Es gibt so kulminierende Zeiten. Manchmal, da passiert nichts. Man könnte von Ruhe oder Langeweile sprechen. Es sind Millimeter, die den Unterschied machen. Gefühle fallen von Klippen, Stimmungen fliegen, landen, steigen, erobern. Nichts ist fest, alles ist in Bewegung. Man würde gerne. Zementieren. Betonieren. Festhalten. Aber genau dann, wenn man glaubt, man könne greifen, nun, in diesem Moment, hätte man es, dann: Puff. Ciao. Aufgelöst, weggebeamt, schön hinterher winken. Bis bald, liebes Glück, Schöngefühl.
Heute Abend hatte ich die Qual der Wahl. Die große Entscheidung. Fußball oder Yoga. Dabei ging es zunächst nicht um Bayern/Real, das Hinspiel des Champions League-Halbfinales. Nein. Ganz profan: Training. In den letzten Wochen habe ich es verpasst. Nun, ich soll nicht lügen. Es ist noch ein wenig anders. Ganz ehrlich? Wir hatten Spiele. Ü32. Über 32 Jahre. Tja. Und da bin ich nicht mehr dabei. Zu alt. 49. Ja, es schmerzt. Zugegeben. Was soll ich sagen? Natürlich. Selbstverständlich. Alle sagen, 49 ist kein Alter. Alles im grünen Bereich. Klar. Nur auf dem Platz bin ich raus. Also hatte ich kein Training, weil Meisterschaftsspiele stattgefunden haben, an denen ich nicht teilnehmen konnte. Fußballer-Frührente. Und dann war da noch viel Arbeit. Lange Tage. Nun ja. Ausreden gibt es immer.
Also habe ich mich heute auf das Training gefreut. Es war mir lieber als Yoga. Männerschweiß, Sprüche, Tackling, rennen, schreien, vollenden. Weil die Bayern gespielt haben, waren wir nur zu acht. Vier gegen vier. Keine große Sache, ein kleines Hin und Her. Geklicker. Aber dann. Ich hatte meine schwarzen kurzen Hosen angezogen, die Kaiser geschnürt, das neuseeländische Nationaltrikot der Rugby-Mannschaft übergeworfen und war aufgelaufen, als wollte ich Christiano Ronaldo ins Hallo stellen. Voll motiviert, gut gelaunt, mit voller Freude auf das, was kommt.
Es kam anders, als ich dachte. Manchmal ist das Leben spontan. Die Dinge ändern sich, die Erwartungen verfliegen wie Wasser auf der heißen Herdplatte. Wusch. Plötzlich, vom einen auf den anderen Augenblick hatten wir einen Gegner. Die trainierende A-Jugend. Junge Kerle im besten Alter. 17, 18 Jahre jung. Holla die Waldfee. Respekt. Ausdauer, Wille, Schnelligkeit, Können, Stärke. Mir fiel so manches Wort ein. Am Ende ließ sich alles in dem Wort Respekt verdichten.
Ich wollte nicht verlieren. Nicht so kurz nach meinem 49-zigsten Geburtstag untergehen. Gegenwehr, aufbäumen, zeigen, was da ist. Lief gut an. Die jungen Götter klebten am Ball, spielten jeder für sich Traumfußball. Kaum vom Leder zu trennen. Tja. Aber. Es fehlte was. Die Konsequenz. Das Durchsetzungsvermögen. Und so konnten wir atmen, Luft holen, reagieren, kontern. Und. Obwohl. Ich eigentlich. Verteidiger bin, ging ich nach vorn und hatte die ausgesprochen wunderbare Gelegenheit, Tore zu machen. Buden. Zu vollenden. AAAHHH! Ego, Leuchten, Heiligkeit, Wunderbarigkeit.
Während des Spiels, das kurz vor dem Spiel der Bayern gegen die Reals stattfand, hörten wir plötzlich die Blaulicht-Sirenen. Und: Jetzt schließt sich der Kreis. Spätestens hier beginnt das Kulminierende. Das neue Feuerwehrauto aus MÜNCHEN war eingetroffen. Unsere Feuerwehrjungs aus der Nachbarschaft waren gestern nach München gefahren, um den neuen Wagen (der sich offiziell Fahrzeug nennt) abzuholen. Eine sündhaft teure Kiste, die sich die Gemeinde kaum erlauben kann. Aber bei Autos der Farbe Rot werden Männerherzen nunmal weich. Also: GEKAUFT. Weil die Karre so groß ist, muss nun auch das Feuerwehrhaus komplett umgebaut werden. Das erklärt die Riesenbaustelle mit Kran vor unserem Haus. Nichts bleibt, wie es ist. Immer hat einer eine Idee, wie es noch besser geht. Deutschland. Investieren, machen, tun, verändern, Aktionismus. Keine Ruhe in keinem Augenblick. Ein durchgeknalltes Land.
Auf jeden Fall wussten wir, das Fahrzeug ist da. Angekommen. Wir spielten zu Ende, gönnten den Young Gunss das letzte Tor, das ihre Niederlage bei weitem nicht abwenden konnte und machten uns mit einem Bier in der Kabine und einer heißen Dusche fit für das Spiel der Fußballgiganten. 22 Kerle in Madrid auf dem Platz. Ein Name größer als der andere. Die Bayern überlegen, die Madrilenen die Gewinner. Diese Bayern haben zwar ordentlich Dampf gemacht, aber immer, wenn es drauf ankam, vorne gestanden. GESTANDEN! Keine Bewegung, die bei den Madrilenen zu Fehlern hätte führen können. Hätte führen können. Ein erbärmlicher, langweiliger Konjunktiv, der beschreibt, was nicht passiert ist. Keine Überraschungen, keine genialen Pässe, keine geschaffenen Räume, kein Pass in die Tiefe. Nothing. Zwei Konter von Ronaldo & Co., ein Tor, eine Bayern Niederlage. LANGWEILIG.
Hat trotzdem Spaß gemacht der Abend. Denn meine Alten Herren haben gegen die Jugend gewonnen, das neue Feuerwehrauto ist angekommen und alle im Dorf sind glücklich und zufrieden (Gute Nacht, Johnboy). Ab in die Betten, dem Tag Adieu sagen und sich auf das Tagwerk eines neuen Tages freuen. Ich werde im Job ein neues Medium bespielen. Was eine klassische Broschüre werden sollte, hat sich zu einer digitalen Präsentation mit einem verspielten Programm entwickelt. Ich schreibe nicht nur, sondern überlege mir eine mit visuellen Effekten gespickte Präsentation. Für einen Termin in München. Im Mai und im Juni wird es mich dorthin verschlagen. Herr Schönlau auf Reisen. Als festangestellter Texter kommt man rum. Raus aus dem Büro, rein in die Welt. Gefällt mir. Kriegt ’nen Like und ’nen Smiley:) Ciao. Schlaft gut, träumt süß, bessert euch.
Ach ja: Die Überschrift. Le soir rouge. Der rote Abend. Das bezieht sich auf die Bayern-Trikots und das neue, sensationell fantastische neue Feuerrwehrauto (in Fachkreis einfach das neue Fahrzeug genannt).