Ohne mich ist alles doof – was macht dein EGO?

Verzeiht! Diese Woche ist es ein wenig ernst im Blog. Aber es macht mir gerade Spaß, die existenzielleren Themen tiefer zu beleuchten. So weit der fiftyfiftyblog das zulässt. Wir arbeiten hier natürlich nicht auf wissenschaftlicher Ebene, sondern unterhalten uns von Mensch zu Mensch. In dem Sinne sind wir hier gerade eher Diskussionsforum. In der vorvorletzten Woche ging es zunächst um Väter und ihre Söhne, dann um das Mannsein und das Frausein. Diese Woche gesellte sich dann lustvolles Leben dazu und heute nun geht es um das EGO.

ICH. Wikipedia: “Ego, (v. griech. bzw. lat. Ich), bezeichnet den Selbst-Sinn (Selbstbewusstsein und Selbstaktivität) und ist unter der Bezeichnung Ich Gegenstand der Psychologie, der Philosophie, der Soziologie, der Religion und weiterer Wissenschaften.”

Am Wochenende saßen wir mit guten Freunden zusammen und irgendwann, nachdem es draußen zu kalt geworden war, hatten wir uns reingesetzt. An den großen Tisch in der Küche, der in der Literatur immer dann auftaucht, wenn es etwas zu besprechen gibt. Plötzlich gab es Kakao, den Ela irgendwie von Zauberhand zubereitet hatte (wie macht sie das immer?). Ein Kakao befand sich in der Tasse mit dem Aufdruck “Ohne dich ist alles doof”. Ohne dich.

Da hatte ich plötzlich den Gedanken, der die heutige Headline ziert, “Ohne mich ist alles doof”. Und da war ich auch schon beim Thema EGO, das in dem Bloggespräch um “lustvolles Leben” schon vielfach durchgeschimmert hatte, ohne benannt worden zu sein. Ich komme mal wieder, ich hoffe es nervt euch nicht, sonst müsst ihr es sagen, auf den Buddhismus zurück. Ihr wisst, Buddhisten meditieren mit dem Ziel, sich aufzulösen. Wie Ahoi-Brause im Wasserglas. Was? Ja, tatsächlich. Das EGO soll verschwinden und etwas anderes dadurch zum Vorschein kommen. Verkürzt gesagt. Vielleicht denkt ihr nun: Hey! ich will mich nicht auflösen und mein ICH, das möchte ich bitteschön gerne behalten! Das geht keinen und niemanden etwas an und ich lebe gut damit, habe das in langen Jahren feingetunt und ICH komme damit gut, ach was, bestens zurecht. FINGER WEG!!!

Keine Sorge, ich will euch nicht ans ICH. EGO. Nur. So fängt das immer an. Aber. Tja. Also: Was ist das? EGO? ICH? Wenn wir uns im Spiegel sehen, ist das dann das, was wir sind? Natürlich nicht, ist ja nur ein Teil, die äußere Hülle, die nicht unwichtige Verpackung, die durch Eitelkeit, eine Erscheinungsform des EGOs, gestylt wird. Unser EGO kleidet uns, bestimmt unser Aussehen, sagt, was wir tun sollen, um schöner, attraktiver oder auch nicht zu werden. Dabei ist das EGO eine Vorstellungswelt. Das Bild, das wir von unserer Gesamtheit haben. Unsere Eigendefinition. Wir definieren uns jeden Tag, indem wir uns sagen, wir sind so oder so oder jetzt endlich leicht anders. Wir lernen dazu, verändern uns, werden reifer, machen die alten Fehler vielleicht manchmal nicht mehr und gehen Schritt für Schritt weiter in der ICH-Definition.

Diese ICH-Definition ist natürlich hinterlegt. In Ordnern und Sicherheitsdateien in unserem Gehirn und Nervensystem. Da steckt unser EGO drin. Wir möchten uns ja nicht verlieren. Unsere Erinnerungen, unsere Erfahrungen, unser ICH. Steckt viel Arbeit drin und sind wir ja auch stolz drauf, sofern unser ICH das Mittel stolz für sich verwendet. Tja, und dieses mühsam erworbene ICH, das soll nun also aufgelöst werden. Ist ja eigentlich schade drum, oder? Oder auch nicht! Denn: Unser ICH ist nur eine Vorstellungswelt, die uns manchmal, nein oft, im Wege steht. Dieses ICH ist unser Filter, unsere Brille, durch die wir auf die Wirklichkeit schauen. Was wir sehen, sehen nur wir. Teilweise verwendet unser EGO die Tools anderer, gesellschaftlich akzeptierter, kulturell hinterlegter EGO-Bestandteile, teilweise haben wir unsere ganz eigenen Ansichten entwickelt. Egal, letztlich führt das im Gesamtbild zum EGO-Blick auf die Welt, das Sein und die anderen.

Gestern sprach mich in der Umkleide beim Sport ein Mann an. Er erzählte mir, das ziehe ich momentan an, seine Leidensgeschichte mit Trennung, Psychiatrie und den Weg zurück ins Leben. Er hat therapeutisch sein EGO bearbeitet und Glaubenssätze entfernt, Ansichten geändert und wieder zurück ins Leben gefunden. Er lächelte. Das ist natürlich ein Extrem. Nur, wenn wir uns auf der Welt umsehen, wie viel Extreme hat das EGO in der Hinterhand? Woher kommen all die Dinge, die der Mensch so glaubt, tun zu müssen. Weil das EGO das sagt? Weil im EGO hinterlegt ist, das ist richtig und das ist gut für dich!

Was manche Spinner auf der Welt an großen EGO-Verbiegungen in sich tragen, haben wir alle mehr oder minder auch im kleinen Stile. Das sind die Dramen, die wir immer wieder ausfechten, weil uns unser EGO sagt, das müsse nun so sein. Wir bauen Betonmeinungen auf und kämpfen gegen Windmühlen. Hollywood im Kopf. Selbst ausgedacht – angenommene, selbst gestaltete Wirklichkeit. Keine Realität!!! Tatsächlich ist es so: Jeder von uns könnte nun hier und auf der Stelle sein EGO umdefinieren und jemand ganz anderes sein. Würde keinen Sinn machen, weil nur ein EGO gegen ein anderes EGO ausgetauscht wird. Ergo, q.e.d., was zu beweisen war, das EGO gehört aufgelöst. Viel Spaß dabei:)

Plädoyer für ein lustvolleres Leben!

Römische Dekadenz? Auf Sofas rumfläzen, Trauben in die zentrale Gesichtsöffnung schieben und mit gutem Rotem niederspülen? Ne! So nich. Keine Fettwanst-Lust der Selbstzerstörung. Ganz anders. Nein, auch keine Askese. Also. Aktuell leben wir in unruhigen Zeiten. Wer die Medien verfolgt, und wie könnte man sich denen entziehen (selbst wenn man/ frau es täte, würden es einem andere brühwarm erzählen), erlebt viel Schreckliches. Täglich, stündlich. Per DSL mit Highspeed in die Blutbahn. Intravenös. Die tägliche Dosis Sex, Crime, Unterdrückung, Untergang. EHEC, Libyen, Syrien, Afghanistan, Fukushima und nicht zu vergessen: Erderwärmung und andere zentrale globale Problemchen.

Wie, verdammt noch mal, lässt es sich in einem solchen Umfeld lustvoll leben? Müssten wir nicht alle aufspringen, uns sonst was schnappen und machen und tun, um die Dinge, die da kommen, aufzuhalten? Nun, ich denke, da würden wir uns alle in Heldenpositionen bringen, denen wir nicht gerecht werden. Die wir nicht ausfüllen, die einfach nicht passen. Eine Nummer zu groß, für die meisten. Wir haben ja alle unsere Aufgaben gewählt. Stehen im Leben, nehmen Positionen ein, füllen die hoffentlich gut aus und haben, meiner Meinung nach, an den Orten, die wir gewählt haben, die Aufgabe einen guten Job zu machen.

Nun habe ich in den letzten beiden Wochen im privaten Umfeld viel Frust von Freunden erfahren. Da sind einige Dinge geschehen, wie sie immer geschehen, wenn Menschen zusammenleben. Und diese Geschehnisse haben diese Freunde sehr unglücklich gemacht. Das hatte nichts mit mir oder uns zu tun, aber im Freundeskreis sollte man füreinander da sein, wenn’s brennt. Ich habe mich also in Gesprächen wiedergefunden, die plötzlich da waren. Und versucht, da zu sein, zuzuhören.

Und dabei ist mir aufgefallen, wie groß unser Hang ist, uns selbst zu verletzen. In den eigenen Schmerz zu gehen. Uns Wunden zu schlagen, die dann lange brauchen, um zu heilen. Als Buddhist glaube ich an das sogenannte Speicherbewusstsein. Die Speicherung von Information, was weitestgehend auch mit Karma zu tun hat. Also der Schaffung der eigenen Zukunft. Habe ich ein Problem und bearbeite dieses Problem wieder und wieder, dann fahre ich in mir mit einem Bagger rum, der das Loch immer größer macht. Damit wird es immer schwieriger, dieses Loch wieder zu füllen. Wenn ich also von lustvollem Leben spreche, meine ich nicht die Weintrauben, sondern das Glück, das wir uns selbst gönnen. Unsere Bereitschaft, Ballast über Bord zu werfen. Glaubenssätze. Schuldzuschreibungen. Vergangenheiten. Unser Glück, Baggerlöcher langsam zu schließen und darauf etwas Gutes wachsen zu lassen.

Diese Welt ist permanent schrecklich. Und schön. Beides. Wir selbst bewegen uns in diesem Umfeld und sind permanent aufgefordert, uns zu entscheiden. Rechts oder links, oben oder unten. Schön oder unschön. Wir sagen dann oft: Was soll ich denn machen? Es geht doch nicht anders! Doch. Es geht anders. Im Umgang mit sich selbst zum Beispiel. Lustvolles Leben heißt da, nett zu sich zu sein. Sich zu schützen vor den dunklen Seiten. Nicht ignorieren, nicht verdrängen, aber nicht alles in das eigene Speicherbewusstsein lassen, wo es ungut arbeitet. Packe ich da immer Mist rein, geht es mir irgendwann nicht mehr gut. In uns entsteht eine selbstgebastelte dunkle Welt. Wir machen es uns selbst unschön! Wir selbst entscheiden uns, das zu tun.

Betone ich die helle Seite, wird es schöner. Strahlender. Das meine ich mit einem lustvollen Leben. Schritt für Schritt den guten Weg gehen. Tag für Tag. Achtsam mit sich umgehen, den eigenen Körper, den eigenen Geist respektvoll behandeln. Hygiene. Genau schauen, was da rein kommt und was endlich mal raus muss. Weg damit! Weg mit dem alten Ballast und Schrott und den Gewichten an den Beinen. Lustvoll leben. Die schönen Seiten sehen, gerade dann, wenn die dunklen übermächtig aufzusteigen scheinen. Lächeln, lachen, leben.

Neue deutsche Beziehungszertifizierung nach DPN

Berlin – Die DGZRVB hat ein neues Zertifizierungssystem für Paarbeziehungen entwickelt. Unterstützt vom Ministerium für Familie und Nachwuchsplanung haben verschiedene deutsche Leuchturm-Universitäten in einem 10-jährigen Clusterprojekt endlich den Durchbruch geschafft: Die DPN-ZS-2011 ist da. Um Sie hier offiziell ins Benehmen zu setzen, erst einmal einige Facherläuterungen zu den verwendeten Kürzeln. DGZRVB ist ein Projektträger, dessen viele Buchstaben für Deutsche Gesellschaft zur Rettung von Beziehungen stehen. Die DPN-ZS-2011 ist die Qualitätsnorm mit dem Wortlaut Deutsche Paar Norm – Zusammen Sein – 2011.

Ausgangspunkt dieses rund 11 Milliarden Euro teuren Prestigeprojekts war die Erkenntnis, dass Deutschland es bislang im internationalen Vergleich versäumt hat, einen Spitzenplatz in der Kategorie glückliche Paare einzunehmen. Seit 1991 ist die Zahl der Scheidungen drastisch gestiegen, was der Gesellschaft Stabilität genommen hat. Zudem wurde ein deutlicher Anstieg des Bedarfs an kleineren Wohnungen ermittelt. Die Forscher/innen des Forschungsverbundes haben in ihrer Arbeit herausgefunden, dass diese Tendenz durch willkürliches, unreflektiertes Zusammenleben unterstützt wird. Während es die Menschen in ihrem Arbeitsumfeld gewöhnt sich, Halt in festen Normen und Abläufen zu finden, zum Beispiel in Qualitätsnormen wie der DIN-ISO-9001, Teil A, ist im Privaten eine Art Haltlosigkeit festzustellen. Niemand hält niemanden und niemand hält sich an irgendetwas. Das fängt beim ungeregelten Ausräumen der Spülmaschine an und endet bei unbefriedigenden Sexprozessen vorm Fernseher.

Mit der DPN-ZS-2011 nun wird es zukünftig möglich sein, Paarbeziehungen mit und ohne Kindern eine neue Basis zu geben. Dazu werden in einem ersten Schritt deutsche Paarbeziehungen ermittelt, die Paare angeschrieben und anschließend in einen Evaluierungsprozess eingebunden. Das bedeutet: Teams des Minsteriums für Familie und Nachwuchsplanung werden in die Beziehungen und Familien gehen und zunächst Abläufe und Verhaltensweisen der Projektteilnehmer/innen ermitteln. Dazu wird im täglichen Leben untersucht, wer sich um was kümmert und wie die Beziehung oder Familie organisiert ist. Selbstverständlichen fließen emotionale Kriterien ein. Ist der Ist-Zustand aufgenommen – auch hinsichtlich der sexuellen Aufstellung – wird ein Konzept zur Etablierung eines Beziehungs-Qualitätssystems erarbeitet. Darin ist festgelegt, wer welche Aufgaben zu welcher Zeit zu erfüllen hat und wie emotionale und sexuelle Prozesse individuell optimiert werden können.

Erste Versuche in Amerika zeigen, dass genormte Beziehungen deutlich stabiler sind, weil wesentlich effizienter und effektiver zusammengelebt wird. Reibungsverluste wie zum Beispiel Streits über das Müllwegbringen entfallen gänzlich und regelmäßige, monatliche Statusreports zeigen den Status-Quo. Kommt es zu Unregelmäßigkeiten, wird automatisiert zu Paarbeteiligten-Gesprächen im Ministerium geladen. Wer will sich das schon antun? Die Ministerin Heide-Marie Allesklar lobte das Forschungsergebnis und drückte ihre Freude darüber aus, dass nun endlich auch die letzte Bastion unkontrollierter Wildwuchs-Emotionalität gebändigt ist. Sie verspricht sich davon ein hohes Maß an Stabilitätszuwachs für die Gesellschaft dieses unseres Landes und hat angeregt, den Weg der innovativen Emotions- und Beziehungsnormung konsequent weiterzugehen. Da weiß man/ frau, was man/ frau hat:)

GarageBand vs. Klavier vs. Take That

Manchmal ist Familienleben verrückt. Da hast du einen anstrengenden Tag im Büro hinter dir, hast dir die Finger wund geschrieben, dein Kopf ist ausgequetscht wie eine Zitrone und du wünscht dir ein paar Minuten für dich. Ruhe. Einfach in der Küche am Tisch sitzen und lesen. Also nahm ich mir gestern Abend die Magazinbeilage des Kölner Stadtanzeigers vom Wochenende und entschied mich beim Durchblättern für ein Interview mit Take That. Ihr erinnert euch. Robbie Williams, Marc Owen, Gary Barlow & Co. Neunziger Jahre, die erste gecastete Boygroup, von der ich gedacht hätte, die macht es eine Saison. Falsch gedacht. Reunion 2010.

Ich saß da, trank meinen Yogitee, las Zeilen eines geläuterten Robbie Williams, der mir fast leid tat. Wie er beschrieb, wie er in den Konzerten nie angekommen ist. Wie er sich da oben allein fühlte und verloren. Ich erinnere mich, als ich die CD “Live at Knebworth” von ihm zum ersten Mal gehört hatte, da dachte ich sofort an Koks. Der Junge war so aufgedreht, dass selbst die Stimme gepresst war. Ist ja auch ‘ne Nummer, wenn da 30.000 Menschen eine Show erwarten.

Der Text lief in meinen Kopf und füllte mein geleertes Buchstabenlager wieder auf. Das Problem sind immer die Vokale. a und e sind schnell weg. Ausverkauft. Habe ich gestern alle in eine Internetseite für ein Maschinenbau-Unternehmen gepustet. Verkauft. Darf es ein wenig mehr sein? Vielleicht noch ein i? Große, schwere, starke, kraftvolle Maschinen. Immer e und a drin. Während ich also las und Buchstaben tankte, hatten sich Jim und Ela verabredet, mich Stereo zu beschallen. Jim bastelte in seinem Zimmer per GarageBand an einem Song, Ela übte in Zoes Zimmer Klavier.

Ist ja eine super Sache. Jim ist kreativ und darf sich mit 14 nun endlich und heiß ersehnt am Rechner austoben. Hören wir irgendwo Musik, überlegen wir, was den Song ausmacht. Samstagabend auf dem Weg nach Siegen zum Championsleague-Finale in der Kneipe Lousiana hörten wir Clubmusic. Lief im Radio. Fette Bässe, geschickt wechselnde Rhythmen. Extrem tanzbar. Gestern nun saß Jim am von Ela geerbten Mac G5 und testete Loops und Gitarrentracks und Drumeinlagen. Zog an den Reglern, ließ aufheulen, niedersausen. Die zarten Töne kamen eher selten vor. Nun, was sollte ich sagen? “Dein Vater braucht mal fünf Minuten Ruhe zum Buchstabensaugen?” “Ja ‘ne, is klar.”

Derweil spielte Ela wunderschön Klavier. Feine, melodische Läufe. Allmählich wird mir die Frau an meiner Seite unheimlich. Im Durchflug. Sie lernt nicht nur Klavierspielen, sie kann es mittlerweile sogar. Die Stücke hören sich immer besser an. Laufen ruhig, wohltuend. In Konkurrenz mit GarageBand allerdings wird es schwierig. Weiße Fahne. Habe einfach das Interview zu Ende gelesen und den Musikwettstreit Musikwettstreit sein lassen. Zoe hat mich mit einer Rommepartie gerettet, die sie gewonnen hat. War irgendwie nicht mein Abend. Dann hat Jim noch Gitarre geübt und am Ende Zoe Klavier gespielt. Vielleicht sollte ich doch wieder meine Trompete rausholen, sonst vereinsame ich in dieser Familie noch. Die sind doch alle verrückt…

Servicehölle Deutschland???

Deutschland mitten im Westen. Die Uhr im Auto spricht von etwa 8 Uhr früh am Donnerstagmorgen. Ich fahre einen schweren, aus Erfahrung leidgeprüften Weg. Meine Mission lautet: Ummeldung eines Personenkraftwagens. Das menschliche Speicherbewusstsein in mir ruft Schreckensbilder der Vergangenheit ab. Aachen. Über 20 Jahre zuvor. Beantragung und Abholung eines Anwohner-Parkausweises. “Sie haben alle Unterlagen dabei, das ist richtig.” Ich schaue in das Gesicht einer Frau, die wahrscheinlich zuvor Dienst an der Zollabfertigung der innerdeutschen Grenze geschoben hat. Mit Sicherheit hat die eine Luger in der Schublade. Ihr Atem strahlt Vernichtung aus, ihre Aura ist aus Beton gegossen.

“ABER. Die Meldebescheinigung ist älter als sechs Monate.” Freundchen Abmarsch, zack, zack. Moment. Ich bin Bürger eines freiheitlich organisierten mehrheitlich demokratischen Staates, Schätzchen! Nicht mit dem Commander, wie mein Trainer immer sagt. Attacke! “Meine sehr verehrte Amtshelferin, in der weisen Voraussicht eines in diesem Staate gut lebenden Bürgers habe ich ihr Amt vor meinem Besuch telefonisch befragt. Die Antwort des Orakels: Nehme die Meldebescheinigung mit. Keine Sau hat was von sechs Monaten gesagt!!! Also fahren wir jetzt volles Programm: Zum Mitschreiben – 1. Klären Sie mich über meine Rechte auf! 2. Sofortiges Gespräch mit dem Dienststellenleiter oder einem autorisierten Vorgesetzten! 3. Formular zur Einreichung einer Adhoc-Dienstaufsichtbeschwerde. In doppelter Ausführung! Danke, ich warte!” Da war die sechs Monatsdiskussion vom Tisch und ich durfte mich parkender Anwohner einer westdeutschen Unistadt schimpfen.

Zurück in die Gegenwart. Ich habe Morgendienst und habe also die Fahrt nach Gummersbach zum Straßenverkehrsamt mit dem Wegbringen meiner Kinder zur in der Nähe liegenden Schule verbunden. Alles genau getimt. Uhrenvergleich. Time of Arrive. Time of Departure. Am Vorabend habe ich online (!!!) einen Termin um 8 Uhr 15 MEZ mit dem STrVAmt vereinbart und mir die amtliche Bestätigung ausgedruckt. Darüber hinaus habe ich die Checkliste für meinen individuell anliegenden Verwaltungsakt studiert und die Unterlagen minutiös und haargenau nach DIN zusammengetragen und in eine Spießer-Feinripp-Schutzhülle gepackt. Ordnung. Zudem habe ich mich mental gerüstet und bin den Satz mit den Rechten und der Dienstaufsichtsbeschwerde durchgegangen. Mann weiß ja nie!

Als ich um 8 Uhr 7 eintraf, bat mich eine freundliche Dame lächelnd, doch bitte noch kurz zu warten und dann einfach um 8 Uhr 15 zum Schalter 11 zu gehen. Kurz einen Kaffee gezogen und in der Regenbogenpresse (da liegen aktuelle (!!!) Zeitschriften des Lesezirkels aus!!!) einen Artikel über Willy und Kate gelesen. Der Kuss in Großaufnahme – sieht schon verliebt aus.

8 Uhr 12 zum Schalter 11 (ein wenig gefuscht). Lächelnd sagt die Dame “Nehmen Sie bitte einen kurzen Augenblick dort Platz.” Mache ich, als mich schon eine Kollegin fragt: “Kann ich Ihnen helfen?” Sind die auf Droge oder was? Fehlt denen der Grenzdienst? Ich antworte: “Ich habe einen Termin um 8 Uhr 15 am Schalter 11.” “Wissen Sie was, Sie können schon zu mir kommen.” Hier werden sie geholfen. Mein Misstrauen beginnt Risse zu bekommen. Ich reiche ihr die komplette Spießer-Feinripp-Dokumenten-Kollektion und warte auf den Knall der Bombe. Sechs-Monats-Diskussion. Ihre Finger fliegen atemberaubend schnell über die Tastatur. Sie druckt einen Zettel aus. Reicht ihn mir. Lächelnd. “Gehen Sie bitte zur Kasse und dann wird Ihr Name an der Ausgabe der Papiere aufgerufen.” 8 Uhr 17 – Eintreffen an der Kasse. Ich bezahle. 19 Euro 20. Ich hatte mit einer anderen Summe gerechnet. Ummelden ist ein Schnäppchen. Billig, billig drangekommen. Die Dame wünscht mir einen schönen Tag. Lächelnd. Was die wohl so rauchen vor Dienstantritt? Oder ist irgendetwas in dem Desinfektionszeug für Hände in den Sprühern, die da rumhängen? Ich setze mich, widme mich dem restlichen Artikel W + K, als auch schon der Name Richter freundlich in der Luft neben meinen Ohren erscheint. C’est moi. Also nicht ich, ich heiße ja Schönlau, aber ich melde die Karre auf Ela an.

Bitte hier und hier unterschreiben. Einen schönen Tag. Lächelnd. 8 Uhr 22. Peng! Fertig! Unter zehn Minuten. Deutschland im Mai auf einem Straßenverkehrsamt bei der Ummeldung eines Mittelklasse-Personenkraftwagens. Kein Wunder, dass die Kirchen leer sind. Die Leute sind erleuchtet. Die sind schon im nächsten Stadium, einfach eine Runde weiter. Würde da noch Kaffee kostenlos ausgeschenkt, würde ich da mit Freunden meinen nächsten Geburtstag feiern. So sieht’s also aus mit der Servicewüste Deutschland. Es hat geholfen, das Mantra über Jahrzehnte von Millionen Menschen täglich sprechen zu lassen. Dieses Land hat sich verändert. Vielleicht wirkt noch das Sommermärchen 2006 oder wir lächeln tatsächlich einfach mehr. Grund genug haben wir, wenn man/ frau es sich genau überlegt. Ich wünsche meinen Leserinnen und Lesern einen schönen, schönen Tag:) Geht doch.