Man könnte verrückt werden…

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…wenn man wollte. Da ich das nicht möchte, betreibe ich manchmal aktive Nervenberuhigung und Gedankenbereinigung. Denn wir leben in unruhigen, herausfordernden Zeiten. Zumindest empfinde ich sie aktuell als unruhig und herausfordernd, aber das haben die Menschen wohl schon immer getan.

Aktuell dreht sich viel um Islam und Islamismus und Krieg und Terror. Keine schönen Dinge, die da geschehen. Schreckensbilder, die die Fantasie beflügeln. Albert Camus‘ „Der Fremde“. Am Ende liegt der Mann tot am Strand. Der Araber. Kopfkino. Pegida. Beschimpfungen. Vorwürfe. Einfache Lösungen auf allen Seiten. Herrje, es ist Weihnachten.

Ja, ich halte mich da raus. Tutti kompletti. Klar habe ich meine Meinung, aber die ist weder schwarz noch weiß, weder links noch rechts, weder dafür noch dagegen. Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Die Extreme suchen sich zu nivellieren. Es ist ein Prozess, ein Ausgleich der Kräfte und Meinungen. Demokratie, juchhu. Hey, Demokratie kann nerven. Und Rosa Luxemburg hat den Satz von den Andersdenkenden gesprochen.

Derweil lese ich mit und halte mich zurück. Mach andere Dinge, die jetzt wichtig sind. Am Wasser entlang gehen, bevor der heilige Abend kommt. Schließlich sollte man dann klar sein. Es ist der Abend, an dem die Familien zusammenkommen. Da wird viel von Besinnung gesprochen. Die Menschen gehen in die Kirche und hören Zeilen aus der Bibel. Da geht es um den Erlöser, das Löschen von Schuld, um Engel, Boten und heilige Könige, die dem Stern gefolgt sind. Letztlich: Um gute Taten.

Jim und ich sind dem Wasser gefolgt. Wir haben uns Herrn Cooper geschnappt und sind unserem Bach unten im Tal bis zur Quelle gefolgt. Stoisch dem Bachlauf entlang. Wir mussten klettern, viele Stacheldrahtzäune überwinden, überschwemmte Flächen umgehen und uns dem Regen erwehren. Es sind ungemütliche Zeiten und die Raunächte stehen erst noch bevor.

Warum eine solche Wanderung? Macht klar im Kopf. Da ist nicht viel. Nur der Bach, die Landschaft, der Himmel. Jim und ich konnten ein wenig quatschen, über alles mögliche. Dinge. Keine Politik. Leben, Veränderung, Gegenwart, Zukunft. Hat Spaß gemacht. Drei Stunden waren wir unterwegs, sind an der Quelle angekommen und sind umgekehrt. Querfeldein den mehr oder weniger direkten Weg zurück. Nieselregen, frischer Wind um die Ohren.

Zwischendurch sind wir in einem kleinen, alten Steinbruch gelandet und haben Fotos geschossen. Aus allen Perspektiven. Ein verwunschener Ort, verrückte Farben. Die Fotos zeige ich euch unten. Bleibt mir nur, eine frohe Weihnacht zu wünschen. Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen. Und schaut vielleicht mal, wie viel Frieden ihr so beitragen könnt. Wie viele Fronten ihr abbauen könnt. Wie viel Feingefühl ihr aufbringen könnt, um den Druck raus zu nehmen. Wie gnädig ihr dem Leben, den Mitmenschen und den Andersdenkenden gegenüber sein könnt.

Ich denke, das Wichtigste ist, dass es Weihnachten im Kreise der Familie viel zu lachen gibt. Pruuust! Haut rein:)

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Golgatha

Geritzt
Speerspitze

Sie ziehen nach Süden

Die Sehnsucht ein Brunnen

Verhört
der innere Wolf
Fragen
wie Glasscherben

Bitte

Die Buchdeckel
zusammenpressen
die Kapitel
verbrennen

Zurückgelehnt
ein Spuckefaden
rinnt

Warten
auf das Bild
van Ackeren

Das Nest
die Seile
dein Lächeln
der Schlüssel
das Zittern

Aufgefahren

Das Leuchtende
Sichtbare

Vergebung
Sünde
Anfang
Liebe

Deine Arme
geschlungen
nochmals
dein Lächeln
immer wieder
dein Lächeln
in die Schulter gebrannt
tätowiert, gebissen

dEZEMBER 2014

PEARLS of DELPHI – Kunst im Sexshop- Essen ART WALK

Pearls

Essen, Fußgängerzone. 800 Quadratmeter ehemaliger erotischer Geilheit. Onanierende Männer auf mehreren Etagen. Draußen läuft die Konsumflut. Dekoartikel für das Fensterbrett, die Anrichte. Neue Schuhe, Gardinen, Heißluftfön, Jeans – alles, was man tragen kann.

Weihnachtsgeschäft in einer der größten Städte Deutschlands. Vergessen im Ruhrgebiet. Im Westen nichts Neues. Der Kampf um Regeneration tobt, der Wandel, die Perspektiven, die Hoffnung, die erwacht und zuletzt stirbt. Wir befinden uns im Jahr 2014, RWE, der Geldgeber der Stadt, hat verkackt. eON hat gerade öffentlich erklärt: Reitet ohne uns weiter. Wir haben auf Atomkraft und Kohle gesetzt und wundern uns nun, dass wir verloren haben. Guten Morgen, liebe Energiekonzerne, wie wars im Dornröschenschlaf? Wie ist es, wenn man von Prinzessin Angela in der neuen Zeit wachgeküsst wird? Kohle futsch. Adieu, mon amour. Erlaubt mir, euch keine Träne nachzuweinen.

Kunst. Ein viel schöneres Thema. Nobler, sensitiver, eleganter, wacher. Menschen, die hinschauen. Nicht in fetten Limos von Vorstandsfressen zu Vorstandsfressen fahren. Belächelt, Könner. Innen. In diesem Fall.

Die Stadt Essen ist bewegt worden. Von Menschen, die Kunst betreiben. Es hat Besetzungen von Gebäuden gegeben in den Vierteln im Norden. WIR BRAUCHEN RAUM. Ateliers. Hey, hat geklappt. Leute, manchmal überrascht das Leben mit Zeichen und Wundern. Selbstverständlich im Rahmen der wirtschaftlichen Möglichkeiten. Kein Schäferidyll, aber Mieten ab 3,50 € den Quadratmeter. Wirkt. Funzt.

Beim ART WALK 2014 durften die Menschen der Stadt sehen, was gewachsen ist. Eine Menge. Viveka und ich haben uns einer Führung angeschlossen. Zwei Stunden von Atelier zu Atelier, von Projekt zu Projekt. Es ist pure Wolllust. Eintauchen in Bildwelten. Fantasie, Kraft, Schönheit, Gedankenspreizung. Fernab der Fußgängerzone. Der Autobahnen konventionell bürgerlichen Denkens. Oh ja, wie gerne ich dieses alte Klischee des Verteufelns des Bürgerlichen aufgreife.

Pearls of Delphi. Mein Projekt für diesen Tag. Künstlerinnen in einem alten Pornoschuppen. Beine breit mitten in der asphaltierten Fußgängerzone, das Eingangsbild zwei Schenkel rechts und links der Eingangstür. Es war eine Reinwaschung. Die Showtreppe im Foyer. Hinauf in den abgerissenen Club vergangener Zeiten. Hier liefen die Filme, gab es das Zeugs, die Kabinen, die Lust, all die unschöne, schmierige Männlichkeit. Und nun: Künstlerinnen, die mit ihren Arbeiten das alles wegschieben. Die mit breiter Schulter Weiblichkeit zelebrieren.

Ich könnte hier nun das ganze Projekt präsentieren. Alle Künstlerinnen, die sich zusammengetan haben, um den Raum zu bespielen. Letztlich habe ich mich für zwei entschieden, die mich am meisten bewegt haben. Snezana Dimitrijevic und Linda Wirth. „Holy Life“ und „procession“. Malerei und eine Installation.

In zwei Räumen nebeneinander. Abrissatmosphäre. Wie damals die Abrissekstase.

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Viveka und ich haben uns vorgearbeitet. Staunenden Auges. Wohin schauen? Was heranlassen? Wo Anknüpfungspunkte schaffen. procession. Da war es so weit. Ein dunkler Raum, in dem Filmmaterial von der Decke hing und düstere Musik Distanz erzeugte. Kunst zeigt sich, wenn sie berührt. Keine Erklärung, keine Erläuterung. Direkt in die Blutbahn, das Nervenzentrum. Nicht als Welle, Tsunami, überbordend, plättend. Aber als ein Eindruck, der einer ist. Wenn Fragen entstehen, sich der Geist bewegt, Fragen entstehen, Neugierde. Wenn man bleiben möchte. Länger als ein kurzes Verharren. Wenn man wissen möchte, wirklich, was das zu bedeuten hat.

procession hat mich gefesselt. Ein dunkler Raum ohne Fenster in einem ehemaligen Erotikcenter. Drei Fotos von Frauen an weißen Wänden in einer heller Ecke. Um dort hin zu gelangen, musste man sich durch Filmbänder durcharbeiten. Linda sagt: Alte Videotapes. Familienfilme. Kriegsfilme. Kampf. Sinnbildlich: Die Katze auf dem heißen Blechdach. Apokalypse now.

Bedrückend, die Szenerie. Die Dunkelheit, die Filmbänder, durch die man sich den Weg bahnen muss. Die Musik, die Fotos. Und gleichzeitig faszinierend, intensiv, gut. Ein gelungener Ort. Wahrheit im Sinne von Authentizität. Geschlechterkampf an diesem Ort, Widerstand, Empfinden, Qual und Ästhetik. Unter die Haut. Empfindsam und grob, eine Mischung, die hält und erzählt, ohne ein Wort zu sprechen.

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Ein Raum weiter. Die Nachbarin. Ikonen an der Wand. Ikonen? Ich trau meinen Augen nicht. Zunächst einmal dieser wundersame Raum. Das Foto oben. Die Tapete, der Heizkörper, die Tür in der Ecke, der Blick auf Betonbauten. Wahnsinn. Der Raum von Snezana Dimitrijevic. Irgendwo habe ich gelesen, dass sie in Belgrad Kunst studiert hat. Der Raum it abgewrackt, die Decke demontiert, die Tapete teils abgerissen. Hier hängen ihre Bilder. Ikonen im klassischen Stil. Die Heiligenthemen. Ich muss zugeben, ich war irritiert. Bin von Bild zu Bild und habe mich gefragt: Ikonen? Erotikcenter. Ikonen. Jahr: 2014. Wie meint sie das? Heiliges Leben.

Es war eine spezielle Situation. Ich ging von Bild zu Bild und Snezana Dimitrijevic schaute zu, wie ich mich vorabeitete. Der Blick auf die Ikonen, durch das Objektiv der Nikon. Sie hat mir zugeschaut, wie ich ihre Bilder angeschaut habe. Und dann: Darth Vader. In der Ecke. Neben der Tür, aus der ich gekommen war. PENG! Hey. Mein Bild. Stundenlang rumgelaufen, alles gesehen. Kunst. Vorher hatte ich einen Favoriten. Ein Gemälde, das Nervenzellen darstellt. Sehr fein gemalt. Beeindruckend. Aber dann. Darth. Feingold. Auf Holz. Wenn Kulturen gesprengt werden. Wenn Russland Amerika trifft. Wenn die Teilung in das west- und oströmische Reich in einem Bild aufgehoben wird. Wenn sich Geschichte banal neutralisiert. Wenn Profanes zur Message wird. Wenn ein Darth der Vater des Friedens wird. Ein Bild, das ich kaufen würde, wenn ich Kunst kaufen würde. Es wäre dabei. Auf jeden Fall. Du bist mein VATER. Yepp. Ein Heiliger, so wahr mir Gott helfe. Abflug.

Darth

Darth II

Advent, Advent, wonderful Advent:)

Schule mit Sternschnuppe

Am Telefon sagte sie: „Der Schriftsteller meinte, Weihnachten sei nur noch Konsum.“ Ein paar Kerzen, Tee, Kekse und alles ist da. Advent, Weihnachten ist das Geschenk. Man muss nichts kaufen, nicht shoppen. Es ist einfach Dezember. Die Sonne geht rechtzeitig unter, draußen ist es dunkel, der Wecker sagt 16:49 Uhr, alles ist ruhig, schön, gemütlich. Im Ofen bollert das Feuer, die Töpfe vom Mittag sind geplündert, die Welt ist weich, zart, wie mit einem Kissen zugedeckt und lächelt. So what? Weihnachten ist Konsum? Weihnachten ist Weihnachten. Da leuchten die Kerzen, die Herzen, es brutschelt im Ofen, die Welt steht still und wartet auf dieses neue unbestimmte Jahr. Diese Zeit nehmen und keinen Gedanken verschwenden an Fußgängerzonen und den Quatsch, den niemand braucht. Damien Rice läuft. Die Kerzen funkeln, die KInder futtern ihre Nikolaussüßigkeiten, Herr Cooper liegt vor dem Bett und den Weihnachtsbaum für Viveka haben wir abgesägt und verstaut. Alles bereitet. Freue mich. Hach.

Mit Sasa und Zoe bei CRO the BRO in der Lanxess-Arena in Köln

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Zoe hat mich irgendwann im Frühjahr gefragt, ob ich sie und Sasa, ihre Freundin, begleite. Quasi als Security (wer schräg kommt, wird komplett zack gerade gezogen). CRO in der Kölnarena, das ist schon Programm. Und mit 15 kommt man da so allein nicht unbedingt rein. Also habe ich JA gesagt. Klar. Ich meine. Sowieso. Hallo. Letztlich hat sie mich mitgenommen, was ich jetzt einfach mal als besonders schön für mich verbuche. So als Papa und dann höre ich CRO auch gern. Easy. Radio.

In die Kiste über die german Autobahn nach Köln. Parking. 4 € am Straßenrand statt Parkhaus. Aufregung. Flatter. Flitter. Je näher wir kommen, desto zappeliger. Und dann: Alles Mädchen. Hey? Boah, ey, CRO. Schlimmer Finger. Sie mögen ihn.

Ich weiß jetzt auch warum. Also: Erstens hat CRO diese Pandamaske auf, hinter die jeder und vor allem jede mal gerne schauen würde. Erst hab ich gedacht wie doof so ’ne duselige Maske. Anfangs, als ich von CRO und der Maske gehört hab. Vor 2 Jahren? Keine Ahnung. Jetzt hab ich ihn auf der Bühne gesehen und, ja, was soll ich sagen? Passt.

Bevor ich hier über das Konzert schreibe erst einmal mein CRO Fazit. Der ist echt süß. Und locker. Stellt euch ihn so vor: Dünn. Extrem lange Arme. Beine in ’ner engen Röhrenjeans, die so ein wenig hängt. Riesige weiße Basketball-Nikes, die bei einem Lied lustig wie bei ’nem Sechsjährigen in der Luft gebaumelt haben. Da war auch irgendwann ein Song, in dem es darum ging, dass er Kind bleiben möchte. Lass ich mal so stehen.

Seine Vorgruppe war ein einzelner Rapper. Gut. Aber eben nicht CRO. CRO kam auf die Bühne und war mit allem präsent. Mit dem ganzen Körper luftig unterwegs. Die Arme sind geflogen, der Body hat getanzt. Alles was geht gute Laune. Super sympathisch. Ausstrahlung nennt man das, ne. Und davon jede Menge. Das springt sofort über die Bühnenkante, die Arme und Hände gehen los und die 14.000 grooven. Und er hat Rapper-Freunde mitgebracht, mit denen er gesungen/gerappt hat. Tees hieß einer. Auch gut drauf. Die können was. Mitreißen, Spaß verbreiten, Lächeln in Gesichter zaubern, Popos sich bewegen lassen, Füße, Körper, Menschen, ganze Hallen…

Carlo heißt er, habe ich heute gelesen. CRO. A und L weggelassen und fertig ist der Rapper. Er sagt: RAOP. Rap plus Gesang, Melodie. MELLOtour. Pop. Oh ja, das klingt richtig gut. Und dazu diese fette Show. Lichter, Feuer, Lametta. Und Videos. Jeder Song bebildert. Diese Youtube-Generation hat es wirklich drauf. Multimedial, multisensitiv. Ich wusste gar nicht, wo ich so überall hinschauen soll.

Tja, und das Wichtigste – Zoe war glücklich. Hat die Songs mitgesungen. Vor allem die Hymne ihrer Gang. Meine Gang. Und Bad Chic. Und easy. Und Traum. Einmal um die Welt. Und Du. Und getanzt.

Wir saßen, zunächst. Genau gegenüber der Bühne. Volles Programm frontal. Peng.

Ich freue mich. Ein besonderer Abend. Gute Nacht. Höre noch ein wenig CRO:)

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