Ich liebe die Songs von doc Axel f.

Der Sturm, die Stürme, ließen nach. Mit dem Commander habe ich mich endlich wieder ins Abenteuer gestürzt. Auf die Mountainbikes und durch die geschüttelten Wälder, die umgestürzten Bäume auf dem Weg.

In einem Nebensatz sagte er, dass Michaela und Jens 10-jähriges haben. 10 Jahre ist das nun her. An einem Montag im März. „Jens, ich muss mit dir reden.“

Jens kam mit dem Rad und gab mir den Umschlag von doc axel f. Er hatte mir seine neue CD gesendet, an die Adresse von Michaela. Man bleibt verbunden, es löst sich niemals.

Singer, Songwriter, der Mann, der mir meine neuen Zähne gab. Beim Skateboarden mit Achtzehn zerstört, eine Motorrad hatte mich erwischt, durch die Luft muss ich geflogen sein. Als ich auf der Intensiv aufwachte, waren meine wieder eingesetzten Zähne verdrahtet. Geschichten fangen nicht plötzlich an, sie haben Vorgeschichten.

Ich habe über ihn geschrieben, über doc axel f., im September 2010. Ein Text, der zu meinen Favourites hier im Blog gehört. Wenn ihr den Text lest, seid ihr gebrieft. Fucking Gitarrenladen.

Nun also die CD in meinen Händen. Sie heißt Pflasterstrand.

Seit gestern läuft die Platte hier rauf und runter. 12 Songs.

Erst einmal der Sound. Yes. Vom Feinsten. Klingt die Scheibe, da haben Leute an Reglern gedreht und in die Tasten und Saiten gehauen, die wissen, was sie tun. Drabenderhöhe. artfarmstudio. Das ist hier auf dem Land, aber nicht irgendein Studio. Axel hat was von Dave Grohl erzählt, wenn ich mich recht erinnere. Und da ist was mit Fury in the Slaughterhouse, weil einer der Wingenfelder-Brüder hier wohnt. Sorry, keine Ahnung. Egal.

Auf jeden Fall ist der Sound fett. Die Gitarren klingen fein, die Instrumente setzen goldrichtig ein. Das Akkordeon, französisch, Chanson.

Wie auch immer.

Was mich berührt, ist Axel. Die Stimme, die Texte.

Einer, der über das Leben und die Liebe singt. Sein erster Song – Leben ist Liebe. Seine Stimme ist Liebe, seine Texte sind Liebe.

Ich höre die Songs. Lese parallel im Booklet und freue mich. Schöne Zeilen, schöne Botschaften.

Alles unangestrengt, mit einer feinen entspannten Art. Klingt so, als sei jemand angekommen. Einer, der macht, was er liebt.

Was ich daran liebe?

Die Zartheit, das wirklich Gefühlte dessen, was er schreibt und singt.

Manchmal klingt er wie Dylan, dann wie BAP, dann wie er selbst.

Pflasterstrand ist ein Album, das aus einem Leben kommt, das nicht erfunden ist, sondern für etwas steht. Für etwas, das ich mag, das mich berührt.

Danke, Axel, für dein Vertrauen. Für deine Musik, deine Gefühle. Das ist ein besonderes Album.

doc axel f. findet ihr auf Facebook oder hier.

Wie Leben eben so läuft

Manchmal glaube ich, ich bin das einzige Einhorn auf dieser Welt. Dann bin ich so weit entfernt von allen Realitäten. Es ist. Nun. Es ist.

Ich möchte es hier in meinem Tagebuch festhalten, nachtragen.

Es war vor rund 6 Jahren, als wir die Alte Schule in Nosbach verkauft haben. Ich dachte, es würde ein Jahr oder länger dauern, jemanden zu finden. Wir haben sie im März offeriert, im Mai war sie weg, im August musste ich ausziehen, ohne zu wissen, wohin.

Ich war lost.

Ehrlich? Abgrundtief verzweifelt und einsam. Da waren Optionen und Möglichkeiten, die waren so weit weg. Mein Innerstes hat geschrien.

Zur Arbeit bin ich gegangen, am Schreibtisch habe ich gesessen. Geliefert. Indianer weinen nicht.

Ein Leben der Normalität, den Kindern gegenüber, allen.

Innerlich bin ich gestorben.

Wie sollte ich zwischen Mai und August mal eben eine neue Bleibe finden? Wo sollte ich hin?

Dann kam das Steigerhaus wie ein Geschenk Gottes. Als wäre ich erwählt und würde irgendwer eine Hand über mein Schicksal legen.

Ich bin dann eingezogen, Max mit mir. Pella ist zu ihrer Mutter gezogen, zwischendurch ist sie mit ihrem Freund eingezogen. Ich hatte Platz, Raum. Die Kids haben rauschende Partys gefeiert.

Dann ist Viveka eingezogen.

Lange habe ich um die Alte Schule getrauert, um das Familienleben dort mit Hund. Bullerbü. Niemals hätte ich gehen wollen. Lost Paradise.

Nun liebe ich das Steigerhaus. Pella und Max leben ihr Leben in Köln, sie sind nah. Das ist so schön. Und Viveka und ich leben unser Leben hier. Leider ohne den Herrn Cooper.

Mein ganzes Leben ist immer schon viel zu intensiv. Ich weiß nicht, was ich mache. Weshalb das so ist. Immer wollte ich eine Heimat haben, und dann, nächste Gelegenheit. Scheiß drauf. Weg.

Wenn mich einer fragt, wo ich herkomme, dann sage ich: Geboren in Meppen an der Ems, dann nach Recke und Kaisersesch, in Cochem zur Schule gegangen, in Montabaur im Internat gewesen, in Koblenz bei der Bundeswehr, dann nach Aachen zum Studium, anschließend ans Nationaltheater Mannheim, zurück ins Rheinland nach Köln, erst Mülheim, dann Ehrenfeld, dann in den Reichshof nach Nosbach in die Alte Schule und dann nach Wiehl Mühlhausen ins Steigerhaus. Meine nächste Adresse möge ein Haus in Italien am Meer sein.

Was ich will? Das Schöne. Das Gute. Das Sinnhafte. Sinn soll es machen, der richtige Ort soll es sein. Das möchte ich erreichen. Das ist das, was auf der Agenda steht. Das ist meine Sehnsucht.

Bis dahin genieße ich mein pralles Leben hier. Hier. Ich liebe es, aber es nicht das Ende…

Berlin.

Alles so lange her, fast vergessen. War so viel los im Leben. Immer. Als wir uns damals getrennt haben, hatte ich eine Therapiesitzung, um nicht in Richtung Erdmittelpunkt zu fliegen. Ich sollte mich beschreiben. Oder so. Da nannte ich mich einen Highlightjunkie. Einen, der Dinge braucht, die man nicht kaufen kann.

So ist das.

So war das mit Berlin. Klassenfahrt, Abifahrt in den 80ern. Nach Ost-Berlin rüber, im Rathauskeller essen und trinken wie die Fürsten. Die 20 Ostmark wurde man nicht los. Nachts die Nutten am Nollendorfplatz. Einer von uns wollte eine der Mädels retten. Abend für Abend. Sie wollte, dass er mitkommt. Und wir haben zugeschaut, weil es unsere dörfliche Welt Zuhause gesprengt hat. PENG!

Später kam ich als Kolja wieder. Deutsches Theatertreffen, wir als Nationaltheater Mannheim. Eigentlich war ich Hans-Ulrich Beckers Regieassistent in Jerofejews Walpurgisnacht oder die Schritte des Komturs. Aber dann fiel Kolja aus und ich übernahm. Wir schliefen in einem sündhaft teuren Hotel, 480 DM die Nacht. Vom Theater bezahlt. Wir waren 27 oder so, Kinder. Ich sah George Tabori im Spiegelzelt vorm Deutschen Theater und merkte mir den Satz: „Die Kraft liegt in der Wiederholung, die Kraft liegt in der Wiederholung, die Kraft liegt in der Wiederholung“. Und seine Anmerkung: „Zentrum eines jeden Witzes ist eine Katastrophe“. Ich war jeden Abend im Theater, im Publikum oder auf der Bühne. Einen Abend bin ich mit Hendrik Arnst in der Kantine der Volksbühne gelandet und plötzlich auch auf der Bühne, im Dunkeln. Auf Carstorfs Spielfläche.

Berlin war immer anders, spannend.

Ich war dort zum Arbeiten. Als Texter. Habe am Potsdamer Platz im Sony-Center unten im Museum eine Schreibwerkstatt für Sony-Mitarbeiter*innen gegeben. Bin eingeladen worden zum Sony-Quartalstreffen mit späterem Abtanzen im Club. Das war die Zeit, als Jeffry van Ede einen neuen Wind in Sony Deutschland brachte und ich durfte mit Text supporten. Im Club kam Jeffry zu mir und hat sich bedankt. Er war für mein Leben ein Quantensprung. Er hat mir gezeigt: Veränderung ist möglich. Sogar in Deutschland.

Später habe ich Freunde besucht in Berlin, einen Schulfreund, einen Theaterfreund aus meiner Zeit als Hospitant am Stadttheater Heidelberg. Wohnen am Prenzlauer Berg, als der noch dieser Prenzlauer Berg war.

Mit der Familie war ich da, mit den Fußballjungs. Draußen am Olympiastadion haben wir gewohnt in einem Sportlerheim. Mit Patti wollte ich am Kuhdamm tanzen gehen und wir wurden zum Kuhstall geschickt, vor dem eine elend lange Warteschlange stand. Die Zeit hatten wir nicht. Vorne fuhren Limousinen vor, aus denen VIPs ausstiegen und durchgewinkt wurden. Wir haben uns in einen VIP-Pulk geschlichen, ich habe meinen Arm durch andere Arme geschoben, bekam ein Armband und bin rein… Patti hat es nicht geschafft. Das war. Nun. Wir beide dort. Kaum auszudenken.

Das Bändchen gewährte mir nicht nur Einlass, sondern auch Zutritt zum VIP-Bereich, in dem ich Champagner trank und von der Theke Champagner an leicht bekleidete Frauen weiterreichte. Später stellte sich raus, ich war mitten in der Geburtstagsfeier von PLAYBOY-Deutschland gelandet. Berlin. Wenn so ein naiver Dorfjunge einfach nur tanzen möchte.

Die nächste Nacht sind wir vom Bundespressestand mit einigen Mädels eines Jungesellinnenabschieds im Großraumtaxi tanzend durch Berlin geheizt. Ums sie zu ihren Jungs zu bringen, was wir natürlich nicht wussten. Im Morgengrauen mit dem Taxi zurück ins Sportlerheim. Noch einmal Bier an der Tanke und die Frage, ob nicht irgendwer aus der Taxizentrale mit uns grillen möchte… Das war schräg. Und als wir dann im Morgengrauen kurz vorm Olympiastadion sind, ist die Straße voller Wildschweine…

Irgendwann bin ich hingeflogen, weil ich für das Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Wissenschaftler im PIK in Potsdam interviewen musste. Es ging um das Projekt GLOWA, die Erforschung des globalen Wasserhaushaltes. Da war schon klar, dass sich das Klima ändert und damit auch die Wassersituation auf dem Planeten. In Potsdam ging es um die Elbe. Mir wurden die computergestützten Szenarien gezeigt. Heute kann ich sagen: Ist tatsächlich so gekommen. Die Broschüre, die ich damals getextet habe, ist noch online: https://www.wusgermany.de/sites/wusgermany.de/files/content/files/brosch_glowa_final.pdf

Dann war ich noch einmal da zur Loveparade. Die letzte? Weiß ich nicht. Den ganzen Tag bis in die Nacht getanzt. Vorm Brandenburger Tor, dass in Telekom-Magenta getaucht war. Und dann noch einmal ein Glen Hansard-Konzert. Und einen Tag mit Pella im Pergamon-Museum, um ihr die Antike zu zeigen. Den Pergamon-Altar, den ich aus Peter Weiss Ästhetik des Widerstands kannte.

Und jetzt wieder.

Ruhiger.

Mal sehen. Frau Beckmann und Herr Schönlau. Ich bin gespannt…

P.S. – über Berlin habe ich schon öfter geschrieben:

Freiheit, wie ich sie liebe

Freiheit, Liebe und ich in einem Satz.

Yep:) So und nicht anders. Weil es meine Liebe ist und meine Freiheit.

Ein Sonntag im Februar. Im Bett, schön warm. Draußen regnet es und die Fische frieren im Gartenteich, der Tropfen um Tropfen heimgesucht wird vom andauernden Antlantikwetter. Den Regen hätten die Fichten der Region gebraucht, die nun alle Nadeln abgeworfen haben.

Es sind sehr speziell merkwürdige Zeiten, in denen wir leben und ich verstehe die Welt immer weniger. Was geht da vor? Was machen wir? Weshalb ist es so, wie es ist?

Ich gestehe, ich fliehe den Zeiten ins kuschelige Bett oder nehme das Auto und reite los. Alles ist besser, als dem Geschrei der Zeit zuzuhören. Das schmerzt, zuzusehen, zuzuhören, wie sich Menschen mit Worten gegenseitig in Stücke zu reißen suchen. Gute Menschen, ansonsten nette Menschen. Zu ihren Liebsten liebevolle Menschen. Worte kann man nicht zurücknehmen, sagt Viveka.

Im Himmel der Menschen werden gerade Entschuldigungsformulare en masse für die Zeit danach gedruckt. „Sorry, habe ich damals so empfunden. War ein wenig hart. Sehe ich heute anders.“ Vielleicht.

Not my cup of coffee.

Fahre weg, schaue mir den Sonnenuntergang in Bonn an, schwebe durch Wuppertal, genieße den etwas zu lange ausgehaltenen Blick der Kellnerin im Restaurant, flüsstere Viveka zu – sie hat mit mir geflirtet. Ich kann das gar nicht. Danke. Hat mich berührt.

Spiele nachts auf dem Spielplatz in Calais während die Fähren die EU verlassen. Volle Fahrt voraus in die Dunkelheit. Lauf die Cote d’opal entlang, sitze in einem Restaurant in Wissent mit Blick auf das Meer. Ich bin frei, ich habe Raum für die Liebe meines Herzens. Es ist mir nicht möglich, Liebe und Geschrei zu trennen. Das kann ich nicht differenzieren, andere können das scheinbar. Mir ist das nicht gegeben. Das halte ich nur eine Zeit lang aus. Als Widder Aszendent Widder habe ich alle Kraft und Energie im Augenblick und kann Steine zum Explodieren bringen. Aber dann bin ich eine zarte Seele auf der Flucht.

Worte.

Sind mein Elixier. Weder will ich sie, noch kann ich sie relativieren. Gesagt ist gesagt ist geschrieben.

Sprache ist Gewalt, oder eben nicht.

Ausdruck dessen, was wir denken, fühlen, sind. Menschen können sprechen, schreiben, ihnen ist die ganze Kraft des Wortes gegeben. Du kannst sagen „Ich liebe dich“ oder „Ich hasse dich“. Hassen ist ein schweres Wort. Dass ich es hier schreibe, ist. Nun. Ein Kompromiss. In meinem Umfeld interveniere ich regelmässig und bitte darum, es nicht zu nutzen. Nur, wenn es angemessen ist. Gesagt trägt man es in die eigene Welt. Ich glaube nicht, dass Worte wie Seifenblasen zerplatzen. Sie bleiben als Duft im Raum.

Im Hintergrund läuft Musik. Erst Portishead Roads, jetzt Slow Blues.

Über Silvester waren wir in Budapest. Haben uns eingemietet in eine Wohnung gegenüber der alten Markthalle, nicht weit von der Donau und dem Gellert-Bad. Bald sind wir in Fecamp, dann in Paris, Levanto und über Weihnachten auf Teneriffa. So Gott will.

Schutzräume, kleine und große Fluchten. Vertrieben aus dem Paradies, das Paradies verlegt, in den Koffer gepackt. Sind dann mal weg.

Der Frühling, der Sommer, der Garten. Der Garten. Die Glühwürmchen, die Hängematten, die Feuerschale.

Wird Zeit. Wahrlich.

Worte schaffen Welten.

In welcher Welt wollen wir zusammen leben?