Speed. Anders lässt es sich nicht ausdrücken. Die Welt fliegt mir um die Ohren und zieht mir im Fahrtwind meines bescheidenen Seins einen Mittelscheitel. Ich bewege mich zu Fuß, in Gedanken, virtuell und per Auto durch ein Leben der permanenten Eindrücke. Gestern war wieder Vollgastag. Hund, Blog, Job, Mittags kochen, Job, Jim vom Nachsitzen aus der Schule abholen, twittern, kommentieren, Kunden betreuen, Mails schreiben, telefonieren, Abendbrot, mit Zoe kniffeln, mit dem Nachbarn sprechen und zwischendrin ein Familienleben inklusive Beziehung leben. Waren da noch Freunde? Sorry, Jungs – ich meld mich. Bald.
Wie das life aussieht? Vom Schreibtisch in den Garten Zucchini holen für das Mittagessen. Ich hatte die Idee, die Zucchini in Streifen zu schneiden und zu panieren. Mache ich. Was gibt’s dazu? Reis und Möhren-Kohlrabi-Gemüse. Schnippel, schnippel, panier, panier, alles in die Töpfe und Pfannen. Muss Zoe vom Bus holen, Tisch decken und die Garzeiten timen. Passt. Essen. An den Schreibtsich, Mails checken, kurz twittern und gleich ins Auto. Muss Jim von der Schule holen, weil der Silentium hat. So heißt Nachsitzen heute. Die Schule ist 25 km entfernt, ich hetze über die Autobahn. Er hatte seine Geografiemappe in einem Zustand unter aller Sau abgegeben. Try und Error hat zu Error geführt. Mit der Waldpraktikumsmappe hatte er es gerade geschafft und war mit einer “lobenden” Erwähnung im Zeugnis davongekommen. Diesmal halt Silentium – und tatsächlich hat er gut gearbeitet. Geht doch.
Zu Hause dann Hausaufgabenbetreuung. Wieder Geografie. Gibt es keine anderen Fächer? Die südamerikanischen Hauptstädte. “Papa, wie heißt die Hauptstadt von Bolivien?” Ela sitzt auch am Tisch und bereitet ihr Formel F-Treffen – ein Unternehmerinnentreffen heute – mit Speeddating vor. “Was sind denn unsere drei zentralen Kernkompetenzen?” Herrje, die Hauptstadt Boliviens und das Wesen unserer Arbeit in einem Satz. “La Paz. Beratung. Konzeption. Kreation.” Denkste. “Papa, La Paz hab ich auch gedacht. Steht aber falsch im Atlas. Sucre ist die Hauptstadt und La Paz der Regierungssitz. Musste doch wissen.” Hätte ich vielleicht auch mal nachsitzen sollen. Zoe kommt rein und meint “Papa, ich brauch Blumen.” “Wieso?” “Weil meine Lehrerin morgen Geburtstag hat.” Süß. “Äh, nicht jetzt, muss runter ins Büro, Mails beantworten. Da wünscht sich eine Kundin Texte von mir.” “Und die Blumen?” “Später.”
Ela hat sich ziemlich hübsch gemacht, weil sie mit ihren Mädels in “The American” geht. Drei wunderbar anzusehende Mitvierzigerinnen. Wow! Lange Ketten, Stiefel, Make up – das volle Programm. Alles für George, der noch nicht mal von der Leinwand runterblinzelt. Küsschen. Wie gut die duften. Abendbrot mit den Kids, Kniffeln mit Zoe, Jim will keine Gitarre üben. “Ich hab die letzten Tage so viel geübt!” Stimmt, lassen wir die Diskussion und halten jetzt mal den Frieden. “Ab ins Bett, Zoe.” “Gute Nacht, Papa, und was ist mit den Blumen?” “Herrje, es ist schon dunkel. Morgen Früh.” “Aber dann ist es auch dunkel.” “Klappt schon, ich leg ‘nen Zettel hin.” “Gute Nacht Jim, schlaf gut.” “Gute Nacht, Papa. Wie heißt die Hauptstadt von Bolivien?” Smile.
Ruhe, Rückzug, alle weg. Ela im Kino, die Kids im Bett, Cooper vorm Ofen und ich mit Paul Austers “Unsichtbar” und Yogitee abhängend im Hängesitz. Wunderbar. Heute Morgen dann alle aus den Federn und das übliche “Jim-Beschleunigen”, der morgens so gar nicht aus dem Quark kommt. “Und die Blumen?” O.K. – Stirnlampe auf und ab in den Garten. Lieber zur Nachbarin? Die hat so einen schönen Bauerngarten mit sehr vielen Blumen! Schönen Blumen! Klar, ne. “Der Nachbar läuft morgens in unserem Garten mit Stirnlampe rum und klaut Blumen.” Ne, lass ma lieber. Dann eben einen kleinen süßen Strauß mit weniger Blumen und nett Weinblättern drumrum zur Dekoration. Zoe strahlt. Ab zum Bus, Ela auf zum Speeddating. Ich sitze in Ruhe auf meinem Meditationskissen, bringe Ruhe in den Kopf und fliege danach losgelöst mit Cooper ab in den Wald. Nun sitze ich hier. Blogge und warte, was heute alles passiert. Noch 13 Minuten bis 9 Uhr, dann fängt meine selbstgesetzte Bürozeit an. Volles Programm – Texte für einen großen japanischen Elektronikkonzern. Zwischendurch zur Erholung twittern und eventuell kommentieren. Mal sehen, wie “Nichts als die ganze nackte Wahrheit.” ankommt. Bin gespannt.
Ich wünsche euch einen entspannten Tag. Wie heißt die Hauptstadt von Bolivien? Nicht der Regierungssitz! Sollte vielleicht das Blogwissen mal per Gewinnspiel abfragen. Genießt. Alles. Ciao.