20.000 Meilen unter dem Meer

Ich gebe es unumwunden zu. Ja, ich gestehe mit wehenden Fahnen und der tiefen Überzeugung, dass es nun zumindest genau das Richtige ist.

Ich weiß es nicht.

Ein wenig Irritation liegt in der Luft. Stellt euch vor, ihr seid an einem Ort und alles stimmt, nur eine Sache nicht. Eine kleine Einschränkung. Ein Dorn, eine Fusel, ein kleiner, minimaler Druck direkt unter der Haut. Ein leichtes Kratzen, unangenehmes Berühren.

Man könnte das Visier hinab klappen und sich allem stellen und kämpfen und zerschlagen. Aber weshalb? Nur des Zerschlagens wegen, wo wir doch wissen, dass das nichts bringt?

Nun habe ich geschrieben, ich weiß nicht. Was ich aber weiß, dass diese Zeilen vielleicht unverständlich sind. Mir bleibt nichts anderes als leichtfüßig anzumerken, dass es die Zeiten sind. Man muss reagieren. Muss, muss. Wie sonst? Bitte schön?

Eben in der Hängematte im Garten, ich gebe zu: Nach einem Feierabendbier. Ein Kölsch. Sehr frisch und lecker. Ist es mir eingefallen. So ein Bier fährt manchmal das System runter. Schließt das Mailprogramm, das Präsentationsprogramm, das Denkprogramm, das On-Duty-Programm und manches mehr.

Es hat mir Flügel gegeben und Flossen. Die Hängematte wurde zum Startpunkt, zum Übergang, zu Murakamis Zwischenetage. Abflug.

Ich bin ein Wal. Weit unten zunächst. Ich weiß, dass ich keine Kiemen habe. Es war ein langer Weg hierher. Abtauchen, auftauchen. Stille Stunden des Fortbewegens. Manchmal ist es sehr langweilig ein Wal zu sein. Manche mögen denken, die Weite der Ozeane würde uns zu den glücklichsten Lebewesen der Meere und der Erde machen. Nun. Man kann es sich nicht aussuchen. Es ist ein Instinkt, ein Weg, ein Leben, ein Schicksal. Auch als Wal.

Klagen möchte ich nicht. Nicht wirklich. Gut. Ein wenig. Die Scheiße in Fukushima, all dieses Plastik, diese verfickt lauten Containerschiffe. Wieso werden da dauernd Sachen von A nach B nach C transportiert? Egal. Ich kenne meine Routen. Umwege. Früher war es anders. Egal.

Irgendwann dann, es dauert, bin ich da. Unter dem Eis wo niemand hinkommt. Ich weiß lange vorher, dass es kommt. Dann tauche ich ab. Sauerstoffgefüllt bis hintengegen. Alles was geht. Ich lasse mich sinken, werde ruhig, langsam. Teile mir den Sauerstoff ein und denke, irgendwann werde ich es nicht mehr tun und hier bleiben. Über mir das Eis, das Licht durch das Eis, die Ruhe. Ein Sonnenstrahl von irgendwo her. Ich bleibe ruhig, höre auf, mich zu bewegen. Es ist unendlich. Es gibt Stellen, da ist man wirklich allein und spürt, wie gut das ist. Einsamkeit ist auch ein Losgelöstsein. Frei schweben, im Ich bewegt. Es ist ein zartes Gefühl.

Entschwinden. Die Reise geht weiter. Als Mönch irgendwo. Tibet, Himalaya. Eiskalt, der Winter, nur eine Höhle. Die Meditationskiste mit Fell und dieser Decke, die alles ist zwischen Leben und Tod. Wenige Vorräte, manchmal ein Feuer, ein Tee. Die Zeilen des Mantras. Reinigung, Befreiung. Om bensa sato samaya. Das Leuchten, die Vision, die Nähe, die Klarheit. Wissen, wie die Dinge sind. Entfliehen können, sich stellen. Im Angesicht. Die Dämonen, die Retter, die Wirklichkeit in sich.

Entspringen, weiterziehen. Segler über die Meere, Rodeoreiter, das Lasso, die Zügel, die Sporen, der Sattel, die Schmerzen, der Wille, am Ende des Tages, eine Geschichte erzählen zu können. Am Feuer, an der Bar, in den Armen einer anderen Frau. Nicht denken, nicht planen, nicht wollen, als Mönch in einer Höhle in Tibet, als Wal unter einem Meer aus Eis.

Es ist ein Fortwährendes. Springendes. Nichts bleibt wie es ist. Wie soll man es sonst sagen? Ich bin dieser Mensch, der aus der Stratosphäre auf die Erde fällt. Mit Anzug und Sauerstoff und Schirm. Ein Abenteuer, eine Lust, ein Wagnis sondergleichen. Nicht alles lässt sich vorhersagen, berechnen, antizipieren. Schließlich ist der Teufel ein Eichhörnchen und Helden sterben durch Nichtigkeiten. Manchmal ist der Tod nur eine Büroklammer weit entfernt, ohne, dass wir es wissen und manchmal ist es weniger als ein Hauch.

Ich bin ein Vogel. Mein Lieblingsvogel. Nun könnte ich eine Liste nennen. Da ist die Elster, die nicht gemocht wird, obwohl sie so schön ist. Die Krähe, der es genauso geht. Beide mag ich. Die Elster wegen ihres edlen Gefieders und der schönen Nester. Die Krähen wegen ihres exaltierten Auftretens. Sie sind Outlaws, die tun, was sie wollen. Sie zanken, streiten mit Bussarden, kreischen und fliegen abends als Gang zu den Schlafplätzen. Sie verabschieden sich spät in die Nacht. Und manchmal, wenn man sich mit ihnen gut stellt, verteilen sie sanfte Geschenke. Man muss ihnen die Chance geben, sich zu erkennen zu geben. Wer macht das schon?

Ich bin ein Rotmilan mit feiner Zeichnung im Gefieder. Meine Schwingen erlauben es mir, Akrobat zu sein. Im Zusammenspiel mit meinem wendigen Heckruder. Ich drehe den Schwanz ein und gehe in die steile Kurve. Es ist mir eine Lust zu fliegen, zu gleiten, Pirouetten zu schlagen. Ich danke für alles, was mir gegeben wurde. Manchmal möchte ich Wal oder Mönch sein, aber Rotmilan bin ich am liebsten.

Es ist eine edle Reise, die manchmal verlangt, die Augen zu schließen. Nicht alles ist Gold in Panama. Und dennoch. Sein ist alles. So schön es ist.