Marat/Sade von Peter Weiss

Poster

Marat /Sade – Die Verfolgung und Ermordung des Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade

Der Trailer:

Marat/Sade. Ein aufregender Theaterabend, ein brisantes Stück. Aufgeführt von der Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton – in dieser Aufführung dargestellt von der 12. Klasse der Freien Waldorfschule Oberberg unter Anleitung des Berliner Regisseurs Marcus Lachmann. Nach der Uraufführung 1964 ging Peter Weiss’ Marat/Sade um die Welt – Aufführungen in über 100 Ländern, Auszeichnungen und, und, und.
Das Stück? Französische Revolution, napoleonische Zeit, Irrsinn, Wagemut, Aufbruch, Mord… Ein Spiel im Spiel, eine hoch brisante Auseinandersetzung zwischen antipodischen Kräften, die um Ideale, Vorstellungen, Hoffnungen und den fanatischen Glauben an die jeweils bessere Gesellschaftsordnung ringen.
Sie sind herzlich eingeladen, beizuwohnen!

Wo: Kirchhellstraße 32, 51645 Gummersbach.

Wann: 24.10.14 / 20uhr 25.10.14 / 20uhr 26.10.14 / 18uhr

Abschied von Wally Bockmayer – R.I.P.

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Siebter Oktober im Jahr Zweitausendundvierzehn. Liebe Wally, du bist gegangen.

Es ist lange her, dass ich dein Regieassistent war. Damals, 1994. Theater Kaiserhof. Ich war aus Mannheim gekommen, hatte nach dem Nationaltheater die Nase vom bürgerlichen Theater gestrichen voll, wollte nicht mehr für gepuderte Witwen an Stücken mitwirken, die sie eh nicht verstanden haben. Dieses regelmäßige kindliche Türenknallen während Premieren.

In Köln wollte ich zum Film. Nun, ehrlich gesagt, wollte Ela nach Köln und ich dachte, dann geh ich dort zum Film. Ich kam als arbeitsloser Regieassistent voller Hoffnung und Tatkraft. Film. Ganz klar, kein Theater mehr. Und schon gar nicht die Filmdose. Tatsächlich war ich an Rolf und Wallys Kneipentheater vorbeigefahren, hatte die schrillen Plakate gesehen und gesagt: Nicht dort.

Ich schrieb fleißigst Bewerbungen. Alle Produktionsgesellschaften rauf und runter. Nur eine vereinbarte ein Vorstellungsgespräch. Die Entenproduktion. YEP! Ich landete in einem Hinterhof, im Hausflur lagen alte Plakate, die Tür der Produktionsgesellschaft war eine hässliche Feuertür voller Aufkleber. Ich war 29 Jahre alt, bis in die Haarspitzen jung und arrogant und wollte schon umkehren, als die Tür aufging. Schluck. Da war ich plötzlich so klein mit Hut. Rolf Bührmann stand vor mir. Eine Erscheinung. Groß, elegant gekleidet, feine Schuhe, beeindruckend. Hinter ihm öffnete sich ein riesiges Appartment im New York-Style. Ein Industrieloft. In der Mitte eine Treppe nach oben. Alles mehr als geschmackvoll eingerichtet. An den Wänden deutsche Filmpreise und Fotos von Fassbender. Am riesigen Tisch mit unendlich vielen Stühlen nahmen wir Platz. Rolf sah mich mit strengem Blick an. Check.

Tja. Vor mir saß Wallys Freund und Lebenspartner. Produzent, Organisator, Mann für den Überblick, die Kohle, die gesamte Organisation. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, für Wally als Regieassistent zu arbeiten. Sie brauchten einen, der auch mit Chaos zurechtkommt. Für eine Musicalproduktion in einem neuen Theater. Der Kaiserhof am Ring war noch nicht fertig, das Ensemble noch nicht gefunden, aber der Premierentermin stand. Tick, Tack. Bedenkzeit. Hin, her. Ja. Es hat mich gereizt. Ich erinnere mich an den Blick meines vorherigen Regisseurs, Hans-Ullrich Becker, als ich ihm erzählte, ich wäre jetzt Wally Bockmayers Assistent. Ups. Schluck.

Wally sah ich dann das erste Mal in der Filmdose beim Casting. Ja, in der Filmdose! Genau dort war ich gelandet. Der Termin war dann quasi auch mein Casting. Rolf wollte sehen, ob Wally mich gebrauchen kann. Ob die Chemie stimmt. Leute, ich sage euch, da fing der Spaß an. Trash. Eine zweiflüglige Tür einer neuen Welt öffnete sich. Wally liebt Trash. Schräg muss es sein. Anders. Und ja, Wally hat ein Händchen für Menschen, den Blick hinter die Fassade. Wir casteten für die Rocky Horror Show. Es wurde getanzt, gesungen, gesprochen. Schön und schräg. Am Ende war beides versammelt. Ein wunderbar schräges Ensemble inklusive der wunderbaren Gigi Herr.

Ich blieb anderthalb Jahre, kam aus dem Staunen und Lachen nicht mehr raus. Eine Zeit, die ich nicht vergessen werde, niemals missen möchte und an die ich mehr als gerne zurückdenke. Eine verrückte Zeit geprägt durch Wally, der mich Jente nannte und sich darüber herzlichst freute. Am Morgen ein breite Begrüßung: „Jeeennnte!“ Ich war mittendrin in einer von Wally inszenierten Glitzerwelt. Eine Familie, eine Theaterkompanie im besten Sinne des Wortes. Eine Welt für sich. Wenn Abends die Scheinwerfer angingen und sich der Vorhang öffnete und am Ende das Publikum auf den Tischen tanzte. Wally wusste das Publikum zu packen und zu führen. Er hat sie durch alle Gefühlszustände gejagt – rauf und runter. Und sie sind ihm blind und vertrauensvoll gefolgt, so trashig es auch manchmal war. Ich habe in der Zeit viel von Wally gelernt. Die Dinge nicht so ernst zu nehmen. Nicht alles rational zu hinterfragen. Einfach mal spontan zu machen. Das war eine gute, hilfreiche Schule.

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Als ich 1995 das Theater verlassen habe, um in die Werbung zu gehen und eine Familie zu gründen, hat Wally mich ungern gehen lassen. Wir waren ein gutes Team. Er hat mich dann Jahr für Jahr zu seinen Premieren eingeladen und ich bin gerne gekommen. Es hat immer ein wenig weh getan, wenn der Vorhang aufging, Wally von der Produktion erzählte und ich wusste: Jetzt geht es los. Lichtstimmung 1, der Regieassistent gibt das Startsignal an Licht und Ton .

Kürzlich beim Bäcker bei uns im Dorf die Nachricht auf der Titelseite des Express. Wally hat Krebs. Das hat weh getan. Gestern die Nachricht, Wally ist gestorben. Kacke. Aber, ja, niemals geht man so ganz. Ich bin niemals ganz gegangen, du, liebe Wally, wirst niemals ganz gehen. Dafür hast du viel zu viel Gutes zurückgelassen. Unter anderem einen Text in dem Abschiedsbuch, dass mir das Ensemble 1995 geschenkt hat. Ein Zitat von Jean-Louis Barrault: „Der besondere Reiz am Theater ist, dass man mit Gaunern lebt, weil man von Gerechtigkeit besessen ist, dass man mit Verrückten zugrunde geht, um gesund zu bleiben, dass man mit Angsterfüllten zittert, um ein wenig Glück zu finden, dass man beständig dem Tod ins Auge sieht, weil man nur das Leben liebt, dass man unentwegt auf Reisen ist – den Koffer in der Hand – den Rucksack auf dem Rücken, um zu versuchen zu verstehen, und aus Furcht, eines Tages anzukommen.“ Dann hat er von Vermissen und Zurückkommen geschrieben.

Es war mir eine Ehre und ausgesprochene Freude, mit Wally ein Stück Lebensweg gemeinsam gegangen zu sein. Bleibt mir nur, mit einer tiefen Verbeugung voller Respekt Danke zu sagen und Adieu.

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Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf – #kobanê

Aachener Dom

homo homini lupus

Man kann in dieser Welt ein sehr beschwerdenfreies Leben führen, wenn man die Vorzüge westlicher Demokratien nutzt und sich aus dem da draußen raushält. Das ist meist besser, weil man ansonsten in Ohnmacht erstarrt und die über die Bildschirme flimmernde Summe an geballtem Leid ständig wegpacken muss. Da hilft auch kein Spenden, kein Beten, kein Hoffen, kein Diskutieren und Demonstrieren. Zumindest nicht, wenn man glaubt, mit einer Demo die Welt aus den Angeln heben zu können.

Am Wochenende war ich im Aachener Dom. Es war eine Rückkehr an einen heiligen Ort. Nun mag ich Kirchen, habe aber dem christlichen Glauben schon lange abgeschworen, was nicht heißt, dass meine Seele unberührt ist von all dem, was ich dort in all den Jahren des Christseins abgespeichert habe.

Es war an einem Januarabend 1991. Der Irak hatte Kuwait überfallen und die USA stand mit Verbündeten vor dem Einmarsch. Es war noch die Zeit, in der wir die großen Friedensdemos der Achtziger im Kopf hatten, weshalb Krieg für uns keine Option war. Also gingen wir auf die Straße und skandierten „Kein Blut für Öl“. Zugegeben, das war eine einfache Formel. Aber wir hatten keine Lust, das Krieg wieder zum probaten Mittel wird. Am Abend, bevor die US-Truppen losschlugen, versammelten wir uns im Aachener Dom unter der Kuppel. Es wurden Petitionen verlesen, es wurde gesungen und es wurde gebetet.

Hat nichts gebracht. Der Krieg kam und es kamen weitere Kriege und Terror und Türme fielen und Invasionen starteten und es wurde gefoltert und viele Zivilisten kamen um und der Hass wuchs. Eine Kettenreaktion. Im Buddhismus heißt es: Man schafft seine Wirklichkeit in jedem Augenblick selbst. Das ist das Prinzip von Ursache und Wirkung.

Nun also ist das Monster IS geschaffen, tobt wütend umher und lechzt nach Mord und Totschlag. Höchst aktuell in Kobane. IS ist heute in die Stadt eingedrungen und es gibt Straßenkämpfe und Mord und Totschlag. Niemand war bereit, den kämpfenden Kurden zu helfen. Unterstützt von der PKK gelten sie als Terroristen und werden von der Türkei nicht gerade geliebt. In der Vergangenheit wurden sie in türkischen Militärgefängnissen gefoltert. In Politischer Wissenschaft durfte ich eine Arbeit darüber schreiben, habe viel gelesen und mit Türken und Kurden gesprochen. Es ist schon klar, weshalb die Türkei ihre Panzer zuschauen lässt. Sie stehen dort auf türkischer Seite und verfolgen das Geschehen. Sie wissen, was passiert. Die Türkei hat am Donnerstag im Parlament beschlossen, gegen IS vorzugehen. Aber sie tun es nicht in Kobane. Nicht für Kurden. Dem schließen sich die Nato-Verbündeten an, wahrscheinlich, weil sie auf die Türkei als Stützpunkt angewiesen sind. Ein Deal, nehme ich an. Die USA haben einige wenige Angriffe vor Ort auf den IS geflogen und sind dann abgedreht und nicht mehr wiedergekommen. Sie hätten gekonnt…

Jetzt demonstrieren die Menschen weltweit für die Rettung Kobanes und die USA und die Türkei hoffen, dass es schnell vorbei ist mit dem Schlachten in Kobane, weil es schlechte PR ist, was dort passiert. Sie hätten helfen können. Sie hätten IS eine empfindliche Schlappe zufügen können. Sie haben darauf verzichtet und sich fürs Zurücklehnen entschieden. So geht Politik.

Die Kurden werden der Türkei nicht vergessen, was in Kobane gelaufen ist. Sie wissen jetzt, woran sie sind. Das einzige Eingreifen der Türkei war der Einsatz von Wasserwerfern gegen Kurden, die auf der türkischen Seite im Norden Kobanes demonstriert haben. Selbst Reporter wurden mit Tränengas traktiert, damit sie nicht berichten.

Heute also sind die IS-Killer in Kobane eingedrungen und vollenden ihr Werk. Sie werden ihr Handeln dokumentieren und der Welt Bilder zeigen. Die Türkei und die USA werden sich anhören dürfen, dass sie dafür die Verantwortung tragen. Und ja, sie tun es. Wegschauen ist eine Tat.

We shall overcome. Blumen im Haar. Kein Blut für Öl. 1999 war ich in New York, als erstmals deutsche Truppen nach dem WW II in einen Krieg verwickelt wurden. Unter Joschka Fischer. Bomben auf Serbien. Nachts lag ich im Hotel und sah CNN. Treffer. Rauchschwaden.

Es ist zum Heulen. Es hört nicht auf. Als sich 1983 in Bonn über 500.000 versammelten, um für Frieden und Abrüstung zu demonstrieren, da war ich 18 Jahre alt und hatte am 6. März des Jahres nicht wählen dürfen, weil ich noch 17 war (die 16 Jahre danach lohnte das Wählen nicht wirklich). Zu der Zeit dachte ich, es wäre geschafft. Ich glaubte tatsächlich, die Welt hätte verstanden und wäre vernünftig geworden. Als dann noch der Ost-West-Konflikt zu Ende ging und Deutschland wiedervereint wurde, herrje. Wie naiv.

Über die Friedens- und Ökobewegung begann man dann irgendwann, sich lustig zu machen. Zu den Demos gingen nur noch ein paar wenige Altfreaks. Tja. Falsch gedacht. Wir hätten weiter demonstrieren müssen. Den Geist des Pazifismus aufrecht erhalten. Vielleicht hätte es… So haben die Hardliner Stück für Stück das Terrain zurückerobert und den Boden für neue Kriege bereitet. Ost-West-Konflikt haben wir auch wieder und jetzt noch IS am Hintern. Ziemlich verkackt, kann man sagen. Wie dämlich das alles. Nun hätten Türkei, USA und Kurden gemeinsam tatsächlich eine starke Koalition bilden können, aber nun gibt es eine neue Front, die durch die Türkei verläuft. In Istanbul wurde gerade ein Bus angezündet. Ursache und Wirkung. Die Flammen schlagen höher, die Feindschaften nehmen zu.

Und am Ende bleibt die alte, unbeantwortete Frage: WHY?

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WHY? – #kobanê

Fuck!

Es ist wirklich grausam und nicht auszuhalten. Früher, in den Western, da kam im letzten Augenblick John Wayne mit der Kavallerie angeritten und hat gerettet, was das Zeug hält.

Momentan könnte die Kavallerie, aber sie tut es einfach nicht.

Gestern, Donnerstag. Morgens hatte ich einen Job. Rechnungen schreiben, Haus putzen. Parallel: Liveticker. Kobane, Syrien. Seit 18 Tagen versucht IS, die Stadt einzunehmen. Gelingt es, geschieht Schreckliches. Psychopathen voller Hass und jenseits aller Menschlichkeit. Aliens von einem anderen Stern. Wir hatten immer Angst, dass Außerirdische landen. Hey, es ist geschehen. 2014. Sie sind da.

Sie rücken vor auf die letzte Bastion. Eine Stadt an der Grenze zur Türkei. Eine Seite direkt an der Grenze, drei Seiten in Richtung Syrien. Von hier kommen die IS-Idioten. Mit erbeuteten Panzern, Artillerie. Komplett ausgerüstete Monster mit allem, was man braucht, um Unheil anzurichten.

In der Stadt, kurdische Kämpfer. Und Kämpferinnen. Ausgerüstet mit Kalaschnikows und einigen Panzerfäusten, RPGs. Sie wissen, dringt IS in die Stadt, folgt das komplette Programm. Auf Menschen entladener Hass. Also kämpfen sie. Auf Twitter kommen die News, die deutschen Medien berichten nicht oder nur sporadisch. Nur eine weitere Stadt, die fällt. So scheint es.

Aber so ist es nicht. Ich denke, es ist ein Wendepunkt. Ein unrühmlicher. Während die IS fast in der Stadt ist, halten sich alle, die unterstützen könnten, zurück. Bislang nur Lippenbekenntnisse. Gestern hatte die Türkei einen Parlamentstermin. Am Nachmittag. Kobane war schon fast in den Händen der IS, da entschied das Parlament sich, einzugreifen. Irgendwie.

Aber. Die Türkei greift nicht ein. Die Panzer stehen an der Grenze. Mit Fernrohren verfolgt die Armee die IS-Angriffe auf Kobane. Die Türkei schaut zu, ohne einzugreifen. Lässt IS freie Hand. Scheinbar in Abstimmung mit den USA, die sporadisch angreifen, ohne die IS-Kämpfer wirklich zu treffen. Was ist da los?

Hieß es nicht, man wolle gegen IS antreten? Die EU erklärte Donnerstag, man wolle sich gemeinsam gegen IS stellen. Und?

Mann. In Kobane bewahren sich die Menschen eine letzte Kugel, um nicht in die Hände der Schlächter zu fallen. Es sind Bilder zu sehen, die alte Frauen mit Kalaschnikow zeigen. Da ist die Rede von Kämpferinnen, die Selbstmord begangen haben, bevor sie in die Hände von IS gefallen wären.

Hilft niemand, weil es Kurden sind? Keine Peschmerga, sondern kurdische Volksverteidigungseinheiten (YPG) und Frauenvolksverteidigungseinheiten (YPJ)? Sorry, ich verstehe das nicht. IS will Kobane einnehmen, um strategische Vorteile zu nutzen. Sind sie die in der Stadt, wird es schwer, sie wieder hinaus zu bekommen. Aber die Welt schaut zu, wie sie näher kommen und irgendwann…

Liegt es vielleicht nicht im Interesse der Türkei, dass die Kurden sich halten? Und halten sich die USA zurück, weil sie die Türkei brauchen, um Stützpunkte zu haben, von denen aus operiert werden kann?

Ich weiß nur, es ist zum Verzweifeln. Kobane lässt mich nicht los. Ich verstehe nicht, weshalb alle zuschauen und es geschehen lassen, obwohl sie intervenieren können. Sind es Dienstwege? Müssen erst Anträge eingereicht werden oder gibt es da ein politisches Interessenskalkül?

Diese verfickten Interessen, die es geschehen lassen. Politik ist ein mieses Geschäft. Und die Medien schauen einfach weg. Eiskalt. Würde es Twitter nicht geben, wäre es so, als gäbe es den Konflikt nicht. Unglaublich. Bleibt nur, die Infos aus der Twitter Timeline hinaus zu filtern. Hier der Link.

Es wird wirklich Zeit, den IS-Psychopathen den Garaus zu machen. Bitte, liebe Kavallerie, reitet los. Barack!!!!!!!

Boris Becker, Bono, Bagger

Baggerschaufel

Die Welt dreht sich. Würden wir sie von der ISS sehen, wäre das Gefühl ein anderes. Sicherlich. So geht die Sonne auf, der Mond füllt sich, die Sternbilder ziehen und wieder ist ein Monat vergangen, eine neue Zeit beginnt, die Welt rennt, das Leben verfliegt, es geschieht, oft unbemerkt.

Boris Becker. Fotograf aus Köln. Wie Gursky durch die Hände Bechers gegangen. Wahrscheinlich wird es irgendwann die Düsseldorfer Schule heißen. Oder jetzt schon? Oder seit langem? Keine Ahnung. Egal. Gurskys Rhein hatten wir hier schon. Schweineteuer, ein Auktionsstar. Millionen für eine Fotografie.

Am Wochenende war ich mit Jim und Viveka in Overath im Kulturbahnhof. Ein doofes Wort. Endstation. Rangierbahnhof. Bahnhofshalle. Bahnhofskiosk. Bahnhofsvorsteher. Bahnhofspolizei. Nun gut. Eine Ausstellung. David und Helga hatten mich, uns eingeladen. Overath wird 750 Jahre alt und der Kunst- und Kulturverein der Stadt hatte eine schöne Idee: Wir schenken Overath ein Museum.

EIN MUSEUM.

Ein Kunstmuseum. Der Gedanke hat mich in den letzten Tagen arg beschäftigt. Also eigentlich war mein Kopf mit Projekten beschäftigt, mit Konzepten. Da waren Zeiten eingebucht. Denken, entwickeln. Da steht eine Frage im Raum und der Kopf versucht, sie zu beantworten. Egal wann.

Der Gedanke, der mich beschäftigt hat. Nicht so einfach. Wir waren gekommen, um Helga & Davids Bild anzuschauen. Ein Triptychon. Ich hatte es mir aufgehoben. Es hing ganz oben im Kulturbahnhof. In einem schönen Raum mit Blick durchs Fenster. Aber es war mir etwas dazwischen gekommen. Die Fotografien des Boris Becker. Zwei. Jim und ich standen lange davor. Es gab viele Details zu sehen. Ich würde sie euch gerne zeigen, aber dieses verdammte Urheberrecht verbietet es. Ich darf nicht. Beschreiben? Zwei Fotos aus dem Alltag. Zwei Welten, ich würde sagen, annehmen, von Männern geschaffen. Eines zeigt ein Holzgebäude von hinten. Zwei in eine Holzwand eingefügte Fenster. Orchideen. Davor Krams. Dinge, die man brauchen kann. In einer Ordnung. Spanngurte in einem Fach. Petroleumlampen. Am Boden eine Reihe Kanister. Am rechten Rand alte Werbeschilder mit Kölner Adresse. Jim und ich haben uns alles angesehen. Jedes Detail, sind allen Linien, Themen gefolgt. Ein Suchbild, eine Typisierung, eine Freudsche Sofastunde. Wer lebt dort? Wozu all die Dinge? Wie denkt, lebt man, wenn man so strukturiert ist?

Das zweite Foto eine Spurensuche. Sherlock und Watson. Eine Spüle, ein Vaillant Boiler in Beige. Ein Übertisch-Wandgerät. Unendlich viele Details. Eine Wand wie eine Sammlung, ein Setzkasten. Ein wunderbares Detail unten links in der Fotoecke: Ein Herz-Ass in einem Korb. Von den schwarzen Drähten des Geflechts gehalten. Ansonsten ein heterogener Eindruck. Unentschieden. Wie es kommt, entstanden, gewachsen ist. Gelassen wurde im Entstehen. Weleda Tropfen, Schulmedizin-Arznei. Tee von Alnatura und JA!. Ein gespültes, umgedrehtes Kölschglas mit Gaffel-Logo. Kinderfotos. Wasserlilien in kleine Töpfen – lebendig und äußerst tot vertrocknet. Farbspritzer vorne an der Spüle. Eine Atelier-Küche vielleicht, oder mein Wunsch, meine Fantasie, meine Überheblichkeit. Die Wahrnehmung flimmert, reflektiert.

Natürlich kein Boris Becker da, der was sagt. Teuer, der Mann. Der hat besseres zu tun, als mit Jim und mir zu sprechen. Dieses verkackte Geld, das Künstler teuer macht und von der Erde löst und ins Nirwana der Kunstvorstellung schießt. Verdammt, Boris, wenn du ausstellst, dann beweg deinen Hintern dort hin. Sonst ist das Marketing oder eine herablassende Gnade. Egal.

Es war ein gutes Erlebnis. Eine schöne Detailsuche, ein guter Sohn-Vater-Moment. Damals, als wir diese Fotos – von wem noch? – in Overath gesehen haben. Dieser Vaillant-Boiler, die Petroleumlampen.

Bono? Aus der Überschrift. Ja. Gestern hat Apple das iPhone 6 vorgestellt. Anlässlich der Prinzenvorstellung gab es Geschenke für das Volk. Brot & Spiele. Das neue U2-Album als Geschenk. Einfach im Apple-Store runterladen. Ich höre es gerade. iTunes. Ei, ei, alles i. Auf Spiegel Online habe ich von der Aktion gelesen. Ein Schreiber, der U2 nicht mag, hat berichtet. Er nannte Bono eine Heulboje oder so. „Wer U2 in den letzten 35 Jahren nicht mochte, wird es auch jetzt nicht mögen.“ Wie läuft das in solchen Redaktionen ab? Wer die Band nicht mag, der schreibt?

Ich mag U2. Wahrscheinlich, weil ich alt genug bin und Respekt habe. Eine ordentliche Menge davon. Teil meiner Jugend. Würde ich verleugnen, würde ein Teil von mir sterben und ich wäre weniger als zuvor. Wird man 50, muss man Gewonnenes bewahren, weil man weiß, dass nicht dauernd Weltbewegendes hinzukommt. Einmal vor langer Zeit war ich auf einer Geburtstagsfeier. In Heidelberg. Es lief U2 aus irgendwelchen Gründen. In einem Dachzimmer einer Schauspieler-Wohnung. Ich konnte nicht aufhören zu tanzen. Und die Balletttänzerin auch nicht. Gloria. Am Ende waren nur noch sie und ich in diesem Raum. Am nächsten Abend habe ich sie auf der Bühne gesehen. In der Nacht hatte sie an der Wand gestanden und mich angesehen. Nun sah ich sie auf der Bühne. Wir hatten zu U2 getanzt. Unendliche Zeiten ist das her, aber die Erinnerung ist wach. Und nun hat mir Bono sein Album geschenkt. Thanx. Für alles.

Bleiben die Bagger. So eine Überschrift kann einen schon durch den Text peitschen. Die Erwartungen der Leserschaft erfüllen. Da denkt man sich anfangs eine Head aus und die muss man dann erfüllen. Selbst schuld. Ursache und Wirkung. Ja. Uns ist gerade so ziemlich der Arsch aufgerissen worden. Die Feuerwehr wurde umgebaut, erweitert. Und mit ihr der alte Schulhof, der nun Feuerwehrplatz ist. Montagmorgen rief mich Ela in der Agentur an: „Hast du gewusst, dass die den Platz wegbaggern? Unser Auto steht auf einer Insel, die haben einfach drumherum gebaggert.“ Au Mann, war Ela geladen. Niemand hatte uns was gesagt. Der Architekt hat sich entschuldigt. Landgemeinden können ganz schön ignorant sein. Hier weht ein kühler Wind, wenn die Gemeinde aktiv wird. Da rollen die Bagger ohne Wenn und Aber. Als Landmensch muss man ein dickes Fell haben, oder sich aufregen. Ist manchmal schade. Andererseits bekommen wir direkt vor der Tür …

Bis hierhin war ich am Donnerstag Abend gekommen. Dann kam Viveka aus Essen und das Schreiben nahm ein abruptes Ende. Liebe, Familie, Job, Blog – ist zeitlich manchmal etwas eng. Der Vorteil liegt in der konsequenten Vermeidung von Langeweile. Zum Platz vor unserer Haustür: Der wurde heute asphaltiert. Die feine Deckschicht kam drauf und so ist nun nach sechs Monaten Bauzeit fast alles fertig. Horrido. Jetzt muss ich auch keine Sangst mehr haben, dass plötzlich Bagger in unserem Garten baggern. Mal eben so. Weil eben der Tag gekommen ist, an dem der Bagger baggern muss. Manchmal ist diese Welt schwer verständlich und man muss einfach nur ausharren.