Tag am Meer!



Im Januar einen Tag am Meer verbringen. Wie singen die Fantastischen Vier – das macht uns zu Brüdern. Traumhaft. Draußen ist es sowas von kalt und drinnen scheint die Sonne. Drinnen, in den Hallen der Boot auf dem Düsseldorfer Messegelände. Die Kinder haben mich genötigt. Und ich habe mich gerne nötigen lassen. Es ist zu einer Familientradition geworden, dorthin zu fahren.

Und tatsächlich hat unsere Familie dort ihren Anfang genommen. Damals, auf der Boot 1996. Ela und ich waren von Köln aus mit dem Zug hingefahren. In der Surferhalle, dort, wo es am lautesten, hektischsten, coolsten ist, waren wir auf ein Angebot von Michi Bouwmeesters Windsurfschule am Hotel Pier, Gardasee, gestoßen. Ab Ende April. Ela und ich haben ein paar Tage gebucht. Ela machte einen Anfängerinnenkurs, ich lernte von Roberto Hofmann, einem Ex-World Cup-Fahrer, die Powerhalse. Nach vier Tagen Surfen in eiskaltem Wasser war der Kurs zu Ende und wir hatten noch drei Tage Venedig vor uns. Ich kannte Venedig von der italienischen Reise während des Studiums her und wollte Ela gerne Palladios Werke zeigen. Vor allem San Giorgio Maggiore gegenüber vom Markusplatz.

Es waren himmlische Tage, auch wenn wir einen unvergessenen Streit während einer Romantik-Bootsfahrt auf dem Canale Grande hatten. Wie doof kann man sein. Wir waren jung, wild, gefährlich. Die Tage waren intensiv. Viel Kunst, viele Kirchen, viel Bootfahren, viel in Kneipen sitzen – im Univiertel, in den Studentenkneipen. Die waren günstiger und gemütlicher. Wir hatten ein kleines Zimmer mit Blick auf einer der unzähligen Kanäle. So gemütlich. Apero Freitagabend auf einem der Plätze, zwischen lachenden Venezianern. Das waren schöne Tage am Meer.

Als wir wiederkamen, war Ela schwanger. Ich hatte mich nach einem Textpraktikum gerade selbständig gemacht, wir hatten eine neue Wohnung und ein neues Büro in Köln Ehrenfeld bezogen. Ein Kind. Ein Reiseangebot auf der Boot entdeckt und gebucht und als werdende Eltern zurückgekommen. Im Januar 1997 wurde Jim geboren und wir sind mit ihm gleich wieder auf die Boot. Und seither sind wir jedes Jahr da – erst Jim und ich, jetzt Jim, Zoe und ich. Ela nutzt den Tag immer für sich. Ihr ist das zu hektisch geworden.

Was es auf der Boot zu sehen gibt, ist schon beeindruckend. Riesige Yachten. Nicht nur protzige, sondern auch wunderschöne. Überall laufen verführerische Videos von den schönsten Destinationen der Welt der Meere. Diese Werbefilme und der World Ocean Review, zwei Seiten einer Medaille. Dennoch ist es einfach gut, diese bloße Schönheit zu sehen.

Darüber hinaus gab es jede Menge Action, in die sich vor allem Jim gestürzt hat. Zoe wollte nicht. Noch nicht. Jim ist im 70 m Wasserbecken Wakeboard gefahren, hat mit einem Kiteschirm fast unterm Hallendach gehangen und hat mit einen Simulator einen Frontloop, einen Salto vorwärts mit einem Surfbrett hingelegt. Letzteres habe ich mir auch nicht entgehen lassen. Worldcup-Fahrer Dany Bruch, der springt in den richtig hohen Wellen doppelte Frontloops und trainiert gerade den dreifachen, hat erklärt, wie es geht. Kopfsache, meint er. Die Technik ist so simpel. Mit dem Kopf über die Schulter nach hinten sehen und das Segel ganz nach hinten ziehen. Ein wenig Beineinsatz und es geht ab. Hm. Mal sehen.

Euch wünsche ich auch einen schönen Tag am Meer.

Saturday-Morning-Blogging 07:49

Da ist Samstagmorgen und ich werde in der Dunkelheit wach. 6 Uhr. Die Zeit, zu der ich die ganze Woche über aufgestanden bin. Kinderdienst, ich war dran. Wecken, Brote schmieren, motivieren.

Um 6 Uhr werde ich also wach und will mich wieder umdrehen und im glücklichen Gefühl eines Samstagmorgens weiterschlafen. Da kommt mir ein Gedanke in den Sinn, ein Wort. Liebe. Ich denke an Ela, an das frische Gefühl von Liebe des letzten Tages, des letzten Abends. Warm wird es mir. Lächelnd liege ich in meinem Bett. Wie kitschig schön.

Das Bild läuft weiter. Der Anfang eines Gedichts. Nicht Stuhl, Tisch, Stift, Blatt. Ein hereinwehendes Wort. Der Kopf sagt Hallo, was machst du denn hier? Und das Wort meint lapidar Mal sehen. Ich schreibe Gedichte nicht. Konstruiere nicht. Suche nicht nach Bildern. Bin da eher wie ein Obstbauer. Ist der Apfel reif, pflücke ich ihn. Gerne könnt ihr mich zum Spinner erklären, zum Fantasten, Billigheimer-Lyriker. Egal. So ist es: Gedichte fliegen mich an. Sie sind in der Luft und ich schreibe sie auf. Viel mehr ist es nicht. Gut, manchmal misch ich noch was rein. Den Apfel polieren, verpacken.

So ging es mir heute Morgen. Weiterschlafen. Liebe. Ela. Liebe. Himmel. Himmel? Ein kitschiges Bild: Liebe an den Himmel sprühen. Ina Deter: Ich sprühs an jede Häuserwand, neue Männer braucht das Land. Männer? Himmel? Da waren plötzlich der Reichstag und der Bundesadler. Dann stand es in einem Satz vor mir. Ich brauchte noch einen Titel. Dann bin ich nacktfröstelnd vom Bett in die Küche und hab es auf den Einkaufszettel geschrieben. Neben Seife und Mehl. Oder so ähnlich. Dort steht es nun. Ihr möchtet es lesen? Ich möchte es veröffentlichen. Hier im Blog. Gleich. Auf einer Extraseite, das hat es verdient. Ein kleines, naives Heinegedicht. Deutschland. Eine Wahrheit, eine Anmerkung wie aus einem Kindermund. Naiv. Ganz schön naiv. Das Bild würde ich gerne, sehr gerne sehen. Angela, da geht doch was???

Schätzing vs. Gavalda

Mann gegen Frau. Autor gegen Autorin. Zuletzt habe ich versucht, Frank Schätzings Buch LIMIT zu lesen. Hätte aktuell eigentlich gepasst. Da geht es um Mondstationen und das Fördern von Helium3 als Ersatz für die fossilen Energieträger der Erde. Quasi ein Hoffnungsschimmer. Schätzing war früher Werbetexter in Köln. Ich kenne jemanden, der kennt ihn aus den alten Tagen. Heute ist er ein Shooting-Star mit eigener Fernsehsendung und einem Bucherfolg nach dem anderen. Mein letzter Schätzing in den Fingern war Der Schwarm. Da ging es um das sich auflösende Methanhydrat in der Tiefe des aufgewärmten Meeres, das Kontinentalhänge abrutschen lässt und Tsunamis auslöst (das Szenario ist so im world ocean review beschrieben). Am Ende des Buches gibt es einen Showdown auf einem amerikanischen Flugzeugträger. Action. Männerwelt.

Dan Brown und Konsorten. Ab und an lese ich die Dinger wirklich gerne. Ich glaube ist äquivalent zu den leicht kitschigen Liebesschmökern, die Ela manchmal vertilgt. Ab und an. Wie Sahnetorte essen, einfach reinsetzen und nicht nachdenken. Da ich kürzlich erst Das verlorene Symbol von Brown gelesen hatte, ein Weihnachtsgeschenk meiner Schwiegermutter, war ich scheinbar gesättigt. Zu viel Abstruses, Science Fiction, narratives Spiel mit Wissenschaftlichkeit in LIMIT. Und das auf gefühlten 100 Millionen Seiten. So klein geschrieben. Ich habe 150 Seiten geschafft, dann wurde mir das Abheben per Fahrstuhl zur Raumstation und die Gespräche unter den geladenen Milliardären und Berühmtheiten zu viel. Gestern habe ich es in der Bücherei wieder abgegeben. Und ich dachte noch: Was lieste denn jetzt? Manchmal ist ja gerade einfach nichts am Buchhimmel. Also da ist natürlich immer was, es gibt ja unendlich viele Bücher, aber an meinem Horizont war nix.

Bis heute Morgen. Ein Lichtblick. Bei uns sind nun gerade beide Kinder krank, da konnte ich ein wenig länger schlafen, um mich dann gemütlich mit zwei Cappuccinos zu Ela zu kuscheln. Sie erzählte mir von einem Traum, ich ihr von dem Film Friendship!, den ich mir gestern auf DVD angesehen habe und sie mir wiederum von Anna Gavalda, die sie gestern verschlungen hat („Du wirst es lieben!“). Die gute Gavalda. Weshalb wird es mir da so warm ums Herz und bei Brown und Schätzing so gar nicht? Zusammen ist man weniger alleine und Alles Glück kommt nie. Beide verschlungen, beide geliebt. So menschlich, so französisch, so feinfühlig, so lebendig, so mitten aus dem Leben. Hach.

Nun ist es ein wenig gemein und unpassend, hier Schätzing gegen Gavalda antreten zu lassen. Zwei Welten. Es geht auch weniger um Schätzing (der fantastisch erzählen kann) und Gavalda (die noch fantastischerer erzählen kann), als vielmehr um das Mann-Frau-Bücherlesen-Klischee. Die einen lesen das, die anderen das. Ist ja eigentlich Unsinn und muss mich ja auch nicht stören. Mich hat Elas Botschaft eben, dass es da einen wunderbaren neuen Gavalda Roman gibt, einfach sehr, sehr gefreut. Wie kann es sein, dass Gavalda im Jahr 2010 Ein geschenkter Tag veröffentlicht, und ich weiß nichts davon? Leben hinter dem Mond. Ich muss da irgendwo in einen Mailverteiler, der mich auf dem Laufenden hält.

Nun haben wir das Buch hier liegen und ich freue mich auf intensive Leseabende am Wochenende. Ich habe das Gefühl, ich werde langsam lesen, damit das Buch lange hält. Ich mag es einfach sehr, wenn die Figuren so authentisch und gleichsam so liebevoll beschrieben sind. Charakterfiguren. Eigensinnig, verschroben, sehr menschlich. Äußerst menschlich. Die haben bei Gavalda nicht nur Blut in den Adern, sondern auch eine Seele, die aus den Buchdeckeln springt. Ich bin gespannt.

Euch allen wünsche ich ein schönes Wochenende.

Nord, Nord-Ost

Kein Spiel mehr
fürs Ich
die Wanten verwaist
der Kurs in Marmor geprügelt

Voran

Füße
in kalten Stiefeln
Nord, Nord-Ost
ins Reich der Götter

Wind pfeift
der Bug knarzt
bäumt sich
im Meer

Kalte, salzige Wellen
durchs
faltige Gesicht

Kein Umdrehen mehr
kein Süden
kein Fluchen
kein Huren
die letzte Frau ist
von Bord

Die Hand hält
das Seil zieht Linien
in die Fläche
am Schwielengrad
entlang

Geschichte
geschrieben
geschrien
lotsenlos

jens schönlau, januar 2011