Voll süchtig – Facebook in der Blutbahn!

Heute Morgen wollte ich meinen Ohren nicht trauen, als ich das im Radio hörte: „Ein Drittel meint sogar, dass das Internet genauso wichtig wäre wie Wasser, Nahrung, Luft und ein Dach über dem Kopf, für knapp die Hälfte ist es fast so wichtig.“ Junge Studierende wurden im Rahmen einer Cisco-Studie zu ihrem Internetverhalten befragt. Was da rausgekommen ist, ist ganz schön heftig. Finde ich. „Demnach gaben 55 Prozent der Studenten sowie 62 Prozent der jungen Arbeitnehmer an, dass sie sich ein Leben ohne Internet nicht mehr vorstellen könnten. 40 Prozent der Studenten sagten, dass ihnen Internet-Aktivitäten und Kontakte über soziale Medien wichtiger sind als ein Treffen oder Ausgehen mit Freunden im wirklichen Leben.“

Wichtiger als ein Treffen oder Ausgehen mit Freunden im wirklichen Leben. Puh! Also ehrlich. Ich meine, ich sitze hier gerade auch am Bildschirm und blogge und füttere Tumblr und Twitter und Facebook und lese Spiegel Online und, und, und. Für mich spielt das Internet auch eine immense Rolle, weil ich ohne Internet meinen Job heute nicht mehr ausführen könnte. Immer mehr Jobs sind Internetjobs. Oder mit dem Internet verbunden. Mir bleibt nichts anderes übrig, als die Möglichkeiten zu checken und auszuloten. Dieser Blog zum Beispiel hat mir schon eine ganze Menge beigebracht, wie das so läuft, was für eine Sprache gesprochen wird, wie Menschen im Internet drauf sind und drauf sein können und wie Vernetzung wirkt. Und dieses Learning-by-doing-Wissen habe ich mittlerweile schon oft im Beruf brauchen können. In Beratungsgesprächen, Konzepten, der Print- und Online-Verküpfung oder auch beim SEO-Texten (Suchmaschinenoptimierung).

Das ist alles wahr und gut und Realität. Aber. Ja, wirklich aber. Einen Online-Kontakt einem wahren Treffen vorziehen? Alte-Herren-Fußball online zocken und dann einsam vor dem Bildschirm ein Bierchen schlürfen? Gemeinsames Essen per Skype vor dem Bildschirm? Oder gar die gleiche Mucke online hören und vor dem Monitor abtanzen? Also. Mist. Jetzt spätestens ist es so weit. Ich verabschiede mich von der Jugend und kann und will nicht mehr mithalten. Tatsächlich bin ich bereit, einen Teil meines Lebens online zu leben. Aber nur einen Teil!!! All die anderen schönen Sachen will ich life und in Farbe! Zum Anfassen, Berühren, Riechen, Fühlen, Mitmachen. Haptisches Erleben.

Eine Partneragentur hat gerade Ihren Mitarbeitern verboten, während der Arbeitszeit Facebook zu nutzen. Die Arbeitsgeschwindigkeit war derart runter gegangen, weil die jungen Programmierer ständig checken mussten, was gerade lief und gepostet wurde. Facebook nur noch in der Mittagspause und die Handys bleiben draußen, weil die ständig das Eintrudeln neuer Messages verkünden. Alles verschmilzt miteinander. Als ich vor dem Urlaub so mega, mega, mega viel zu tun hatte, habe ich Twitter und Facebook und den Blog am Rechner ausgestellt, weil die mich zu sehr abgelenkt haben. Mal eben schnell noch einen Kommentar kommentieren oder ein Foto posten.

Das lässt sich natürlich alles nicht aufhalten. Die Social Media haben uns längst überrannt. Ich bin jetzt 46 und werde noch rund 20 Jahre arbeiten und mit der Zeit gehen. Müssen. Wer in diese Zeit rein geboren ist und es nicht anders kennt, für den ist das easy und in Ordnung. Mir fällt es zugegebenermaßen schwer, das alles so gut zu finden. Deshalb mache ich im Urlaub zum Beispiel mein Handy konsequent aus und nehme keinerlei Gerät mit, das mich mit dem Internet verbinden könnte. Das war in Italien eine Wohltat. Obwohl selbst überall auf dem Campingplatz die Notebooks liefen und die Menschen viel Urlaubszeit im Internet verbrachten. Aktuell erhalte ich von Freunden Mails, die ihren Urlaub life beschreiben. So wie ich Teile meines Lebens in meinem Blog life beschreibe und preisgebe. Was einige Menschen für sozialen Exhibitionismus halten. Ganz schön vertrackte Sache.

Mir persönlich ist es wichtig, mein reales Leben weiterhin über das Online-Leben zu stellen und mir die Freiheit zu bewahren, auch mal off zu sein. Bin gespannt, wie ich das in zehn, fünf oder zwei Jahren sehe. Es bleibt spannend. Hier übrigens der Link zu einem Bericht über die oben zitierte Cisco-Studie. Wie haltet ihr das mit dem wahren Leben?

Ich befürchte, die rasante Entwicklung der Medien lässt uns mittelalten Menschen schneller altern. Relativ gesehen im Vergleich zur Jugend. Die Distanz wird einfach größer, weil wir an manchen guten früheren Dingen hängen. Das macht uns, macht mich automatisch ein Stück weit konservativ. Unglaublich. Fast ein Automatismus. Ich werde mal schön weiter beobachten, was das alles so mit mir macht.

Glühwürmchenleuchten und Sternschnuppenwünsche!

Glühwürmchen, Sternschnuppen. Ah, oh, Feuerwerk. Licht! Am Himmel, am Ende des Tunnels. Für gewöhnlich ziehen wir uns ja ins Haus zurück, wenn es draußen dunkel und mithin auch kalt wird. Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Vor Gespenstern? Hexen? Geistern? Vampiren? Untoten? Zombies? Natürlich niemand. Wenn man fragt. Obwohl ich nicht genau weiß, wohin die Jungs und Mädels, die all diese momentan populäre Horrorlektüre lesen, die Bilder in ihren Köpfen stecken. Zoe erzählte kürzlich etwas von Angst vor einer Hand unter ihrem Bett. Uahhh! Eine Freundin hatte da etwas erzählt… (Deshalb hat sie heute Nacht bei mir gepennt, weil unter meinem Bett keine Hände wohnen. Bin ich mir sicher.)

Wer sich nun dennoch traut und die Nacht zum Tag macht, kann sich in diesen bestimmten, einzigartigen Nächten und Abenden freuen. Inszenierungen der Natur. Als wir kürzlich mit der ganzen Familie ohne Cooper mit dem Rad aus einem Restaurant zurückkamen (das war noch in Italien, sorry. Schon wieder Italien.), hielten wir an einer dunklen Stelle an und schauten erst auf das Meer und dann in den Himmel. August. Sternschnuppenregen. Die fallen wie Flocken vom Himmel. Tschiiuuu… Langer Streif. Wir standen dort, Lenker in der Hand, Kopf im Nacken. Jim sah fünf Sternschnuppen in kurzer Zeit. Wobei man natürlich aufpassen muss, dass man sich nicht aufgrund eines vorbei fliegenden Flugzeugs irgendetwas wünscht. Als wir da so standen, hat uns scheinbar die familiäre Gruppendynamik in eine gleiche Ausrichtung gebracht (West-Nord-West). Plötzlich war da ein Falling Star so groß und lang und wunderbar sichtbar. Und: Wir haben ihn alle zusammen gesehen. Ich gebe zu, das ist ein wenig kitschig urlaubsromantisch. Ja, ja. Schon klar. Aber es war so wunderschön kitschig romantisch. Da steht da so eine Familie und schaut in den Himmel und darf sich gemeinsam etwas wünschen. Wie sehr ich mir etwas gewünscht habe und wie schön sich das angefühlt hat. Und neben mir meine Allerliebsten (nur Cooper hat gefehlt). Ich hätte weinen können, was Jungs ja bekanntlich nicht tun. Und ich schon gar überhaupt nicht:)

Und dann war da noch eine Rückfahrt aus einem Restaurant. Allerdings mit dem Auto hier in der Gegend. Wir kamen aus Freudenberg und irgendjemand brauchte eine der berühmten Familienpinkelpausen, die kürzeste Fahrtstrecken gen Unendlichkeit dehnen. Wir hielten an einer Stelle, die Platz für unser Auto bot. Irgendwo in der Pampa. Und wir stiegen alle aus, weil es so eine schöne laue Nacht war und der Himmel so weit und das Leben so schön. Dann sahen wir sie: Glühwürmchen. Nicht eines, viele!!! Überall diese kleinen fliegenden Taschenlampen. Eben habe ich einen Bericht in der Zeit (die genialste Zeitung überhaupt!!!) bzw. auf Zeit-online gelesen. Da ging es um Glühwürmchen, was mich zu diesem Nachtthema heute insgesamt inspiriert hat. Da stand: Glühwürmchen erzeugen Licht durch Biolumineszenz. Über einen chemischen Prozess bringen sie ihr Hinterteil zum Leuchten. Das Beste dabei: 95 % der aufgewendeten Energie wird in Licht umgesetzt. Das haben bislang kein Edison und keiner seiner Glühbirnen-Weiterentwickler-Nachfolger geschafft. O.K. Die Glühwürmchen haben da auch einen besonderen Anreiz. Es geht beim Leuchten um Sex. Tatsächlich morsen die Botschaften in die Nacht. Anmach-SMS. „Netter Glühwurm sucht nette Glühwürmin zum gemeinsamen Glühen. Baby.“ Oder so. „Lass mich deine Lampe sein.“ Oder romantische Oden. Oder doofe Anmachsprüche. Einfach mal so in die Nacht: „Haben wir uns nicht irgendwo schon einmal leuchten sehen?“

Auf jeden Fall stehen Glühwürmchen und Sternschnuppen in Sachen Romantik und Ästhetik auf einer Stufe. Ihr solltet euch mal nachts auf die Socken machen und beiden Phänomenen die Möglichkeit geben, sich euch zu präsentieren. Aber wahrscheinlich seid ihr eh Glühwürmchen- und Sternschnuppen-Spezialisten/innen, die alles schon erlebt haben. Glühwürmchen so groß wie Straßenlaternen in den Tropen. Da glaubste, E.T. kehrt zurück. Vielleicht habt ihr ja Lust, mal zu berichten, was ihr da schon so gesehen habt und wie romantsich das war… Würde mich freuen.

Das große Fressen!

Wikipedia: „Das große Fressen (Originaltitel: La Grande Bouffe) ist ein französisch-italienischer Spielfilm aus dem Jahr 1973. Regie führte Marco Ferreri, das Drehbuch schrieben Rafael Azcona und Francis Blanche. Die Hauptrollen spielten Marcello Mastroianni, Ugo Tognazzi, Michel Piccoli, Philippe Noiret und Andréa Ferréol.“ Uaah! Habt ihr den Film gesehen? Ich schon. Eklig. Aber intensiv und gut. Ach, diese Zeit des großen europäischen Kinos…

Am Wochenende haben wir den Film nicht gesehen, aber ein „großes Fressen“ veranstaltet. Wie kürzlich berichtet, lernt Zoe im Urlaub oft sehr nette Menschen kennen. Dieses Mal auch. Eine Familie aus Essen, die am Wochenende zu Besuch war. Da wurde viel geredet – unter anderem natürlich über Italien und Levanto – und viel getrunken und gegessen. Highlight war Samstagabend ein Pfifferlings-Risotto. Am Morgen hatte ich mit Cooper zusammen über 2 Kilo frische Pfifferlinge gesammelt. In diesem Jahr ist das kein Suchen, sondern ein Finden und Ernten. Die wachsen einem quasi vor die Füße.

Also habe ich mir unseren großen, gusseisernen, französischen Brattopf geschnappt und losgelegt. Olivenöl, kleinst gewürfelte Zwiebeln, durchgepresster Knoblauch und dazu einige Kräuter. Etwas Salbei und Thymian aus dem Garten, Petersilie. Für den Grundgeschmack. Dann den Arborio-Reis der Kategorie Superfino. Das alles anbraten – auch den Reis, um alles, bevor es braun wird, mit trockenem Martini abzulöschen. Nun habe ich die mit der Hand grob zerkleinerten Pfifferlinge in den Topf gegeben. Angesichts der gesammelten Menge konnte ich großzügig vorgehen. Damit nun nichts anbrennt, habe ich immer wieder Gemüsebrühe hinzugegeben. Gerade so viel, dass der Reis feucht geblieben ist, aber nicht ertränkt wurde. Natürlich musste ich rühren, rühren, rühren. Zum Ende hin kommt dann der Parmesan hinzu, der untergerührt wird. Und Salz und Pfeffer. Das Risotto war sehr lecker. Parallel habe ich im Ofen Putenbrust in Olivenöl mit frischer gelber Zucchini aus dem Garten schmoren lassen.

Sonntag gab es dann Kürbissuppe. Grundlage war ein Hokaido-Kürbis aus unserem Garten. Das ist so schön, eben mal in den Garten runterzugehen und einen frischen, reifen Kürbis zu ernten. Und den dann in den Topf zu hauen. Das heißt, zunächst habe ich ihn im Dampfgarer gegart. Parallel habe ich Zwiebeln mit Curry, Koriander, Pfeffer und Ingwer gedünstet und mit Kokosmilch abgelöscht. Dann Safranbutter und den Kürbis hinzu, leicht ziehen lassen und pürieren. War auch ziemlich lecker.

Als wir in Neuseeland waren, haben wir in der Golden Bay ausgewanderte Deutsche besucht. Freunde von Elas Bruder. Die hatten einen riesigen Selbstversorgergarten. Mit allen erdenklichen Gemüsen. Einfach rausgehen, ernten, kochen. So frisch, so knackig. Leider wird es nun hier allmählich kalt und die kulinarischen Gartengenüsse werden zum Auslaufmodell. Aber: Noch wächst der Pflücksalat. Und die ganzen Kräuter. Wie hat mein Papa immer gesagt: „Ach Kinder, so ein bisschen was fressen ist doch was Schönes.“ Damit hat er einen seiner Freunde aus der Jugend zitiert. Recht hatte der.

Abendspaziergang nach Monterosso

Freitag. Letzter Tag der Italienwoche im fiftyfiftyblog. Ich schreibe über eine Wanderung nach Monterosso, dem ersten der fünf Cinque Terre Orte in Ligurien. Die Wanderung von Levanto aus dorthin dauert rund zwei Stunden und führt an der Küste entlang. Immer wieder gibt der Wald den Blick frei auf das Meer. Es ist so gut wie nichts los auf diesem Weg, weil die Italiener – glaube ich – nicht so gern wandern. Nehme ich an.

Ela hatte den Vorschlag gemacht, den Weg am Abend zu gehen. Spontan. Jim und ich hatten Lust, mitzukommen, Zoe hat sich auf dem Zeltplatz für die Zeit eine andere Familie gesucht. Sie ist gerne mit anderen Menschen zusammen und unterhält sich und lacht und… Eine kleine Kommunikations-Power-Maschine. Über sie haben wir schon so viele Menschen kennengelernt. Aktuell ist sie gerade in Essen und besucht Urlaubsbekannte, die uns am Wochenende besuchen.

Am Abend ist dieser Weg besonders schön. Die Sonne neigt sich gen Levanto und macht sich allmählich vom Acker. Das heißt, sie steht tief und erzeugt ein besonderes Licht. Und es ist nicht mehr so heiß, obwohl es uns auch oft gelingt, in der prallen Mittagshitze zu wandern. Touriidioten. Aber im Urlaub ist es so schwierig, morgens früh aus dem Quark zu kommen. Ist ja Urlaub. Da muss noch ein Cappuccino getrunken werden und man muss nochmal in die Stadt, was besorgen, und überhaupt lange schlafen. Was auf dem Zeltplatz maximal 9 Uhr bedeutet, weil spätestens dann das Leben erwacht und keine Ruhe mehr zu finden ist.

Wir sind dann aus Levanto heraus an all diesen schönen kleinen Häusern vorbeigewandert, die ihre Terrassen dem Sonnenuntergang entgegen strecken. Da sitzen dann Menschen, freuen sich des Lebens, sind sich mit dem, was sie sehen selbst genug. Eine wunderbare Tageszeit! Auf halber Strecke haben wir eine Frau mit ihrem Hund getroffen, die gerade ihr Zelt aufbaute. Schön mitten in der Pampa. Fearless.

Zwischendurch immer wieder die Aussichtspunkte, an denen der Blick steil die Felsen herabfällt bis aufs Meer. Türkis schimmernde Buchten. Ach, jetzt da unten reinspringen. Denke ich nun und denkt man, wenn man da oben steht. Dieses Meer mit seinem frischen, warmen Wasser. Kurz vor Monterosso führt ein kleiner Weg vorne zu einem Leuchtturmhaus. Die Fenster eingeschlagen, unbewohnt. Was für ein Fleck Erde! Kurz davor eine alte, verfallene Kapelle. So schön, so aufregend. Jim und ich sind durch das alte Haus gestromert. Von Zimmer zu Zimmer. Ohne, dass man weiß, was einen erwartet. Das steht einfach leer. Ts.

Am Ende ging es steil herab nach Monterosso. Felsen herabspringen. Die Knie schmerzen, glücklich in die Stadt einlaufen. Gerade dort angekommen, ging der Vollmond auf. Was für ein Spektakel. Wir standen am Meer und schauten auf den Nachbarort Vernazza, als sich plötzlich diese riesige Leuchtkugel über den Berg schob. Ich weiß nicht, wie die Italiener das hinbekommen, ein Highlight nach dem anderen in mein Blickfeld zu rücken. Die sind einfach unglaublich…

Blick von der Piper Bar auf Lampedusa.

Ich erlaube mir, das Thema Italien noch ein wenig weiter auszuführen. Vielleicht nenne ich das jetzt einfach Italienwoche im fiftyfiftyblog. Egal. Ich schreibe einfach. Über einen Abend in der Piper Bar. Wir waren den ganzen Tag unterwegs gewesen. Die Kinder waren alleine unterwegs, Ela und ich hatten uns an der Küste eine kleine nette Bucht gesucht. Hatten gelesen. Mein Buch: Maarten ‚t Hart, Der Schneeflockenbaum. Wieder sehr, sehr schön zu lesen. Diese Niederländer, was dieses kleine Land an guter Literatur hervorbringt. Europa.

Ich ging allein in die Piper Bar, um den Sonnenuntergang zu sehen. Aperozeit vor dem Essen. Ist die Sonne untergegangen, leert sich die Bar im Handumdrehen. Vorher: Italienisches Leben. Alle haben ein Birra Media oder ein Spritz, das Modegetränk der Saison. Oder der letzten Saison? Kein Ahnung. Auf jeden Fall ist das Aperol mit Prosecco und einem Spritzer Soda sowie einer Orangenscheibe und Eiswürfeln. Und es gibt Snacks. Oliven, Pizzastücke, Chips. Ich ergatterte einen Tisch in der ersten Reihe und hatte mir Die Zeit mitgenommen, weil ich Lust auf Input hatte. Vorher hatte ich mich mental gewappnet, dass mich dieses erneute Aufbranden der Finanzkrise mit Börsendesaster und so weiter nicht anficht. Also saß ich da, las unter anderem einen Artikel über die Festung Europa, trank Spritz und sah der Sonne zu, wie sie ihren Bogen am Horizont schlug. Irgendwann beleuchtet sie den Felsen rechts der Bucht und lässt dort die einzelnen Bäume schimmern. Dann sieht der Fels aus, als sei er der Rücken eines Dinosauriers, der den Kopf unter Wasser getaucht hat.

Ich las über Europa und dachte an einen mare Artikel über Lampedusa, in dem es um das Schicksal einer Bootsbesatzung afrikanischer Flüchtlinge ging, von denen es nur wenige zum rettenden Ufer geschafft hatten. Sehr bewegend zu lesen. Und als ich so auf das Meer schaute und am geistigen Horizont Libyen, Tunesien, Sudan, Äthiopien, Somalia auftauchten, da fiel mein Blick auf einen schwarzen Mann, der in den Wellen tobte. Klingt jetzt vielleicht kitschig und ausgedacht, aber es war so. Plakativ. Der Mann spielte im Wellenschaum mit seiner kleinen Tochter. Die war vielleicht zweieinhalb und hatte noch diesen Babyspeck und den tapsigen Gang. Sie lief in die Wellen, die Wellen kamen und sie lief unsicheren Schrittes zurück. Im Vertrauen auf ihren Baywatch-Papa, der sie keine Sekunde aus den Augen ließ. Ein so schönes Bild. Das klare Licht der untergehenden Sonne. Der Mann trug eine Badehose in hellblau und rot. Das Mädchen einen kleinen Rüschenbadeanzug. Die beiden sahen wahrlich nicht wie Flüchtlinge aus. Dennoch musste ich an Europa, Afrika und Lampedusa denken.

Es könnte so schön sein. Die Menschen werden gerettet, kommen nach Europa, spielen mit ihren Kindern lachend in den Wellen. Ich weiß, so einfach ist das nicht. Aber warum eigentlich nicht? Wovor haben wir Angst? Das nicht genügend Platz am Strand oder in der Piper Bar ist? Oder es zu wenige Jobs gibt? Oder was? Ich meine, wenn die Menschen ihr leben riskieren, um nach Europa zu kommen, weshalb helfen wir ihnen dann nicht? Geld überweisen, Entwicklungshilfe schicken – das machen wir doch seit Jahrzehnten. Deutschland schrumpft. Wir haben bald zu wenige Menschen. In der Perspektive einen Mangel. Woran liegt es dann, dass wir Europa versuchen abzuschotten? Welchen Zweck hat das? Ich hab es da in der Piper Bar nicht verstanden und verstehe es auch jetzt nicht. Europa beteiligt sich an Kriegen, um Freiheit zu erreichen. Demokratie. In Libyen, Afghanistan, Irak, im Kosovo. Weshalb können wir Friedens- und Freiheitsarbeit nicht auch gezielt rund um die Flüchtlingsfrage leisten?

Ein großes Thema, bei dem sicherlich die Meinungen auseinandergehen. Für mich war es einfach an dem Abend so etwas wie eine sichtbare Vision eines guten Miteinanders. Klar, schön und weich gezeichnet. Urlaub! Aber dennoch: Warum kann es nicht so sein?