Das letzte Schokocroissant seiner Art

Croissant_red

Traurig. Punkt.

Also wirklich. Ich meine, verändert sich denn alles? Bleibt kein Stein auf dem anderen? Dreht sich die Welt so schnell, dass sich viele einfach nicht mehr festhalten können und davonfliegen? Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind tatsächlich rau geworden. Überall zählt jeder Cent und es wird optimiert und flexibilisiert und neu durchdacht und die Kostenschraube weiter gezogen. Würg.

Jetzt hat es unseren Bäcker erwischt. Nach 30 Jahren weg vom Fenster, Übernahme durch einen größeren Bäcker. Backstube dicht. Ende aus Mickey Mouse für Handwerk und Handarbeit. Ja, wir alle hätten mehr kaufen müssen. Hätten stärker zu unserem Bäcker halten müssen. Aber wie das so ist, schaut jeder auf sich selbst und sieht zu, wie er rumkommt. Das hyperventilierende Kostenmanagement hat längst Einzug gehalten in die Familien, in denen Mama und Papa arbeiten, um den Lebensstandard zu halten. Wohlgemerkt, Lebensstandard. Wir sprechen in den allermeisten Fällen nicht von Existenz. Da sind recht hohe Ausgaben für Urlaube und Autos und Neuanschaffungen technischer Spielereien von iPhone bis Wohnzimmer-Mammut-Fernsehen enthalten. Also Jammern und Zetern auf hohem Niveau.

Die Formel lautet: Je höher das Einkommen, desto größer die Ausgaben. Und was bleibt ist das gefühlte NIX. Weil alle mitspielen im Spiel der Statussymbole und der Außendarstellung und des gegönnten Luxues. MAN WILL JA AUCH LEBEN. Bei all der Arbeit. Und dieses LEBEN, das dolce vita, war bei uns in den letzten Jahren am Wochenende, am Samstag eng mit den Schokocroissants aus eben dieser Bäckerei verbunden. Ein Schokocroissant von Hand geformt. Mit Marzipanfüllung und Schokotauchung. Mal sehr groß, mal sehr klein. Zoe hat stets darauf geachtet, das größte zu bekommen. „Papa, können wir tauschen?“ Klar. Ritual. Liebesbeweis.

Nun also. Heute. Ende einer Ära. Was ihr da oben abgelichtet seht, und was jetzt schon nicht mehr existiert (Mampf, mampf), wird es nicht mehr geben. Die Bäckerei trägt ab übermorgen einen neuen Namen und vertickt andere Produkte. Da wird einer dieser klassischen Aufbacköfen stehen, in den die Rohlinge reinkommen und dann los. Masse bringts. Wir schreien danach. Alles andere zu teuer. Billiger. Los, billiger. Zu teuer. Geht es nicht günstiger? Können wir über den Preis noch mal reden? 20% auf alles, bitte? Ah.

Da hast du’s schön, hast dein Schokocroissant und dann das. Aber, als Buddhist sag ich, nicht anhaften, loslassen, OM. Alles ist gut. Alles hat seinen Sinn und Zweck. Das ist eben der Kausalzusammenhang von Ursache und Wirkung. Wir alle gestalten die Welt schon beim Brot- und Brötchenkauf. Nichts hat keine Bedeutung und Auswirkung. Alles hängt zusammen. Nicht genügend Brot gekauft, keine Schokocroissants von Hand gemacht mehr. So einfach ist das. Gibt’s jetzt eben die Maschinendinger. Oder vielleicht sind sie doch per Hand gemacht? Nur in einer größeren Backstube? Ich bin sehr gespannt, wie dieses Kapitel meines, unseres Lebens weitergeht. Nehmen wir es sportlich. Lasst mich ein Fußballzitat von der Außenlinie einwerfen: „Nach dem Schokocroissant ist vor dem Schokocroissant.“ Yep.

Augen und Ohren auf für den #Aufschrei

Mann_Hemd

Wahrscheinlich bin ich Deutschlands letzter Blogger, der sich dem Thema widmet. Dabei ist es eines der ursächlichen Themen dieses Blogs. fifty-fifty. Was so viel heißt wie Hand in Hand, nicht Hand am Po.

Wir haben also eine von Herrn Brüderle initiierte und vom Stern losgetretene Sexismusdebatte. Holla. Wer hätte das gedacht. Ich war der Überzeugung, der Feminismus in Deutschland sei weitestgehend erledigt und der Begriff würde nur noch als Schimpfwort benutzt. Manches hatte mich gewundert. Ich dachte: Sind wir wirklich schon so weit? Ist Gleichberechtigung so zufriedenstellend umgesetzt, dass wir darüber kein Wort mehr verlieren müssen?

Und nun das. Sexismus in Deutschland. Ein Grabscher hier, ein frauenfeindlicher Spruch dort. Da kommt ganz schön was unter dem Teppich her geklettert. Und plötzlich berichten alle Kanäle und alle Zeitungen schreiben und diskutieren und lassen Frauen zu Wort kommen. In Deutschland werden Frauen also recht zahlreich sexuell angegangen. Am Arbeitsplatz, auf offener Straße, überall. Kleine und große Affronts. Der #Aufschrei ist groß.

Ich frage mich: Wo war der Aufschrei in den letzten, sagen wir, 20 Jahren? Während meines Studium, Anfang der Neunziger, hatte ein Germanistik-Prof in einem Seminar zu einer Frau gesagt: „Was wollen Sie eigentlich? Sie sehen aus wie eine Frisöse.“ Ups. Das hätte er lieber nicht gesagt. Da standen die Seminarteilnehmer/innen auf und gingen. Das Seminar war für das Semester beendet. So etwas nennt sich Konsequenz.

Die habe ich dann mit zunehmender Zeit zunehmend vermisst. Was manche Chefs in manchen Meetings zu ihren Assistentinnen gesagt haben, da hätte ich auch aufstehen müssen. Hab ich nicht gemacht. Kunden. Geld. Wir alle haben uns angewöhnt, den ganz alltäglichen Sexismus wieder in unser Leben einziehen zu lassen. Eine sexistische Werbung hier, ein sexistischer Spruch in der Öffentlichkeit dort. Mühelos abgetan als kleine Entgleisung. Kein Aufschrei.

Ich denke, da hat sich dann aber doch was aufgestaut, weil sich scheinbar einige Männer wieder ganz ungeniert dem Unterdrücken des weiblichen Geschlechts durch Worte und Anfassen gewidmet haben. Hört das nie auf? Nicht so lange das keine Folgen hat. Dann scheint das als „akzeptiert“ zu gelten. Ergo: Wir müssen wieder deutlich sensibler werden, uns mehr einmischen, auch hier Zivilcourage zeigen und uns Sexismus beherzter entgegenstellen. Denn wer hat schon Lust, in einer Gesellschaft voller Grabscher und Idioten zu leben.

Wir sind noch lange nicht angekommen und in einigem seit den Achtzigern wieder zurückgefallen. Zu sicher gefühlt, zu sehr gedacht, das ist alles nicht mehr nötig, zu sehr gedacht, es ist doch alles gut. Ist es nicht, sonst wäre ein solcher #Aufschrei nicht nötig. Ist er aber nach wie vor, leider.

Jens will Meer

Nicola

Mehr Meer. Deutlich mehr. Oben seht ihr Nicola aus Levanto, der den ganzen Sommer dort sitzt. An den musste ich eben denken, weil er noch Fotos von mir bekommt. Er sitzt den ganzen Sommer dort auf seinem Stuhl und schaut aufs Meer. Und ich schaue auf ihn, weil er so ruhig aufs Meer schaut. Dann denke ich immer: Das möchte ich auch können. Eine solche Ruhe möchte ich auch haben.

Zwischendurch geht er in die Bar, die Piper Bar und trinkt einen Espresso. An der Bar heißt das Cafe, mehr muss man nicht sagen. Und er sowieso nicht, weil jeder weiß, was er will, wenn er früh kommt. Mittags holt er sich dann ein Sandwich, das in Italien natürlich anders heißt, und kehrt an seinen Platz zurück. Hinsetzen. Gucken. Ein Kanu verleihen.

Levanto Strand

Oder ein Surfbrett. Aber das in den meisten Fällen an mich. Levanto ist ein Wellenreit-Spot, aber kein Windsurf-Revier. Mich hat das Meer mal ausgespuckt, als ich bei Wellen raus bin. Nach so viel Wind hatte es von draußen gar nicht ausgesehen. Was hatte das für einen Aufruhr am Strand gegeben, weil ich ein wenig schwimmen musste, um nicht genau auf dem Wellenbrecher aus Stein zu landen. Herrje.

Die Fotos, die ich ihm versprochen habe, habe ich gemacht, als er Windsurfen war. Dumm gelaufen. Ich war in der Piper-Bar, schaute aufs Meer und auch sonst so überall hin und dachte: Guter Wind. Geh doch mal ne Runde Windsurfen. Nachmittag, so gegen 16 Uhr. Dann habe ich getrödelt oder noch etwas besorgt und als ich dann so weit war, gings nicht mehr. Ich traute meinen Augen nicht, das hatte ich vorher noch nicht erlebt, Nicola war rausgesurft. Ich hatte nicht gewusst, dass er das kann. Aber wie.

Und ich? Durfte zugucken, weil der Verleiher draußen Spaß hatte. Miste. Verpennt. So hab ich ihn dann später beim Reinsurfen abgelichtet und ihm eben versprochen, die Bilder zuzusenden. Jetzt im Winter ist eine gute Gelegenheit, da machen die viel mehr Spaß. Genüsslich durchklicken, Sonne gucken, sehen, wie sich die Menschen im warmen Meer tummeln. Sonne satt, pralles Leben, beste Laune, wärmedurchtränkte Körper. Alles leicht, alles easy. Wonderful.

So, jetzt muss ich euch allein lassen, noch ein paar Fotos gucken. Das hier unten ist übrigens von der Via del Amore, die Riomaggiore mit Manarola verbindet und aktuell wegen eines Erdrutsches gesperrt ist. Die führt am Meer entlang ist der schönste Spazierweg der Welt überhaupt und macht sehr viel Freude bei Sonnenuntergang. Kitschiger geht’s nicht. Aber so schön. Ciao.

Via del Amore

Wir müssen reden…

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Freunde der Nacht, es kommt der Tag, da werden wir Rechenschaft ablegen müssen. Ob vor einem Himmelstor oder den Priestern und Priesterinnen der Vereinigung Armageddon, ich kann es euch nicht sagen. In jedem Fall wird es besser sein, dann mit einem Rucksack voller guter Eindrücke zu erscheinen und den Controllern etwas von guter Absicht und „ich wollte nur das Beste“ zu erzählen. Weil die natürlich nicht bescheuert sind und wahrscheinlich vorher bei den Akteuren der deutschen Vereinigung für den Psychologischen Test im Rahmen der Wiedererlangung einer Berechtigung-zur-Führung-eines-Fahrzeuges-auf-germanischen-Straßen gearbeitet haben, kann man denen kein X für ’nen U vormachen. Heißt das so? Sagt man das so? Sprichwörter sind mir ein Graus, weil die so Standard sind und immer gleich eingesetzt werden wollen. Sprache von der Stange. Igitt. (Ich meine, ich kann sie mir einfach nicht merken.)

Worum es hier geht? Bitte. Es ist Wochenende. Habt ein wenig Geduld, nur nicht drängeln, es ist genügend für alle da und ansonsten wird geteilt. Halbe-halbe.

Es geht um COZwei. Steigende Temperaturen. Ja. Klar, ne, draußen schweinekalt und der redet hier von… Kenn ich, weiß ich, hab ich oft gehört. Trotzdem wirds wärmer und die Klimakatastrophe ist menschengemacht. Basta. In meiner Familie will mir zwar jemand, der ein Buch gelesen hat, etwas anderes erzählen, aber wir kommen nicht weiter, wenn wir uns noch zehn Jahre nehmen, um zu überlegen, ob wir mal den Arsch hoch kriegen wollen.

Also geht’s jetzt los. Heute. Hier. Jetzt. Energie einsparen. Nein, vergesst es, wir reden jetzt nicht über Politik, Gesellschaft, Strategie, Zukunft. Die anderen. Stopp. Hier. Jetzt. Heute. Wir. Ganz konkrete, machbare, umsetzbare Energiewende. Watteinsparung. Darum geht es. Den Wechsel zu einem echten Ökostromanbieter habe ich euch bereits vorgeschlagen. Gibt es in Deutschland nur vier von. Infos hier, Wechsel jetzt. Das war Punkt 1. Das ganze Ökogerede der anderen Anbieter ist Verarsche mit umdeklariertem Strom. Das ist Atomstrom & Co. mit ’nem Greenlabel-Sticker. Die wollen nur Geld verdienen, alles andere ist denen Piepe.

Nächster Punkt. Haut die Glühbirnen und Halogenbirnen raus. Nun gibt es viele vor allem auch intelektuelle Streiter, die die Glühbirne retten wollen. Aus nostalgischen Gründen und wegen des Wohlbefindens und der Wärme und überhaupt. O.K. Kann man so sehen. Und den Zähler kreisen lassen und die Nachfrage hoch halten und es akzeptieren, wie es ist. Sollen doch die anderen, oder die Politiker oder die Wissenschaftler oder…

So läuft das nicht, Kinder. Das geht nicht. Wir können die Welt nicht retten, wenn wir keine Kompromisse machen und im Alten verharren. Wir müssen uns bewegen. Machen, tun, verändern. Das ist der Job. Move your little ass, baby. Do it.

Wie denn jetzt? Schraubt, steckt einfach neue Birnen rein. Nicht diesen Energiesparmist mit Quecksilber. Die sind out. Gehen die kaputt, muss man sehen, dass man wegkommt. Die sind das, was sie sind: Von Anfang an Sondermüll. War gut gemeint, aber is einfach nix. Schrott. Irrweg. Und was jetzt?

Drei Buchstaben, die sich auf Ade reimen. Glühbirne und Energiesparlampe Ade, stattdessen LED. Die sinds gerade. Statt 60 Watt brauchen die 9 Watt. Also nur rund ein Sechstel. Das ist doch mal eine Einsparung, die sich sogar ziemlich schnell rechnet. Ein Jahr und die Kohle ist drin. Und dazu kommt, dass die Teile lange leben, weil die keinen Glühfaden haben.

Und wie ist das Licht? Ist jetzt O.K. Die neueste LED-Lampen-Generation gibt es auch in warmweiß. Sieht gut aus, kommt gut rüber. Ist machbar, fühlt sich warm, schön, überzeugend an. Ich habe den Test gemacht und bin überzeugt. Also: Den alten Kram raus, investieren, den neuen Kram rein. Ich habe euch eine Infoseite rausgesucht, die ganz gut erklärt, wie der Stand der Dinge und der Technik ist. Lest mal nach, macht euch mal schlau. Fazit: Energiewende ist machbar. Zuhause.

Und da wäre noch etwas. Die Heizungs- bzw. Umwälzpumpe. Würden die Energiefresser in allen deutschen Häusern rausfliegen, wäre schon viel erreicht. Die alten Pumpen laufen und laufen mit 60, 70, 90 Watt. Die neuen sind intelligent und brauchen nur 7 Watt. Auch hier habe ich euch eine Infoseite rausgesucht. Auch hier kann Energiewende mit durchaus vertretbarem Aufwand betrieben werden. Wer will und kann, kann so eine Pumpe sogar selbst günstig online kaufen und einbauen. Pumpenhersteller wie Wilo oder Grundlos sagen einem, welche Pumpe man durch welche ersetzt. Unsere haben wir samt Heizung im letzten Jahr ausgetauscht. Hab halt ein wenig Schiss vor den Armageddon-Controllettis.

So. Das musste mal alles gesagt werden. Schön, dass wir drüber geredet haben. Ist ja wichtig, sich mal offen auszutauschen und gemeinsam die Weltrettung anzugehen. Macht mal, ne. LEDs gibt es übrigens völlig emotionsfrei günstig auf ebay. Vielleicht bestellt ihr mal welche zur Probe. Schaut, wie die passen, ob ihr mit dem Licht klar kommt und dann Austausch auf ganzer Linie und im großen Stil. Ihr müsst nur wissen, welche Fassung ihr braucht und welche Wattzahl. Das seht ihr auf ebay. Wenn jemand ’ne bessere LED-Quelle hat, gerne im Kommentar posten. Haut rein. Ciao, ciao.

Django Unchained – großes Kino mit Tarantino, Waltz, Foxx

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Lange angekündigt, jetzt getan. Ich wollte ein wenig Zeit und Muße haben. Den Kopf frei, kein großes Projekt zwischen den Ohren. Gestern Abend nun habe ich „Django Unchained“ gesehen. Vorher habe ich mir Augen und Ohren zugehalten, um nichts mitzubekommen, was nicht ganz einfach war, weil Tarantino, Waltz und Django hypen. Abflug zu den Sternen – auf dem Sunset-Boulevard. Also habe ich zum Beispiel dieses Interview mit Quentin erst heute Morgen gelesen.

Es ist Kerlskino. Es ist verspielt. Es ist Theater. Christoph Waltz hat deutliche Spuren hinterlassen. Das ist gut und auch ein wenig schlecht. Waltz ist zwar beim Film, aber von Hause und Herzen her Theaterprotagonist. Er macht die Leinwand zur Bühne, das Kino zum Filmtehater. Jedes Wort, jeder Satz ist süffisant ausgekostet, den Mitspielern spöttisch vor die Füße gekullert. Mit so einer Rampensau wird es eng auf dem Zelluloid. Natürlich ist Waltz grandios. Das hat ihm einen Golden Globe eingebracht und einen Oscar wäre das auch wert. Allemal. Frech, eloquent, wach, begeistert ist er. Voll dabei. Absolut auf der Höhe jeder Szene. Nur. Kleines Abzügchen, werden die Szenen dadurch manchmal zu Kammerspielen. 165 Minuten, von denen sich Waltz die ein oder andere reserviert hat. Aber. Trotzdem. Fantastisch gespielt. Ich habe sehr gelacht, oft. „Django Unchained“ ist in dieser seltsamen speziellen Tarantino-Manier gleichzeitig brutal und lustig.

Da wird eine Frau weggepustet mit einem fetten Südstaaten-Colt und das Kino lacht. Er ist eben ein Meister und so hat es sich Quentin auch nicht nehmen lassen, wie Alfred himself mitzuspielen. Und mit einem großen Filmbumms zu verschwinden. Aufgelöst, pulverisiert, weg von der Leinwand.

Es ist ein großes Thema, die Sklaverei. Und Jamie Foxx als schwarzer Rächer und Befreier hat es nicht leicht, weil er nicht albern darf. Er muss seine schwarze Frau befreien, sich an den weißen rächen und schweigsamer Held sein. An der Seite von Waltz. Als Django ist er eine Art gerechter John Wayne. Cowboy. Auf der Stirn steht Gerechtigkeit, Schützer der Witwen und Waisen und Unterdrückten. Sein Blick: finster. Sein Colt: locker. Sein Hut: schwarz. Seine Frau: wunderschön. Passt also.

Von Italo-Western ist die Rede. Charles Bronson, „Spiel mir das Lied vom Tod“. Tod sind am Ende viele. Auch Leonardo DiCaprio, der als skrupelloser Südstaaten-Sklavenhalter namens Candie einen Hang zum Bonbon hat, weshalb der schöne Mann mit schwarzen Zähnen auftreten darf. Arme Frauenwelt. Da ist er so nah, so groß im Bild und dann Karies. Ih. Kerlskino. Die Jungs hatten sicherlich viel Spaß. Besonders auch beim Showdown. Einer gegen alle. „Zwölf Uhr mittags„. Django ist Garry Cooper. Nimmt es mit allen auf, was ihn fast seine Männlichkeit kostet.

Den ganzen Film über dachte ich, gleich kommt die brutale Sklavenhalter-Szene, in der es richtig fies wird. Kam nicht. Blut allerorten, eine Szene auch nicht ganz so schön, aber alles in allem nicht dieser Kunta-Kinte-Roots-Quäl-Mist. Natürlich geht es den Sklaven auch bei Tarantino nicht gut. Im Gegenteil. Aber er setzt nicht auf diese perfide Brutalität, sondern lebt sich lieber in Schießereien aus, in denen es natürlich splattermäßig zugeht. Krawumm, fetz, Körperteile weg. Wie er das hinbekommt, dass das nicht seelisch grausam und Freude verstümmelnd wirkt, weiß der Henker. Man bewahrt die gute Laune und geht durchaus bestens unterhalten aus einem Film, der Sklaverei thematisiert. Oberflächlich? Nein, durchaus nicht. Aber eben auch nicht im Klischee. Ähnlich wie in „Inglourious Basterds“. Da wird das Nazi-Bashing auch relativ frisch und ohne Moralgebärden abgehandelt. Die kriegens einfach auf die Fresse, was dann ja auch mal Spaß macht. Keine Angst mehr vor den bösen Hakenkreuzis oder Schwarzenpeitschern, weil die unterlegen sind. Und es sind eben nicht heranreitende Kavelleristen, die befreien und für Gerechtigkeit sorgen, sondern Schwarze und Juden by themselve. Das finde ich sehr gut. Sehr charmant. Sehr aufgeklärt. Ihr habt da noch eine Rechnung offen? Das Gedemütigtsein steht noch im Raum? Die Angst? Wisst ihr was, haut die einfach mal um, schreibt Geschichte anders, dreht den Blick. Auch hier: Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit, äh Geschichte. Alles kann man auch mit anderen Augen sehen. Durch die Augen von Django und Dr. Schultz (Mr. Waltz) sieht die Welt schon anders aus. Das ist nicht die historische Wahrheit, aber doch ein gutes Gefühl.

Bleibt also das Fazit. Sollt ihr? Sofern ihr es noch nicht getan habt, oder sollt ihr nicht? Ich bin der Meinung, ihr sollt, sofern euch Filmblut nicht schreckt. Lohnt sich auf jeden Fall und gehört cineastisch zu den must-haves.Tarantino ist für mich aktuell der Regisseur. Sein Gesamtwerk ist heute schon unsterblich. Für mich ist es wunderbar, das Entstehen zu verfolgen. Ich bin jetzt schon gespannt, wie es weitergeht. Was kommen wird. Dabei hoffe ich, dass ihn Hollywood nicht komplett erfassen und verändern wird und er seine Unabhängigkeit als Filmer behält. Wir werden sehen.

Zum Foto oben: Da ich kein Django-Material verwenden kann, habe ich heute Morgen Ketten fotografiert. Also Lichter, die man als Ketten sehen könnte. Imaginäre. Jetzt erklär ich das, wo ihr das doch sehen sollt. Das sind die Lichter unseres Dorfes oben von der Höhe. Und dann die Kamera im Kreis geschwenkt. Zack.