank, Michaela. Ein außerordentlich schönes und beglückendes Geschenk!

Die Sonnenfinsternis oben, das Foto, ist übrigens eine der Deckenleuchten des Kinos. So. Dann hoffen wir, dass die Wissenschaft schnell einen Weg durch die Wurmlöcher des Alls zu den sieben Bergen findet, wo es sich schön und entspannt leben lässt. Vielleicht gibt es ja für jede Religion einen Planeten, dann wären wir hoffentlich das Problem schon mal los…

Move your ass with R&B – dancing im Grillo-Theater

IMG_0084

Leute, Leute.

Ey. Also. Wenn man Sätze mit FRÜHER beginnt… Am Wochenende war ich bei Viveka in Essen, was mir echten Ärger eingebracht hat. In unserem Dorf haben sich Dinge verändert. Seit wir hierher gezogen sind, war St. Martin IMMER am 11. November ab 17 Uhr. Alle treffen sich auf dem Schulhof/Feuerwehrplatz vor unserer Tür, um in zwei Gruppen von Tür zu Tür durchs Dorf zu ziehen. Eine sehr, sehr lustige Angelegenheit, die mit Alkohol zu tun hat.

An der einen Tür gibt es Süßigkeiten und Geld für die Kinder, und Aufgesetzten oder Schnaps für die Eltern. An der nächsten Tür folgen Süßigkeiten und Geld für die Kinder, und Likör oder Bier für die Eltern. An der nächsten Tür dann Süßigkeiten und Geld für die Kinder, und Baileys oder Glühwein für die Eltern. Das ist hartes Programm. Am Ende geht dann die Tür des letzten Hauses auf – und es ist dann immer sehr lustig. Manchmal haben wir aus voller Kehle Yellow Submarine gesungen oder In der Kaffeebud… Und natürlich: Hier wohnt ein reicher Mann, der uns was geben kann, viel soll er geben, lang soll er leben… Da kamen auch so Kommentare wie: Wir nehmen auch Kreditkarten, Wertpapiere, Erbscheine… Herrje.

Am Ende treffen sich alle im Dorfhaus, wo es Kakao, Kuchen und Waffeln für die Kinder mit den roten Bäckchen gibt und einen Abschlusstrunk für die Eltern. PENG! „Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus, Rabimmel, Rabammel, Rabumm. BUMM, BUMM.“ Es ist nicht einfach, erziehender, sich einbringender, mitmachender Papa auf dem Lande zu sein. Ich sag euch, ne‘ echt harte Nummer.

Und dieses Jahr war ich nicht dabei! Verlegt aufs Wochenende. St.Martin am Samstag. Primetime. Und ich war in Essen! Zoe was not amused. PAPA! Nun. So ist das. Geht nicht alles. Sorry!

Stattdessen war ich mit Viveka tanzen. Im Grillo Theater. In der HELDENBAR. Ich hatte eigentlich Lust auf Theater. Wollte mal wieder Theaterluft schnuppern und ein Schauspiel sehen. Tja, da lief nur Lukas der Lokomotivführer im Nachmittagsprogramm. Abends: Pop, HipHop, R&B mit Batti + Miss Sayorkcity. Gut. Move yous ass, baby. Warum eigentlich nicht.

Wir haben uns auf den Weg gemacht, was hart genug war. Die Kids fangen heute aus irgendeinem bescheuerten Grund erst um 24 Uhr an zu feiern. Vorher ist das irgendwie unschick. Boah. Harte Granate. Da schleppst du dich mit Bus und Bahn in die Stadt, kommst reichlich abgerockt an, zahlst Eintritt und gehörst zu den ersten. Was den Vorteil hat, das Platz ist. Wir haben uns direkt oben vor dem mittleren Fenster postiert und hatten einen wunderbaren Blick auf den Vorplatz und die Stadt.

Und dann haben wir bis in kurz vor 4 getanzt. R&B. Jetzt weiß ich auch, was das genau ist. Hat Spaß gemacht, auch wenn wir den Altersschnitt der Veranstaltung ein wenig gehoben haben. Egal, Hauptsache, es macht Spaß. Ja, und wie. Mit Viveka die Körper fliegen lassen. Wirbeln, lachen, prusten. Von den jungen hübschen Kollegen um mich herum habe ich jede Menge High Fives bekommen und einer wollte irgendetwas mit SET wissen… Ich glaube, der wollte Drogen kaufen. Wahrscheinlich dachte er, wenn man in dem Alter R&B tanzt, kann man nur auf Droge sein. Ab und an habe ich mir die Fensterbank mit dem direkten Blick nach unten gegönnt. Auf der einen Seite die Stadt, auf der anderen Viveka. Sie sah sehr hübsch aus – sie hat so ein bestimmtes Lächeln und funkelnde Augen. Habe ich euch schon einmal erzählt, dass ich sie liebe? Ne, ne? Würde ich auch nicht machen, das wäre hier in der weltweiten Öffentlichkeit viel zu privat.

Gute Nacht. Schlaft gut, träumt süß und TANZT. TANZT!

Zurückgelehnt im Hängesessel

Bäume_Sonnenaufgang

Abhängen. Allein.

Komme vom Fußball. Viveka ist wieder in Essen, Zoe pennt, Jim ist mit Freunden in Holland, Ela ist heute vom Yoga-Wochenende aus Amsterdam zurückgekommen und Jens hat morgen seinen letzten Tag als Kameramann in dieser ewig langen Filmproduktion.

Ich sitze hier im Hängesessel. Herr Cooper hat mich verlassen und sein Kissen in der Küche gewählt. Eben habe ich das restliche Risotto vom Wochenende mit den letzten Pfifferlingen des Jahres weggeputzt. Bin müde vom Arbeiten, vom Fußball. Die Präsentation morgen Nachmittag ist verschoben. Du arbeitest auf einen Punkt hin und dann wusch. Ah ja. O.K. Dann ist das so.

Jetzt futtere ich die letzten Lakritz. Fußball macht hungrig, vor allem, wenn man den ganzen Tag nichts gegessen hat. Ich esse nicht gerne, wenn ich arbeite. Das macht den Kopf schwer und müde. Bei mir. Ich halte lieber die Spannung und den Kopf auf Touren. Das ist eine Sache von Geschwindigkeit. Ich weiß, es gibt tausend Gegenargumente, aber mir ist es so lieber.

Das Wochenende haben Zoe, Viveka, Herr Cooper und ich hier verbracht. Sehr gemütlich. Wir haben Filme mit Romy Schneider und Juliette Binoche gesehen. Und einen, den Zoe sehr mag. Sehr traurig, so richtig zum Heulen und trotzdem schön, romantisch, hoffnungsfroh. Wir saßen zu dritt auf meinem Bett. Eigentlich wollten wir das Bild per Beamer über meinen Buddha an die Wand schmeißen, aber das hat aus technischen Gründen nicht geklappt. Wir hatten drei Laptops, die nicht in der Lage waren, den Beamer zum Laufen zu bringen. Zoes hat eine Macke, meines mag den Stecker nicht und Jims hat Ubuntu drauf, was einfach nicht harmoniert hat. Weil Jims Akku kaputt ist, hat er mein Windows-Laptop mit nach Holland genommen. Das hätte geklappt. Tja.

So haben wir auf den Beamer verzichtet, zu dritt aufs Laptop gestarrt und geheult. Ich durfte in der Mitte sitzen und habe natürlich so getan, als würde mich das nicht im Geringsten berühren. Bis zu dieser Szene. Mist. Die beiden waren Gott sei Dank so mit sich beschäftigt, dass es nicht aufgefallen ist. Da konnte ich mal kurz das Augenjucken wegwischen. Echt gemein. Volle Emotions-Breitseite.

Zwei Abende haben wir Romme bespielt und Zoe hat uns wahrlich abgezogen. Ich weiß nicht, wie sie das macht. Unbesiegbar! Immer die richtigen Karten. Sie hat die Punkte mitgeschrieben auf einem Block und jedes Ergebnis kommentiert. Die Kommentare für sie waren überwiegend positiv und begeistert, die anderen beiden Mitspieler/innen, also Viveka und ich, durften uns einige Häme gefallen lassen. Also wirklich. Verlieren ist ja schon mental nicht ganz so einfach. Wenn man dann aber noch… Grrrrrrr. Aber als Papa muss man natürlich aus erziehungstechnischen Gründen über den Dingen stehen und lächeln. LÄCHELN!!!! Hust, würg, Arrrrghhhh! Nun ja. Was einen nicht umbringt… Fast nicht umbringt.

Am Sonntag waren wir dann bei Freunden von Viveka in Köln. Wenn sich Familiengrenzen auflösen, entstehen neue Konstellationen. Man lernt automatisch neue Menschen kennen, was bei allem anstrengenden Trennnungsgedöns dann auch was Positives hat. Überhaupt gibt es einiges Positives. Überraschend. Manches hätte ich so gar nicht erwartet.

So stehe ich zum Beispiel in Kontakt mit einem jungen Mann aus Hamburg, der mich aufgrund meines Blogs und meiner veröffentlichten Trennungsgeschichte kontaktiert und um Rat gefragt hat. Wir haben telefoniert, lange gesprochen und er hat es wirken lassen. Nun habe ich eine sehr nette Mail bekommen. Es geschehen Dinge, die eben nur dann geschehen. Bei aller Trauer und allem Gefühl von ‚das hat nicht geklappt‘ entsteht auch viel Positives. Mein Horizont ist durchaus blauer und wilder. Ich weiß nicht mehr genau, was kommt, aber freue mich darauf. Ehrlich. Das ist spannend und aufregend und eine ganze Ecke freier, weil alles neu entwickelt werden muss.

Das ist wie 10-Meter-Brett. Ist man erst gesprungen, ist alle Sprungangst vergessen. Platsch! Bombe! Grins! Manchmal ist es ein viel zu Festhalten. Klar, manchmal auch nicht. Gibt ja kein Allgemeinrezept.

In Köln habe ich ein Modell-Segelboot mit weißen Segeln in einem Fenster stehen sehen. Das sah sehr schön aus. Es gab Käsekuchen, Pfifferlings-Risotto, Frascati, Kaffee und ein Kennenlernen. Aufregend. Schön. Ja, so ist es.

Gute Nacht.

Marat/Sade als furioses Theaterspektakel – unbedingt ansehen!!!

Marat Sade 2_red

Feuer. Lust. Expression.

Zur Aufführung kommt Marat/Sade von Peter Weiß in der Inszenierung von Marcus Lachmann. 27 Schauspielerinnen und Schauspieler kehren als wahrhaft beseelte Truppe ihr Innerstes nach außen. Als ich das Stück las, wusste ich nicht. Würden sie das hinbekommen? Die Revolution. Wie sie ihre Kinder frisst. Machtkampf, Seelennot, Wille – dargestellt durch Insassen der Nervenheilanstalt Charenton. Stück im Stück im Stück im Stück. So viele Fäden der Geschichte. Der Bezug zur Gegenwart. Der Verrat an den Idealen. Mehr denn je Zentrum und Wesen der menschlich gesellschaftlichen Phylogenese. Wie verhalte ich mich? Zu welche Seite der gesellschaftlichen Entwicklung möchte ich gehören?

Und dann das! Ein Theaterabend der barocken Fülle. Jeder Augenblick prall. Angebote über Angebote. Jede Figur fein gezeichnet, alle Akteure in jedem Moment konsequent im eigenen Geschehen, in der eigenen Figur. Wo hinsehen? Welches Schauspiel aufnehmen?

Die Figuren und Handlungen greifen ineinander, sauber inszeniert. Der Wahnsinn der Insassen ist in einer Art und Weise dargestellt, die professionell ist. Keine Überzeichnung, kein blinder Aktionismus, konsequent aus der jeweiligen Figur heraus gespielt.

Was macht Marat in der Wanne? Was macht de Sade? Was die Schwestern, Wärter? Roux, der Aktivist? Die Insassen? Jede Individualgeschichte ist stringent durcherzählt. Die Hauptakteure treten in den Vordergrund, treten zurück, wechseln sich ab, spielen miteinander und werden kraftvoll flankiert, getragen vom Ensemble.

Ein Gesamtauftritt geprägt durch Kraft, Energie, Sensibilität für das Geschehen und Bilder, die von ergreifend bis wunderschön reichen. Man glaubt nicht oder vielleicht vergisst man es, dass man hier in der Sporthalle einer Schule sitzt und sich vom Geschehen fesseln lässt. Die Truppe würde auch auf großer Bühne der Stadttheater alles an die Wand spielen. Als ginge es um ihr verdammtes Leben.

Keine Sekunde Langeweile. Das Timing stimmt, der Rhythmus der Szenen, das Tempo, das anzieht, nachlässt, aufbraust, ruhig ausläuft. Im Hintergrund immer wieder der Chor, der mit Klangteppichen Atmosphäre schafft.

Es ist ein fulminant aufspielendes Ensemble, das sich blind versteht und vertraut. Es gibt noch zwei Möglichkeiten, Marat/Sade in dieser Inszenierung zu sehen, gleich, also heute Abend um 20 Uhr und morgen Abend um 18 Uhr. Der Eintritt ist sehr günstig – nämlich kostenlos. Spenden sind willkommen, um die Kosten zu decken. Karten braucht man keine bestellen, wer kommt, wird eingelassen. Gestern Abend hat das gepasst, heute Abend und morgen könnte es dann eng werden. Einfach rechtzeitig da sein.

Infos, Adresse und so weiter hier.

Marat Sade_red

Ein gepflegter sonniger Sonntag auf dem Lande

Kürbisse_gelb_red

Und am Sonntag scheint die Sonne!

Ja. Und wie. Eintrag im Logbuch: 19. Oktober im Sternenjahr 2014. An vielen Orten der Welt tobt der Krieg wie lange nicht mehr. Nur ein kleines Dorf im Oberbergischen stellt sich dem Treiben mit guter Laune, Sonnenschein und einem zünftigen Feuerwehrfest tapfer entgegen. Nosbach inmitten der oberbergischen Wälder und Wiesen. Auf dem Dorfplatz unter der Friedenseiche (gepflanzt nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71) hat sich die Feuerwehrkapelle versammelt, um einen würdigen Rahmen zu schaffen.

Der Bürgermeister ist gekommen, der Rat. Abgesandte befreundeter Wehren. Die Brandweer Roden aus den Niederlanden – befreundet mit der Nosbacher Feuerwehr seit 1974. Gelebtes Europa, Völkerverständigung, Frieden.

Es wird das umgebaute Feuerwehrhaus inklusive des neuen Hilfe-Lösch-Fahrzeugs (HLF 20) übergeben. Die Gemeinde hat viel Geld in die Hand genommen, um bei Brand und Unfällen bestmöglich agieren zu können. Bei uns auf dem Land ist das ein freiwilliger Dienst. Ertönt das Signal des alarmierenden Piepers am Gürtel der Einsatzkräfte, verwandeln sich Maler, Maurer, Rechtsanwälte, Gartenbauer, Tankwarte, Testfahrer in Retter.

Brennt es? Im HLF sind die Rucksäcke mit den Sauerstoffflaschen die Rückenlehnen. Während der Fahrt werden die Atemschutzmasken aufgesetzt, die Flaschen aufgedreht, die Helme aufgesetzt, die Taschenlampen am Helm gezündet. Es geht in ein brennendes Haus. Man weiß nicht, was einen erwartet. Bilder, Gefahren, Unwägbarkeiten. Was ist mit dem Gasanschluss? Gibt es Kinder? Kann das Feuer durchzünden? Freiwillig. Die schwarzen Schmauchspuren an den Helmen erzählen, dass das alles nicht nur Theorie ist. In den letzten Jahren trieb ein Brandstifter sein Umwesen in der Region. Über 60 Einsätze in einem Jahr. Während der Arbeitszeit, in der Freizeit, morgens, abends, nachts, immer. Piep, los.

Sie haben sich den Sonnenschein also redlich verdient. Und so wurden die Reden feierlich gehalten, der Pfarrer gab seinen Segen, die Feuerwehrkapelle spielte auf, die Dorfgemeinschaft kümmerte sich um die Gäste, die Küchenchefs der Feuerwehr um das leibliche Wohl.

Feuerwehrfest

Es war schön. Das neue Feuerwehrauto war mit einer Blumengirlande geschmückt – von den Feuerwehrfrauen am Tag zuvor gemeinsam geflochten. Tradition. Friede. Ein Leben, das seinen ruhigen Lauf nimmt. Am Morgen durfte ich die Feuerwehrleute fotografieren. Die ganze Truppe, die Jugendfeuerwehr, Väter mit Söhnen, einen ausscheidenden Feuerwehrmann mit seinen beiden aktiven Söhnen und dem Enkel. Vererbte, gelebte, weitergegebene Freiwilligkeit. Ein sozialer Dienst für die Gemeinschaft. Damit alle in Ruhe leben können.

Und so war es ein Tag, auf dem Segen lag. 25 Grad im Oktober, ein leichter Wind, der Lachen und den Klang der Kapelle mit sich trug. Viveka, Zoe, Herr Cooper und ich mittendrin. Am späten Nachmittag saßen wir auf den verlassenen Stühlen der Kapelle in der letzten Sonne und unterhielten uns – mit Nachbarn. Bei 212 Einwohnern sind letztlich alle Nachbarn. War das schön. Wie in alten Zeiten, würde ich sagen.

Hier saßen sie, als sie unsere Alte Schule 1864 – also exakt vor 150 Jahren – eingeweiht haben. Und als 1871 die Eichen auf dem Schulhof gepflanzt wurden und 1923 der Umbau durch den Architekten Kiefer aus Gummersbach gefeiert werden konnte. Als die Dorfgemeinschaft gegründet wurde und das gebrauchte Klavier angeschafft hat, um die Theateraufführungen im Theatersaal der Alten Schule zu begleiten – dort, wo heute mein Büro ist. Und erst das Fest, als Nosbach 1973 Bundessieger im Wettbewerb Unser Dorf soll schöner werden wurde und eine Delegation inklusive Frauenchor nach Berlin reiste, um den Preis entgegen zu nehmen. So viele Feiern, so viel Lachen, so viel Geschichte.

Seit Sonntag gibt es ein Kapitel mehr in der Geschichte des Dorfes und unserer Feierwehr. Kleines Leben, vielleicht, gutes Leben mit Sicherheit. Landleben im besten Sinne des Wortes. Gemeinschaft miteinander füreinander. Ein tragfähiges Modell, das uns allen einen wunderbar sonnigen Tag auf dem Lande beschert hat.

Kürbisse_orange