0-1-01-1-1-0 – Der digitale Code. Aus, an… Der gestrige Artikel – ich hoffe, ihr hattet euren Spaß -, hat mich nachdenklich gestimmt, was wir hier so veranstalten im Land der Dichter und Denker. Dichter und Denker? Nun. Ich glaube, das war einmal. Früher hinter den sieben Bergen. Da hat sich doch einiges verändert. Ein Goethe hätte es heute schwer, mit einem Werther eine ganze Generation in den Selbstmordwahn zu treiben. Hatte er natürlich nicht vor, der Ärmste, alle Melancholiker auf dem falschen Bein zu erwischen. Shit happens. Also nix Goethe. Stattdessen Maschinen. Neuzeit. In den 30’er Jahren gab es den Futurismus. Mensch, Maschine. Die Vorwegnahme des digitalen Codes.
Was will der nur mit seinem digitalen Code? An. Aus. Ich will darauf hinaus, dass wir in einer Zeit der veränderten Taktzahl leben. Zurzeit arbeite ich sehr konzentriert im Bereich Maschinenbau. Da brummt es. Maschinen “Made in Germany” sind gefragt. German Engineering. In den Hallen wird reingeklotzt. Alles muss raus. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Das Land der Dichter ist ein Land der Exporteure geworden. An. 1. Alle umgeswichted auf Volllast.
Kein Land der Dichter und Denker mehr, eher ein Land der Ingenieure und Innovateure. Ein Land im Speedwahn. Auch ich. Bei mir kommen die Jobs rein und dann läuft die Uhr. 24 Stunden Zeit. 12 Stunden. 6 Stunden. Meistens. Wir sprechen nicht von Tagen, sondern von Stunden. Speedcreativity. Kein langes Fackeln. Ran. Adrenalin ins Hirn und rausblasen. Peng. Ist in Ordnung. Absolut. Nährt den Texter, der froh ist, wenn er zu tun hat.
Nur: Wann ist Zeit für Leben? Für die schönen Dinge? Für Menschen? Für das Zeugen von Kindern (um beim gestrigen Thema zu bleiben)? Keine Zeit, keine Zeit. Morgens die Systeme mit einem Kaffee hochfahren. Den Tag durchplanen. Familie, Arbeit, soziale Aufgaben. Die Bälle schwirren in der Luft und wollen jongliert werden. Gestern Abend kam ich um zehn Uhr nach Hause. Vorher hatte ich gebloggt, gearbeitet, mit Zoe Hausaufgaben gemacht, unseren alten Zweitwagen verkauft und war dann im Dorf unterwegs, um für die Festzeitschrift unserer Dorfgemeinschaft mit Menschen zu sprechen und Fotos einzusammeln. Danach ins Bett (über mir ein Poster von William & Kate, dass mir Zoe und Ela über das Kopfende geklebt hatten.Ts.). Samstagabend Redaktionssitzung im Dorfhaus. Davor die Wochen habe ich für das Kunstrasenprojekt meines Fußballvereins die Werbemittel getextet und organisiert. Sitzungen, Treffen, Telefonate…
Ich denke, wir alle leben mit einer Geschwindigkeit, die beeindruckend und beängstigend ist. Da kommen Träume von einem Haus am Meer auf, in dem es ruhig und bescheiden zugeht. In dem sich denken und dichten lässt. Mir ist das Dichten gerade abhanden gekommen. Arbeite bei den Innovateuren. Das ist schade. Gerne würde ich mal wieder ein Gedicht schreiben – der Kopf ist nicht frei, die Gedanken kommen nicht, das Maschinensprachenprogramm ist eingelegt. Der Gedichteschreiber ist aktuell verloren gegangen. Geht mir nicht allein so. filo hat heute einen Kommentar zu meinen Gedichten geschrieben. Sie hat gestern drin gestöbert, weil sie gerade auch nichts schreiben kann. Auch zu viel Speed im Leben. Aufgaben, Aufgaben, Aufgaben.
Was bleibt? Sehnsucht. Das Meistermetier der Dichter und Denker. Die brotlose Kunst versickert in Zeiten, in denen Stahl Regie führt. Von Stahl genährt. Wo sind nur die Blumen hin, wo sind sie geblieben? Bleibt am Ende die Frage an uns alle: Funktionieren wir noch oder leben wir schon?