Deauville

Am Strand der Sehnsucht
die Flügel auspacken

Diese Wahrheit
unter den Füßen

Schauen
sehnen

Schweben
fallen
fliegen

Küssen

Am Ende
küssen
müssen

Grüne
blaue
Augen

Tiefe
Weite
nur ein Boot
dort draußen

Und spratzende Gischt

sEPTEMBER 2017

Von der schönen Liebe in Zeiten des Bundestagswahlkampfs

Nicht mehr so oft schreiben. Nicht mehr so viel produzieren. Lieber warten, reifen lassen, sich die Fragen stellen.

Dieser Bundestagswahlkampf beschäftigt mich. Seit geraumer Zeit versuche ich, dahinter zu kommen. Es war mein innerer Plan, verstehen zu wollen und dann darüber zu schreiben. Nun habe ich ein Bild und eine Überzeugung, weshalb die Dinge so kommen, wie sie kommen werden. Das wollte ich dezidiert darstellen und auseinanderlegen. Differenzieren. Insbesondere nach einem Gespräch mit einer Freundin auf Norbert van Ackerens Atelierauflösung am Wochenende. Wir haben über Politik gesprochen und sie forscht in dem Bereich. Ich hatte ein Interview gelesen, das aus ihrem Haus stammt.

Die Dinge gehen auf und wenn man sich lange genug Gedanken macht, weiß man plötzlich mehr. Und dann ist es so banal und kaum mehr der Rede wert. Ich mag darüber nicht mehr schreiben. Mein Stimmzettel liegt bereits im Rathaus und wartet auf Begleitung. Es liegt nicht mehr in meinen Händen und es kommt, wie es kommen muss.

Was wichtiger ist als die Politik, ist die Liebe. Die schöne Liebe. Tun, was getan werden muss, und leben, was gelebt werden kann. Auch wenn sich die Menschen die Parolen an die Köpfe schmettern ist da immer noch das, was uns ausfüllt. Erfüllt.

Es kann nichts passieren, wenn man liebt. Wenn dieses Gefühl bis in die Zehen- und Fingerspitzen geht. Wenn es flutet. Wenn es kribbelt, als wäre man am Anfang des ersten Tages.

Manchmal verliere ich das Wesentliche aus dem Blick. Manchmal lasse ich mich ablenken und mein Geist flieht in merkwürdige Aufgaben, die eigentlich nicht meine sind. Da ist diese Neugierde, der Wille, irgendwo hinter zu schauen, irgendetwas Obskures zu verstehen. Wie dieses Internet, die Social Media, diese politischen Abstraktionen in Washington, Ankara, Mossul, Kobane, Rakka.

Don Quixote de la Mancha.

Fatamorganen. Facebook. Twitter. Die Klarstellungen, Behauptungen, Positionierungen, Kampfansagen, Beleidigungen, Herabwürdigungen, das sich drüber Stellen, Runtergucken, Verachten. Die Versuche, sich gegenseitig zu beleidigen – im Sinne einer vermeintlich guten Sache. Dieser Wahlkampf war langweilig? Er war abscheulich. Als hätten wir alle diese Demokratie nicht verdient.

Die wirklichen Fragen haben wir alle gemeinsam schön ausgeblendet. Wir haben eine Chance vertan, die sich nur alle 4 Jahre bietet. Wir haben nicht wirklich diskutiert, gesprochen. Waren nicht neugierig und offen. Alle wussten schon alles. Wie der Hase läuft und wie es zu geschehen hat. So viele Bundestrainer auf dem Platz.

Ich bin nun froh, dass es vorbei ist und freue mich über die Erkenntnis, das Liebe stärker und wichtiger ist als alle Politik. Sie erfüllt mich und gibt mir allen Grund, sie zu wählen und mich für sie einzusetzen. Ich wähle die Liebe. Die schöne Liebe. Die erfüllende Liebe. Die bewegende Liebe. Die Liebe, die so stark und präsent ist. Die nächsten Tage werde ich auf allen Plakaten nur noch Herzen sehen und Liebesbotschaften. Schreibt, was ihr wollt. Schreit, was ihr wollt. Ich werde Odysseus sein mit verschlossenen Sinnen und offenem Herzen.

Ich liebe dich. In Schwere und Leichtigkeit. Bei Sonne und Sturm. In Italien und im Auto auf dem Weg zu dir. Das ist meine letztliche Erkenntnis dieser Bundestagswahl 2017. Manchmal sind die Dinge so einfach.

Essen!

Mangiare!

Es gibt diese Momente, in denen Essen alles ist. Und viel mehr. Am Wochenende überkam mich dieses Gefühl. Es zu tun. Zu kochen. Nicht so, wie man es immer tut. Zutaten, Töpfe, schnippeln, rühren, fertig. Nein. So mit Inspiration und Vorbereitung und Vorfreude.

Ich muss ein wenig ausholen. Mein Freund Andreas würde jetzt sagen: Komm zum Punkt! Muss man ja nicht immer. Nehmen wir es als Vorspeise. Seit einem Jahr wohne ich nun hier. Etwas länger. Für die Chronik: 6. August 2016. Seither hatte ich es nicht geschafft, so richtig für Ordnung zu sorgen. Der Keller war das Sorgenkind. All die Umzugskartons. All die pappverpackte Vergangenheit. Ich mochte nicht. Anfassen, anrühren, öffnen. So standen sie und versperrten den Weg und zogen eine Spur des Hinderns bis rauf in die Wohnung. Die Küchenschränke ließen sich nicht aufräumen, weil es für die überschüssigen Teile keinen Platz gab.

Das sind diese Verkettungen. Der Umstände. Samstag. Ich hatte vorgearbeitet, Schwerlastregale gekauft, aufgebaut, ins Chaos geschoben. Nun musste noch irgendwie eine Ordnung her. Diese spezielle Ordnung für meine Kisten und mein Leben. Kindersachen, meine Erinnerungen. Wie viel haptische Erinnerung braucht man? Aber Freitag ahnte ich schon, dass mir Samstag die Küche wieder ein Stück mehr gehören würde.

So fasste ich neben dem Plan der Kellerordnung einen weiteren. Ravioli. Selbstgemacht. Mit einer irgendwie gearteten Pfifferlingsfüllung. Also warf ich schon einmal die Zutaten für den Nudelteig in eine Schüssel. Wog, rührte, knetete und packte ihn in Folie und in den Kühlschrank. Um Samstagmorgen den Ausritt mit Herrn Cooper für die Pfifferlingsjagd zu nutzen. Denn: YEP! Mittlerweile, fast hatte ich schon aufgeben wollen, habe ich 4 (!) ertragreiche Stellen im Wald gefunden. Zwei in der Nähe, zwei ein Tal weiter. Es reichte. Deutlich. Mein Korb gut gefüllt.

Während ich im Keller räumte, überlegte ich, wie ich vorgehe. Die Füllung. Ich entschied mich zwischen Kistenleeren, Wegschmeißen und Einräumen für Pfifferlinge, Paprika, Frischkäse und Parmesan. Knoblauch, Zwiebeln anschwitzen, Paprika hinzu, die zerbröselten Pfifferlinge. Schön Einkochen. Flüssigkeit reduzieren, weil der Nudelteig die nicht verkraftet. Dann wird alles matschig. Also Geduld und kleine Flamme und irgendwann Frischkäse und Parmesan. Und zwischendurch Kräuter. Das Scharfe der Pfifferlinge mit Pfeffer und Chilli unterstützen. Das Olivenöl, die Zwiebeln und den Knoblauch mit Thymian und Rosmarin unterstützen. Mögen sie Freundschaft schließen. Später frische Petersilie hinzufügen, kurz bevor es so weit ist.

Den Teig durch die Nudelmaschine laufen lassen und zum Trocknen aufhängen. Derweil die frische Tomatensauce kochen. Olivenöl, Zwiebeln, Frühlingszwiebeln, Knoblauch, frische Tomaten, Pfeffer, Chilli, Thymian, Rosmarin, später Oregano und einige andere kleine Freunde aus dem Gewürzregal. Ich hatte noch eine Dose Tomaten aus Italien. Die sind röter, schöner, intensiver, italienischer. Dieses wunderbare Abschmecken. Wie sich der Geschmack entwickelt. Kleine Dosen, Annäherung. Gaumenfreuden. Erwartung, Hoffnung, Entzücken. Das ist Kochen. das ist die Freude. das ist das Überraschende.

Die fertigen Teigflächen auf den Tisch legen. Kleckse mit Füllung drauf verteilen. Mit Teig zudecken. Die Teigflächen ineinander drücken, die Füllung sicher einsperren. Ravioli formen. Mit den Fingern. Das Wasser aufsetzen.

Mein Vater hatte einen Freund, der hieß Pajatz. Mit Spitznamen, nehme ich an. Das war in der Jugend meines Vaters, als er Dolly genannt wurde und kein Fest ausließ. Er spielte Klavier, tanzte, rauchte, soff, verführte, lebte. Und wenn es bei uns etwas leckeres zu essen gab, später, sagte er: „Kinder, wie hat mein Freund Pajatz immer gesagt: Dolly, so ein bisschen was Fressen ist doch was Schönes.“

Ja, das ist es. Die gefüllten Ravioli ins Wasser. Warten. Herausnehmen, servieren, Tomatensauce, ein wenig Parmesan. Ui. Ja. Lecker. Die Füllung, die Sauce. Heijeijei. Feiner Geschmack.

Meinen Kindern sage ich immer, dass es sich lohnt, sich mit dem Kochen zu beschäftigen. Dieses Gefühl zu entwickeln, was passt, was zusammengehört, welche Gewürze die richtigen sind. Welche Temperatur man braucht, wie viel Zeit. Man kann sich selbst verwöhnen und beschenken. Man kann sagen, ja, jetzt koche ich was. Und wenn dann Pfifferlinge da sind. Wie heute nach dem Fußball. Ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Manchmal mag ich nicht. Und dann. Ein wenig Olivenöl, Pfifferlinge, Kräuter, Eier. Man müsste immer frische Pfifferlinge im Haus haben.

Jetzt bin ich satt, glücklich und gehe schön schlafen. Morgen ist ein neuer Tag. Ein neuer Tag mit aufgeräumtem Keller. Irgendjemand hat einmal gesagt: Der Keller steht für die Vergangenheit, der Speicher für die Zukunft. Okidoki. Ich bin bereit, beides mit offenen Armen anzugehen. Das Leben küssen. Warum nicht. Und Pfifferlingsstellen suchen. Besser: Finden:) Zweifelsohne braucht man frische Pfifferlinge. Zwingend.

DAVIDs DISPOSITION im Kulturhaus Zanders

David Grasekamp stellt aus. In Bergisch Gladbach im Kulturhaus Zanders. Sie haben ihm die Villa gegeben und er durfte. Wie er wollte. Hat er getan.

Was er getan hat, ist wild. Es wirkt. Anders, als man vermutet. Unter DIS-POSITIONEN verspricht er im Ausstellungsflyer Meditationen / Installationen / Objekte zur Malerei. Neben der Beschreibung steht ein Zitat von Ludger Schwarte aus seiner Veröffentlichung Notate für eine künftige Kunst. Unter anderem heißt es da: Eigenschaften der Dinge, Formen, Farben, Gerüche, Tönungen und Töne sind nicht die Grenzen, in denen Dinge eingeschlossen sind, die Differenz zu anderen Dingen, sondern die Weise, wie ein Ding in einem Raum wirkt, die Anwesenheit, die von einem Ding ausgeht.

So.

Wir nähern uns. DAVID hat das auch gemacht. Er hat sich zunächst in seinem bisherigen Kunstleben dieser Ausstellung genähert. Dann hat er für uns Zuschauer und Gäste in einer eindringlichen, sehr ruhigen, besonnenen Einführung Brücken gebaut. Danke. Es braucht den Kontext. Nicht, weil die Werke nicht für sich sprechen. Nein. Weil es um etwas Größeres geht. Das Zitat lässt es schon erahnen, in dieser Ausstellung ist etwas Theoretisches im Konkreten hinterlegt. Es ist eine tiefe Auseinandersetzung mit Kunst und insbesondere mit der Malerei.

Und so kommt es letztlich tatsächlich weniger auf die Objekte an, sondern auf die Botschaft. DISPOSITION. Etwas steht zur DISPOSITION. Es kann gegebenenfalls wegfallen.Ersetzt werden oder einfach auch aufgelöst. DAVID hat die Malerei in dieser Ausstellung dem Betrachter konsequent entzogen. Es gibt keine Malerei von DAVID im Kulturhaus Zanders.

Was macht er da? Er verweigert. Er malt nicht. Da sind weiße Leinwände. Da hängt eine bespannte Leinwand an der Wand und das Tuch ist an drei Seiten herausgeschnitten. Nach vorne gefallen liegt es auf dem Boden. Fast könnte man meinen, das Bild würde einem die Zunge herausstrecken.

In einer Ecke steht ein Bild in schwarze Folie verpackt. Kein Einblick. Auf einer Fensterbank liegen bespannte Rahmen übereinander. Vielleicht 10 Stück. Man ahnt, dass sie schwarz bemalt sind. Das obere zeigt den Rücken. Einblick verweigert. Kein Zugang. Auf einem Paletten-Hubwagen liegen in schwarze Folie verpackte Bilder. Kein Einblick. In einem Raum stehen verschlossene Transportkisten einer Kunstspedition. Verschlossen. An einer Wand steht eine monströse Leinwand. Weiß. Nichts. Nichts?

DAVID fordert die Betrachter. Aber nicht nur das. Er fordert die gesamte Kunstwelt. Was ist diese Kunst heute? Was sind die Kunstmessen in Basel und Köln? Was sind diese bespannten, bemalten Rahmen? Weshalb hat die Deutsche Bank in London dieses museale Foyer mit diesen riesigen Schinken zeitgenössischer Malerei? Ein wenig ist es wie im Fußball. Neymar für 220 Millionen zu St. Germain. Der Baselitz für. Der Beuys. Koons. Richter. Johns. Ein Lehmklumpen für Jonathan Meese. Hände rein, mansch-mansch, verkauft. Das Original.

Was sehen wir eigentlich, wenn wir Kunst sehen? Was sind die Kriterien? Und weshalb wird immer verglichen? Der mit dem. Jenes mit solchem.

DISPOSITION wirkt wie ein Weißabgleich. Alles auf NULL. Das habe ich gespürt, als ich in dem Raum saß. Ein kleiner Raum, zwei Fenster, eine Tür, ein Stuhl, eine weiße Wand und der Betrachter. In diesem Fall ich. DAVIDs Worte im Ohr, die Nicht-Malerei im Blick, die Projektionsfläche von einem Malermeister geweißt. Was weiß ich über Malerei? Was weiß ich über Kunst? In dieser Ausstellung verschwinden die Formen, die gemalten Inhalte, die Pinselstriche, all die Dinge, die zu sehen sind. Keine Farben. Weißabgleich im Kopf, im Hirn. Schaut doch mal hin! Seht doch mal hin! Spürt doch mal nach! Haut euch doch all die Kunst nicht wie Fastfood rein. Schlange stehen am Louvre und dann zur Mona Lisa, 35 Sekunden. Wie war die Mona Lisa? Gut. Echt gut. Schon richtig gut gemalt. Sollte man mal gesehen haben. Wie war die Ausstellung? Was hast du empfunden? Welche Gedanken hast du? Was macht das mit dir? Respekt erweisen. Möglichkeiten nutzen. Denkende, wahrnehmende, mitarbeitende Gesellschaft sein.

Ich mag die Ausstellung DISPOSITION sehr. Sie ist intelligent, sie ist rational auf den Punkt durchdacht und darüber hinaus ist sie hoch emotional, weil sie ermutigt, nachzudenken und nachzuempfinden. Es ist emotional ästhetisch, nicht hinter die Folien schauen zu können. Es ist der Gedanke, dass Kunst nicht liefern muss. Das sie nicht verpflichtet ist, sich uns in Schönheit, Krassheit, Anmut oder Botschaft zu präsentieren. Einen Scheiß muss sie. Nichts muss sie. Sie gehört sich allein und darf sich verschließen und tun und lassen, was sie will. Das ist die Freiheit der Kunst, die gerade beschnitten wird. Auf unterschiedliche Art. Der Streit um die politische Korrektheit und das Verschwinden von Werken, die nicht passen, weil sie anstößig sein könnten in ihren Positionen. Das hat Bedeutung für die Malerei. Das ist eine starke Vorgabe, was auf die Leinwand darf. Und was nicht.

DISPOSITION ist eine kraftvolle Neuausrichtung. DISPOSITION hat mit der Eröffnung am 3. September 2017 etwas sehr Neues erschaffen. Eine Stunde Null. Fangt noch einmal neu an. Die Welt der Leinwände ist weiß und frei und grenzenlos. In der Verweigerung der Farben ist DISPOSITION eine Auslöschung, die mit den wunderbaren Mitteln der Kunst Kunst und seine Konsumenten hinterfragt und inspiriert. DAVID sprach von Dystopie und Utopie. Es gibt eine Verzweiflung und eine Hoffnung. David Grasekamp hat sich dem Thema mit einer immensen Kraft und Klarheit gestellt. Die Ausstellung sollte über die Tate ins Guggenheim ziehen. Aber letztlich ist es egal, wo sie stattfindet. Der Gedanke ist ausgesprochen und in der Welt. Und da gehört er hin. Als Leuchtschrift oben an den Himmel über alles.

Wenn ich wie du Leser dieser Zeilen wäre, würde ich die Gelegenheit nutzen und mir die Ausstellung ansehen. Die Ausstellung läuft bis zum 24. September, hat außer montags und freitags täglich von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Und das Beste: DAVID ist da. Immer. Ansprechbar. Macht mal, geht mal hin. Lohnt sich wie selten.

Weitere Infos hier.