So weit die Füße tragen…

Hanwags

Manchmal sollte man einfach Danke! sagen. Auch zu seinen Schuhen. Insbesondere, wenn sie einen schon durch dick und dünn getragen haben. Meine Wanderschuhe sind solche Schuhe. Gerade haben sie wieder auf Schiermonnigkoog bewiesen, was sie bei eisigen Temperaturen sowie bei glitschigen Eis- und Schlickflächen können. Sie sind ein Geburtstagsgeschenk. Ich weiß nicht mehr genau, für welche Tour ich sie gekauft bzw. geschenkt bekommen habe, aber ich weiß, wo ich sie her habe. Aus einem großen Siegener Outdoorladen.

Das war eine mentale Tortur, weil der Verkäufer so ganz und gar nicht auf mich eingegangen ist. Der hatte klare Vorstellungen, was ein Wanderschuh leisten können muss und was die Kaufkriterien sind. Anziehen, über den künstlichen Ladenparcours aus unwegsamen Gelände laufen und ab an die Kasse und gut ist. Selten haben ein Verkäufer und ich so wenig harmoniert. Aber: Ich brauchte die Schuhe, weil die Reise bevor stand und der nächste Outdoorladen wäre in Köln gewesen. All das ist viele Jahre her und letztlich haben sich der werte Verkäufer und ich dann doch einigen können und ich bin heute froh, dass meine Wahl damals auf ein Modell der Marke Hanwag gefallen ist – Berg- und Wander-Schuhe von Hanwag. Die produzieren ihre Schuhe seit 1921 in Bayern und sind Teil einer alteingesessenen Bergschuhmanufakturfamilie – die könnens einfach. Hanwag steht für Hans Wagner, dessen Bruder Lorenz die Marke Lowa gegründet hat.

Ich war mit den Schuhen in den Schweizer Bergen, in den Bergen Neuseelands, auf italienischen Küstenrouten, auf dem Rothaarsteig vor der Haustür, in der Eifel und bei Wind- und Wetter auf Schiermonnigkoog. Ein echter Allroundschuh, was mein Siegener Verkäufer so sicherlich nicht unterschreiben würde. Er hat da deutlich differenziert und in Klassen eingeteilt. Ich aber wollte und will einen Schuh für alles, weil ich mir nicht die Bude vollstellen möchte mit Schuhen für jedwedes Untereinsatzgebiet (obwohl, zugegeben: für die Gletschertour in der Schweiz brauchte ich dann doch ein zweites Paar, das Gletschereisen aufnimmt – auf von Hanwag. Führte kein Weg dran vorbei).

Wichtig ist natürlich: Gute Pflege mit dickem Lederfett, das den Schuh schützt und geschmeidig hält. Bin gespannt, wie lange er noch hält. Bisher hat er wenig Abnuntzungserscheinungen und läuft und läuft und läuft – wie ein alter VW-Käfer:)

Parameter des Augenblicks

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Outstanding moments.

Manchmal hat das Leben einen wissenschaftlichen Touch. Vielleicht dann, wenn man zur Ruhe kommt und dem Luxus Zeit frönt. Heute Mittag habe ich mir einen Augenblick gestohlen und habe etwas getan, was eher eine Vorstellung als eine Wirklichkeit ist. Ich bin ins Hotel van der Werff gefahren. Mit Herrn Cooper im Schlepptau. Wir haben den Gastraum betreten und uns einen Platz am Fenster gesucht.

Ich wollte dort sitzen, bei einem der Kellner im blauen Anzug ein Bier bestellen und ein Gedicht schreiben. Dazu hatte ich mir einen Block gekauft und so einen Bic-Kulli, bei dem man zwischen vier Farben wählen kann. Herr Schönlau war bei der Waffenwahl nicht älter als sechs Jahre. Spielkind.

Dort saß ich im Hotel neben dem Billardtisch und dem Eingang zur Lobby. An einem Nachbartisch saßen ein Vater mit seinem Sohn und ein Paar. Die Erwachsenen unterhielten sich auf Englisch über die Zustände des Lebens und die Wirklichkeit. Währenddessen flirtete ein Kellner mit Herrn Cooper – schnalzte ihm zu, fütterte ihn mit Leckerlis. Dieser Gastraum ist tatsächlich ein wenig unwirklich. Ich hoffe, er wird niemals renoviert. Sie könnten Wesentliches übertünchen.

Der Raum kam mir vor wie ein Labor, in dem die Menschen die Laborratten sind. Wie viele Einflüsse, wie viele Parameter sorgen dafür, wie sich die Anwesenden fühlen? Jeder Einzelne kommt mit seiner ganzen Geschichte und der Geschichte des laufenden Tages herein. Zwischenzeitlich kamen neue Hotelgäste, weil die Fähre angelegt hatte. Die Tür flog auf, die Temperatur änderte sich, es zog, Kinderwagen wurden hereingefahren, Gepäck hineingeschleppt, Tische gerückt, um den Weg frei zu machen.

Und wie viel Einfluss hat die Geschichte dieses Raumes? Die Ölbilder von Segelschiffen, das ausgestopfte Krokodil im Regal hinter dem Tresen, die Inselfotos aus vergangenen Zeiten, all diese memorierenden Requisiten? Der Gastraum des Hotels van der Werff ist einer meiner Lieblingsorte, an die ich gerne zurückkehre. Nun habe ich dort tatsächlich ein Gedicht geschrieben. Das hatte ich vorher schon einige Male probiert. Vielleicht Schreibereitelkeit. Die oben erwähnte Vorstellung von. Da sitzen wie die Romanciers in alter Zeit und so melancholisch wunderbar am Leben leidend. Mit einer Kippe im Mundwinkel und der ausstehenden Miete im Nacken.

Ja, ich habe ein wenig geschauspielert. Mache ich manchmal. Den Alltag in seinen Möglichkeiten dehnen. Eine Freundin nennt mich deshalb tuckitucki und so ganz allmählich habe ich eine Ahnung, was sie meint. Hat Spaß gemacht, dieses Spiel aus Wissenschaft, Parameteränderung, Lyrik, Bier, Hund, Fotos, Bühne voller Requisiten.

Morgen ist dann Schluz. Ab nach Hause. Fähre, Autobahn, Heimat. Zurück in die Normalität, Spielende:)

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Versunken

Liebesgestohlene Zeit
Augenblickrauschen
fingerfühlender Nähe

Umgarnt, umwoben

Im Herzen der Zitadelle
unser Himmelbett
Brokat
samtenes Abendlichtglitzern
daunenweiche Ehrlichkeit
von den Lippen geküsstes Lächeln
you know

Die Stelle
hier

Liegen
ahnen
schweben

Entblößt verschlossene Augen
vergessener Zeit

Die Schulter blutet
ins feingewebte Leinen

Memory der Orte

Heimat ist
wo deine Seele
schlafend liegt

Der Morgen
schickt uns
weg

märz 2013

Romeo und Julia war doch auch irgendwie Scheiße

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O-Ton. Sitze hier am Tisch und bearbeite meine Sonnenuntergang-Kitsch-Fototapeten-Motive, da kommt der Spruch über den Tisch geflogen. Sitzt. Direkt im Zentralhirn angekommen. Diese Respektlosigkeit, Ehrlichkeit in einem gewissen Alter mag ich sehr. Loslösen von Konventionen. Auflösen von gesellschaftlichem Konsens. Nicht nachbeten von Phrasen.

Es gibt so viele Gemeinplätze, Massenmeinungen, die abgenickt werden. So oft kommt es vor, dass jemand etwas sagt und ich weiß, wie die Anwesenden reagieren und was sie sagen. Erwartungserfüllung. Harmonieerhaltung. Weitertragen. So ist das. So läuft das. Gesellschaft. Definiert. Pragmatisch. Da kommt so ein Satz gut. Erst einmal nicht annehmen, einstimmen. Wider die Konvention. Frische Impulse. I like it.

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Besser leben in der Kommune 2

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Sorry. Zur Zeit kann ich euch nur Schiermonnigkoog bieten. Alle anderen Themen dieser Welt gehen an mir vorbei. Gut so. Keine Lust auf Zypern, Euro, Krise, Weltgedöns. Der Kapitalismus mit seinen Strömen von sonstwas nervt. Kohle von A nach B und in die Taschen von X nervt. War da nicht mal was von sozialer Marktwirtschaft? Nutzung der Kräfte. Teamwork. Wenn’s ums Geld geht, hört die Freundschaft auf. Europa. Freunde. Ah ja.

Die Niederländer hier haben uns sehr nett aufgenommen, auch wenn es eine Win-Win-Situation ist, in der Wohlfühlen in harter Währung bezahlt wird. Aber, muss ich sagen, nicht ganz. Gestern ging eine Scheibe zu Bruch. Jungs, Fußball, Tor, Klassiker. Und? Hat der Facilitymanager einfach repariert. Keine Versicherung, keine Haftpflicht, keine Kohle, kein Gedöns. „Ach, Jungs. Das muss so.“

Bei uns in der Eifel hieß das früher „klarer Menschenverstand“. Nur was Sinn hat, wird gemacht. All diese Geldausdenkungen haben aber leider oft nur einen egoistischen Sinn, wodurch das Wort Sinn letztlich im wahrsten Sinne des Wortes korrumpiert wird. Es macht keinen Sinn, seine Mitmenschen zu verarschen. Schlichtweg. Es macht keinen Sinn, dass es einigen auf Kosten vieler gut geht. Klappt nicht. Nehmt Familien oder Kindergeburtstage – einige haben viel, andere nicht. Da ist die Party am Ende. Kotz. Macht man nicht. Eine Sache von Anstand, Sitte, Kinderstube. Nur weil Leute eine Krawatte tragen, sind sie eben nicht gut erzogen. Hinter mancher Krawatte verstecken sich immense Mistkerle in Cerutti und Boss.

Ich schreibe das, weil ich es hier gerade anders erlebe. Es heißt, und die Geschichte lügt in diesem Punkt nicht, der Kommunismus sei tot. China. Haken dran. Turbokapitalismus in Parteibuchrot. Nord-Korea? Kuba?
Pariser Kommune? Kommune 1? Ja. Hat alles nicht geklappt. Keine Ahnung, weshalb. Gier. Egoismus. Honeckers Pornosammlung. Idioten. Sollte nicht sein.

Menschen sind einfach nicht ganz einfach und stehen sich letztlich selbst im Weg. Der demokratisch angehauchte Kapitalismus ist die Lösung? Keine Ahnung. Spaß macht das nicht. Da sind noch einige fette Bugs drin.

Nun bin ich hier gerade auf Schiermonnigkoog und darf das temporäre Zusammenleben von 16 Menschen (zwei sind heute nachgereist) erleben. Und ja, es macht Spaß. Weil es auf Basis von Menschlichkeit funktioniert. Macht Sinn. Arbeitsteilung in der Küche, im Haushalt, beim Einkaufen. Alle dabei. Früher in der WG ging das auch. Und: Es macht Spaß. So ganz falsch kann soziales Miteinander nicht sein. Gut, fängt jetzt einer an, sich mehr zu nehmen, würde es schwierig. Weil es dann keinen Spaß mehr macht. Muss man zu viele Regeln machen, also Politik, macht es auch keinen Spaß, weil es dann total unentspannt wird. So what?

Ich denke: Die Lösung ist THE ISLAND IN THE SUN. Nicht in der Karibik, sondern Zuhause. Rausnehmen, Arschlecken. System bye, bye. Einsehen, dass das Ego am allerbesten in Gemeinschaft lebt, weil es keinen Spaß macht, teuersten Rothschild-Wein allein zu kippen. Dann lieber irgendeinen Cotes du Rhone mit Freunden. Oder ein paar Bier. Ego, Dünkel ade. Sich danach sehnen, dass es allen gut geht. Freunden, Familie, Nachbarn. Nicht drüber, sondern auf Augenhöhe. Teilen. St. Martin. Kommune 2.

Nach den Parolen hier noch einige Fotos vom Tag. Viel Spaß euch.

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