Surreale Momente mit La Gare de Perpignan von Salvador Dalí

05_red

Sinnlicher Overload. Knarrzknurrzzz im Zentralhirn. Alles echt? Alles surrealistisch?

Ihr wisst, am Ende ist dieser Blogger hier exakt genommen ein einfacher Junge vom Lande. Gerade dann, wenn die große weite Welt ruft. Nun sitze ich hier auf meinem Bett, traktiere dieses süße kleine Notebook mit hämmernden Fingern, höre schöne Musik von Viveka, denke an sie in einem von Bildern unterlegtem Dauermodus und sortiere meine sinnesbeflügelten Gedanken.

Ausgangspunkt ist ein Flug. Air Berlin gestern. München stand auf dem Programm. Ein Termin. Ich war einer von den Millionen, die morgens in ein Flugzeug steigen, um zu einem Meeting, einem Job, einem Termin zu fliegen. Business. Absichten, Ziele, Organisation, Wünsche, Hoffnungen, Arbeit. Zyklus des Geldes, der Wirtschaft, des Überlebens. Der Puls. Die Luftlinien und Flugrouten als Versorgungsadern von Gesellschaften, Nationen, Zusammenschlüssen. Flügel über allem, Auftrieb, Dynamik, Geschwindigkeiten, Prozesse des Werdens und Vergehens. Genug.

Konkret. Air Berlin ab Köln. Rein in den Luftvogel und mal wieder supergeil beschleunigt. Der Start ist es. Schneller als ein Porsche Turbo. Düsenantrieb für alle. PS? Au Mann. Das kracht, zittert, reißt. Und dann hoch. Fliegen. S-Bahn. Bus. Konferenzraum. Präsentation. Zeit. Ein geplatztes weiteres Treffen.

Dann. Dieses Déjà-vu. Eine U-Bahn-Station. Die Farben. Die Perspektive. Die Lichtrichtung. In Köln hängt Dalís La Gare de Perpignan von Salvador Dalí. Ich mag dieses Bild sehr und schaue es mir an, wenn ich im Museum Ludwig bin. Ich habe es oft fotografiert, darf es hier aber nicht zeigen. Schade. Verboten. Urheberrecht. Deutschland ist dieses immer-mehr-wird-verboten-und-kontrolliert-Land. Klare Richtlinien. Aufmerksames Annehmen der verabschiedeten Regelungen. Vorbildlich. Am Wochenende habe ich auf einem Flohmarkt ein Häuschen fotografiert. Sofort: “Dürfen Sie das?” Darf ich atmen? Darf ich etwas sagen? Darf ich auf die Toilette? Darf ich? Das Foto oben, das darf ich, weil ich kein Stativ verwendet habe und es nicht kommerziell nutze. Ich habe nachgesehen bei den Verkehrsbetrieben. Mit Stativ hätte ich nicht. Meine Güte. Als würde ich Seelen verbrennen. Genug.

Perpignan. Hier der Link zum Bild, damit ihr euch ein Bild machen könnt. Mir gefällt das Licht, mir gefällt der Aufbau, mir gefällt die Dynamik. Und die Farben, der fliegende Künstler ist für mich das Highlight. Die Symbolik, der Zug. Es saugt das Bild, es zieht. Steht man davor, es ist riesig, beginnt es zu leben. Es kommt etwas, es geht etwas. Ich bin kein Kunsthistoriker, ich kann es nur sagen, wie ich es empfinde. Es hat etwas mit Jesus zu tun und dem Tod und dem Übergang. Bahnhof.

Ein U-Bahnhof in München. Das Licht, die Farben, die Linien. Und bald schon kommt ein Waggon. La Gare de… Im Zentrum das Leben, die Menschen, viele verschleierte Frauen. München ist voller verschleierter Frauen. Seit dem all die Dinge unter dem Kürzel IS geschehen, bröckelt meine liberale Einstellung. Da rücken Dinge, gefärbt von den schwarzen Flaggen, in die Grauzone. Kreuzzug 14. Der Halbmond als Sichel. Schattenseiten der Toleranz. In der Folge werden die Waffen ausgegeben. Taucht in einem Roman am Anfang eine Pistole auf…

Surreal, diese Welt. Die Verbindungen globalisiert schleichend. Subversive Bewegung. Und dann, das Auge Gottes am Himmel (wie war das mit den Übertreibungen? :)

04_red

Wir sind in die Innenstadt gefahren, als der Anruf kam, dass der Folgetermin ausfällt. Es hätte sich schon lohnen sollen. Ein Flug, zwei Treffen. Nun, es läuft nicht immer so. Warten auf den Abflug. Zwischenzeiten.

Zum Marienplatz, Viktualienmarkt. Fußgängerzonen sternförmig in alle Richtungen. Mehr Menschen als in unserer ganzen Gemeinde leben. Fluchttendenzen. In einem Schaufenster der Sound der Stadt. Muezzin Megaphone. Kafka. Lange Wege, Flure, Enge, Beklemmungen. Man könnte verrückt werden und glauben, es gäbe Soundbotschaften. Als müsse man nur hinhören, um den Sinn des Lebens zu erfassen. Als müsste man nur in diesem einen richtigen Augenblick dort stehen, um die Nachricht zu hören. Den Kopf neigen, das Ohr an die Scheibe, die Sinne konzentrieren, den Gehörgang freiräumen, entrümpeln, lauschen.

03_red

Und das war lange nicht alles. Es folgte der Ort der Beichte, um heute in dieser aufgeputschten Sakralsprache zu bleiben. Ein Bündel glänzender Mikrophone. Gereicht von der Hand einer Göttin aus dem OFF. Sprich jetzt! Sag, was du immer schon sagen wolltest. Befrei dich, lass es raus, erleichtere dich.

02_red

O.K. Landung. Zurück in der Realität. Ciao, Dalí. Am Ostbahnhof der Asiate von rechts nach links. Ein Bettler mit Tüten. Klein gebückt, silbernes Haar. Joggingschuhe an den Füßen. Asics Tiger. In XXL. Größe 47? Viel zu groß, fest an die Füße geschnürrt, irgendwo gefunden, geht schon. Passt ist eh nur eine Gewohnheit. Er hat mir gefallen, der kleine gebückte Mann mit aufrechtem Ziel.

Wir sind abgeflogen. Ich habe in der Men’s Health über das göttliche Hormon Testosteron gelesen, das Sixpack von Christano Ronaldo bewundert, ein Bier getrunken, Chips gefuttert und versucht, die Eindrücke Revue passieren zu lassen. Kommt man vom Land, sind die Sinne offen wie Scheunentore. Man nimmt die Rush hour als Grundrauschen einer irritierenden Zeit.

Dalí malte La Gare de Perpignan 1965. Da bin ich geboren worden an einem sonnigen Ostersonntag. Auferstehung. Das war eine andere, eine ferne Zeit.

White smoke on the water…

Boje_red

… a fire in the sky.

Er ist 76, also etwas jünger als mein Vater. Der wäre am 26. März 79 geworden. Papa und der neue Papst. Ein Argentinier, der sich Franziskus nennt, ein Herz für die Armen hat (heißt es) und sich in Argentinien gegen die Homo-Ehe gestellt hat (las ich).

Gestern Morgen war ich am See entlang gefahren. Die Sonne stieg auf, das Thermometer raunte mir Minus-11-Grad ins Ohr. Ups. Das sind immerhin 28 Grad Unterschied zu den kürzlich gemessenen 17 Grad. Das ist für mich und meinen Körper eine echte Klimakatastrophe. Egal. Am Abend vorher hatte ich gelesen, dass sich die Kardinäle in Rom eingeschlossen haben in die Sixtinische Kapelle. Großes Aufsehen, der Petersplatz voller gläubiger Menschen, die Schweizer Garde im Einsatz. Hoffen. Bangen. Wünschen. Ein wenig auch eine WM. Wer wird Papst? Nach Deutschland. Endlich ein afrikanisches Land?

Merkwürdigerweise hat mich diese Papstwahl innerlich ergriffen als hätte ich was damit zu tun. Keine Ahnung weshalb. Gestern Morgen hatte ich am See angehalten, hatte den Morgen bewundert, den über dem See in der Kälte aufsteigenden Dampf. Weißer Rauch. Smoke on the Water. Headbanging im katholischen Jugendzentrum. Rumknutschen und so. Damals. Erinnerung. Es ist doch irgendwie alles miteinander verbunden, zumindest manchmal.

Abends beim Yoga lag ich am Ende der Stunde auf meiner Matte in der glücksbringenden Entspannungsphase und driftete mal wieder weg in das Land der unbegrenzten Freiheit, das keine Sternenbannerfahne hat. Wutsch. Ciao. Schönen Tach noch. Als ich zurückkam durch den Channel gleißenden Lichts (lasst mich mal ein wenig übertreiben:) ), dachte ich an die Konklave. An den Nebel vom Morgen und den schwarzen Rauch, der schon mehrfach aufgestiegen war. Warum? Keine Ahnung. Hatte ich im Kopf.

Später warf ich den Rechner an, Mails checken, facebook, Blog, Spiegel Online. Da war er. Franziskus der Auserwählte. Ein sechsundsiebzigjähriger Argentinier auf dem jetzt alle Hoffnung liegt. Ich meine, wenn sie einen so alten Mann wählen, der wohl auch schon gewisse Gebrechen vorzuweisen hat (weshalb sein Vorgänger Tschüss und Auf Wiedersehen gesagt hat), dann muss der doch was haben. Eigentlich spricht doch schon das Alter gegen ihn. Mit welcher Amts-Zeitspanne wird gerechnet? Das geht wohl eher in die Richtung einer mittelfristigen Beschäftigung. Wir werden sehen.

Persönlich wage ich zu hoffen. Möge Franzikus die Kraft haben, die Kirche nach vorne zu bringen. Möge er ein großes Herz für die Menschen haben, möge er für sie leuchten, ein Vorbild sein und die Kraft haben, die katholische Kirche ins Rollen, in die positive Bewegung des menschlichen, sozialen Fortschritts zu bringen. Meinen Segen hat er, wenn ich das mal respektlos sagen darf, weil mir zumindest seine Namenwahl gefällt. Wir werden sehen. Möge der Himmel leuchten über uns.

see_red

Eine Frage des Überlebens…

Maulwurf_red

Es geschehen Zeichen und Wunder, hat mein Vater früher immer gesagt. Das ist wohl ein Bibelzitat, wie ich annehme. Und wieder einmal zitiere ich Coelho, der von den Zeichen spricht, die es zu erkennen und zu deuten gilt auf dem Weg.

Und was lag jetzt bei mir auf dem Weg? Ein toter Maulwurf. Da lag er, schön, schneebedeckt, mit roter Nase und vollkommen tot. Nun kann ich nicht sagen, dass ich sonderlich morbid bin oder einen Faible für das Tote a la Harald & Maude habe. Nein. Der Tod beschäftigt mich nicht sonderlich und ich habe auch relativ wenig Angst und Respekt vor ihm. Wenn es sein soll, O.K. Ich hoffe, der Maulwurf hat ähnlich gedacht und ist jetzt dort, wo Milch und Honig fließen und vielleicht kann er dort sehen. Vielleicht wird er als ein Wesen wiedergeboren, dass er lieber ist. Sein wird. In sieben Wochen. Ich drücke ihm die Daumen.

Worum geht es jetzt also hier? Nennen wir es einmal Vergänglichkeit. Eine Sache, die uns Menschen nicht sonderlich leicht fällt. Die man eher gerne auf die lange Bank schiebt, bis es sich nicht mehr ignorieren lässt. Irgendwann wird es eng. Enger und enger. Falten, Alterung, Ausfälle, Krankheiten, Gejammer.

Nun ist das keine aristotelische Weisheit. Bewahre. Wissen wir alle, weil wir das selbst von Tag zu Tag erleben. In meinem geliebten Buddhismus ist aber nun gerade diese Vergänglichkeit ein zentrales Moment. Die Logik ist in etwa folgende: Wir leben unser irdisches Leben als wiedergeborene Wesen. Der eine ist Maulwurf, der andere Erdmännchen und manche sind Menschen. Wobei die Tendenz, Mensch zu werden, zunehmend ausgeprägt ist. Man könnte von einem Trend sprechen. Sieben Milliarden.

Als wiedergegorene Wesen haben wir Karma angesammelt. Gutes, schlechtes. Wer einer alten Frau sicher über die Straße hilft und dadurch seinen Bus verpasst, der bekommt Karmapunkte. Sagen wir mal genau 100 Pluspunkte. Bingo. Wer aber auf dem Weg zum Bus die alte Frau anrempelt, so dass sie stürzt und sich womöglich verletzt, und dann nicht stehenbleibt, um ihr zu helfen und sich zu entschuldigen, der macht Miese. Minus 500. Sagen wir mal.

Nun gibt es den Spruch: Man sieht sich im Leben immer zwei Mal. Das bedeutet übersetzt: Nichts wird vergessen. Allerdings sehe ich das nicht so wie die Flensburger Verkehrssünder-Datei. Da gibt es keine Institution über allem, die Karmapunkte verwaltet, ausschüttet, verzinst. Keine Sünde, die Auge um Auge, Zahn um Zahn vergolten, gerächt wird. Das wäre so in etwa der Gottgedanke der Weltenlenkung fernab des Ichs. Nach meinem Verständnis geht es dem, der hilft, einfach besser, weil er sich mit sich wohler fühlen kann. Er hat von der Frau ein Lächeln, einen Dank und einen Händedruck bekommen. Er nimmt den nächsten Bus, sitzt am Fenster, schaut raus und ist mit sich und der Welt im Reinen. Ein guter Tag. Macht er das öfter, hat er viele gute Tage, die ihm sagen: Das Leben ist schön. Wir alle sitzen in einem Boot, halten zusammen, reiten die Welle und führen miteinander ein gutes Leben. Der Mann speichert für sich positive Information, baut gutes Karma auf.

Number 2. Der Rempler. Schafft es, den Bus zu bekommen. Springt rein, zeigt seine Monatskarte, knallt sich irgendwo genervt hin und hadert mit dem Leben. “Selbst Schuld, die blöde Kuh, weshalb läuft sie mir auch in den Weg. Die ist doch Rentnerin, was macht die um die Uhrzeit auf der Straße? Die arbeitende Bevölkerung von ihrem Job abhalten. Selbst schuld…” Und so geht es den ganzen Tag. Er erzählt es Kollegen/innen, um sein blödes Gefühl los zu werden. Er sieht eine Verschwörung. Die ganze Welt stellt sich gegen ihn, nimmt den Kampf mit ihm auf, versucht ihn aufzuhalten, ihm ein Bein zu stellen. Solche Szenen häufen sich, die Mitmenschen werden immer feindlicher. “Nur Arschlöcher und Idioten.” Und fertig ist das selbstgemachte Unglück, weil die Trennung von den anderen da ist, was keinen Spaß macht. Die 500 Negativ-Karmapunkte sind also ein Individual-Baustein des eigenen Unglücks.

Und was hat das mit Vergänglichkeit zu tun? Nun, wir haben nur eine gewisse Zeit auf diesem Planeten. Irgendwann geht es uns wie diesem netten Maulwurf von nebenan. Game over. Dann sollten wir unser Karma so weit im Griff haben, dass wir gutgelaunt wiedergeboren werden. Denn Karma zieht sich durch. Anlagen nimmt man mit. Und so bewegt man sich Stück für Stück in die eine oder andere Richtung. In einem Leben, in vielen Leben. Und: Ganz egal, ob man an Karma und Wiedergeburt oder sonstwas glaubt, nett sein hilft immer, besser durchzukommen. Das heißt natürlich: Nicht zu Idioten, die Nettigkeit ausnutzen wollen. Also kein Idiotenmitgefühl, denn das bringt einen selbst und auch den Idioten nicht weiter. Ergo: Carpe diem. Was draus machen aus dem, was uns in unserer persönlichen worldshow an Möglichkeiten geboten wird. Xavier Naidoo singt von einem Weg, der nicht einfach ist. Glaubenssatz, Karmaeinschränkung. Es hilft schon ungemein, den Weg als einfach zu definieren und die Steine darauf als Glücksbringer oder Lutschbonbons oder Zauberkugeln oder Freunde auf dem Weg. Das lässt lächeln und beschwingt weiterziehen…

Straße_Winter_Spiegel_red

Ich nehme euch alle mit in die sixtinische Kapelle und zeige euch den Himmel als Triptychon

heaven. one. 2013
heaven. one. 2013

Leute, Leute, was sind das für Zeiten, in denen ein Papst zurücktritt. 700 Jahre lang haben alle Päpste fleißig bis zum Schluss durchgehalten, haben gemacht, getan, gewirkt. Sicherlich, Johannes Paul gebeugt gesehen zu haben, am Stock, gestützt, geführt. Das war schon nicht ohne. Aber, Respekt. Einmal Papst, immer Papst. Und nun also der Rücktritt. Benedikt. Sei ihm gegönnt. Tradition ade. Der Sprecher im Radio fragte den Journalisten, den Papst-Spezialisten, was bleibt als Gedanke an diesen Papst zurück? “Nun, er ist zurückgetreten.”

Da wird nun schon spekuliert, weshalb. Von Intrigen ist die Rede. Da hätte ja wohl jeder Papst zurücktreten müssen, oder? Vatikan und Intrigen. Also wirklich. Das ist eine Männerwelt, da geht es zur Sache. Harte Bandagen. Schweizer Garde, Hellebarden.

Soll er seinen Frieden finden. Er wird seine Gründe haben und vielleicht findet sich nun ein Papst, der ein wenig liberaler ist und der den Mut hat, zu verändern, was verändert werden muss. In Gottes Namen. Denn der, so habe ich in der Kirche oft gehört, sei gerecht. Für mich ist das dieses andere Gerecht. Aber Blogger spielen sich natürlich gerne als Moralapostel auf aus ihrer sicheren Deckung des nichts verantworten müssen. Und so will ich nicht respektlos sein vor einem Mann, der 85 Jahre alt und seinen Weg aufrecht gegangen ist. Der war sicherlich nicht immer bequem. Möge er seinen Frieden im Ruhestand finden.

Wo wir schon beim Thema sind, möchte ich noch die Versprechen der Überschrift einlösen. Ein wahrhaft himmlischer Tag, der mich in die Sixtinische Kapelle entführt hat. Folgt einmal diesem Link und zoomt unten links und bewegt den Cursor. Ihr könnt alles sehen. Jeden Engel, jedes Detail – den Fingerzeig unter der Decke. Aber Vorsicht, es wird einem schnell schummerig. Falls der Sound nervt, lässt sich der auch unten links ausschalten.

Jetzt wäre da noch das Triptychon. Hier komme ich ins Spiel. Am Wochenende hatten wir einen wunderschönen Himmel. Wie so oft, wenn es knackekalt und klar ist. Habe ich also von meinem Fenster aus fotografiert und – zugegeben – die Bilder bearbeitet. Heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit – ich muss immer über einen Berg fahren – konnte ich von oben einen gigantischen Morgenhimmel sehen. Rot. Orange. Hellblau. Ich hatte eine Eingebung. Wollte meine Kamera mitnehmen. Und was habe ich gemacht? Meiner inneren Stimme widersprochen. Die bleibt hier, brauchste nicht, habe ich gesagt. Shit. Und wie ich die gebraucht hätte. Sehnsuchtsvoller Himmelblick am Morgen. So fett, so farbenfroh, so einmalig… Gut. Passiert. Ich ärgere mich nicht. So ist es eben. AAAAAAAAHHHHHHHH! Beiß in Holz. Heuwägelchen hat mein Vater immer zu meiner Mutter gesagt, wenn sie sich aufgeregt hat. Heuwägelchen. Süß. Heaven, da ist mein Papa nun und oft denke ich an ihn, wenn ich da hoch sehe. Das Triptychon ist jetzt natürlich ein wenig auseinander gerissen, weil ich ein Foto oben brauchte. Den Dreiklang müsst ihr euch vorstellen. Oder die Buchstaben dazwischen wegdenken. Ciao.

heaven. two. 2013
heaven. two. 2013
heaven. three. 2013
heaven. three. 2013

Ab in die Wellen.

Nachdem Gitta meinte, ich hätte meine ruhige Schreibe verloren, habe ich mich gestern bemüht, mal wieder zu entschleunigen. Dazu habe ich einen Gang runtergeschaltet und kleine Freiräume genutzt, die sich mir geboten haben. Nach einer gut gelaufenen Präsentation am Morgen war ich nachmittags aus der Agentur nach Hause gefahren und da hat mir die Natur schon ein schönes Schauspiel geboten, das ich mir gerne angesehen habe. Der Biggesee im Licht der flach stehenden Nachmittagssonne. Das war wirklich ein Schauspiel der besonderen Art, weil überhaupt kein Wind war. Morgens waren wir zur Präsentation quer durch das bergische Land gefahren und alle Windräder standen still. Als wäre für einen Augenblick die Zeit angehalten worden und als wären die Räder des Lebens zum Stehen gekommen. Ein Zeichen:) Ein guter Tag, die Dinge langsamer angehen zu lassen und sich im gemachten Nest des Lebens zurückzulehnen. Schön. Ruhig.

Die Wasseroberfläche der Bigge war spiegelglatt. Kein Kräusel, keine kleinste Welle. Die Bigge war ein einziger Spiegel, in dem sich überall das Ufer klar und deutlich gespiegelt hat. Ein Naturschauspiel, das wirklich sehenswert war. Die Farben der gelben Lärchen. Manchmal noch ein Rest Grün der Laubbäume. Ich hatte keine Kamera dabei, hätte aber auch nicht angehalten. Ich wollte nach Hause. Mir die Kinder und den Hund schnappen und raus. Der Hund wollte, die Kinder wollten nicht. Ich bin runter ins Tal an den Bach und habe mir dort die Spiegelungen angesehen. Das war auch schön. Die Sonne ging langsam unter, die Schatten wurden länger.

Abends ist es mir dann doch gelungen, die Kinder zu schnappen und sie zu entführen. Ela war in Köln und wir sind schwimmen gegangen. Das haben wir ewig nicht gemacht, weil es irgendwie komisch ist, wenn man in den Sommerferien am und im Mittelmeer war, wenn man von Felsen gesprungen ist und sich in Wellen gestürzt hat, und sich nun plötzlich in einem chlorierten, gekachelten Becken im Neonlicht wiederfindet. “Wie Spaghetti in öligem Wasser.” (Jim hat mich zitiert und gegrinst.) Realität nennt man das dann wohl und die Herausforderung, die Ansprüche nicht ins Unermessliche zu steigern, um lebenskompatibel zu bleiben. So ist es halt und so ist es gut. Wir haben uns in die Möglichkeiten des Hallenbades gestürzt, in die Wellen des Beckens mit der fetten Wellenmacherkugel, auf die Rutsche (verbotenerweise ohne Ring runter – zivilen Ungehorsam proben, weil da überall Verbotsschilder sind, die nicht alle beachtet werden können), haben uns Fritten reingezogen, haben gelacht, getobt, getaucht und hatten Spaß.

Irgendwann habe ich mich hingelegt, ein wenig zurückgezogen, gelesen und gedöst. Da musste ich an den Mann denken, den ich vorher unter der Dusche getroffen hatte. Ein Mann voller Tätowierungen. Ich hatte ihn angesprochen, weil die wild waren. Mein Opener: “Wilde Tattoos”. Er hatte kurz und knapp “Danke” gesagt und war verschwunden. Zunächst hatte er scheinbar keine Lust, sich schon wieder über seine Körperbemalung zu unterhalten. Aber, er kam zurück – mit Shampoo in der Hand, das er scheinbar vergessen hatte. So kam es doch zum Gespräch über Tätowierungen und das Leben. Von seinem rechten Oberarm strahlte mich ein Jesus mit Dornenkrone an. Der Mann, der übers Wasser gehen kann. Ein Walk über die Bigge bei spiegelglattem Wasser und keine Welle entsteht… (Kopfkino). Der Jesus war wirklich richtig gut. Wie ein Gemälde mit ganz feinen Schattierungen und echter Ausstrahlung. Renaissance, Guido Reni, Caravaggio (muste ich dran denken). Von einem Meister tätowiert. Definitiv. Der Mann sagte mir, er würde sich nun seit vier Jahren tätowieren lassen. Regelmäßig. Immer wieder neue Sitzungen, die bis zu drei Stunden dauern. Das Tätowoieren des einen Armes hätte sich über ein Jahr hingezogen, weil der Tätowierer nicht immer Termine frei hat. Da waren viele Tätowierungen auf dem Körper. Auch Texte und eine Madonna – ich gleicher Qualität. Er würde auf christliche Symbole stehen und der Glaube hätte für ihn Bedeutung. Das hat das für mich in ein anderes Licht gerückt. Kein modischer Schnickschnack, sondern Ausdruck des eigenen Lebens, der Einstellungen, eine Art Visualisierung des Inneren. Die eigene Fahne nach außen tragen. Konsequent.

Als unser Zweistundentarif fast abgelaufen war, sind wir raus. Die Kinder und ich. Die Mädels, Zoe und ihre Freundin, haben es knapp geschafft, dass wir nicht nachzahlen mussten. Rharbarber, Rharbarber, erzähl, erzähl. Und gefönt waren sie auch noch nicht. Ein schöner Tag mit einem gut gelaufenen Job, einem Naturschauspiel, einem Nachmittagsspaziergang, Abendschwimmen und einem tätowierten Christen mit faszinierendem Jesus auf dem Oberarm. Und mir wurde die Ehre zuteil, mit dem Tattooträger reden zu dürfen. “Ich red nich mit jedem darüber. Das nervt. Die meisten labern doch nur, reden irgendeinen Mist. Hör ich mir nicht an.” Danke. Ein raues, nettes Kompliment. Kann ich nur zurückgeben an einen, der was zu sagen hat. Wieder einmal ein Duschgespräch unter Männern.

Bleibt mir, mich bei Gitta zu bedanken. Deine “Kritik”, die ich als Anregung verstanden habe, ist zwar manchmal etwas rau formuliert, aber ich weiß sie zu schätzen. Das kann das Boot ab und hilft, auf Kurs zu bleiben. Deshalb: Danke.