Als wir Paris gebucht hatten, hatten auch schon Menschen Karten für das Bataclan gekauft. Eagles of Death Metal. Ich habe Sophie gemailt, deren Wohnung wir über Silvester gemietet haben. Ich wollte wissen, ob es ihr gut geht. Und wollte ihr sagen, dass wir kommen. Trotzdem. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Schwesterlichkeit. Sie war an dem Abend mit ihrem Freund bei ihrem Vater außerhalb von Paris. In der Nacht herrschte Ausnahmezustand. Sie schliefen vor den Toren der Stadt, alle hatten Angst.
In der Straße, in der Sophie wohnt, in der wir gewohnt haben, stehen Soldaten. Mit Maschinenpistolen. Man geht an ihnen vorüber, um Baguette für das Frühstück zu kaufen.
In der Silvesternacht, als Köln geschah, sahen wir vom Montmatre auf die Stadt. Wir tranken Champagner auf unsere Liebsten. Unter anderem auf Vivekas Mutter und meinen Vater, die leider nicht mehr leben.
Auf dem Weg zurück zu unserer Wohnung, wir laufen gerne stundenlang durch die Nacht, kamen uns Polizisten entgegen. Ich solle meine Kamera wegpacken, Diebe. Es sei nicht sicher. Zumindest sollten wir die andere Straßenseite nehmen. Unter den Hochgleisen der Metro hindurch auf die andere Seite. Wenige Schritte weiter lief ein Mann an uns vorbei. Es folgten Stiefelschritte der Polizisten, die uns gewarnt haben. Dann kam viel Blaulicht und ein Mann mit Kabelbinder verschnürten Händen lag am Boden.
Wir gingen nach Hause. Durch das nächtliche Paris. Der erste Tag im Jahr. Spätnachts, frühmorgens. Wir waren noch in ein afrikanisches Restaurant eingekehrt am Montmatre, das wir im April entdeckt hatten. Live-Musik im Keller. Dieses Mal war der Chef freundlich zu uns, er hat uns vielleicht wiedererkannt, weil in dem Restaurant nur Schwarze verkehren. Menschen aus Kamerun mit einer Vorliebe für Musik. Das Essen ist hervorragend, auch, wenn ich nicht genau sagen kann, was es war. Mein Französisch, die Karte, Kamerun. Ich würde es sofort wieder essen.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, dieses Dorf zu verlassen und dort, in der Stadt der Liebe, der Aufregung, das Brodelnde, Gewalttätige zu spüren. Waffen, Diebe, Drogen. Benutzte Spritzen in den öffentlichen Toiletten in dem Viertel. Nicht eine. Abgepackte Alu-Pfännchen zum Erhitzen des Zeugs. Für mich Nummern zu groß. Kann ich nicht fassen, verpacken. Da stehe ich wie ein Fünfjähriger, der Metropole hilflos ergeben. So ganz und gar überhaupt nicht Mann von Welt.
Tagsüber in den Tuilerien, an der Seine entlang, Notre Dame, am Louvre. Monet in der Orangerie. Die Impressionisten im Keller. Renoir, Cezanne. Picasso. Eine solche Stadt würde mich verrückt machen. Woran hält man sich? Geht man einfach dorthin, wo es einem gefällt und meidet den Rest?
Im Dezember waren wir in Köln. Am Rhein entlang, nachts am Hauptbahnhof vorbei. Ich habe die Uhr fotografiert, die auf nach 2 Uhr stand. Das Foto hat jetzt eine andere Bedeutung. Paris. Köln. Eine Nacht. Jeweils.
Nun, uns hat es nicht getroffen. Wir sind unberührt durch die Nächte, die Städte gelitten. Haben gestaunt, die Lichter bewundert, die Linien. Ich habe so viel fotografiert in den Tagen. Nur einmal wurde es Viveka zu viel. Man kann süchtig werden nach Motiven. Das ist die andere Seite der Stadt. Das Schauspiel, das ständige Geschehen. Das Auge, die Ohren, der Geist kommen nicht zur Ruhe.
Meine nächste Reise geht nach London. Mit Jim. Nach seinem Abi. Habe ich ihm zum Geburtstag geschenkt. Ich bin gespannt.
Hier nun einige Fotos. Sind die meine Bühne? Oder was? Das Leben, die Texte, die Kamera, mein Kopf, die Städte, die Nächte, der Blog. Die Zuschauer sind weit weg, es müssen keine Karten gekauft oder reserviert werden. Dafür weiß man nicht, was einen erwartet. Was es bedeutet, was es überhaupt ist.