IHR SCHREIBT GESCHICHTE!
Wer hätte jemals für möglich gehalten, was gerade in Köln geschieht?
Eine Stadt stellt sich auf die Seite der Kunst und auf die Seite eines Kunstprojektes, dass sich wie David gegen Goliath gegen eine vermeintliche Übermacht aufstellt.
Veedel gegen Investoren.
Bislang schienen Investoren sakrosankt. Die investieren, kommen mit Geld, gestalten quasi kostenlos. Man muss sich um nichts kümmern. Stadtentwicklung all inclusive. Kleiner Nachteil: Es gibt nur die billigen Getränke. Muss sich ja rechnen. Das ist so eine Art Fake. Alles sieht proper und geschniegelt aus. Die Facility Manager kümmern sich um fein gemähte Rasenflächen und die Mülltonnen sind irgendwo schön versteckt. Städtische Idylle im oberen Kauf- und Mietpreissegment. Weshalb also der Vergleich mit den billigen Getränken?
Weil etwas fehlt, was viel mehr kostet als Fassade!
Inhaltlichkeit, Menschenorientierung, Entwicklung entlang den Bedürfnissen einer Stadt und ihrer Menschen. Weshalb ist es denn so schön in Nippes und Ehrenfeld? Weshalb leben denn die Menschen dort so gerne? Weil da was los ist. Weil das lebendige Viertel sind. Weil sich da Kulturen treffen. Weil da die Dönerbude und die Kölschkneipe lebendig nebeneinander koexistieren. Dat is Kölle. Das macht Köln zu dieser wunderbar sympathischen Stadt.
Feiert mal Karneval auf der Neusser. Und dann feiert mal Karneval unter den Kranhäusern. Gute Nacht, Marie. Kannste knicken. Und wie wird das wohl zukünftig auf der anderen Seite sein? Da wo die alten Industriegebäude standen? Da wird gerade viel betoniert. Stahlbeton als Fundament einer neuen Lebenswelt für gut Betuchte. Ein Reichen-Ghetto. Da kommt dann irgendeine Schickimicki-Gastronomie hin, die Stimmung bis zum Abwinken garantiert.
Und nun zur Liebeserklärung:
Kölle, du min Stadt, du min Hätz. Was hast du mich überrascht. Ich muss mich bei dir entschuldigen, weil ich skeptisch war, ob du das mit dem Otto-Langen-Quartier kapierst und ob du richtig reagierst. WOW! Was für eine Performance in den letzten Monaten. Was für bahnbrechende Entscheidungen, die in ihrer Größe und Bedeutung kaum zu fassen sind.
Du hast dich entschieden, die Flächen des Otto-Langen-Quartiers per Vorkaufsrecht zu übernehmen. Das war schon großes Kino. Aber dann bist du noch einen Schritt weiter gegangen und hast eine Resolution verfasst, in der du raum13 zum Ankerpunkt der Entwicklung im neuen Otto-Langen-Veedel machst.
Die Politiker*innen deiner zauberhaft wunderbaren Stadt haben, wie im Märchen, fraktionsübergreifend gemeinsam (bis auf die immer-sowieso-gegen-alles-kopf-in-den-sand-und-merkel-muss-weg-hinderer-politikvermeider) entschieden und eine Resolution verfasst.
Ladies and gentlemen, so geht Geschichte. Ich erlaube mir zu zitieren:
„Die oben genannten Fraktionen, Gruppen und Einzelvertreter des Rates der Stadt Köln:
1. …
2. sprechen sich dafür aus, dass raum13 — Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste weiterhin den Ankerpunkt im ehemaligen Hauptverwaltungstrakt der Gasmotorenfabrik Deutz für eine ganzheitliche Entwicklung des Otto-Langen-Quartiers in einem gemeinwohlorientierten Nutzungsmix aus Wohnen, sozialen, kulturellen und gewerblichen Nutzungen bilden und dies auch unter Berücksichtigung der besonderen Rahmenbedingungen des Denkmalschutzes.
3. streben für die Stadt Köln oder eine mit ihr verbundene Entwicklungsgesellschaft spätestens über die Anwendung des besonderen Vorkaufrechtes den Kauf und somit die Sicherung der unter 3. ausgeführten Ziele und Rahmenbedingungen an.“
Hat es das schon gegeben?
Das ist groß. Das ist sehr groß. Das hat Bedeutung.
Die viertgrößte Stadt Deutschlands setzt Gentrifizierung Grenzen. Sie schreit in die Welt! Sie sagt: Wir wollen es anders als bisher machen. Sie vertrauen dem Kunstkollektiv raum13. Sie setzen ein Zeichen, das Wellen schlagen wird. Der Blick richtet sich nach Köln. Wie läuft das da? Was passiert da? Ist das ein alternativer, ein besserer Weg?
Köln hat sich mit dieser Entscheidung, so sie tatsächlich und letztendlich umgesetzt wird, zurückgemeldet und einen Anspruch formuliert. Wir wollen unsere Stadt selbst gestalten. Wir wollen eine lebendige, lebenswerte Stadt gerade auch dort sein, wo Neues entsteht bzw. Altes bewahrt wird.
Viele werden kommen und schauen. Viele werden berichten. Viele werden über das „Modell“ Köln sprechen. Politiker*innen anderer Städte werden sich fragen: Sollen wir es wie in Köln machen?
Mit der Entscheidung hat sich Köln entschieden, ein Leuchtturm in Sachen Stadtentwicklung zu sein. Dafür liebe ich diese Stadt nur umso mehr. Congratulation, Respekt! Endlich Champions League:)
Und raum13?
Ach Anja, ach Marc. HOPE! haben wir einmal gesagt. Dran glauben. Dranbleiben. Einstecken, weitermachen. Hoffnung nicht verlieren, arbeiten, Möglichkeiten aufzeigen, eine Vision entwickeln.
Neun Jahre habt ihr geschuftet, geackert, Überzeugungsarbeit geleistet, begeistert. Ihr habt eine unbändige Energie, mit der ihr die Geschichte der Stadt Köln ein Stück verschoben habt. Einen Tick auf eine neue Bahn.
HOPE!
Da geht was. Welt ist nicht immer so, wie wir sie sehen. Es ist nicht, wie es gerade ist oder zu sein scheint. Der Staus quo steht auf einem wackeligen Sockel. Es ist, wie wir es wollen. Und wenn am Anfang nur steht: Es soll anders sein. Wenn es nur darum geht, den Standard aufzuhalten, weil er nicht gut ist.
Ihr habt gezeigt, dass es anders geht. Ihr habt Geduld bewiesen. Und vor allem: Weitblick.
Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen? FUCK.
Der soll daran glauben und die Welt zu einem schöneren Ort machen.
Das habt ihr getan. Ihr habt einen Ort, der so historisch, so wichtig ist, vor der Abrissbirne gerettet! Ihr habt eine Fläche, die Millionen, Millionen, Millionen von Euro wert ist, den Plattmachern entzogen, um sie den Menschen und dem Leben in der Stadt Köln an die Hand zu geben.
In Markenworkshops suchen wir stets nach dem WHY. Dem wahren Antrieb. Der tieferen Bedeutung von Unternehmen auch für Gesellschaft. Unternehmen, die etwas bewirken wollen, die der Menschheit etwas geben wollen fernab von Profit, sind immer die besseren, geschätzteren Unternehmen.
In der Immobilienbranche, bei den Projektentwicklern scheint es das WHY nicht zu geben. Die haben nur das WAS sie machen und das WIE sie es machen. Kaufen – abreißen – hochziehen – vermieten – verkaufen – Rendite einstreichen. Klingt so langweilig wie das, was ohne WHY entsteht. Weshalb sollten die an einen Fahrradladen denken? Oder an einen Unverpacktladen? Oder eine Krabbelgruppe? Oder einen Proberaum? Oder eine Theaterbühne? Oder einen PC-Reparaturladen? Oder einen Schuster? Oder einen Buchladen? Oder einfach einen Treffpunkt für Menschen? Oder eine Kölschkneipe? Kommt im Investorendenken nicht vor. Ist nicht im Mindset, in der Gedankenwelt. Bringt nix.
Hat man aber ein WHY wie raum13, denkt man an das Wohl der Menschen, dann hat man auch Argumente, die am Ende des langen Überzeugungswegs gepunktet haben. Ein lebendiges Viertel. Für Menschen gemacht. Mit dem, was sich Menschen wünschen. So, wie Menschen leben wollen. Schön, nett, durchdacht. Mit allem, was die Menschen brauchen. Es geht darum, Menschen, Kölner*innen glücklich zu machen. Über einen partizipativen Prozess. Transformation durch das Einbinden der Menschen, die in dieser Stadt leben. Die wissen, was sie für ihr Glück brauchen. Die das sagen, formulieren und in die Diskussion geben. Nur dann kann entstehen, was echt ist.
Letztlich einen Ort schaffen, an dem man auch Karneval feiern kann. Und alles andere tun kann, was mit Veedel zu tun hat. Diese Stadt hat eine Historie. Diese Stadt ist besonders. Diese Stadt hat es verdient, ihr Glück zu mehren, ihre Menschen zu ehren und der Welt zu zeigen, dass es auch anders geht.
Ihr habt es geschafft, Anja, Marc, raum13 mit all euren Helfer*innen, Unterstützer*innen, Fans, die Weichen zu stellen, das Fundament für Entwicklung zu bauen. Mit all den wunderbaren Menschen, die ihr um das Projekt geschart habt. Mit all den Künstler*innen, Wissenschaftler*innen, Architekten*innen, Politiker*innen, Kulturschaffenden, Denker*innen, helfenden Händen.
Dafür liebe ich euch. Dafür liebe ich raum13. Ihr gebt Hoffnung, auch mir.
Jetzt bleibt nur noch, die letzten Schritte zu gehen, bevor das einzigartige, wunderbare, formidable Projekt seine Arbeit vollends aufnehmen und finalisieren kann.
Erstens: Möglichst die Räumungsklage überstehen. Der Noch-Besitzer schachert und will raum13 raus haben. In der Annahme, das würde die Preisverhandlungen mit der Stadt Köln positiv beeinflussen? Keine Ahnung. Wahrscheinlich geht es um Geld. Rendite. Immobilienmensch ohne WHY. Nur irgendwie – Kohle machen. Schade, dass er auf der falschen Seite der Geschichte steht und in den Geschichtsbüchern der Hinderer sein wird. Der, der die Knüppel zwischen die Beine wirft. Er könnte sich einbringen, er könnte die Seiten wechseln, er könnte seinem Herz einen Ruck geben, er könnte mitmachen. Mach doch.
Zweitens: Schnell kaufen, liebe Stadt, damit es losgehen kann und raum13 seine Energie nicht für sinnlose Prozesse verballert. Die Zeit für all den Quatsch ließe sich kreativer nutzen. Lasst raum13 schnell durchstarten. BITTE:)
Lang geworden der Text. Hat sich einiges aufgestaut. Aber die Liebe muss eben raus.
Wenn ihr was für raum13 tun möchtet, dann schreibt über das Projekt. Postet in den Social Media, geht auf die raum13-Seite und informiert euch über Veranstaltungen und Aktionen. Macht mit bei einem großen Projekt. Werdet Teil von etwas Großem. Geht hin! Ihr seid alle willkommen. Es ist so außerordentlich spannend und erwärmend, dort vor Ort zu sein. Ihr solltet euch einen Gefallen tun und mal reinspüren. Lohnt sich.
Hier der Link zu raum13: https://www.raum13.com