Lichter der Nacht

durchgang

Habe ich euch, habe ich meinem fiftyfifty-Tagebuch schon erzählt, wie ich Viveka kennengelernt habe? 2011 war das. In Italien. Levanto. Ein Jahr später habe ich sie dort wiedergetroffen. Ich war relativ frisch getrennt und experimental mit dieser kompletten Patchwork-Combo unterwegs. Mir ging der Arsch auf Grundeis und mein persönliches Ziel dieses Urlaubs war, irgendwie den Kopf über Wasser zu halten. Manchmal muss man im Leben ganz kleine Brötchen backen.

Dann kam es anders. Plötzlich verbrachte ich die Nächte mit Viveka am Strand. Bis in die frühen Morgenstunden haben wir am Meer gesessen und dem Mond zugesehen, wie er von Nacht zu Nacht praller wurde. Wir waren ganz alleine an einem der schönsten Orte der Welt. Alles lag uns zu Füßen und das Meer war so schön und der Himmel unbeschreiblich und das Gefühl nicht zu toppen.Die Nächte waren so außerordentlich warm, dass T-Shirts bis zum Morgengrauen reichten. Und Sternschnuppen fielen ins Meer. Es war einfach unglaublich.

lichtball

Wir saßen dort, schauten aufs Meer und redeten die Nächte durch. Viveka fragte mich, ob wir einmal ausgehen würden. Ja. Und ob. Da war die Via del amore in den Cinque Terre noch geöffnet. Und es gab diese kleine Bar am Felsen, in der man direkt am Abgrund saß und weit über die Bucht von Monterosso schauen konnte. Vorher hatten wir in Riomaggiore Fritto Misto in der Papiertüte gekauft und auf einem Felsen gegessen. Viveka hatte eine freche Möwe gefüttert. Die Via del amore. Diesen Weg am Meer entlang, die Skulptur der Liebenden, durch die man aufs Meer schaut, die Wände voller gemalter Herzen. Zwei Spritz in der Bar und diese Frage in meinem Kopf, weshalb sich Brad und Angelina nicht jeden Abend hierher fliegen lassen? Das hatte ich mich tatsächlich gefragt. Mein Glück war überbordend.

Es war geschehen. Das Meer, die Sternschnuppen, die Wärme. Italien. Wir haben uns verliebt. Das ist nun über vier Jahre her.

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Seither sind wir unterwegs. Am Wochenende. Von hier nach dort und zurück. Und seither haben wir so viele Nächte zum Tag gemacht. In Paris, Dresden, Hamburg, Essen, Köln, Stuttgart, Aachen, Duisburg, Mannheim und wieder Paris. Wir sind beide Widder. Viveka ist am gleichen Tag geboren wie mein Vater. Und: Viveka ist Ostersonntag geboren. Ich bin Ostersonntag geboren. So sind wir einander nah und es gibt Dinge, in denen wir gleich funktionieren. Eines ist das Laufen durch Städte und Nächte.

riesenrad

Wir gehen weite Wege. Die erste Nacht in Paris sind wir durchlaufen. Bis zum Eiffelturm, die Seine entlang zurück und nur das letzte Stück mit dem Bus wieder zum Montmatre. Ich liebe es, mit Viveka durch Städte und Nächte zu laufen. Und mit ihr über diese Städte und Nächte zu sprechen. Oder in diesem Blog all die Bilder aus diesen Städten und Nächten zu sehen. All das liebe ich. Und noch mehr liebe ich sie.

Der letzte Ausflug: Das letzte Wochenende in Essen. Lichterfest. Ein illuminiertes Riesenrad. Gebäude in Farben und Klänge gehüllt. Und zwischendurch diese ganz normalen Lichter der Nacht, die so schön sind. Weil bald St. Martin ist, teile ich sie, was ich manchmal, aber nicht immer mache, unverweilt mit euch. Die Nacht ist so faszinierend wie das Licht. Danke, Essen.

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dank

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Kommt es anders als man denkt

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In erster Linie mag ich es, meinen Vater zu zitieren. Rolf Schönlau, leider nicht mehr unter uns. Aber bis heute, und ich hoffe noch lange, ein Quell der Inspiration. Vielleicht, ich denke schon, der Urheber meiner kleinen Sprachobsession. Er hat, unter anderem, mit Sprache gespielt. Irgendwie, ich weiß auch nicht, kann ich mich dem bis heute nicht entziehn. Ein Erbe, eine Richtung, eine Determinante. Mein Papa. Man hat nur einen. Und meiner, Herr Schönlau, nun, er bleibt besonders.

Er sagte: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Nun. Dieses Wochenende habe ich mein neues Wohnprojekt verlassen und bin nach Essen gereist. Raus. Aus Verträgen, Überweisungen, Renovierungen, Plänen, Gestaltungen und dem Allerlei des Wandels.

Es ist eine vertrackte Situation. Alles ist gut, könnte ich sagen, schreiben. Gudrun war da, Gudrun, mit der ich, unter anderem, im Studium die Italienische Reise nachgefahren bin. Ende der Achtziger. Sie war in der Nähe. Sie hat meinen Weg begleitet. Kennt Nosbach, Jim, Zoe. Und sie sagte: Jens, dein neues Haus ist so schön ruhig und warm.

Voila. Merci.

Ein schöner Abend. Die alten Zeiten, sie kennt mich, weiß.

Ab Freitag dann Essen. Viveka. Wir hatten einiges zu tun. Unter anderem Pizza backen. House Party. Vivekas Sohn, Gil. Patchwork bedeutet, flexibel bleiben. Einstellen auf andere Situationen. Vielleicht hält das jung.

Samstagabend Essener Lichter. Illuminationen in der City. Das Riesenrad, das neue Funke-Haus, die Gewässer im neuen Uni-Viertel, das Warenhaus, die Kreuzkirche. In Licht und Musik gehüllt.

Es ist schön, in einem reichen Land zu wohnen, das die Sinne umgarnt. Die Augen, die Ohren. Lichter, Klänge, Inszenierungen mitten in der Stadt. Einfach in die S-Bahn steigen, ein paar Meter gehen und sehen und staunen.

Beeindruckend.

Und was hat mich dann letzen Endes fasziniert? Der Blick in die Tiefgarage. Der Mann, der auf mich zukommt. Irgendwie beginnen mich Menschen zu reizen. Ich lichte sie heimlich ab. Tue so, als würde ich etwas anderes fotografieren und schauen, dass die Gesichter nicht zu erkenn sind. Privatsphäre. Es ist an der Grenze zum Voyeurismus. Aber, Menschen, was soll ich sagen, sie strahlen.

Deshalb: Das Foto oben. Es gäbe so viele andere. Inszenierte Lichter. Aber, ja, die Tiefgarage ist es geworden. Eigentlich hatte ich die Bilder der illuminierten Gebäude zeigen wollen. Aber dann war der Reiz stärker. Es kommt anders. Als man denkt.

Nun sitze ich in meinem Bett. Sichte, schreibe. Ein besonderer Tag. Heute haben Viveka und ich die Texte zusammengestellt. Januar 2017. Eine Lesung. Nimmt Form an. Noch gibt es Terminkollisionen, aber ich hoffe, das haut hin. Dann würde Herr Schönlau zurückkehren auf die Bretter, die die Welt bedeuten. Ich habe große Lust. Und das Gefühl, etwas sagen zu wollen. Immerhin. Wie auch immer, es ist ein aufregendes Gefühl.

kreuzkirche

u-bahn