Old school. New school. Old world. New world. Die eine Welt. Die andere. Die dritte. Die neue. Parallelwelt?
Die Welt ändert sich gerade. Radikal. Im Netz. Wie ihr wisst, ist das hier seit geraumer Zeit ein Thema. Zum einen, weil ich mit dem fiftyfiftyblog und all seine Satelliten (Twitter, Facebook, Google+, Tumblr, Pinterest…) das Netz lebe und auch für Kunden nutze, zum anderen, weil mich Gesellschaft interessiert. Einmal Gesellschaftswissenschaftler, immer Gesellschaftswissenschaftler.
Auf meinen Streifzügen durchs Netz treffe ich zunehmend auf Menschen, die sich mit dem Netz intensiv beschäftigen. Allmählich wird sichtbar, was sich entwickelt. Eine neue Sicht. War lange Zeit noch nach Entstehung des Web 2.0 (Austausch in den Social Media) die Auffassung omnipräsent, man könne es nur belächeln und es wäre etwas für verquere Selbstdarsteller, entsteht nun Zugzwang. Plötzlich gibt es eine erfolgreiche politische Partei, die das Themna besetzt und zeigt, welche Wichtigkeit das Netz hat. Auf Google+ habe ich kürzlich einen sehr interessanten Menschen “kennengelernt”. Mirko Lange aus München. Einer der vielen Netzvisionäre und -beobachter. Er hat ein Video gepostet, in dem der Systemtheoretiker Professor Peter Kruse vor der Enquetekommission des Deutschen Bundestages zum Thema Internet spricht. Müsst ihr euch ansehen, um im Weiteren mitzukommen. Heute einmal ein Guckbefehl:) Here we go!
Ups! Web 2.0. Spontanaktivität in einem hoch vernetzten System. Machtverschiebung. Zusammenführung von Menschen gleicher Interessen. Könnte sich theoretisch, systemtheoretisch anhören. Wenn es nicht nachvollziehbar wäre. Ein weiterer Bericht. Spiegel online. “Was ist Heimat? Unser Zuhause ist das Internet Von Günter Hack” Er schreibt zum Beispiel: “Web-Skeptiker sprechen von “Sucht”, für viele Nutzer ist der permanente Austausch im Internet ein Gefühl von Heimat. Dort treffen Menschen aufeinander, im besten Fall entsteht daraus Wunderbares. Deswegen muss das Netz als kommunikativer Raum unbedingt bewahrt werden.”
Das Netz als Heimat? Als realer Raum? Jetzt wird es spannend. This is the edge. Der Übergang: Real, virtuell. Wo fängt virtuell an, wo hört real auf. Meine These. Virtuell wird real. Die Trennung hebt sich auf. Stück für Stück. Schritt für Schritt. Wir werden in Zukunft verstärkt real im Netz leben. Das Netz zieht. Aus einem einzigen Grund. Aus dem Grund, der immer zählt: Es hat etwas zu bieten. Es hat eine hohe Attraktivität. Es begeistert, reißt mit. Es ist ein schöner, verheißungsvoller Ort ohne Grenzen. Es ist eine Welt, die sich formen lässt, in der Freundschaften schnell geschlossen sind, getestet werden und dann wachsen. Aus Flüchtigem, Oberflächlichem wird Festes.
In den letzen beiden Wochen bin ich den Schritt in diese Welt gegangen. Ich habe nachts gelebt, war auf Facebook, habe Menschen kennengelernt, Musik gehört, Kunst betrachtet, mich mit Künstlern, Schreibern, netten Menschen ausgetauscht. “Spontanaktivität in einem hoch vernetzten System” wie Professor Peter Kruse das nennt. Ich habe viel gepostet, Fotos von mir ins Netz gesetzt, Texte. Neue “Freunde” in Facebook geladen, meine fiftyfiftyblog-Page aufgepeppt. Und ich bekam Unterstützung. Web-Power. Da war eine Netzspezialistin, die hat meine Seite an die Hand genommen. Hat sie in interessanten Kreisen vorgestellt. Hat sich für mich, für den fiftyfiftyblog eingesetzt. Plötzlich hatte ich 200 statt 50 Leute auf der Seite. Plötzlich gingen die Besucherzahlen im Blog hoch. Plötzlich war vermehrtes Interesse da. Veränderung. Real, virtuell.
Wenn ich jetzt hier sitze und schreibe, was ist das? Real, virtuell? Die Unterscheidung löst sich auf und taugt nicht mehr. Denn letztlich laufen sie in mir zusammen, im User, im lebenden Menschen. Ich bin nicht schizophren und nicht gesplittet zwischen den Welten. Beides ist da und zählt. Die Wertung löst sich auf. Noch ist “virtuell” verschrien, gilt als Nerd-Paradies, hat den Gestus von Subkultur. Ein Treffen zwischen “echten” Menschen wird höher eingeschätzt. Noch. Die Veränderung läuft. Der Prozess ist längst gestartet und wirkt. Wie werden wir in 10 Jahren, in 20 Jahren leben? Klar. Vernetzt. Intensiv vernetzt mit den Menschen, die wir irgendwo auf der Welt finden, die zu uns passen. Die wir nett finden. Eine Mrs. Swallow in China oder wen auch immer.
Diese Revolution läuft ohne Utopie ab, ohne Vision. Sie ist schleichend und kommt aus den Sehnsüchten der Menschen, die im Netz das machen, was sie wollen. Vordenker wie Zuckerberg & Co. liefern die Technik, die Inhalte werden in jeder Millisekunde von den Menschen generiert. Und was da generiert wird ist oft so faszinierend, dass ich dort sitze und staune. In einem kleinen Büro auf dem Land die große, weite Welt voller Wunder und wunderbarer Menschen. Und: Wenn man jemanden im Netz nett findet, kann man den anrufen und treffen. Kein Problem. Alles ist eins. Alles kann, nichts muss. Das ist eine neue Seite von Gesellschaft. Selbstbestimmender, demokratischer. Wir werden in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren noch einiges an Veränderung erleben. Ich freue mich drauf. Und ja, ich weiß, man muss “kritisch bleiben” und “vorsichtig” und sich nicht “verlieren”. Wisst ihr was: Manchmal kann ichs nicht mehr hören. Manchmal möchte ich einfach nur tun und sehen, was passiert. Das Abenteuer nicht schon am Anfang mit Skepsis erwürgen. Scheiß drauf.