Westwind so gut wie Südwind

So ein Blog hat echt Vorteile. Für den Blogger. Ich kann nachlesen, was in meinem Leben los war. Tatsächlich ein Tagebuch. Zugegeben, ein öffentliches, weshalb hier nicht alles landet, aber doch eines, das ganz gut mitreist. Als ich die Kinder zum Bus gefahren habe in der morgendlichen Dunkelheit, umwehte mich ein warmer Wind. Keine Jacke notwendig. Eingehüllt in einen kuschlig warmen Wind, getragen von… Goethe, Klopstock, Caspar David. Nun wollen wir mal nicht in die Gefilde der Romantik abgleiten. Die Zeiten sind vorbei. Schade, da hätte ich ganz gut reingepasst. Also dieser Wind umhüllte mich und trug mich fort und erinnerte mich an ein Gefühl, dass ich vor einem Jahr hatte…

Als ich zurückkam und die Spülmaschine ausgeräumt hatte, setzte ich mich zum Meditieren in mein Zimmer. Auf das Kissen vor meinen Buddha. Zündete die Kerzen an, ein Räucherstäbchen. So klassisch, wie es Harald Schmidt und die anderen deutschen Comedians auf die Schippe nehmen würden. Om. Da saß ich also und spürte noch den warmen Wind, der dieses Mal kein Südwind war, aber dennoch so warm und schön. Vor circa einem Jahr schrieb ich dazu zwei Beiträge. Einen Text und ein Gedicht: Schrei es in den Wind! und Er, Südwind.

Kaum hatte ich gesessen, stellte sich ein sehr angenehmes Gefühl ein. Ela hat mir aus Ihrer Yogapraxis eine Übung gezeigt, die entspannt. Im richtigen Augenblick tief entspannt. Die Hände flach aufeinander gelegt, die Daumen vor die Brust, die Fingerspitzen zeigen zum Kinn. Jetzt ruhig und tief atmen. Nehmt den Druck aus der Schulter, seid gut zu euch, zu eurem Körper. Keine Kraft, kein Druck – das Gegenteil. Versucht das mal in einem ruhigen Moment. Das zentriert und macht leicht.

Als ich dort saß, kamen keine Gedanken. Normalerweise ist da schon ein Jubel-Trubel wie auf dem Highway, wie auf der A3 morgens zwischen Köln und Leverkusen. Woarrr… Heute: Stille. Nicht sehr lange, da kamen der Blog und die Texte, die heute anstehen und die Fußballfahrt nach Norderney, die am Donnerstag startet. Pläne, Wertungen, Annahmen, Verwerfungen… Das ganze Programm. Ich nehme an, ihr kennt das. Das Hirn spielt Volksfest.

Zuvor aber, in diesem langen Augenblick der Ruhe, begünstigt durch den feinen Westwind und die nette Übung, Entspannung. Der Körper wurde ganz leicht, öffnete sich, nahm den Druck raus, ließ gehen. In solchen Momenten fällt wirklich etwas ab, bröckeln die Mauern des Körpers, tritt etwas wie die Seele, der Geist in den Vordergrund. Das ist ziemlich schön und ich wünschte, ich könnte dieses Gefühl in ein Poesiealbum mit Papierrosen kleben, um es an manchen anderen Tagen aufzuschlagen. Wie schön wäre es, hätte dieses Gefühl einen Duft, einen Geschmack. Ich könnte es riechen, könnte hineinbeißen und kosten, um mich zu erinnern. So bleibt die Erinnerung oft abstrakt. Ich weiß, dieses Gefühl ist möglich, aber ich kann es nicht greifen.

Meine Hoffnung ist ja, dass durch viel Übung und die berühmte Wiederholung (Mein Lieblingszitat, George Tabori – beim Theatertreffen in Berlin 1993 oder 1994 im Spiegelzelt: “Die Kraft liegt in der Wiederholung. Die Kraft liegt in der Wiederholung. Hören Sie zu. Die Kraft liegt in der Wiedrholung.” Auch so ein magischer Moment damals.) dieses Gefühl öfter kommt und vielleicht sogar einmal für länger bleibt. Eine Stunde, einen Vormittag oder gar einen ganzen Tag! From dusk till dawn.

Ich weiß nicht, ob diese Leichtigkeit in der Luft liegt oder nur ich die gerade spüre. Manchmal gibt es ja Massenphänomene, die eine allgemeine Gefühlstendenz vorgeben. Solltet ihr nah bei mir sein oder ich bei euch, dann geht doch bitte mal raus, spürt den Wind und testet die oben beschriebene kleine Übung. Ohne Druck, ohne Anstrengung, ohne Wollen. Was geschieht, passiert, was nicht – auch gut.

Wenn ihr dann so in euch hinein atmet, kann es geschehen, dass ihr Stellen im Körper spürt, wo es hakt. Die sind fester oder vielleicht schmerzen die auch ein wenig. Seid freundlich zu diesen Stellen, sie meinen es nicht böse. Sie gehören zu euch, zu uns, zu mir dazu. Ihr könnt die Stellen mit dem Atem, den ihr dorthin führt, streicheln. Die freuen sich. Genauso wie über ein haptisches Streicheln mit der Hand. Ich glaube, das ist dann Reiki – das würde mich auch sehr interessieren… Später, später:) Genug. Der Tag ruft. Ich wünsche euch gute Gefühle, stille Momente, schöne Einsichten. Ciao, Jens.

Lieber Ingvar Kamprad, lieber Götz Werner…

…ich kenne euch beiden nicht, kaufe aber regelmäßig bei euch ein. Ich weiß, dass ihr regelmäßig durch die Presse geht. Mal mit Vorwürfen konfrontiert seid, mal mit Lob. Was mich heute betrifft, habe ich nur einen ganz, ganz kleinen Einwand. Macht, was ihr macht, denn das scheint ihr ja unternehmerisch gut bzw. erfolgreich zu machen, aber lernt bitte in einem Punkt. Einem wunden Punkt.

Kehrt bei euren Teelichtern zu alter Stärke zurück! Ingvar, ich sage mal du, weil du mich in deinen Häsuern auch duzt, Götz Werner: Verspielt nicht euren Ruf durch das Einsparen weniger Cent. Als Mann und Mensch in mittleren Jahren sind eure Läden und Produkte Teil meiner Geschichte, meines Lebens. Götz Werner, Sie habe ich sogar einmal live in unserer Schule erlebt, als Sie über das bedingungslose Grundeinkommen sprachen. Das hat mir gut gefallen. Und das dm-Konzept und all die schönen Sachen von IKEA mag ich auch sehr. Davon findet sich viel in unserem Haus und wir kommen auch immer gerne, um bei dir Ingvar zu essen und mit unseren Family-Cards von dir zu einem Cappuccino im Restaurant eingeladen zu werden.

Nur die Teelichter, die habt ihr in letzter Zeit versemmelt. Also wirklich. Weshalb? Weil ihr nicht nachgedacht habt? Kann natürlich mal passieren, zwischen Anzeigen-Wirrwarr, Nazibeschuldigungen, Gerüchten, Arbeit, Stress. Habe ich Verständnis für, dennoch möchte ich euch kurz darlegen, wie das bei mir ankommt. Darf ich? Ich hole kurz aus. Ich meditiere aus verschiedensten Gründen. Ich habe einen Buddha, sehr beeindruckend, vor dem drei Teelichter stehen. Die strahlen den so schön an. Die kleinen Glaskerzenständer – sehr gelungen mit optimistischem Grün innen im Glasteil – sind von dm. Als ich vor Jahren mit diesem morgendlichen Ritual begann, versuchten IKEA Teelichter meine Erleuchtung zu beschleunigen. Das funktionierte gut. Zumindest äußerlich. Ich saß in schönem warmen Licht und fühlte mich gut. Die hatten einen tollen Romantikfaktor.

Dann wurde die Zusammensetzung geändert. Ingvar!!! Never change a winning Team. Weißte doch, menno. Die brannten nicht mehr so leuchtend warm und ein Großteil des Wachses blieb im Alubecherchen. “Wer hat da Wachs in meinem Becherchen vergessen?” Das hat unsere Beziehung, also meine zu dir Ingvar, verändert. Ich meine, du warst in Deutschland der Kerzenschein-aus-Teelichtern-Pionier, der Versorger aller Links-Intelektuellen, die nur wegen der Teelichter kamen und mit ganzen Inneneinrichtungen in Ihrem Volvo Kombi nach Hause fuhren. Und dann das… Verrat an einer kompletten Bewegung. Ja – Generation!!! Ach was, zwei, drei Generationen. Musste das wirklich sein?

Gut. Ich habe dir den Teelicht-Rücken zugewandt und bin zu Götz Werner rüber in den dm. Ah, oh, dieses Licht. Wunder-, wunder-, wunderbar. Doch nun. Plötzlich. Im letzten Beutel der Wandel. Der Absturz, das Ausblasen des Heiligenscheins. Nun sind die Becherchen deutlich niedriger und auch hier verbrennt jetzt nicht mehr alles. Vor lauter Teelicht wechseln komme ich kaum noch zum entspannten Meditieren. HERR WERNER??? Bitte. Muss doch nicht. Ich meine, man schaut beim Kauf darauf, wie viel drin sind. 100, 200. Wenn die aber deutlich kleiner werden und dann auch noch nicht mehr restlich abfackeln, dann ist das… Ja, also wirklich.

Jetzt suche ich nach einem neuen Teelicht-Lieferanten, weil ihr beiden das tatsächlich verirrlichtet habt. Einfach so mit Emotionen gespielt, mit dem Feuer, weil euch irgendwelche Controller gesagt haben, das bringe so und soviel im Jahr. Dieses Controlling. Diese volle Kostenkontrolle stürzt uns noch in die Belanglosigkeit des Seins. Wie kann man Kerzenschein in Cent aufwiegen? Wenn man einen guten Ruf zu verlieren hat?

Ich bitte euch, lieber Ingvar, lieber Götz Werner – geht in euch. Fühlt die Wurzeln eurer Menschlichkeit, die Verantwortung eures Unternehmertums und bringt die guten, funktionierenden Teelichter zurück. Das dürfte doch nicht so schwer sein!!! Danke, euer Jens.

Ohne mich ist alles doof – was macht dein EGO?

Verzeiht! Diese Woche ist es ein wenig ernst im Blog. Aber es macht mir gerade Spaß, die existenzielleren Themen tiefer zu beleuchten. So weit der fiftyfiftyblog das zulässt. Wir arbeiten hier natürlich nicht auf wissenschaftlicher Ebene, sondern unterhalten uns von Mensch zu Mensch. In dem Sinne sind wir hier gerade eher Diskussionsforum. In der vorvorletzten Woche ging es zunächst um Väter und ihre Söhne, dann um das Mannsein und das Frausein. Diese Woche gesellte sich dann lustvolles Leben dazu und heute nun geht es um das EGO.

ICH. Wikipedia: “Ego, (v. griech. bzw. lat. Ich), bezeichnet den Selbst-Sinn (Selbstbewusstsein und Selbstaktivität) und ist unter der Bezeichnung Ich Gegenstand der Psychologie, der Philosophie, der Soziologie, der Religion und weiterer Wissenschaften.”

Am Wochenende saßen wir mit guten Freunden zusammen und irgendwann, nachdem es draußen zu kalt geworden war, hatten wir uns reingesetzt. An den großen Tisch in der Küche, der in der Literatur immer dann auftaucht, wenn es etwas zu besprechen gibt. Plötzlich gab es Kakao, den Ela irgendwie von Zauberhand zubereitet hatte (wie macht sie das immer?). Ein Kakao befand sich in der Tasse mit dem Aufdruck “Ohne dich ist alles doof”. Ohne dich.

Da hatte ich plötzlich den Gedanken, der die heutige Headline ziert, “Ohne mich ist alles doof”. Und da war ich auch schon beim Thema EGO, das in dem Bloggespräch um “lustvolles Leben” schon vielfach durchgeschimmert hatte, ohne benannt worden zu sein. Ich komme mal wieder, ich hoffe es nervt euch nicht, sonst müsst ihr es sagen, auf den Buddhismus zurück. Ihr wisst, Buddhisten meditieren mit dem Ziel, sich aufzulösen. Wie Ahoi-Brause im Wasserglas. Was? Ja, tatsächlich. Das EGO soll verschwinden und etwas anderes dadurch zum Vorschein kommen. Verkürzt gesagt. Vielleicht denkt ihr nun: Hey! ich will mich nicht auflösen und mein ICH, das möchte ich bitteschön gerne behalten! Das geht keinen und niemanden etwas an und ich lebe gut damit, habe das in langen Jahren feingetunt und ICH komme damit gut, ach was, bestens zurecht. FINGER WEG!!!

Keine Sorge, ich will euch nicht ans ICH. EGO. Nur. So fängt das immer an. Aber. Tja. Also: Was ist das? EGO? ICH? Wenn wir uns im Spiegel sehen, ist das dann das, was wir sind? Natürlich nicht, ist ja nur ein Teil, die äußere Hülle, die nicht unwichtige Verpackung, die durch Eitelkeit, eine Erscheinungsform des EGOs, gestylt wird. Unser EGO kleidet uns, bestimmt unser Aussehen, sagt, was wir tun sollen, um schöner, attraktiver oder auch nicht zu werden. Dabei ist das EGO eine Vorstellungswelt. Das Bild, das wir von unserer Gesamtheit haben. Unsere Eigendefinition. Wir definieren uns jeden Tag, indem wir uns sagen, wir sind so oder so oder jetzt endlich leicht anders. Wir lernen dazu, verändern uns, werden reifer, machen die alten Fehler vielleicht manchmal nicht mehr und gehen Schritt für Schritt weiter in der ICH-Definition.

Diese ICH-Definition ist natürlich hinterlegt. In Ordnern und Sicherheitsdateien in unserem Gehirn und Nervensystem. Da steckt unser EGO drin. Wir möchten uns ja nicht verlieren. Unsere Erinnerungen, unsere Erfahrungen, unser ICH. Steckt viel Arbeit drin und sind wir ja auch stolz drauf, sofern unser ICH das Mittel stolz für sich verwendet. Tja, und dieses mühsam erworbene ICH, das soll nun also aufgelöst werden. Ist ja eigentlich schade drum, oder? Oder auch nicht! Denn: Unser ICH ist nur eine Vorstellungswelt, die uns manchmal, nein oft, im Wege steht. Dieses ICH ist unser Filter, unsere Brille, durch die wir auf die Wirklichkeit schauen. Was wir sehen, sehen nur wir. Teilweise verwendet unser EGO die Tools anderer, gesellschaftlich akzeptierter, kulturell hinterlegter EGO-Bestandteile, teilweise haben wir unsere ganz eigenen Ansichten entwickelt. Egal, letztlich führt das im Gesamtbild zum EGO-Blick auf die Welt, das Sein und die anderen.

Gestern sprach mich in der Umkleide beim Sport ein Mann an. Er erzählte mir, das ziehe ich momentan an, seine Leidensgeschichte mit Trennung, Psychiatrie und den Weg zurück ins Leben. Er hat therapeutisch sein EGO bearbeitet und Glaubenssätze entfernt, Ansichten geändert und wieder zurück ins Leben gefunden. Er lächelte. Das ist natürlich ein Extrem. Nur, wenn wir uns auf der Welt umsehen, wie viel Extreme hat das EGO in der Hinterhand? Woher kommen all die Dinge, die der Mensch so glaubt, tun zu müssen. Weil das EGO das sagt? Weil im EGO hinterlegt ist, das ist richtig und das ist gut für dich!

Was manche Spinner auf der Welt an großen EGO-Verbiegungen in sich tragen, haben wir alle mehr oder minder auch im kleinen Stile. Das sind die Dramen, die wir immer wieder ausfechten, weil uns unser EGO sagt, das müsse nun so sein. Wir bauen Betonmeinungen auf und kämpfen gegen Windmühlen. Hollywood im Kopf. Selbst ausgedacht – angenommene, selbst gestaltete Wirklichkeit. Keine Realität!!! Tatsächlich ist es so: Jeder von uns könnte nun hier und auf der Stelle sein EGO umdefinieren und jemand ganz anderes sein. Würde keinen Sinn machen, weil nur ein EGO gegen ein anderes EGO ausgetauscht wird. Ergo, q.e.d., was zu beweisen war, das EGO gehört aufgelöst. Viel Spaß dabei:)