Sie geht, er kommt.
Es ist eine Zeit des Wandels, des Neuanfangs, des Abschieds, der Begrüßung. Wie die Zeit vergeht, tiefe Spuren im Sand. Unsere sweet little GAGGIA Baby Millenium ist den Weg des Gerechten gegangen. Zwölf Jahre lang hat sie uns mit Kaffee verwöhnt. Mit italienischem. Schwarz, ölig. Tief in Farbe und Geschmack. Alltagszeremonien, kleine Fluchten, zwischendurch das Glück des feinen Geschmacks am Gaumen. Nicht einfach nur Filter rein, Pulver drupp und los und fertig ist die schwarze Suppe. Bitter ist sie dann, schwer verträglich. Das Gute, das Eigentliche, das Wahre, die Kaffeeöle, sie bleiben im Filter. Finden den Weg nicht in die Kanne, die Tasse, zu den Geschmacksknospen (was für ein merkwürdiges Wort, als wäre unser Mund ein Busch, eine vor dem Blühen stehende Zimmerpflanze).
Our Baby dagegen hat Wert darauf gelegt, einen guten Job hinzulegen. Und das hat sie, wahrlich, getan. Ab und an musste ich sie reparieren. Dann habe ich mit dem GAGGIA Ersatzteildealer meines Vertrauens im Osten der Republik telefoniert, habe Rat eingeholt, habe geschraubt, geprüft, gemessen, ersetzt, gereinigt. Ja, ich kannte die Baby Millenium. Den Klang, wenn sich im Boiler der Druck aufbaute, wenn die Dampfmaschine loszischte, um sich mit Kraft und Leidenschaft dem frisch gemahlenen Espresso anzunehmen. Eine Wissenschaft für sich, das Mahlen. Die richtige Körnung, wenn sich das Wetter ändert. Wenn die Luftfeuchtigkeit abnimmt oder zunimmt. Erbsengroße Flocken müssen entstehen, dann ist das Pulver richtig. Dann entsteht die Crema, der Schaum obenauf, der sagt: Ja, hier sind sie , die Öle. Alles ist perfekt. Perfetto infernale bomba atomica.
Nun hat sie den Geist aufgegeben. Oder, sagen wir es so. Die Kosten für die Ersatzteile rechtfertigen den weiteren Betrieb nicht. Nicht wirklich. Die Entscheidung ist eine gefühllose, rationale, auf Fakten beruhende Entscheidung gewesen. Die eines herzlosen BWLers – wohnt auch in mir. Baby, wir müssen uns trennen. Hart.
Ja. Ich habe es mir schön geredet und mir eine Geschichte dazu ausgedacht, um mit meinem schlechten Gewissen und meiner Kaltblütigkeit klar zu kommen. Ich habe einfach gesagt: Das ist ein Transfer. Die GAGGIA Baby Millenium war der italienische Superstar in unseren Reihen. Von Milano hierhergekommen, immer fantastico gespielt und zuletzt dann doch öfter verletzt. Das Alter. Wir spielen aber ganz oben, Champions-League. Feine Crema, schnelles Kombinationsaufbrühen – wider der guten deutschen Tasse Bohnenkaffee. Das ist eine Lebenseinstellung, eine Philosophie, eine Haltung.
Da hat man eine Verantwortung und da muss man als Manager manchmal harte menschliche Entscheidungen treffen. Ein letzter Check. Aufgeschraubt, nachgesehen. Sah nicht gut aus. Der Aluboiler angefressen, die Dichtungen marode und zwei Thermoschalter zu ersetzen, vielleicht sogar die Heizung. Puh. Und: Es gibt keinen Messingboiler. Ela verzichtet auf Alu-Deos, weil das Zeugs gesundheitlich nicht so optimal ist und dann pfeifen wir uns Espresso aus einem sich auflösenden Aluboiler rein.
Also mussten wir, musste ich handeln. Vamos con dios. Bye, bye, GAGGIA Baby Millenium. Schönes Leben noch. Wünsche dir alles Gute. Ich erspare euch die weitere harte Wahrheit, schildere euch nicht den Weg, den sie jetzt gehen wird. Aber Schluss nun mit Trübsal. Die Königin ist tot, es lebe der König. Wir haben einen neuen Mittelfeldregisseur. Die 10 in den Reihen der Espressomaschinen. Er heißt Maverick von Isomac und stammt ebenfalls aus Italien. Immerhin schlagen uns die Italiener im Fußball immer dann, wenn es drauf ankommt. 2006. Das Sommermärchenende. Merda!
Also können die was. Und er, der Isomac Maverick sowieso. Sieht italienisch gut aus, glänzt auch ohne Pomade und steht voll im Saft. Bringt echte 15 Bar auf die Pumpe, was die Kaffeeöle nur so sprudeln lässt. Und hat Boiler und Brühgruppe aus Messing. Starke innere Werte sozusagen. Ein feiner, solider Charakter. Und ja, tatsächlich, es ist ein Unterschied. Die Baby Millenium hatte einfach Druck verloren. Und ein Aluboiler ist eben auch nicht so gut, weil er ein schlechteres Wärmemanagement hat. Das Wasser muss sehr heiß sein, die gesamte Brühgruppe auch, damit am zentralen Ort des Geschehens, dort, wo Wasser auf Pulver trifft, optimale Bedingungen herrschen. Ein Hexenkessel muss es sein. Voller Druck, voller Hitze. Und das alles in der richtigen Geschwindigkeit. Langsam durchlaufen lassen, aber nicht zu langsam. Also alles nicht so einfach. Aber da die Menschen jenseits der Alpen nun einmal wissen, was ein guter Espresso ist, haben sie eben die Maschinen so entwickelt, dass die einen richtig guten Espresso hervorzaubern können. Und das kann er, der Neuzugang, der Maverick aus dem Hause Isomac. Ein Talent mit Potenzial für die obere Liga.
Gut, die Bleche sind etwas labberig. Qualität und so, Verarbeitung. Mañana. Da biegt sich halt mal ein Blech an Stellen durch, wo ein kleiner Schweißpunkt das verhindert hätte. Dolce Vita. Das stört keinen großen Geist. Mamamia! So sind se und so mag ich sie und so leben wir mit diesem kleinen Abzug in der B-Note. Mein Dealer, ein sehr netter Herr aus dem Osten (da wohnen scheinbar die deutschen Espressospezialisten, weshalb eigentlich?), hat mich beruhigt und mir zugesichert, dass das keinerlei Einschränkung der technischen Eigenschaften nach sich ziehen würde. Ich könnte gerne versuchen, das Blech eigenständig wieder gerade zu biegen und wenn das nicht funktionieren sollte, könnte ich sie gerne zurückschicken. Och nö. Jetzt, wo der Maverick da steht. Soll er bleiben. Außerdem war er etwas günstiger, weil er ein Ausstellungsstück war. Also quasi am Ende des Transferpokers übrig geblieben – da hat der Herr Schönlau hart zugeschlagen. Paff.
Allerdings: Ich muss zugeben, der Wechsel fällt mir nicht leicht. Noch sehe ich sie da stehen. Unsere gute, alte, liebgewonnene GAGGIA Baby Millenium. Was haben wir uns damals über sie gefreut. Ach, ja. So isses. Maverick ist halt etwas kerliger. Und Männer untereinander müssen sich erst aneinander gewöhnen. Am Theater nannten wir das zu Beginn einer Produktion Rüdenbeschnüffelung. Manchmal haben wir Jungs sie nicht alle. Aber das macht uns ja aus – sonst wär ja langweilig:)
Jetzt werde ich mir mal schön ein feines Käffchen ziehen… Ciao.