Das schöne, ganz normale Leben

Kaltstart. Lange nicht gebloggt.

Dabei steht bald ein Jubiläum an. Am 18. Februar 2010 schrieb ich meinen ersten Blogbeitrag. 10 Jahre.

Angefangen hatte alles mit diesem Gedicht. Aber dazu vielleicht mehr am Tag des Jubiläums.

Kirschblütenblättersehnsucht

noch

wirft der schmelzende Schnee

mir kalten Nebel in den Kragen

wann

wirst du kommen

Kirschblütenblättersehnsucht

küss mich

leg deine Hand in meine

die Katzenpfoteninnenseiten

ineinander

aufgelöst eins

nicht wartensehnen

nicht tränentropfen

alles

jens schönlau, januar 2010

Und nun, heute?

Ein sonniger Tag Anfang Februar 2020. Alles um mich herum ist anders. Ich muss feststellen, dass außer meinen Kindern und meiner Familie nur ich die eeinzige Konstante meines Lebens bin. Ist wohl so.

Heute. Sitze ich in der Küche an meinem alten kleinen Tisch aus Abizeiten. Ein Erbstück quasi. Buchenholz, braun gebeizt, gedrechselte Füße, ein Schublade mit Furnier und gedrechseltem Knopf zum Öffnen. Gebrauchsspuren, einige Wurmlöcher, in denen niemand mehr Zuhause ist.

Ein Termin hat sich verschoben. Eigentlich hätte ich für einen Kunden, den ich schon lange betreue, an einer Strategie arbeiten wollen. Gestern habe ich mich lange eingearbeitet, heute hätte ich die Dinge zusammengefasst. Das ist aufwendig. Eine Präsentation mit Herleitung, Hinführung, Belegen, Beispielen. Das wäre einiges an Geld für den Kunden gewesen. Also habe ich ihn angerufen und vereinbart, dass wir uns treffen und über meine Sicht der Dinge sprechen. Denn am Ende des Tages geht es um Weichenstellung und Veränderung. Change. Muss man wollen, können, die Zeit muss reif sein. Ihr kennt das. Manches begegnet einem, man lehnt es ab, um es irgendwann für sich zu entdecken.

Wir haben uns am frühen Nachmittag verabredet. Ist nicht weit, um die Ecke, fast in der Nachbarschaft. Ein Traditionsunternehmen auf dem Weg. Nichts bleibt wie es ist.

Was also tun mit der Zeit bis dahin? Es stehen Renovierungsarbeiten im Flur an. Schleifen und ausbessern von Wänden. Der Hausflur ist nicht geheizt, da stecken wir kein CO2 rein. Also sagte mein Inneres: Fliehe mein Sohn vor dem, was dich draußen erwartet. Eine andere innere Stimme sagte: Du solltest mal wieder bloggen. Über das Leben.

Gut.

Es ist schön. Weil die Sonne gerade hereinscheint, weil mich eine Zufriedenheit angefallen hat. Eine schöne Ruhe. Die Kinder sind aus dem Haus, wie man so schön sagt. In Australien und Köln. Sie sind in ihr eigenes Leben gestartet und machen das gut, so weit ich das mitbekomme. Bei allem Vermissen ist es schön, sie so selbständig und stark zu sehen. Sie machen ihr Ding. Das war irgendwie das Ziel. Ich habe keine Sorge. Das ist ein gutes Gefühl.

Gleichzeitig fühle ich mich nicht alleine oder zurückgelassen. Es ist jetzt viel Raum für Beziehung. Ein Leben zu zweit. Irgendwie normal. So hatte ich das noch nicht. Wir gehen beide arbeiten, treffen uns am nachmittag oder Abend, gehen Einkaufen, kochen, essen, schauen uns Filme an, lesen, trinken Tee, lachen, streiten, renovieren, planen, fahren in den Urlaub, machen Pläne, besuchen Freunde, schauen uns Kunst in Köln an, planen im Garten. All diese normalen Dinge im Leben von Menschen.

Mir gefällt das. Es ist schön, vieles nicht mehr machen zu müssen. Kinder erziehen. Elternabende. Zum Musikunterricht bringen. Überzeugungsarbeit leisten – Paprika hat noch niemanden umgebracht!!! Raum haben. Für sich. Keine Hetze, weil das Mittagessen auf dem Tisch stehen muss. Das Leben durchtakten, den Plan B, C, D abrufen. Ruhiger leben, mit all den feinen Erinnerungen, die mit dem Gedächtnis aller Sinne da sind. Babyduft, ankuscheln, neben einem einschlafen. Bitten. “Bitte, Bapu!” Oh. Alles da. Und dann kommt Max hier rein, besucht uns oder Pella meldet sich per FaceTime und ich bin plötzlich in Sydney.

Das war der Anfang dieses Blogs. Fifty-fifty. Jens Schönlau als der erziehende Vater, der tatsächlich 50 % übernimmt. Den Vormittag mit den Kindern oder den Nachmittag. Viel Zeit habe ich mit den beiden verbracht, wir waren viel unterwegs und haben viel erlebt. Zwergenwohnungen bauen im Wald. Aus Zweigen, Moos, Blättern. Drachen steigen lassen, im Weiher schwimmen, durch den Wald stromern, Bobbycar-Rennen. Alles abgespeicherte Filme, ein unbezahlbarer Schatz. Familienkino im besten Sinne.

Und jetzt sitze ich hier und habe ein angenehmes Gefühl, im Leben schon etwas erreicht zu haben. Viele Flausen sind weg, nicht mehr gegen alle Windmühlen anreiten, sich auch mal zurücknehmen, nicht jede Diskussion führen, nicht unbedingt überzeugen wollen. Die Fahnen sind kleiner geworden.

Im Beruf darf ich mittlerweile andere Dinge machen. Nicht nur Text. Man fragt mich nach meiner Meinung. Was ich glaube, wie es sein sollte. Die Agentur hat mir das Rüst- und Handwerkszeug vermittelt. Fundiert arbeiten, recherchieren, herleiten, den weiteren Zusammenhang sehen. Es ist immer auch ein wenig Wissenschaft. These, Antithese. Checken. Denke ich das nur, ist das mein Wunsch oder Glaube, oder ist das Wirklichkeit?

Jetzt mache ich mir einen Cappuccino und genieße ein wenig die Sonne, bevor ich mich auf die Socken mache. Der liebe Gott schenkt mir jetzt manchmal Zeit, die ich gerne nutze. Momente für mich. Raum für irgendwelche Gedanken. Sich treiben lassen in den Weiten der Welt. Ich liebe das (den Satz darf man sich nicht von dieser – Zitat Rolf Schönlau, mein Vater – “amerikanischen Fressdiele für Proleten” rauben lassen).

Einen schönen guten Tag und beste Zeiten wünsche ich euch. Und wenn ihr mögt, könnt ihr gerne kommentieren und vielleicht kurz beschreiben, wie es euch in eurem Leben geht.

Essen!

Mangiare!

Es gibt diese Momente, in denen Essen alles ist. Und viel mehr. Am Wochenende überkam mich dieses Gefühl. Es zu tun. Zu kochen. Nicht so, wie man es immer tut. Zutaten, Töpfe, schnippeln, rühren, fertig. Nein. So mit Inspiration und Vorbereitung und Vorfreude.

Ich muss ein wenig ausholen. Mein Freund Andreas würde jetzt sagen: Komm zum Punkt! Muss man ja nicht immer. Nehmen wir es als Vorspeise. Seit einem Jahr wohne ich nun hier. Etwas länger. Für die Chronik: 6. August 2016. Seither hatte ich es nicht geschafft, so richtig für Ordnung zu sorgen. Der Keller war das Sorgenkind. All die Umzugskartons. All die pappverpackte Vergangenheit. Ich mochte nicht. Anfassen, anrühren, öffnen. So standen sie und versperrten den Weg und zogen eine Spur des Hinderns bis rauf in die Wohnung. Die Küchenschränke ließen sich nicht aufräumen, weil es für die überschüssigen Teile keinen Platz gab.

Das sind diese Verkettungen. Der Umstände. Samstag. Ich hatte vorgearbeitet, Schwerlastregale gekauft, aufgebaut, ins Chaos geschoben. Nun musste noch irgendwie eine Ordnung her. Diese spezielle Ordnung für meine Kisten und mein Leben. Kindersachen, meine Erinnerungen. Wie viel haptische Erinnerung braucht man? Aber Freitag ahnte ich schon, dass mir Samstag die Küche wieder ein Stück mehr gehören würde.

So fasste ich neben dem Plan der Kellerordnung einen weiteren. Ravioli. Selbstgemacht. Mit einer irgendwie gearteten Pfifferlingsfüllung. Also warf ich schon einmal die Zutaten für den Nudelteig in eine Schüssel. Wog, rührte, knetete und packte ihn in Folie und in den Kühlschrank. Um Samstagmorgen den Ausritt mit Herrn Cooper für die Pfifferlingsjagd zu nutzen. Denn: YEP! Mittlerweile, fast hatte ich schon aufgeben wollen, habe ich 4 (!) ertragreiche Stellen im Wald gefunden. Zwei in der Nähe, zwei ein Tal weiter. Es reichte. Deutlich. Mein Korb gut gefüllt.

Während ich im Keller räumte, überlegte ich, wie ich vorgehe. Die Füllung. Ich entschied mich zwischen Kistenleeren, Wegschmeißen und Einräumen für Pfifferlinge, Paprika, Frischkäse und Parmesan. Knoblauch, Zwiebeln anschwitzen, Paprika hinzu, die zerbröselten Pfifferlinge. Schön Einkochen. Flüssigkeit reduzieren, weil der Nudelteig die nicht verkraftet. Dann wird alles matschig. Also Geduld und kleine Flamme und irgendwann Frischkäse und Parmesan. Und zwischendurch Kräuter. Das Scharfe der Pfifferlinge mit Pfeffer und Chilli unterstützen. Das Olivenöl, die Zwiebeln und den Knoblauch mit Thymian und Rosmarin unterstützen. Mögen sie Freundschaft schließen. Später frische Petersilie hinzufügen, kurz bevor es so weit ist.

Den Teig durch die Nudelmaschine laufen lassen und zum Trocknen aufhängen. Derweil die frische Tomatensauce kochen. Olivenöl, Zwiebeln, Frühlingszwiebeln, Knoblauch, frische Tomaten, Pfeffer, Chilli, Thymian, Rosmarin, später Oregano und einige andere kleine Freunde aus dem Gewürzregal. Ich hatte noch eine Dose Tomaten aus Italien. Die sind röter, schöner, intensiver, italienischer. Dieses wunderbare Abschmecken. Wie sich der Geschmack entwickelt. Kleine Dosen, Annäherung. Gaumenfreuden. Erwartung, Hoffnung, Entzücken. Das ist Kochen. das ist die Freude. das ist das Überraschende.

Die fertigen Teigflächen auf den Tisch legen. Kleckse mit Füllung drauf verteilen. Mit Teig zudecken. Die Teigflächen ineinander drücken, die Füllung sicher einsperren. Ravioli formen. Mit den Fingern. Das Wasser aufsetzen.

Mein Vater hatte einen Freund, der hieß Pajatz. Mit Spitznamen, nehme ich an. Das war in der Jugend meines Vaters, als er Dolly genannt wurde und kein Fest ausließ. Er spielte Klavier, tanzte, rauchte, soff, verführte, lebte. Und wenn es bei uns etwas leckeres zu essen gab, später, sagte er: “Kinder, wie hat mein Freund Pajatz immer gesagt: Dolly, so ein bisschen was Fressen ist doch was Schönes.”

Ja, das ist es. Die gefüllten Ravioli ins Wasser. Warten. Herausnehmen, servieren, Tomatensauce, ein wenig Parmesan. Ui. Ja. Lecker. Die Füllung, die Sauce. Heijeijei. Feiner Geschmack.

Meinen Kindern sage ich immer, dass es sich lohnt, sich mit dem Kochen zu beschäftigen. Dieses Gefühl zu entwickeln, was passt, was zusammengehört, welche Gewürze die richtigen sind. Welche Temperatur man braucht, wie viel Zeit. Man kann sich selbst verwöhnen und beschenken. Man kann sagen, ja, jetzt koche ich was. Und wenn dann Pfifferlinge da sind. Wie heute nach dem Fußball. Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Manchmal mag ich nicht. Und dann. Ein wenig Olivenöl, Pfifferlinge, Kräuter, Eier. Man müsste immer frische Pfifferlinge im Haus haben.

Jetzt bin ich satt, glücklich und gehe schön schlafen. Morgen ist ein neuer Tag. Ein neuer Tag mit aufgeräumtem Keller. Irgendjemand hat einmal gesagt: Der Keller steht für die Vergangenheit, der Speicher für die Zukunft. Okidoki. Ich bin bereit, beides mit offenen Armen anzugehen. Das Leben küssen. Warum nicht. Und Pfifferlingsstellen suchen. Besser: Finden:) Zweifelsohne braucht man frische Pfifferlinge. Zwingend.