Hallelujah, Jeff Buckley.

Es ist eine traurige Geschichte.

Als ich vorgestern nach Köln fuhr, hörte ich sie im Radio. Sie ist lange her. Neunziger Jahre. Da gab es einen Musiker, der Jeff Buckley hieß. Der Sohn eines Singer-Songwriters, von dessen Musik und Aussehen die Moderatorin schwärmte. Buckley hatte in New York auf einer Gedenkfeier für seinen an Heroin gestorbenen Vater gesungen. Die Musikwelt wurde auf ihn aufmerksam, das Studioalbum GRACE entstand. Weil er nicht genug eigene Songs hatte, coverte er unter anderem Hallelujah von Leonard Cohen, der selbst sagt, Buckleys Version sei die beste.

Das Album verkaufte sich nicht. Trotz Werbung und Anerkennung durch bekannte Musiker. Buckley zog sich nach Memphis, Tennessee, zurück, um sein zweites Album aufzunehmen. Die Legende sagt, als es eingespielt war, sei er schwimmen gegangen. Fakt ist: Er ist ertrunken. Er war in die Mitte des Wolf Rivers geschwommen, wie schon öfter, als ihn die Welle eines Schiffes unter Wasser drückte. Er hatte weder Alkohol noch Drogen konsumiert. Vollkommen nüchtern. Vielleicht nur noch seine neuen Songs im Kopf, im Ohr. Es gibt den alten Satz: „Die Besten gehen immer zuerst.“

Komisch. Auch Buckley habe ich jetzt erst entdeckt. Ich frage mich, was ich in diesen fucking Neunzigern eigentlich gemacht habe…

Ateliergespräch mit Ina T. von Trash/Treasure

STAUB. MOP ART. TRASH/TREASURE.

Gestern Abend hatte ich das sehr große Vergnügen, Ina T. von Trash/Treasure in ihrem Atelier in Köln besuchen und interviewen zu dürfen. Nach dem Gespräch mit Norbert van Ackeren in der letzten Woche war ich angefixt. Hatte Lust auf Kunst, wollte das Konzept Ateliergespräch weiterführen, weil Kunst in keinem Museum der Welt so direkt, nah, authentisch und nackt ist wie im Atelier. Es ist wie eine Spurensuche am Tatort Kunst. Da hängen, stehen, liegen, verschwinden die Bilder, Objekte, Installationen. Fragmentieren sich im Gesamtzusammenhang. Erzählen die Geschichten weiter, weil überall Hinweise herumliegen, herumstehen. Vorstufen, Informationen, Bücher, Fotos, Tests, skurrile Gebilde, die Bindeglieder waren, um die Idee zu transportieren. Kurz: Es ist einfach aufregend. Kunst spürbar, anfassbar, herausgenommen aus der Heiligkeit der Ausstellungen und Museen. Ich konnte Bilder herumtragen, hinstellen, einen Gesprächsrahmen schaffen.

Es war ein langes Gespräch. Bis zwei Uhr in der Nacht und es war nur ein Ausschnitt des Gesamtwerkes, auf den wir uns konzentriert haben. MOP ART. Ein Gemeinschaftsprojekt der beiden Künstlerinnen Bea T. und Ina T., die gemeinsam Trash/Treasure bilden. Bea ist vor zwei Jahren gestorben. Während unseres Gespräches ist sie im Raum, weil sie die andere Hälfte von MOP ART ist. Die Wissenschaftlerin, die Denkerin, die Schreiberin. Sie ist in den Bildern, Objekten, Katalogen, Installationen. Ich sehe sie auf einem Foto an der Wand. Im Projekt vertieft, in der Arbeit, in der Kunst, knietief im Staub.

Denn Staub ist das Thema. 1993 waren die beiden Frauen auf der Autobahn A1 unterwegs, als die Idee geboren wurde, die bis heute arbeitet, bewegt, macht, tut. MOP ART ist zwischenzeitlich um die Welt gegangen mit Ausstellungen in Deutschland, Island, den Niederlanden, Belgien, Spanien, Tunesien, Israel, Türkei, Japan.

Anfangs war der Staub eine dumpfe Masse. Eingesammelt mit Staubsaugern, aus fremden Wohnungen, Geschichten erzählend aus dem Privaten. Es gab Menschen, die konnten ihren Staub nicht hergeben. Zu intim. Es entstand die Bildreihe „Verkehrte Ordnung“ eins, zwei und drei bzw. blau, gelb, rot für eine Ausstellung in Düsseldorf zum Thema Ordnung.

Der Staub als Konglomerat, Zusammensetzung der Komponenten, Dokumentation. Verpackt in kleine Tütchen, Beweismaterial. Haare, Partikel, Stücke von Blättern oder Verpackungen. Geschichten. Das war der Anfang. „Zunächst gab es Berührungsängste des Publikums, später kamen erst die Frauen, die erzählten und unsere Arbeit reflektierten, dann die Männer. Die Experten, die beruflich mit Staub zu tun haben. Das war äußerst inspirierend, weil wir Staub plötzlich anders sahen. Als ein Funktionselement der Gesellschaft, das zum Beispiel das Fortschreiten der Zeit zeigt. Wir besorgten uns Normstaub aus Minnesota. Staub nach DIN, der so teuer wie Gold war. Dieser Staub ist definiert – in einem Jahr fallen in Mitteleuropa auf einen Quadratmeter 2,63 g Normstaub. Damit definiert Staub in seiner Menge auch Zeit. Es entstanden die Objekte „Gewicht der Zeit“ (Foto ganz oben).“

Trash/Treasure gingen weiter, tiefer. Von der Haushaltsebene auf die Wissenschaftsebene. „Wir kontaktierten die NASA, weil wir von kosmischem Staub gehört hatten, der oberhalb der Stratosphäre mit U2-Flugzeugen eingesammelt wird. Millionen Jahre alter Staub aus dem All, der erzählt. Die NASA hat den Staub unter Elektronenmiskroskopen bearbeitet, in einzelne Staubkörner separiert. Wir hatten Glück, haben einen Ansprechpartner gefunden, der offen für Kunst und unsere Ideen war. Irgendwann kam ein großer gelber Umschlag mit Aufdruck NASA und darin waren vierzig Aufnahmen einzelner Körner kosmischen Staubs. Wir waren auf der Mikroebene angelangt, beim kleinsten Teilchen. Das war extrem faszinierend und natürlich inspirierend. Stardust, Sternenstaub.“

Es entstanden immer neue Konzepte, die Staub neu beleuchteten. Die Staubfalle. Ein Gefäß mit Trichter, das Staub sammelt. Trash/Treasure verkauften sie, trafen die Käufer/innen in ihrem jeweiligen heimischen Umfeld und fotografierten sie mit ihrer Staubfalle. Fotos aus Wohnzimmern in Deutschland, Büros in Japan… In einer Ausstellung entstand in einem Raum ein „Museum des Staubs“, in dem „Staubfänger“ von Menschen aus der Region ausgestellt wurden. Es entstanden Staubbilder an Wänden, die langsam herab rieselten, Staubecken, Staubinstallationen am Boden, die Botschaften verkündeten. Ein Meer von Staubkunst. Bis hin zur Eigenreflektion des Projektes MOP ART in Ölbildern, die in der Türkei ausgestellt wurden. Menschen, Paare im Gespräch über MOP ART: STELL DIR NUR MAL VOR, WAS ALLES DAHINTER STECKT. WIR BERÜHREN DEN HIMMEL, GREIFEN NACH DEN STERNEN, GANZ REAL…

Nun geht das Projekt MOP ART in seine letzte Phase. Ina entfesselt sich vom Staub, lässt das Material gehen. Dazu verwendet sie digitale Malerei, mit der sie Schicht um Schicht überlagert. Wild, bunt. Farben, Strukturen. Feuerwerk, Finale. Wenn die Bilder als Prints produziert sind, wird es eine Ausstellung geben. ENTFESSELUNG. Freu ich mich sehr drauf. „Du wirst ab heute Staub mit anderen Augen sehen.“ Stimmt. Sternenstaub. Kosmischer Staub. Informationsträger. Symbol der Zeit. Kunst ist einfach groß. Ideen, Horizonte, der andere, weite Blick. Danke, Ina und Bea, danke Trash/Treasure.


(© Trash/Treasure, Ina T.)

Und weg damit…

Ist der Keller voll, stört das die Vergangenheit. Ist der Speicher voll, ist die Zukunft blockiert.

Der Mensch. Jäger und Sammler. Bis heute. Erinnert ihr euch an das „Laufende Band“ mit Rudi Carell? Ein paar Tage her. Kürzlich erinnerte irgendjemand daran und ich dachte: Meine Güte, da haben die Leute all diesen Mist gewonnen. Kaffeemaschinen, Teeservices, Wolldecken, Bettwäschesets, Besteckgarnituren, Pauschalreisen… Und das Fragezeichen. Man ist also reich „beschenkt“ nach Hause gegangen. Und alle haben mitgefiebert. Heute, some years later, wollte niemand mehr all den Schrott haben.

Alles ist eh schon doppelt und dreifach da – in den meisten Haushalten. Was schenkt man zum Geburtstag? Was bekommt man? Was braucht man? Bei uns hat sich in den letzten Jahren einiges auf dem Speicher angesammelt. Der Speicher ist groß und lädt dazu ein, Zwischenlager zu sein. Vor allem, wenn man die Wohnung frei halten möchte von Nippes, Accessoires, Kunstgewerbe, Tüddelkrams, Stauraumschränken und all dem Zeugs, das Raum und die Luft zum Atmen nimmt. Mir jedenfalls.

Also ist der Punkt gekommen, das ausgemistet wird. Gestern haben Jens und ich die ganzen Schränke und eine alte Nähmaschine runtergetragen. Mir war das Zeug in den letzten zwanzig Jahren irgendwo begegnet und ich habe es mitgenommen. Jetzt fliegt das Antikmobiliar raus. Befreiung. Hinfort damit. Eigentlich wollte ich alles über ebay verticken, aber das ist mir zu aufwendig. Immer schauen, wie es läuft. Ich habe mich für ebay Kleinanzeigen und Kalaydo, eine lokale Verkaufsplattform, entschieden. Jetzt muss ich gleich nur noch einzeln fotografieren, messen und beschreiben. Da heute die neue Heizung montiert wird (und die alte das Haus verlässt – alles neu macht der Mai) ist das ein guter Tag für eine solche Aktion. Nach gemütlichen Pfingsttagen endlich wieder Action:) Euch wünsch eich eine schöne, schöne Woche.

Pfingst-Geo-Caching-Wanderung…

Kinder zum Wandern zu bewegen? Nicht ganz einfach. Die moderne Schnitzeljagd mit GPS ist da schon was anderes. Koordinaten suchen, Caches, Hinweise. Finden, ankommen. Macht schon mehr Spaß. Und mittendrin Picknik auf einer schönen Wiese. Passt. Unterwegs ist mir dieser skurrile Anhänger oben begegnet, der mal Unterkunft für irgendwelche Tiere war und nun nur noch vor sich hin zerfällt. Sah schön aus mit den dunklen Wolken im Hintergrund, die bald wieder verschwunden waren.