Eine Performance. Eine performative Ausstellung. Heute Abend in Köln im Belgischen Haus. Es geht, das Haus. Belgien gibt auf. Früher waren Belgier in Köln stationiert. Kasernen, Soldaten. Heute. Au revoir. Da braucht es dann auch kein Haus mehr, in dem die Kultur des Landes wohnt. Umnutzung. Es wird ein Restaurant kommen, und anderes. Mitten in Köln, direkt neben dem Neumarkt. Ein Sahnestückchen.
Barbara Schachtner und Norbert von Ackeren durften einen Abschied inszenieren. Fünf Tage haben sie im Foyer des Hauses in der Cäcilienstraße geackert und geschachtet. Und geschächtet. Viveka und ich kamen ins Foyer, vor der Zeit. Da hingen zwei Bilder. Am Boden lagen verrostete Knäuel aus Eisenschrott, ein Beamer warf Sequenzen an die Wand. Die „Schaufenster“, die Fenster zur Straße, waren verhüllt. In eine Bühne verwandelt, in eine Baustelle. Holzstützen, Farbe auf der Folie, Requisiten, eine Leber, zwei Nieren. Blutig auf saugendem Papier.
Irgendwann stand Barbara im Fenster, in einem Mantel. Man musste sich entscheiden, von außen aus stürmischem Wetter durch die klaren Scheiben zuzuschauen oder aus dem warmen Inneren des Maison Belge durch trübe Folie mit weißen Farbflecken, Wandfarbe. Der Mantel fiel. Klarsichtfolie als Kleid über Wäsche. Ein Schuh, ein einziger schwarzer, glänzender Pumps, der sie hinken ließ. Ein Auge mit künstlichen Wimpern, tiefschwarz, ein Zopf senkrecht nach oben gebunden, gegelt. Eine Leber wird an eine Stütze genagelt. Das reinigende Organ, das schützende Organ. Das Blut siebend. Genagelt an einen Pfosten. Zu Beginn.
Töne, Musik, Stimme. Tod, Liebe, Kunst. Der Text, ich habe ihn kaum wahrgenommen, die Bilder, allein, waren zu stark. Man kann sich in Intensität wunderbar verlieren, dann braucht man nichts mehr, was formal führt und leitet.
Zurück auf Anfang. Viveka und ich betraten das Foyer des belgischen Hauses und trafen auf Frank. Frank ist ein alter Freund Vivekas aus Essen, den sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen hat. Er arbeitet mit Norbert zusammen und so schloss sich ein Kreis. Ich habe ihn vorher nicht gekannt. Es gab viel zu bereden inmitten dieser Bühne. Es ging um das Innere, das Fühlen, das Empfinden. Es ging um Metamorphose, Veränderung, Vergehen.
Es war sehr intensiv. Man trifft manchmal auf Menschen, die machen PENG! Man sagt Dinge, spricht über Dinge, über die man so meist nicht spricht. Oder erst nach langer Zeit. Und dann ist da plötzlich eine Vertrautheit, die fast irritiert.
Im Hintergrund, Norberts Bilder. Zwei. Ganz anders als die, die ich kenne. „Das sind Petrischalen“. Norbert benutzt Farben, Mineralien, Chemikalien, die reagieren. Sie sind nicht fertig, sie arbeiten weiter. Zersetzen sich, fügen zusammen, fressen, verbinden. „Ein Prozess.“
Diesen Prozess des Vergehens hat Barbara in den Raum getragen, in die Schaufenster. Man braucht, bis man in so eine Performance reinkommt. Von der Autobahn auf den Parkplatz über den Weihnachtsmarkt in die Vergänglichkeit. Der Geist ist ein behäbiges Wesen. Meinen Geist hat sie gepackt. Was genau geschehen ist? Keine Ahnung. Vergänglichkeit, Sterben, Prozess. Ich war gefangen von den Bildern, von Frank und Viveka, von Vergänglichkeit, Veränderung, Abschied. Zwischendurch habe ich mit Zoe telefoniert, die am Mittwoch nach Neuseeland fliegt. Für vier Wochen. Das erste Weihnachten, seit es sie gibt, ohne sie. Die Welt verändert sich. Wir leben in einer Petrischale und sind nur die Kandidaten.
Auf dem Nachhauseweg sind Viveka und ich durch Leverkusen gekommen. „Science for a better life“. Die Petrischale des Lebens. It’s all plastic. Eine Stadt, wie vom Himmel gefallen. Sturm, Regen. Dawson City. Wie kommen Menschen auf die Idee, eine solche Stadt zu bauen und dort Menschen leben zu lassen? Unterm Bayer-Kreuz. Was für eine Atmosphäre. Die Schlote schicken den Nebel in die Nacht, das Kreuz leuchtet und es scheint jede Sekunde, als wären die Straßen für Zombies gemacht. Was für ein Abend. Belgien, SCHACHTEN & ACKERN, Petrischalen, Frank, Zersetzung und am Ende, vor dem Flug über die verwehte Autobahn: Leverkusen.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 09. Dezember 2015. Belgisches Haus, Cäcilienstraße 46, Köln. Infos unter SCHACHTEN & ACKERN.