Versunken

Liebesgestohlene Zeit
Augenblickrauschen
fingerfühlender Nähe

Umgarnt, umwoben

Im Herzen der Zitadelle
unser Himmelbett
Brokat
samtenes Abendlichtglitzern
daunenweiche Ehrlichkeit
von den Lippen geküsstes Lächeln
you know

Die Stelle
hier

Liegen
ahnen
schweben

Entblößt verschlossene Augen
vergessener Zeit

Die Schulter blutet
ins feingewebte Leinen

Memory der Orte

Heimat ist
wo deine Seele
schlafend liegt

Der Morgen
schickt uns
weg

märz 2013

Mit Maupassant auf See

Auf See

Ich segle gerade. An der französischen Mittelmeerküste entlang. Eben haben wir in St. Raffael abgelegt und sind auf dem Weg nach St. Tropez. Mein Kapitän ist kein Geringerer als Guy de Maupassant, der ständig was zu berichten hat. Mal sieht er ein Liebespaar im Mondenschein, dann macht er sich Gedanken darüber, wie sich Menschen verhalten, wenn sie in Massen auftreten. Er hasst das. Geht auf kein Volksfest, meidet alle Ansammlungen. Er glaubt, dann würde der Intellekt verloren gehen und Dumpfheit würde wie reifes Obst von Bäumen fallen. Der kluge Geist würde eingeschränkt und sich letztlich in Allgemeinplätzen ergehen.

So geht das den ganzen Tag mit diesem liebenswerten Snob, der auf die Berge, die Küste, die Pflanzen, die Architektur, die Menschen schaut. Immerzu. Neben ihm fühlt man sich schon ein wenig beobachtet. Guy, entspann doch mal. Mach ma ne Pause. Leg dich hin, lies ein Buch, check deine Mails. Mails, ach, herrje. Darf ich nicht sagen. Er nennt das Korrespondenz und hasst auch das. Weiß vorher schon, was drin steht. Begehrlichkeiten. Sie sind ihm auf den Fersen, die Freunde und lästigen Bekannten. Er möchte lieber alleine sein und gucken, segeln, in Gasthäusern speisen, wieder gucken, aufschreiben. Fertig ist der Tag.

Auch wenn er viel Umsinn redet, ist es schön, mit ihm unterwegs zu sein. Gestern hatte er seine pazifistischen Minuten. Was da abging. Gegen den Krieg gewettert, den Irrsinn, all das duselige Leid, die jungen Männer, die ihrem Unglück entgegen laufen. Irgendein General von Moltke hatte etwas von göttlichem Krieg gesagt. Pah. Guy ist schier ausgerastet. OMG. Oh-my-god. Hat Adele gestern bei der Golden Globe-Verleihung auch gesagt. Skyfall. So’ne 007-Nummer. Auch wenn sie musikalisch nicht vom Himmel fällt wie der Wind, der Guy und mich an der Küste entlangschippern lässt.

Zufällig bin ich die Strecke erst vor wenigen Jahren gefahren. Mit dem Auto in umgekehrter Richtung. Also nicht rückwärts oder so. Nein. Richtung Nizza. Also rauf. Gen Italien, was ja immer richtig ist. War schön. Im Frühjahr mit wandern und schlendern und Picknick und Märkten und kleinen Hotels und so. Wie Guy, nur heute und mit dem Auto. Nich mit dem Schiff.

Dieser Franzose ist natürlich auch ein kleiner Romantiker. Zu der Zeit war das noch IN und möglich. Wie schön. Monets Seerosenbilder. Durfte der. Den ganzen lieben langen Tag im eigenen Park mit Brücke. Naja. Und Guy zitiert an einer Stelle eine junge Frau, die ihm mal was verraten hat. Ging so: “… dass der Mondstich tausend mal gefährlicher ist als der Sonnenstich. Man bekommt ihn, wie sie sagte, ohne es zu merken, wenn man in schönen Nächten umherwandelt, und man wird nie davon geheilt; man wird davon verrückt, nicht rasend, zum Einsperren verrückt, sondern verrückt in einem besonderen, leisen und anhaltenden Wahnsinn; in nichts denkt man mehr wie die anderen Menschen.”

Schön. Der Mondstich. Ist mir auch mal passiert, als ich auf einem Felsen saß und aufs Meer schaute und der Mond vorbeizog eine halbe Nacht lang. Mister Gaga. Seither.

Tja, aber dann möchte ich euch auch noch schreiben, weshalb Guy die Mondgeschichte erzählte. Lassen wir ihn mal zu Worte und zu Potte kommen. Kurzer Einschub: Der Gute hatte ein Liebespaar gesehen. Mehrfach. Auf einem Spaziergang, im Restaurant, am Strand, später vom Boot aus durch ein Fenster. “Plötzlich wurde eines der Fenster des Gasthofes hell, in dem Licht sah ich die beiden Profile. Da übermannte mich meine Einsamkeit, und in der lauen Luft dieser Frühlingsnacht, beim leisen Schlag der Wellen auf dem Sand, unter der dünnen Mondsichel, die ins Meer sank, fühlte ich in meinem Herzen ein solches Verlangen zu lieben, dass ich vor Verzweiflung fast geschrien hätte. Dann schämte ich mich plötzlich dieser Schwäche, und da ich mir keinesfalls eingestehen wollte, dass ich ein Mensch wie die anderen war, gab ich dem Mondschein die Schuld, meinen Verstand getrübt zu haben.”

So. Der Mond. Ja, Guy. Gute Ausrede auch, muss man mal drauf kommen. So’n paar Worte hingeklekst und basta.

Werde jetzt mal weitersegeln und euch mit eurem Tag alleine lassen. Macht was draus, schockt eure Kinder, lest ein Buch. Warum nicht mal einen Klassiker? Die sind echt nett und freundlich und haben lustige Ideen im Kopf. So wie mein Freund Guy de Maupassant. Mit dem kann mans schon aushalten. Für’n paar Tage. Auf einem Schiff. Im Mittelmeer. Auf See. AHOI.

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Von Gedichten, Papas und der wilden Traurigkeit

Papa

Manchmal sagt man, Gedichte müssten in ihren Bildern intelligent sein. So Bilder, Metaphern wie von Rilke oder Celan. Solche, die wie vom Himmel gefallen sind, nicht einfach erarbeitet in der stillen Kammer. Die Menschsein in einer Besonderheit zeigen, diese feinen Klänge, zu denen der Zugang nicht zu finden ist. Wie Bilder von einer alten Frau mit Aluminiumfolie auf dem Kopf unter der die Farbe trocknet, mit der ihr die Söhne die Haare färben, um sie schön zu machen, weil sie es liebt, weil sie sie lieben, weil es mehr sagt als alles andere und dieser Auftakt, diese erste Szene, dieses Begrüßungsbild das Herz nimmt und leicht wiegt, als sei das Herz das gewünschte Baby, die erfüllte Hoffnung, die gestillte Sehnsucht.

Es gibt sie, die den Weg gehen können. Die keine Schlüssel brauchen, die schlafwandelnd ankommen. Die taumeln, fallen, aufstehen und es in der Hand halten. Selbst nicht wissend, wo, wie, wann gefunden.

Für Gedichte muss man drauf sein, würde man heute sagen. In einer Stimmung sein. Mir geht das so. Wenn ich schreiben will, mit Betonung auf will, werden die Worte hart. Langweilig. „Common“ hat mal ein Barkeeper gesagt, von dem ich mir einen allzu bekannten Song einer Band gewünscht hatte. Das war auf Karpathos, als ich mit den Surfern in der Stadt unterwegs war. Raki für die Surfjungs aus dem Kanister hinter dem Tresen. Steuerfrei oder so. „Gewöhnlich. Zu gewöhnlich.“

Wenn ich nicht in diesen Zustand komme, der Tore öffnet, Verbindungen schafft, Leichtigkeit zulässt, entsteht nichts. Ich hätte gerade gerne ein Gedicht geschrieben. Für sie. Als Trost, weil es heute sehr schwer ist. Gerne hätte ich etwas gegeben. Aus einem Gefühl von Ohnmacht heraus. Aus einem Gefühl heraus, das Fesseln fest um alles Gliedmaßen zieht und das Denken gleich mit einschnürt.

Es ging nicht. Klar. Zu viel. Anspruch, Wollen, Absicht, Ziel. So geht das nicht, klappt nicht. Man kann Gedichte nicht mit der Pistole am Kopf schreiben. Also sitze ich nun hier unverrichteter Dinge und lasse geschehen, was geschieht. Schaue zu, warte ab, denke nach.

Ich wünschte, die Dinge wären anders. Leichter. Unkomplizierter. Ich habe lange gehofft, mich über kleine Fortschritte gefreut, einen Horizont gesehen. Nun sind Wolken aufgezogen und Wellen toben. Ich könnte mich in die Wellen schmeißen und wie wild los schwimmen. Um was zu tun? Irgendwo da draußen? Vertrackt, vertrackt. Dieses verrückte Jahr lässt mich nicht aus seinen Krallen. Es spielt mit mir, wirft mich hin und her, lässt mich in Flammen aufgehen, streicht mir übers Haar. Küsst mich, liebt mich, tritt mir in den Arsch.

Kein Problem. Nehm ich mit, tanz ich aus. Dinge geschehen. So ist das nun einmal. Manchmal laufen Dinge anders, als man sich das wünscht. Jetzt bin ich müde. Ein langer Tag. Wieder viel geschehen. Eine Präsentation. Gut gelaufen, zufriedene Kunden. Jobs, Arbeit, Meetings, Mails, Fußball am Abend. Kurzes Abendbrot mit Ela und den Kindern. Nun hier im Bett. Antwort auf die Mail. Bloggen. Kein Gedicht für dich. Sorry. Nur ein Song. Von einem anderen.

Das Bild oben? Ein Geschenk. Ein Graffiti. Hat Zoe von ihrem Banknachbarn gelernt, Graffitis zu zeichnen. Wir hatten am Wochenende einen leichten Disput, weil ich ohne sie weg war. Bei einem guten Freund, den sie auch mag. Sie wäre gerne mitgekommen. Ich habe Nein gesagt. Gestern Abend haben wir geredet. „Wir müssen reden.“ Uns umarmt. Ich konnte ihr einiges sagen und es war O.K. Heute hat sie mir das Bild geschenkt. “Papa.” Es lag da. “Für dich.” Beiläufig. Im richtigen Augenblick.

R.I.P.

Rest in Peace mein lieber Baum.

Zoe kam nach Hause. Papa, der Baum, dein Baum, er ist umgekippt. Dorfnews. Von den Bäumen. Getrommelt, erzählt, geflüstert. Der Nachbar gestorben, ein guter Nachbar. Alt. Über Achtzig. Sehr geliebt. Ich möchte keinen Vergleich ziehen, zwischen Mann und Baum. Aber ich werde mich daran erinnern, dass dies das Jahr war, als alles zusammen kam. Auf die vielen Entwicklungen noch lauter kleine i-Pünktchen. Akzente. Veränderungen. Unaufhaltsam.

Im Buddhismus, in meiner Linie, ist die Vergänglichkeit ein zentrales Thema. In den Meditationen wird sie in den einleitenden Worten genannt, weil sie zeigt, wie wichtig der Moment ist. Was morgen geschieht, wo wir morgen sind, weiß nur der Wind. Wenn überhaupt. Und so geht es weiter. Löst sich auf, findet sich neu. Wie die Wolken am Himmel, die ziehen, tanzen, sich vereinen, um abzuregnen und im grellen Blau sich aufzulösen. Was hat Bestand? Was ist fest? Eine Eisenbahnschiene? Wie ragen sie in die Luft, gedreht wie ein Stück Draht, wenn’s kracht. Wenn Züge ihre Spur verlieren und sich am lichten Tage ineinander schieben. Zum Beispiel. Oder Türme, die fallen. Vom einen auf den anderen Augenblick. Im Radio die fassungslose Stimme, die das Undenkbare beschreibt. Den Moment werde ich nicht vergessen. Konnte es nicht fassen. Mit den Kindern gespielt, im großen Zimmer. 9/11.

Von den großen Türmen zu einem kleinen Baum. 2012. Das Jahr, das als Jahr der Veränderung angekündigt wurde. Was war im Vorfeld von Konstellationen gesprochen worden. Ich hatte mich lächelnd zurückgelehnt, hatte mit Ela die halbe Nacht getanzt, Sylvester, wir standen auf einer Terrasse und prosteten sorglos dem neuen Jahr zu. Ich bin nach London gegangen für eine Woche in die buddhistische Sangha, habe Englisch gelernt, kam zurück. Vorher mein Vater. Der neue Job demnächst. Sylvester war von all dem nichts in meinem Kopf. Ich dachte, alles bliebe automatisch, wie es ist. Für immer. Ich hatte meine Lektionen nicht gelernt, obwohl ich es hätte besser wissen müssen. Die Meditationen sagen es. Immer wieder. Alles ist vergänglich. Hänge nicht daran. Lass die Seile gehn.

Den Baum habe ich gestützt nach dem Sturm, weil er noch schiefer hing. Es gibt Dinge, die lassen sich nicht aufhalten. Mit noch so großer Kraft nicht. Wozu auch? Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Alles eins. Ich habe diesen Satz lange nicht verstanden, weil mein Kopf in gestern, heute, morgen unterteilte. Auf anderer Ebene jenseits des Tagesgeschäftes ist es aber so, dass alles wie bei diesen russischen Figuren ineinander steckt. Die Gegenwart entält die Zukunft und die Vergangenheit. Bestimmt sie, ist bestimmt worden. Denn die Gegenwart ist die ehemalige Zukunft. Zukunft ist die baldige und spätere Gegenwart und irgendwann Vergangenheit. In diesem Augenblick glauben wir, Vergangenheit und Gegenwart sind klar weil schon oder gerade gelebt. Und die Zukunft wäre offen. No. Speedtrain. Die Zukunft ist schon definiert, geschaffen. Auch in diesem Augenblick, auch mit diesem Text. Bausteine, Mikrosysteme. Alles ist mit allem verwoben.

In einem lichten Augenblick draußen habe ich das einmal gesehen. Vorsicht, jetzt wirds esoterisch. Wer das nicht mag, sollte jetzt Kaffee trinken gehen. Es war ein Tag 2005. Im Frühjahr. Aus bestimmtem Grund war der Kirschbaum gefallen. Ein einschneidender Tag, der schmerzte. Wenn Bäume fallen, bestimmte Bäume, sind das Coelhos Zeichen auf dem Weg. Grenzsteine. Menhire. Im Eindruck dieses Falls ging ich ins Maikäfertal. Allein. Noch ohne Cooper, der später im Jahr zu mir stieß. Im Februar des Jahres hatte ich das erste Mal meditiert und war geflasht. Das passte. Nun ging ich diesen Weg entlang zu einem meiner Bäume. Da gibt es mehrere. Manchmal bin ich ein sentimentaler Sack. Die verschrobene Birke an der Ecke mit den Rindenverletzungen. Sie hat sich dort so reingedrängt ins Eck und kämpft ums Licht neben den Eichen. David, Goliath.

Dort stand ich und legte meine Stirn an den Baum. Da war das Bild. Die Wiese vor mir, der Wald dahinter voller Leuchtpunkte. Wie eine 3D-Karte mit kleinen Erhebungen, auf denen orangene Lichter leuchten. Und alle waren miteinander verbunden, durch dünnere oder dickere Lichtfäden. Nur ein Bild. Ein kurzer Augenblick. Verbundenheit des Guten, dachte ich. Ging nach Hause und nahm es mit. Manchmal kommen solche Bilder. Kennt ihr sicherlich auch. Messages, Botschaften am Rande. Alles steht und fällt in einem Zusammenhang.

Mein kleiner Baum liegt nun am Boden. Vielleicht reichen die letzten Wurzeln noch für ein Aufblühen im Frühling, um irgendwann vom Bauern beiseite geräumt zu werden. So it is. R.I.P.

Und was machen die Liebe und das Leben?

Endlich mal wieder das Kernthema dieses Blogs. Das, um das sich alles dreht und wendet.

It’s still going on. Es ist nun fast ein halbes Jahr her, dass sich unser Leben hier radikal verändert hat. Ela und ich hatten immer gesagt, dass, wenn unsere Liebe nicht mehr trägt, wir auseinandergehen und hier weiter zusammenwohnen und zusammenleben werden. Dass wir es versuchen würden, zumindest.

Still im Geheimen hatte ich gehofft, dass es dazu nie kommen würde. Als es dazu kam, war ich allerdings sehr überrascht, aber dennoch vorbereitet, weil die Ahnung ein ständiger Begleiter ist. Ich denke, das geht allen Menschen so. Ich glaube, wir haben genügend Antennen, die uns sagen, was um uns herum geschieht. Natürlich gibt es Signale, die möchten wir nicht empfangen und die sortieren wir aus. Was ich nicht weiß… Dennoch sind sie da und wir wissen es, ohne es bewusst zu wissen.

Nun bin ich also ein halbes Jahr schlauer. Was ist geschehen in der Zeit? Sehr viel. Ela und ich haben uns wieder angenähert. Das heißt, wir haben einen Weg gefunden, hier gut und konstruktiv zu leben und unseren gegenseitigen Respekt und unsere Liebe in freundschaftliche Nähe zu verwandeln. Ich kann jetzt wieder über Dinge, die mich betreffen, mit ihr sprechen. Habe meinen Beton-Schutz-Mantel abgelegt. Das ist schön, weil mich niemand besser kennt. Ihr Rat ist mir wichtig. Wir sind jetzt kein Paar mehr, aber zusammenlebende Eltern in einem Patchwork-Wohnprojekt, in dem sich auch Elas Freund wohl fühlt. Den ich zunehmend mag. Ein feinfühliger Mensch. Glück gehabt.

Es ist Raum für Neues entstanden. Wir waren alle gemeinsam im Urlaub, was nicht nur wichtig, sondern letzlich auch tatsächlich schön war. Ich hatte wirklich Schiss, wie das werden würde. Wie es mir gehen würde in dieser Konstellation. Ob ich mich fühlen würde wie übriggeblieben, wie auf die Kinderaufpassfunktion reduziert. Ist nicht geschehen. Es hat Spaß gemacht. Es wurde viel gelacht, unternommen. Große Paella- und Pastaessen auf unserem Campingplatz mit Freunden und Nachbarn. Ich habe diesen Urlaub sehr, sehr genossen, was aber noch mit anderen Dingen zusammenhing, die nur für mich sind. Kein Blogthema.

Lange Zeit musste ich mich Ela gegenüber verschließen, um mit meinen Emotionen klar zu kommen. Wut, Frust, verletzter Stolz, Angst, Eifersucht. Die ganze Klaviatur der Gefühle, die hoch kommen und ein sehr zerstörerisches Potenzial haben. Damit umzugehen ist nicht einfach. Es braucht Tricks, mit sich umzugehen. Sich zu retten. Ich wusste nicht, ob sie greifen würden. Und das “Das könnte ich nicht!”, das ich überall gehört habe, hat es nicht gerade einfacher gemacht. Manchmal kam ich mir vor wie ein durchgeknallter Exot, der falsch reagiert. Ich habe die Erwartung gespürt, dass ich doch jetzt bitte endlich durchknalle und durch die Decke gehe. Oder mich zumindest am Boden zerstört zeige. Es scheint so, als wäre das normal gewesen. Für mich waren das keine Optionen. Hängt vielleicht mit meiner protestantischen Disziplinerziehung zusammen. Sich zusammennehmen. Dann ist das halt so und man muss einen Weg finden…

Der Drang, auszuticken, war da, der Wille, das nicht zu tun, die ganze Zeit über größer. Aus einem ganz einfachen Grund: DAS BRINGT ÜBERHAUPT NICHTS! Bitte, denkt daran. Manchmal. Es wird so viel Unheil geschaffen, weil sich Emotionen unkontrolliert entladen. Joggen, Muckibude, Gespräche mit Freunden sind viel, viel besser. Oder ein Boxsack. Ich hab manchmal auch einfach mit dem Herrn Cooper gesprochen, der irgendwann die Augen verdreht hat und meinte: Herr Schönlau, jetzt ist aber auch mal gut. Recht hatte er, der weise Knabe. Guter Hund.

Wie geht es weiter? Gut. Der Weg ist bereitet. Vor mir liegen weite Felder, über die ich mit einem Lied auf den Lippen gehe. Beruflich läuft es gut, es gibt auch hier Veränderungen und Optionen, die sich aufgetan haben. Zudem bin ich (ein wenig kompliziert) verliebt und fliege, wie ihr gelesen habt. Bitte, fragt nicht nach und lasst mich in der Luft. Wenn ihr wollt, fliegt still mit. Empfindet die Leichtigkeit als Möglichkeit. Ansonsten: Ich weiß, was ich hier habe. Das Leben in dieser verrückten WG ist schöner denn je. Ein Lebensprojekt, das zu mir passt. Ich habe einen der schönsten Sommer meines Lebens erleben dürfen und bin schlicht und einfach dankbar für all das, wirklich all das, was geschehen ist. Katharsis, Zeit der Reinigung. Ich gehe ohne Eile weiter.