Mission Impossible auf dem Weg ans Ende der Welt

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Draußen schreit eine Möwe und die Welt ist eine Scheibe.

Zwei Tage hintereinander habe ich, haben wir es versucht. Ich wollte bis ans Ende der Welt vordringen. Also bis zum Ende der Insel. Das sind einige Kilometer immer am Strand lang. Meine Vorstellung war, das Ende der Insel, dieser kleinen Welt mit weit auslaufendem Horizont zu fotografieren. Rechts das Meer, links das Meer und dazwischen der letzte Sand unter den Füßen bis es tief abfällt. Bis zum Mariannengraben oder der letzten Ruhestätte der MH 370.

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Das Meer lockt, tröstet, fasziniert, inspiriert. Einfach am Wasser entlang. Den Fischerbooten zusehen, den Wellen, den Möwen, den kleinen Vögeln. Schauen, wie sich alles verändert. Durch Wind und Gezeiten. Gucken, was so angetrieben wird. Alles, was irgendwo über Bord gegangen ist. Von Holzkisten über Spüliflaschen bis zu Fischernetzen und Brettern mit Farbsprenkeln.

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Gestern der erste Versuch. Annäherung über Land. So weit wie möglich mit dem Fahrrad vordringen, dann querfeldein über Wiesen und durch Dünen bis zum Strand. Am Morgen hatte sich eine Gefolgschaft gesammelt. Entdecker, Eroberer. Conquerors. Eine Fahrrad-Armada begleitet durch einen hechelnden Herrn Cooper. Als wir am letzten möglichen Fahrrad-Parkplatz ankamen, stellte sich heraus, dass der Datumszeiger auf dem 15. April stand. Exakt. Und ab dem 15. April ist die Landschaft hinter diesem letzten Fahrrad-Parkplatz unzugänglich. Brutzeit. Vogelschutzgebiet. Ach. Kann man natürlich nicht machen. Mission abgebrochen.

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Heute Morgen dann die Idee: Wenn nicht über Land, dann den Weg am Meer entlang. Wieder sammelte sich ein Team. Eine lange Strecke ist das bis zum Ende der Insel. Viele Kilometer. Menschenleer. Nur Dünen rechts, Wellen links und dazwischen Strand und all der angespülte Müll. Ein Niemandsland. Eine Wüste. Ohne Getränkeverkauf, Raststätte. Unwirklich, unwirtlich. Ist trotzdem schön. Eine beeindruckende Landschaft. Groß, weit, scheinbar unendlich.

Wir waren unterwegs. Gut unterwegs und hatten schon eine weite Strecke mit weiten Augen hinter uns gelassen. Ab und an reduzierte sich die Gefolgschaft um einzelne Mitstreiter, die auf den Besuch des Endes der Welt gerne verzichteten und abdrehten. Da tauchten Schilder am Horizont auf. Zunächst klein. Dann größer. In einer Linie vom Meer zu den Dünen aufgereiht. “Sie verlassen nun den westdeutschen Sektor.” Nein. Vogelschutzgebiet. Brutzone. “Auch hier, mein Sohn Brutus.” Ab 15. April. Seit gestern. Ende Gelände. Aus der Traum. Vertagt auf einen Inselbesuch in der Zukunft.

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Also ist der verbleibende Trupp rechts abgebogen und hat sich auf den Heimweg gemacht – immer am Fuße der Dünen entlang. Bei strahlend blauem Himmel und dem Fernziel Strandcafe.

Freies Freiraumleben

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Tja.

Hm. Also.

Ihr merkt, hier herrscht Urlaub, aber die Finger schaffen es nicht, die Tastatur links liegen zu lassen. Man könnte von Schreibsucht reden. Der Kopf. Das Sprachzentrum. Es kommen das eine und das andere zusammen. Die Themen, die in der Luft liegen, mich anfliegen, in Worte gepackt werden möchten. Oder auch nicht.

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Heute war ein besonderer Tag. Punkt.

Urlaub, klar. Erst Montag. Noch eine Woche. Zwischendurch habe ich Geburtstag, werde zum Fourtyniner. Mein liebes Tagebuch, es gibt so viel zu schreiben. Überbordend.

Wo fange ich an? Wo höre ich auf?

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Lasst uns über Freundschaft sprechen. Schreiben. Mittlerweile sind wir hier zu 14t. 6 Erwachsene, 8 Menschen im jugendlichen Alter verschiedener Ausprägung. Zu den 6 gehören 3x Jens. Der Commander. Elas Freund. Moi.

Wer den Blog regelmäßig liest, weiß einiges. Unter anderem meine Vorliebe für intensives Abschalten. Diesen Schalter im Hirn umlegen und die Systeme auf Null fahren. Shavasana am Ende der Yogastunde. Heute durfte ich die Multiplikation erleben. Wenn man an solche Rückzugsorte reist, entsteht Raum. In diesem Falle für eine Massageliege. Die Kids over 14 haben sich entschieden, sich zwei Zimmer zu teilen. Dadurch wurde in dieser ziemlich großen Ferienwohnung ein Zimmer frei. In diesem Zimmer steht die Massageliege.

Als hätten wir mit allem nicht Luxus genug, hat die Hälfte unserer Erwachsenen gelernt, nach Ayurveda zu massieren. Heute durfte ich. 90 Minuten lang. Eine Synchronmassage. Holla die Waldfee. Erst denkt man: Hm. Oje. Anfassen und so. Und ohne Klamotten. Und überhaupt. Ihr kennt das, dieses verdammte Unbekannte. Albert Camus: Der Fremde. Am Ende tot. Unwissenheit. Bammel.

Nun mag ich Abenteuer und Neues und Anderes und Herausforderungen und macht mal, ich lass mich überraschen. Nach den 90 Minuten war ich auf Turkey. Sprache weg. Auweia. Kopf leer. Abgeflogen. Turbo-Shavasana. Da lag ich unter einem Tuch, Jens und Jens, die mich massiert hatten, haben den Raum verlassen. Irgendetwas Duftendes lag auf meinen Augen und mein Körper schwebte.

Wir haben das früher am Theater gemacht. Bevor wir mit Jerofejews Walpurgisnacht oder die Schritte des Komturs für das Theatertreffen in Berlin ausgewählt wurden. Ein Körpertrainer. Eine Stunde lang massieren. Vor jedem Probenbeginn. Ich war junger Assistent und durfte Wolfgang Jaroschka massieren. Ein großer Kerl. Ein stattlicher Schauspieler. Erst massierte er mich, dann ich ihn. Das war eine Grenzerfahrung, weil die nächste Intimitätsstufe nach Massieren ist… Ihr wisst schon. Aber wenn man sich einmal so nah gekommen ist, hat man eine andere Verbindung. Da fällt was weg.

Das war damals eine Art Teambuilding. Danach war auf der Bühne einiges mehr möglich. Ein blindes Verstehen, ein gegenseitiges Fühlen. In Berlin durfte ich, weil ein Schauspieler ausgefallen war, mitspielen. Großes Kino, äh Theater. Wir wussten, ohne Hinsehen, wo die anderen sind. Wer wann was sagt, wohin geht, wie reagiert. Verbindungen. Sensoren. Das war unglaublich.

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Nach Jahrzehnten heute also wieder. Komplett durchgeknetet. Eine ziemlich gute Erfahrung. Ach. Wie schön ist Panama. Wenn Freiraum da ist. Platz im Denken, Handeln, Tun. Like it. So much. Freiheit. Fängt an, wo Miteinander Stufen erklimmt. Ich freue mich. Um 7:45 Uhr gehen wir morgen Joggen. Anschließend gehöre ich zur Frühstücksgruppe. Und dann werden Jim, Herr Cooper und ich das Inselende erkunden. Abenteuer. Ein weiteres.

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Besser leben in der Kommune 2

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Sorry. Zur Zeit kann ich euch nur Schiermonnigkoog bieten. Alle anderen Themen dieser Welt gehen an mir vorbei. Gut so. Keine Lust auf Zypern, Euro, Krise, Weltgedöns. Der Kapitalismus mit seinen Strömen von sonstwas nervt. Kohle von A nach B und in die Taschen von X nervt. War da nicht mal was von sozialer Marktwirtschaft? Nutzung der Kräfte. Teamwork. Wenn’s ums Geld geht, hört die Freundschaft auf. Europa. Freunde. Ah ja.

Die Niederländer hier haben uns sehr nett aufgenommen, auch wenn es eine Win-Win-Situation ist, in der Wohlfühlen in harter Währung bezahlt wird. Aber, muss ich sagen, nicht ganz. Gestern ging eine Scheibe zu Bruch. Jungs, Fußball, Tor, Klassiker. Und? Hat der Facilitymanager einfach repariert. Keine Versicherung, keine Haftpflicht, keine Kohle, kein Gedöns. “Ach, Jungs. Das muss so.”

Bei uns in der Eifel hieß das früher “klarer Menschenverstand”. Nur was Sinn hat, wird gemacht. All diese Geldausdenkungen haben aber leider oft nur einen egoistischen Sinn, wodurch das Wort Sinn letztlich im wahrsten Sinne des Wortes korrumpiert wird. Es macht keinen Sinn, seine Mitmenschen zu verarschen. Schlichtweg. Es macht keinen Sinn, dass es einigen auf Kosten vieler gut geht. Klappt nicht. Nehmt Familien oder Kindergeburtstage – einige haben viel, andere nicht. Da ist die Party am Ende. Kotz. Macht man nicht. Eine Sache von Anstand, Sitte, Kinderstube. Nur weil Leute eine Krawatte tragen, sind sie eben nicht gut erzogen. Hinter mancher Krawatte verstecken sich immense Mistkerle in Cerutti und Boss.

Ich schreibe das, weil ich es hier gerade anders erlebe. Es heißt, und die Geschichte lügt in diesem Punkt nicht, der Kommunismus sei tot. China. Haken dran. Turbokapitalismus in Parteibuchrot. Nord-Korea? Kuba?
Pariser Kommune? Kommune 1? Ja. Hat alles nicht geklappt. Keine Ahnung, weshalb. Gier. Egoismus. Honeckers Pornosammlung. Idioten. Sollte nicht sein.

Menschen sind einfach nicht ganz einfach und stehen sich letztlich selbst im Weg. Der demokratisch angehauchte Kapitalismus ist die Lösung? Keine Ahnung. Spaß macht das nicht. Da sind noch einige fette Bugs drin.

Nun bin ich hier gerade auf Schiermonnigkoog und darf das temporäre Zusammenleben von 16 Menschen (zwei sind heute nachgereist) erleben. Und ja, es macht Spaß. Weil es auf Basis von Menschlichkeit funktioniert. Macht Sinn. Arbeitsteilung in der Küche, im Haushalt, beim Einkaufen. Alle dabei. Früher in der WG ging das auch. Und: Es macht Spaß. So ganz falsch kann soziales Miteinander nicht sein. Gut, fängt jetzt einer an, sich mehr zu nehmen, würde es schwierig. Weil es dann keinen Spaß mehr macht. Muss man zu viele Regeln machen, also Politik, macht es auch keinen Spaß, weil es dann total unentspannt wird. So what?

Ich denke: Die Lösung ist THE ISLAND IN THE SUN. Nicht in der Karibik, sondern Zuhause. Rausnehmen, Arschlecken. System bye, bye. Einsehen, dass das Ego am allerbesten in Gemeinschaft lebt, weil es keinen Spaß macht, teuersten Rothschild-Wein allein zu kippen. Dann lieber irgendeinen Cotes du Rhone mit Freunden. Oder ein paar Bier. Ego, Dünkel ade. Sich danach sehnen, dass es allen gut geht. Freunden, Familie, Nachbarn. Nicht drüber, sondern auf Augenhöhe. Teilen. St. Martin. Kommune 2.

Nach den Parolen hier noch einige Fotos vom Tag. Viel Spaß euch.

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Wie gemütlich ist das denn…

Heidanei. Wieder Zuhause. Liege auf meinem Bett und höre Musik und schaue Fotos. Von Schiermonnikoog. Mehrere hundert sind es geworden. Hier ist es ausgesprochen gemütlich. Der Ofen bollert, Zoe und Jim haben sich in ihre Zimmer zurückgezogen, Herr Cooper chillt. Es läuft neue Musik. Denn: Ich bin verwöhnt worden. Wieder. Geschenke. Als ich zurückkam, lagen zwei Umschläge im Briefkasten. In jedem war eine gebrannte CD. Wie ich das liebe. Wenn sich jemand die Mühe macht, Musik zu brennen und zu verschicken. Nunja, nicht jemand. Jemand besonderes. Das ist besonders. Wenn die Musik dann noch so passt. 150%. Mehr geht nicht. Basta.

Gerade höre ich Mouse on Mars. Auf der CD ist auch Kammerflimmer. Und dann ist da noch Burnt Friedmann. “nonplace urban field“. Die Musik hätte ich auf meinen Strandwalks gerne auf den Ohren gehabt. Das Licht, die ziehenden Wolken, die Weite, die Musik. Wäre gut gekommen. Aber: Ich habe keinen MP3-Player. Und mag die Natur pur auch sehr. So. So it is.

Jetzt trinke ich hier also Cappuccino, freue mich über die Musik, über die Zeit für mich, meine Gedanken, die in die Ferne schweifen, die Wärme, den Wind draußen vorm Fenster, die Sonnenstrahlen, die auf dem Boden tanzen und die vielen Fotos. In erster Linie vom Strand. Dieser Strand ist einfach unermesslich groß. Dieses Licht. Unbeschreiblich. Diese Weite. Diese Motive. Schauspiele. An einem Morgen gehörte der gesamte Strand Cooper und mir allein. Das war… Wir waren die Straße zum Strand rauf gejoggt. Vorbei am Leuchtturm, den Weg durch die Dünen entlang. Hinter dem Leuchtturm eine dunkle Wolke, aus Richtung Strandcafe die aufgehende Sonne über den Dünen. Das Licht so klar, alles scharf umrissen, perfekte Ausleuchtung. Die Dünen leuchteten, das Dünengras war so grün, die Vögel zeichneten sich scharf ab, die Wellen, die Brandung. Ah. Natürlich hatte ich keine Kamera dabei und habe mich auch entschieden, den Moment zu nehmen.

Ich hatte nur kurz laufen wollen, habe dann aber alles genommen, was sich mir bot. Den ganzen Strand entlang bis zum Strandcafe. Nicht umdrehen, nicht umkehren. Mitnehmen, was geht. Keine Kompromisse. Keine Halbheiten. Das volle Leben. In diesem Jahr hätte ich gerne einen besseren Gehirnspeicher, der all das, was so schnell geschieht, in HD und Breitband abspeichert. Gut, dass ich den Blog und facebook habe. Manchmal gehe ich da rein und scrolle durch mein Leben. Sehe die Fotos,lese die Geschichten, erinnere. Hier nun weitere Fotos zum Schiermonnikoog-Aufenthalt, damit nichts in den Tiefen der digitalen und analog-humanoiden Erinnerung verloren geht.

Euch wünsche ich ein schönes Wochenende und Spaß an den Fotos und eventuell auch an der Musik. Ciao.

Und noch ein Song aus aktuellem Anlass:) Grins. Für alle Bräute und Bräutigame dieser Welt. Be happy…