Einander

In Wogen eintauchen
in umschließende Zartheit

Gehen lassen
dem Wegwehen hinterher sehen

Höre deine Worte
sehe deine Lippen
ahne
wünsche
schweige

Wo wir einander begegnen
ist es warm
blüht es
schwelgt

Einander
missen

Und küssen
nicht wissen

Sehen
wünschen
einander
ahnen
wollen

jANUAR 2018

Heros

Wenn ich es finden würde
würde ich es hergeben?

Den Liebsten schenken
aus Liebe

Oder es
den Armen geben
die
ich gar nicht kenne

Elster im Blut
das Glitzernde
glitzernd Schöne

Haben wollen
jetzt
hier

Bestochen
durch einen sanften Kuss

Vielleicht
vielleicht

Ich weiß nicht

Wenn sich die Hand schließt
um das verzückend süße Materielle

Ach was
leckt mich

Das Gegenteil nehme ich

jANUAR 2018

In Love with Marvin, Woody & Stevie

Tatsächlich bringe ich es ein wenig durcheinander. Habe ich euch hier erzählt, dass mir Max, also Jim-Fx, mein Sohn, Kollege und Mitbewohner, mir zu Weihnachten erst drei Schallplatten und dann einen Schallplattenspieler geschenkt hat? Marvin Gaye, Miles Davis und Gil Scott-Heron.

Nachdem mein 1989 gekaufter CD-Player letztes Jahr den Umzug nicht verkraftet hatte, er wollte keine neue Location, hatte ich zwei Versuche gestartet, Ersatz zu ersteigern. Zwei Vollnieten. Geld zurück und behalt den Schrott und schönen Tag noch. Kürzlich habe ich einen weiteren plus schickem Verstärker auf dem Elektromüll gefunden. Zwei weitere Blender.

Solche Dinge nehme ich als Zeichen Gottes, an den ich mir manchmal zu glauben erlaube. Er ist wunderbar, wenn er da ist. Oder?

Was habe ich in meiner Not getan? Habe mir ein Abo andrehen lassen. Nein, nicht die Bunte noch den Stern auch nicht den Spiegel und auch nicht die Zeit, obwohl vor allem Spiegel und Zeit es auf erbärmliche Weise mit Pseudo-Umfragen im Web permanent versuchen. Sehr unangenehm und unwürdig. Nun.

Spotify. Ich war dann auch ein Jahr überzeugter Spotify-Anhänger und bin es noch, aber unser Verhältnis hat gelitten. Die Platten. Ja, man könnte mir Untreue vorwerfen. Ein missliches Verhältnis zu den Dingen. Aber nun, mal ehrlich, soll ich meine Sehnsüchte unterdrücken?

Platten.

Spotify hat etwas sehr Schönes mit mir gemacht. Montags bekomme ich eine Playlist, die zu meinen Vorlieben passt. Die Datenkrake analysiert mich, gleicht mit Facebook ab, wertet wahrscheinlich Instagram aus und manch anderes. Am Anfang der Woche dann das über Algorithmen gewonnene Ergebnis. Die neue Playlist. Maßgeschneidert, handverlesen, ein Trojanisches Pferd, ein Lockmittel, ein Suchtstoff. Für was auch immer. Irgendwas mit verkaufen, verkaufen, verkaufen.

O.K. Fast hätte ich geschrieben ein Deal. Lass ich mal. Is ‘n Pseudopolitik-Idiotenwort.

Spotify hat mir Woche für Woche, Monat für Monat die Seventies um die Ohren gehauen. Blues, Funk, Soul, Jazz. Oh, ja. Und ich habe es geliebt und liebe es. I love it. Nicht den Burgerscheiss. Music. Black music. Black people music aus den Siebzigern.

Gerade läuft TROUBLE MAN von Marvin Gaye. United States of America 1972. Da konnte ich schon denken. War sieben Jahre alt und habe im Fernsehen das Bild der amerikanischen Sprinter auf dem Podest gesehen. Die Faust in die Luft gereckt. Black Panther, Black Power. Später im Politikwissenschaft-Studium habe ich mehr erfahren. Rainer hatte über Malcolm X geschrieben und präsentiert. Ich über Tuli Kupferberg und sein Stück “Fucknam” – “den Steuerknüppel zwischen den Beinen”. New York. Off-off-Broadway. 1999 eine Woche New York. Jeden Abend Off-off-Broadway.

TROUBLE MAN hat Viveka von Woody geerbt. Woody war Jamaikaner und Viveka-Fan. Er ist, ich denke, vor zwei Jahren gestorben. Plötzlich. Vor seinem Tod hat er gesagt, dass Viveka seine Platten bekommen soll. Und weil sie keinen Plattenspieler hat, hat sie die Platten an Stevie weiter vererbt. Mit Stevie hat sie zwei Kinder. Eine coole Familie. Und Stevie ist ziemlich nett und ein ausgesprochen schöner Mensch. Er hat mit die TROUBLE MAN und zwölf weitere Platten nun weitervererbt. Die TROUBLE MAN soll Jens haben. Danke Stevie, du bist der Beste. I love you.

Ich weiß nicht, wie mir geschieht. So viele Geschenke in der letzten Zeit. Kunst, Platten. Zuneigung. Es ist schön, wenn einen das Leben streichelt und mit Aufmerksamkeiten umgarnt. Wenn die Theorie stimmt, dass sich alles ausgleicht, wenn die Theorie der Gefälligkeitsbank stimmt, dass man einzahlt und abhebt, dann habe ich entweder einen fetten Kredit aufgenommen oder vorher unbewusst eingezahlt. How ever. Egal.

Es ist schön. Punkt.

Die Siebziger sind meine Zeit. Vielleicht, weil ich dabei war, ohne dort zu sein, wo die Dinge stattfanden, die mich heute bewegen. Ich lebte in kleinen Dörfern fernab. s/w-Fernsehen. Drei Programme und mein Vater mit Programmhoheit. Er liebte die Nachrichten, ich liebte die Nachrichten. Mal heute, mal die Tagesschau. Internationaler Frühschoppen. Politik hat mich immer interessiert.

Aber ich habe nichts über Amerika, Vietnam, Nixon, Woodstock, Kalifornien, New York erfahren. Wenn ich heute die Musik aus jener Zeit höre, ist es wie ein Nachholen. Wie ein Eintauchen in eine Zeit, die meine ist. Während meiner Zeit am Stadttheater Aachen war mal eine Dance-Company aus New York zu Gast. Ich hospitierte bei Hans-Ulrich Becker und so hatte ich eine Karte für das Gastspiel und war auf der Premierenfeier in einem Club. Schwarze Tänzer. Aus New York. Ich habe die Tanzfläche nicht verlassen, weil ich auch einmal, unter anderem, Tänzer werden wollte. Ich tanze leidenschaftlich gerne. Am liebsten nach Black Music mit dem Groove. Der Körperlichkeit. Dem Raum, der alles zulässt. Den Verführungen, der Auflösung aller Gedanken, der Leichtigkeit und des Lachens. Hätten sie ein Schild dabei gehabt “Junger Mann zum Mitreisen gesucht”, ich wäre weg gewesen. Wo ich wohl gelandet wäre? So habe ich eine dieser vielen unvergesslichen Nächte durchgetanzt.

All diese Seventies-Schätze sind noch da. Werden gerade neu gepresst. Wie gerne fliehe ich aus diesen Zeiten 2000+ in die geschönte Vergangenheit. Höre Gil Scott-Heron darüber reden, dass Schwarze nicht in Filmen vorkommen. Und schaue mir dann Trouble Man an. Klar, verklärte Sicht. Es gibt so viele Aspekte. Aber: So what? Es klingt einfach. Es bewegt. Es lebt. Es hat Seele. Soul. Und Groove. MUSIC.

So danke ich. Marvin, stellvertretend für alle, Woody für seinen erlesenen Musikgeschmack, Stevie für das Vertrauen sowie Max und Viveka für die Geschenke. Das ist Liebe in Vinyl.

Die Adaption des Ichs in Helga Mols Malerei

Wo kommen die Dinge her, wo gehen sie hin? Was passiert zwischendurch und was passiert überhaupt. Der Vorteil des Älterwerdens ist der Gewinn an Demut. Zu oft haben die voreiligen Schlüsse nicht nachhaltig gegriffen. Meinungen sind weggebröckelt, Argumente haben sich aufgelöst, die Zeit hat ihre Spielchen gespielt und die Regeln haben ihre Antiregeln provoziert.

Letzte Woche. Freitag. Eine Einladung in Helga & Davids Atelierhaus in Cyriax, Overath. Ein rotes Holzhaus an der Agger. Ein wenig schwedisch, ein wenig wie bei Findus & Petterson (kennt man, wenn man Kinder hat, die um 2000 geboren sind).

Eine Einladung, Helgas Werk zu erleben. Ich gebe zu, ich habe mir mal wieder keine Gedanken gemacht. Was ist das? Faulheit, oder der Wunsch, unbefleckt zu schauen? Ich kann es nicht sagen. Nichts erwarten, nichts wollen, nehmen, was kommt, sehen, was es zu sehen gibt, hoffen, vielleicht. Still. Für sich. Irgendwo im Inneren.

Heute Morgen bin ich aufgewacht mit einer Sehnsucht. Erlaubt mir, abzuschweifen, ich werde zurückkommen, glaubt mir. Der Wecker schickte mir dieses penetrante Digitalgeräusch in die Ohren. Alarm. Dann setzte ich mich auf und mein erster Gedanke war ein schöner. Eine Sehnsucht nach den Magic Moments. Wie soll ich erklären, was die Magic Moments sind. Sie sind ein Gefühl von mir. Sehr weich, sehr samtig, sehr luftig und frei, begleitet von einem Lächeln und einer verführerischen Sorglosigkeit. Es ist Glück, das sich offenbart. Es ist das Wissen, dass es da ist. Irgendwo. Dass es sich zeigt. Grinst. Spaß hat. Mit mir. Es ist schön, sehr schön, dieses Gefühl der Magic Moments.

Nach dem Renovieren letzte Woche haben Viveka und ich uns auf den Weg gemacht. Erst Helga und David, später die Party von Kurt Steinhausen in Köln. Kunst & Party. Immer eine gute Mischung.

Erst haben wir lange in der Küche gesessen. Feinen Kuchen gegessen, Kaffee aus Indonesien getrunken, Tee aus Japan. Geredet. Angenähert. Ein Palaver unter Indianern, bevor es zur Zeremonie ging. Wir waren gekommen, Helgas Kunst zu sehen. Ich kenne Helgas Kunst. Sie ist die Künstlerin unter den drei malenden Künstlern, die ich intensiv begleite: Helga Mols, David Grasekamp, Norbert van Ackeren.

An diesem Freitag nun, eigentlich weiß ich gar nicht, wie mir geschehen ist, hat Helga alles erzählt. Viveka und ich saßen auf dem Sofa im Atelier in der oberen Etage. Helga zeigte uns Köpfe. Gemalt. 1991. 1992. Biographisch. Psychologisch. Seelenvoll. Ich-Auseinandersetzung, Suche nach künstlerischer Identität. Ein Spiel mit Ausdruck, Farben, Formen. Eine spätere Wiederaufnahme des Themas. Um 1995. Eine andere Sprache, ein anderer Angang.

Ich saß da und spürte, wie sich in meinem Kopf Dinge ordnen wollten. 2008 habe ich geholfen, Helgas Ausstellung im Kulturhaus Zanders in Bergisch Gladbach aufzubauen. Später habe ich die Texte zum Katalog geschrieben. Manchmal mache ich Sachen, die ich eigentlich nicht kann. Egal. Ich hatte ein Gespür, einen Instinkt.

Neun Jahre später und viele Bilder weiter saß ich nun also dort und ordnete. Dann haben wir den Ort gewechselt und haben uns ihre neueren Bilder der Jetztzeit im unteren Atelier angesehen, in der Malschule. Ausgehend von den Strange Loops, über die ich 2011 hier geschrieben habe.

Ihre Ausstellung “FARBRAUSCH — Ausstellung von Helga Mols in der IHK Köln” 2016/2017 in Köln hatte ich geschwänzt. Aus persönlichen Gründen. Ich hatte keinen Kopf für Kunst und anderes. Katharsis. Zeit der Reinigung. Manchmal kann man nur für sich atmen.

Nun sah ich die Bilder unten im Atelier und der Kreis wurde geschlossen. Das hat mich bewegt. Helga Mols malt nun seit rund 30 Jahren. In der Zeit hat sie einen Weg verfolgt, den sie immer wieder verlassen hat. Um den Hauptstrang anzureichern. Sie hat probiert, experimentiert, ihre zentralen Themen gestärkt. Die Geschichte lässt sich jetzt erzählen, aufzeigen, dokumentieren. Ich verstehe jetzt ihre Magenta-Bilder aus dem Kulturhaus Zanders.

Sie hat sich Farben erschlossen, angeeignet. Wenn man fragt, was ihre Stillleben und Blumen und Zweige mit den Strange Loops zu tun haben, dann gibt es eine Antwort: Alles ist eins. Das Konkrete geht im Abstrakten auf, die Köpfe tauchen in den Linien auf, die Amaryllis auch, die Magenta-Bilder, die Spritzbilder. FLOW, das mit Leinwand bezogene Auto, das im vermeintlichen Windkanal der Farben Tupfer wie Fliegen gesammelt hat (FLOW gehört zu meinen liebsten Arbeiten. All over. Würde ich einmal ein Museum gestalten, gäbe es einen schönen Raum.)

Helga Mols hat es geschafft. Sie hat ihr Leben der Kunst gewidmet und ist bereits jetzt so weit, dass sie ein Lebenswerk hat. Ihr Werk ist lesbar, die Etappen sind nachvollziehbar, die Schichten der Abstraktion bauen auf einer ermalten Welt auf.

Für mich ist es ein Luxus, wie aus Zufall einen Teil des Weges erlebt zu haben. Und für mich war es ergreifend, dort zu sitzen, im Innersten, im Atelier und all das zu sehen. Das war ein Erlebnis, das Antrieb ist für Magic Moments. Von nichts kommt nichts.

Ich würde mir einen Katalog wünschen, der das Werk stringent aufbereitet. Eine fein kuratierte Ausstellung, die Irritationen in Kongruenz überführt. Das Unsichtbare ins Sichtbare kehrt. Manchmal, und das ist das Schöne der Kunst, gibt es eine Logik, die in abstraktem Chaos aufgeht. Es gibt einen Schlüssel, der sich nicht berechnen lässt. Das ist keine Raketentechnologie, das ist höhere Kunst. Es sind Chiffren, die sich dem Wesen der menschlichen Seele nähern. Da sind wir noch lange nicht. Der genetische Code ist Kindergarten gegenüber dem, was sich in den tiefen unserer Seelen ausdrückt. Da wären wir wieder bei den Köpfen des Anfangs. Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Den gilt es, zu beflügeln.

Bilder hängen, schweigen. Bilder wirken, erzählen, schreien, leben. Sie sehen wollen, sie sehen können.

Die Adaption des Ichs in Helga Mols Malerei. Das Abenteuer, das Infinitesimale zu suchen. Sich auf einen Weg ohne Ende zu begeben. Und doch näher zu kommen. Immer mehr zu wissen, das Wissen wieder zu verlieren, sich aus einer Sackgasse herauszuarbeiten, um wieder einen Schritt weiter zu kommen.

Es war ein luxuriöser Nachmittag. Geschenkte Zeit. Geschenkt, wie die Zeichnung oben. 2013. Eine Verbindung zur Ausstellung 2008, so wie alles verbunden ist. Ich weiß noch nicht, wie ich mit den Geschenken meiner Künstlerfreunde umgehen soll, wie ich sie in mein Leben integriere. Ich bin kein Sammler, der Besitz interessiert mich nicht. Die Bilder hier zu haben jedoch, ist ein schönes Gefühl. Wir werden sehen. Ich sage auf jeden Fall: Danke. Für Gedanken, die sich nicht kaufen lassen. Ich liebe das.