Hey Papa, Teamtreffen!

Nun sind sie also wieder da – Ela, Jim, Zoe, Cooper. Das war ein großes Hallo, als sie hier rein kamen. Beide Kinder umarmten mich und der Hund versuchte, auch seinen Teil abzubekommen. Und dann endlich wieder Ela in den Armen. Vorbei die Single– und Jungesellenzeit. Nun bin ich wieder mittendrin im Gewusel und genieße es. Leben in der Bude, wie meine Mutter es immer nennt. Die ist seit Freitag 50 Jahre verheiratet – mit meinem Vater – und ich habe ihr zum großen Fest im Dezember die Einladungskarte getextet, Ela hat sie gestaltet. Familie allerorten.

Gestern war Ela mit den Kindern beim Osteopathen. Ela geht da regelmäßig hin, um Verspannungen von der Schreibtischarbeit zu lösen. Sie macht zwar täglich Yoga, gewisse Verspannungen im Nacken schafft sie aber nicht zu lösen. Und wenn sie schon einmal da ist, nimmt sie die Kinder mit. Der Osteopath, ein Freund, schaut, ob sie richtig wachsen und sich da keine Haltungsschäden einschleichen. Alles im grünen Bereich. Als wir dann gemeinsam am Abendbrottisch saßen, meinte ich “Super, dann haben wir ja einen persönlichen Körpertrainer”. Max meinte darauf hin “Brauchen wir eigentlich nicht, wir haben ja dich, Papa, unseren Mannschaftsarzt.” So. Wieder ein Job neben Hausmeister, Gärtner, Heimwerker, Mann für alle Fälle. Er musste ziemlich breit grinsen und setzte noch einen drauf “Du bist unser Müller-Wolfarth”. Haben die Kinder kleine Blessuren, Wachstums- oder Kopfschmerzen, werde ich gerufen. Zum Kneten, Massieren, Reparieren mit Kusssalbe.

Nach dem Abendessen kam dann Zoe zu mir “Pst, Papa, Teambesprechung”. Konspirative Sitzung. Irgend so ein Geheimscheiß, wie Brad Pitt es als Fitnesstrainer mit vermeintlichem Spionagematerial in den Händen ausgedrückt hat (göttliche Rolle, wie hieß der Film gleich?). “Zoe, was ist denn?” Man weiß ja nie, was da gerade läuft und kommt. Es ging um den Geburtstagskuchen für morgen. Da gibt es bei uns so verschiedene Rituale und sie wollte ganz sicher gehen, dass ich da auch dran gedacht habe und das alles hinkriege. Weiblich Fürsorge schon mit elf. Sie hat dann angeboten, einen Kuchen zu backen. Macht sie ziemlich gut, sogar mit Küche wieder aufräumen und entfernen aller Mehl-, Butter- und Sonstwas-Reste. Ich bin immer wieder erstaunt. Und sie macht es gerne. Nun ist der Punkt Kuchen also auch geklärt und Elas Geburtstag morgen kann kommen. Die Aufregung wächst. Werden ihr meine Geschenke gefallen? Ich bin volles Risiko gegangen – gleich drei Mal. Positiv gesehen: Drei Chancen, richtig zu liegen.

Ich wünsche euch einen schönen Tag mit konstruktiven inner- und außerfamiliären Teambesprechungen und guten Mannschaftsärzten an eurer Seite. Ciao.

Projekt Elaine 4

Am Sonntag vor dem großen Tag, dem ersten Schultag Susannes in ihrer neuen Schule, dem Tag, an dem Cat sie das erste Mal sehen würde, löste sich Cats Verkrampfung. Die Schnur zog sich von ihrem Hals, sie hatte das Gefühl, wieder frei atmen und denken zu können. Die Lethargie war eingeschlafen, hatte sich in die Höhle zurückgezogen. Beim gemeinsamen Frühstück mit ihren Eltern lächelte sie still. „Bist du wieder da?“, fragte ihre Mutter zögerlich. „Ein wenig.“ Mehr konnte und wollte sie nicht sagen. „Wieso, wo war sie denn?“ „Lass. Bitte. Lass. Es ist gut so.“ Ihr Vater verstand nichts, wollte vielleicht nichts verstehen, konnte nichts verstehen.

Den Nachmittag über räumte sie ihren Kleiderschrank aus und ein. Probierte jede Hose, jeden Rock, jedes Kleid, jede Bluse, jedes Hemd. Sie hatte ihren eigenen Stil entwickelt. Hatte in den vielen Kunst-, Design- und Fotobüchern ihrer Mutter jenen nüchtern androgynen Stil entdeckt, der Farben reduziert, auf Arabesken verzichtet und aus jeder Naht eine definierte Linie macht. Für ihre Mutter war es nicht leicht, mit ihr einzukaufen. Kaufhäuser, Jeansläden, H&M und all die Ketten und Shops, wo sich Menschen ab der Pubertät mit ihrem Styling versorgen, passten nicht. Cat kaufte in Boutiquen. Die kleinsten Größen, 34 und 36, passten ihr. Sie war mittelgroß und schlank mit langen, dünnen Armen und Beinen. Ihr dunkelblondes Haar trug sie kurz mit steifem Seitenscheitel. Streng durchgestuft, keine wirren Strähnen oder aus der Form hervortretenden Haarbüschel. Ihre bevorzugte Farbe war schwarz. Schwarze Blusen, schwarze V-Pullover, schwarze T-Shirts. Immer in strenger Form, ohne Schnörkel, keine Muster, keine Überflüssigkeiten. Klar in Form und Farbe. Zu streng für ihr Alter, zu anspruchsvoll, zu wenig bereit, Kompromissbereitschaft auszudrücken. Ihre Mutter ließ sie gewähren, lief mit ihr durch die Boutiquen, hätte ihr gerne Ratschläge gegeben oder kommentiert. Einmal hatte sie eine farbige Bluse gesehen, hatte sie genommen und Cat in die Umkleidekabine gereicht. „Schatz, probier die doch mal. Nur mal probieren. Die ist so schön und würde das Blau deiner Augen hervorheben.“ Cat hatte sie aus der Kabine rausgeschleudert. Auf den Boden. Eine sündhaft teure Bluse irgendeines bekannten Labels. Die Verkäuferin hatte sie aufgehoben. Schweigen im Raum, stille Peinlichkeit, unausgesprochenes nicht miteinander Können.

Sie hatte den großen Spiegel unten im Flur, direkt rechts neben der Freitreppe, von der Wand abgehangen und in ihr Zimmer geschleift. Ihre Mutter hatte helfen wollen, aber Cat wollte alleine schleppen. Der morgige Tag war für sie der wichtigste in ihrem Leben, glaubte sie. Deshalb wollte sie es richtig machen. Wollte bei ihrem ersten Aufeinandertreffen passend aussehen. Sie wählte eine einfache, sündhaft teure Jeans und eine enge, körperbetonte Bluse in schwarz. Sie versuchte ein wenig so auszusehen, wie andere Mädchen ihres Alters auch. Sie wollte sich nicht abheben, sondern diesen ersten Kontakt auf gleicher Ebene, Auge in Auge geschehen lassen. Sie würde ein ganz wenig Make-up auftragen. Sie würde einen teuren, dezenten Duft ihrer Mutter tragen, den sie an sich ausprobiert hatte, der ihr das Gefühl gab, dem Draußen ein wenig von ihr selbst zu erzählen.

Wie würde Susanne sein? Ein ganz normales Mädchen, eines, wie die anderen ihrer Klasse? Eine, die sich nicht für sie interessieren würde? Sie hatte den Spiegel die Treppe wieder hinuntergetragen und musste ihre Mutter bitten, ihr beim Aufhängen behilflich zu sein. Sie wusste, dass ihre Mutter sich fragte, was sie da oben gemacht hat und hoffte inständig, dass sie nicht dieses verschwörerische Mutter-Tochter-Lächeln der Kategorie Ich-weiß-Bescheid aufsetzen würde. Sie tat es nicht. Die Kleidung für den nächsten Tag hatte sie fein säuberlich auf einen Stuhl gelegt. Mit der Hand war sie darüber gefahren als wollte sie sagen „Wir schaffen das schon.“ Sie lächelte, setze sich an ihr Fenster, blickte in den Garten und versuchte sich Susanne vorzustellen. Gerne hätte sie geträumt, hätte sich Bilder einer Freundschaft ausgemalt, hätte einen Kitschfilm Mädchenfreundschaft in ihrem Kopf ablaufen lassen. Aber es kamen keine Bilder, kein Film. Ihr wurde warm und kalt, sie bekam Angst. Wenn Susanne sie einfach nicht beachten würde. Wenn sie einfach von den anderen der Klasse umringt und auf deren Seite gezogen würde. Wenn sie nicht stark genug wäre, im richtigen Augenblick das Richtige zu sagen. Sie wusste, sie würde sprechen müssen. Am nächsten Tag musste sie aus ihrer Hülle raus und in die Welt treten. Was sie nicht wusste, war, wie die anderen in der Klasse reagieren würden. Ob es heißen würde „Wow, hört mal, es kann sprechen.“ Sie versuchte sich vorzubereiten, mental zu rüsten. Ihre größte Sorge war es, dass sie in Tränen ausbrechen würde.

Die Nacht über konnte sie kaum schlafen, weil zu viel auf dem Spiel stand. Dieser kommende Tag würde über so vieles entscheiden, da war sie sich sicher. Es wäre die Entscheidung zwischen Erlösung und fortdauernder Verzweiflung, zwischen einem Hauch Glück und einem langsamen, stetigen Untergang. Irgendwann in der Nacht stand sie auf, ging die Treppe herunter, um sich in der Küche einen Saft aus dem Kühlschrank zu holen. Aus dem Atelier ihrer Mutter kam Licht, die Tür stand einen Spalt geöffnet. Cat ging hin, sah ihre Mutter am Schreibtisch sitzen. Wie gerne hätte sie sie angesprochen, hätte gesagt „Mama“. Sie konnte nicht, sie wusste nicht, wie. Sie wusste einfach nicht, wie sie ihre Mutter ansprechen sollte. Sie ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank, schloss ihn und ging ohne Saft zurück in ihr Zimmer, um sich hinzulegen und sofort einzuschlafen.

Heute ist der Blogger faul!

Ihr Lieben,

diese Woche habe ich genug geschrieben. Wer soll das denn alles lesen? Nun, wenn ich mich hier so umsehe, dann seid das wohl ihr, beziehungsweise du, die/ der gerade fiftyfiftyblog geklickt hat. Heute Morgen habe ich mal in die Statistiken geschaut. Und was hab ich gesehen? Projekt Elaine hat relativ wenige Klicks.Teil 3 ist kaum gelesen worden. In meinem Schreibwahnsinn war ich davon ausgegangen, dass ihr an der Story dran seid und wissen wollt, wie es weitergeht. Hatte ich so aus den Kommentaren rausgehört. Und für einige trifft das sicherlich so auch zu.

Aber den meisten ist die Story so durchgegangen. Das ist schade, hängt aber damit zusammen, dass ich gegen meine Gewohnheit doppelt gepostet habe. Plötzlich abends und morgens dann ein neuer Text. Nun möchte ich Projekt Elaine nicht weiterschreiben, wenn es nicht gelesen wird. Dafür steckt da zu viel Herzblut, Energie und Zeit drin. Wie filomena geschrieben hat, bin ich zwar ein Turbotexter (nur so überleben freie Texter überhaupt), aber dennoch ist das Schreiben einer solchen Story ein größerer Aufwand, als manche von euch vielleicht denken. Die ist den ganzen Tag im Kopf und schiebt sich hin und her. Übrigens sind die Elaine Texte durchlaufend zu lesen – sie sind eine Geschichte!

Deshalb heute kein neuer Text, sonder ein Verweis auf die Texte der Woche. Vielleicht habt ihr Lust, am Wochenende ganz in Ruhe zu lesen:

Projekt Elaine
Projekt Elaine 2
Projekt Elaine 3

Dann bin ich jetzt Single!
Jungesellenabschied!

Die dicke Nase des George Clooney.

Ich wünsch euch viel Spaß beim Lesen und ein außerordentlich gemütliches Wochenende! Jens.

Junggesellenabschied!

Beim Frühstück bin ich ein wenig in die sentimentale Schiene gerutscht. Unsere italienische Kaffeemaschine träufelte mir gerade einen Cappuccino in eine französische Boule, als ich versuchte, das Radio zu starten. Ein wenig Hintergrundmusik. Dabei fiel mir auf, dass der CD-Player keine Lichtzeichen von sich gab. Der spinnt. Sei ihm verziehen, die Anlage habe ich 1989 während des Studiums von meinem in der Getreideernte verdienten Geld gekauft. 21 Jahre, X Umzüge, tausend Jahre abgespielte Musik im Alltag, auf Feten. Neue CDs, die einen nicht loslassen, Songs, die ich auf Random-Play durchgenudelt habe, bis sie tatsächlich durch waren.

Wie das bei alternder Technik ist, hilft manchmal ein wenig mentale Unterstützung per gezieltem Klaps ans Metallgehäuse. Ich kenne die Stelle. Hinten rechts. Ich schäumte die Milch auf, das Radio spielte Pop. Frischkäse gelang noch in Trance auf mein Brötchen. Und darauf wiederum die Gummibärchenmarmelade aus dem letzten Jahr – ich hatte Stachelbeeren mit roten Johannisbeeren und Himbeeren gemischt und dabei kam das raus, was die Kinder den Gummibärchengeschmack nennen. Ihnen schmeckt’s, klar, mir auch. Leider geht gerade das letzte Glas seinen letzten Gang. Ich führte also in Vorfreude auf den besagten Geschmack das Brötchen zum Mund, als ein Wunder geschah. Nein, es stand keine Maria im Raum oder zeichnete sich in mein Marmeladenbrötchen und ich hatte auch keine Brandmale an den Händen, das Brötchen war ja nicht getoastet. Plötzlich lief Musik aus meiner Jugend. Ein Song, den ich damals rauf und runter gehört habe, als ich so 16 war. Eine andere Zeit, eine andere Welt.

Wie schon gesagt, der CD-Player spinnt. Er war plötzlich angesprungen, hatte das Radioprogramm männlich dominant (der CD-Player) zur Seite geschoben und angefangen “Morning has broken” von Cat Stevens in den Raum zu werfen. Sofort war ich im Zimmer meiner Jugend. Zeitsprung. Let’s do the Timewarp again! Schöne Musik. Immer noch. Immerwährend. Und dann, ich weiß, es ist ein wenig kitschig, kam dann doch große Sehnsucht nach meinen Lieben auf. Mein persönlicher kleiner Junggesellenabschied nach den letzten Tagen des Alleinseins als arbeitender Familienvater. Ela. Jim. Zoe. Cooper. Morgen kommen sie zurück. Heute Abend treffe ich mich noch mit einem Freund. Ein wenig quatschen über Gott und die Welt. Männergespräche, von denen Frauen so überhaupt nicht wissen, was sie enthalten. Wir werden da selbstverständlich, selbstredend und unbedingt 1.000 prozentig verkannt.

Herrje, noch ein Anhängsel. So ist das beim Bloggen, hab ich vergessen, einzubauen. Einen kleinen Ornothologieausflug. Ihr erinnert euch an Boris und Isabel? Während ich meinen Yogitee gekocht habe, sah ich aus dem Küchenfenster in den Garten. Alles voller Raureif. In einem Kieferngehölz saßen einträchtig beieinander die beiden Elstern, die im Frühjahr vor meinem Schlafzimmerfenster gebrütet haben. Und der Hammer: Neben ihnen ein wunderschöner Buntspecht. Morning has broken. Danke, Cat. Der übrigens so heißt wie meine Heldin aus Elaine. Nur so am Rande. Wird nur anders ausgesprochen.

Euch einen schönen Tag. Ciao.

Projekt Elaine 3

Die Lehrerin hatte es vor den Sommerferien angedeutet. Es kommt eine neue Schülerin, ein Mädchen aus der Stadt, aus Berlin. In der Klasse wurde getuschelt, es gab Gerüchte. Berlin, Drogen, Sumpf, Moloch. Cat hörte die Kommentare in den Pausen, das Flüstern. Merkwürdigerweise war ihr diese neue Schülerin nicht gleichgültig. Von Anfang an nicht, als die Lehrerin, Frau Saalbach, von ihr erzählte. Sie hatte gesagt “Die neue Schülerin heißt Susanne Schuhmacher. Ihre Mutter zieht aus beruflichen Gründen hierher und wir werden Susanne aufnehmen, als hätte sie schon immer in diese Klasse gehört. Ich erwarte Kollegialität, Unterstützung und Freundlichkeit. Ihr wisst, was ich meine. Von Anfang an, keine Spielereien, keine testenden Provokationen. Ihr seid in einem Alter, in dem das möglich sein muss”. Ihre Mutter. Sie hatte gesagt, dass die Mutter aus beruflichen Gründen herzieht. Und der Vater? Hatte Susanne einen Vater? Noch nie waren Cat wegen einer Mitschülerin, sogar wegen einer, die noch gar nicht da war, so viele Gedanken durch den Kopf gegangen. Sie lächelte und ihre Lehrerin fragte gleich “Catherine, ist etwas mit dir?” Die Klasse horchte auf. Sie war angesprochen worden. Würde sie reden? Den Gefallen wollte sie niemandem tun, sie wollte ihr Schweigen nicht brechen, ihre Isolation nicht aufgeben, ihren Panzer, den Schutzraum, das Innere des Igels nicht verlassen.

Cat war aufgeregt. Es war ihr unerklärlich. Sie flog in den Ferien mit ihren Eltern auf die Kanaren. Der Vater hatte von einem Anwaltskollegen, den er aus Studienzeiten kannte, ein Haus am Meer gemietet. Luxuriös mit vielen Zimmern, Pool, Garten und eigenem Weg zu einer kleinen Sandbucht. Cat versuchte, sich abzulenken, nicht an die Neue, an Susanne, zu denken. Es gelang ihr kaum. Ihr Vater war wieder so gut wie nie da. Er nutzte die Gelegenheit, zu golfen. “Das ist für mich die pure Entspannung, wo ich sonst doch immer arbeite und so viel um die Ohren habe. Einmal im Jahr brauche ich das. Ich hoffe, ihr habt Verständnis?” Ihre Mutter nickte. Cat war es egal. Sie wollte eh lieber allein sein. Am Strand, am großen Felsen. Einfach dort liegen und denken. Es war eine neue Situation. Sie entdeckte in sich das Gefühl von Hoffnung. Es könnte sein, dass da ein Mensch kommt, der sie versteht. Der sie beachtet, ihr vielleicht sogar nah sein will. Sie hatte Angst, so zu denken. Es stand zu viel auf dem Spiel. Wenn sie nun ein Konstrukt errichtete, ein übergroßes Gebäude, dass dann zusammenbrechen würde. Was wäre dann? Was würde sie dann tun? Es war nicht auszudenken, allein der Gedanke schmerzte, drohte Risse in ihr Inneres zu treiben.

Nach den Ferien war keine Susanne da. “Sie kommt nächste Woche erst, weil in Berlin die Ferien später begonnen haben.” Sie hielt es kaum aus, war nervös, fahrig, launisch wie nie. Schrie ihre Mutter an, schleuderte einmal sogar ihr Mittagessen vom Tisch, weil ihre Mutter gefragt hatte “Cat, was ist mit dir los?” Sie war weinend in ihr Zimmer gelaufen, hatte sich eingeschlossen und sich so abhängig gefühlt. Von ihrem Inneren, von ihren Wünschen, von ihrer Verletzlichkeit. Sie hatte eine Vorstellung, eine Fatamorgana in sich herein gelassen, hatte wie beim Glücksspiel alles auf eine Karte, eine Zahl gesetzt.

Den Rest der Woche hatte ihre Mutter sie in der Schule krank gemeldet. Cat saß in ihrem Zimmer, schaute aus dem Fenster in den Garten und sah den Septemberregen kommen. Zu allem Überfluss verstärkten tiefe dunkle Wolken über der Stadt die dunkle Stimmung. Sie saß dort, bewegte sich nicht, sah den Regen an den Scheiben runter laufen, aß wenig. “Cat, ich weiß, du willst nicht reden, aber du musst. Was ist los?” Cat schwieg. Sagte kein Wort, blieb einfach teilnahmslos sitzen. Wieder verließ ihre Mutter das Zimmer, weil sie die Spannung im Raum nicht ertrug. Dann kamen die Tränen. Cat weinte und weinte. Warf sich aufs Bett, vergrub sich in den Decken und schlief und schlief.