Ich gehe mal…

Gehen. Heidegger, Bernhard, Kant. Und ich stelle mich jetzt auch einmal in diese Reihe, aber nur, weil ich auch Geher bin. Morgens. Gehen ordnet irgendwie die Gedanken. Irgendwie bedeutet in diesem Falle, dass ich denke, dass im Kopf neuronale Verbindungen zwischen dem Denkzentrum und dem Bewegungszentrum bestehen. Wird das eine Zentrum aktiviert, strahlt es auf das andere aus und es beginnt eine gegenseitige Beeinflussung. Gehen. Denken. Denken. Gehen. Die Ströme laufen, die Aktionspotenziale schwirren. Es lebt. Es bewegt sich. Beides. Körper, Geist. Die Definition Mensch. Ich. Ego. Alles.

Ich bin unterwegs im Maikäfertal, um Herrn Cooper zu bewegen. Und mich auch. Gedanken ordnen. Da sind gerade so viele. Parallelwelten, obwohl es die ja gar nicht gibt. Ist ja alles eins. Die Welt ein einziger Müsli mit Zuckerstückchen, Nüssen, Haferflocken und der warmen Milch, die mütterlich alles zusammenhält. All die Atome, die wir uns alle schon geteilt haben. Eines von hier, eines von da. Nur Struktur, elektronische Verbindung, Zusammenhalt auf Quark-Ebene. Gedanken, Bilder, Töne. Nach dem Wochenende schwirrt mir immernoch die Musik durch den Kopf. Tage wie dieser rauf und runter. Heute Morgen habe ich mit den Kühen zu DJ Antoine feat. The Beat Shakers – Ma Chérie getanzt. “When I’m looking in your eyes, I see rainbows in the Sky.” Wie schön das klingt. O.K. Gelogen. Das mit den Kühen, nicht das mit den Regenbögen. Die wollten nicht. Die Kühe. Lagen auf der Wiese in der Ecke und haben gepennt. Die hatten alle ne Tasse Kaffee vor dem Frühstück in der Hufe. Das ist jetzt aber die Wahrheit. Und Schokocroissants, die sie kollektiv nicht anrührten. Vielleicht wird die Milch dann Kakao. Und die Augen so halb offen: Sprich uns bloß nicht an…

Also ging ich und dachte und pfiff Ma Chérie und war wieder im Wochenende und in Italien und dann auch wieder hier und bei Jobs und den Kindern und… Ja. Wie schnell man mit dem großen Prozessor zwischen den Ohren die Orte wechseln kann. Tatsächlich können wir uns in jeder Sekunde wegbeamen. Scottie, mach was. Hierhin, dorthin, in jenes Gefühl oder in das da. Verreisen. In sich. Als bekennender Highlight-Junkie mag ich das sehr. Die Rosinen rauspicken. Einsteigen. In die emotionale, berührende, bewegende, spaßversprechende Ebene. Dort, wo alles bunter, lauter, wilder ist. Abflug, Rocket I. Next Planet.

Und dann wieder Alltag. Kinder, Brote schmieren, Job, Steuer, Kundentermine, Autoreparaturen, diese blöde kleine Plastikleiste hinten am Kombi, die da so fies hängt und 70 € kosten soll… Auch drin. Im Müsli. Alles. Und noch viel mehr.

Morgen wird der fiftyfiftyblog zwei Jahre alt. Es wird einen großen Sektempfang im Rathaus geben und die Zeitungen werden berichten und die Toten Hosen kommen, um es mir live zu singen. Gut. Auch gelogen. Habe heute einen Clown gefrühstückt. Gar nicht so einfach, immer wieder im Hier und Jetzt zu landen. Langsam mit dem Fallschirm zu Boden trudeln und die Welt von oben sehen. Ich mache mir jetzt einen Cappuccino, setze mich zu den Kühen und rede übers Wetter. Die lagen da tatsächlich im Nebel und kauten vor sich hin. Kauen und denken. Jede Kuh für sich. Nix kuscheln oder so. Scheinbar kuscheln Kühe nicht. Die gehen morgens auf die Wiese, legen ihr Handtuch hin und der Tag ist gelaufen. Verstehe einer diese verrückte Welt.

Alles ist das NICHTS dazwischen

Der Raum der Stille.

Ja, liebe Menschen an den Endgeräten in den heimischen Räumen, es wird esoterisch. So ist das, wenn man mit einem Menschen zusammen lebt, der gerade eine Yoga-Ausbildung macht. Da fällt plötzlich, als Ergebnis jahrzehntelanger Suche, Diskussion, Auseinandersetzung Manna vom Himmel. Erkenntnis, Erleuchtung, Wohlgefühl, Ergebnis, Geschenk, next step… Und natürlich weitere Irritation. Frage. Antwort? Bleiben wir mal schön auf dem heimischen Teppich. Mit beiden Füßen in Wolle.

Gestern habe ich angekündigt, heute über ein bestimmtes Thema zu schreiben, auf das Ela mich gebracht hat. Das war mal wieder verrückt, weil dieses Thema auf 13 dicht beschriebenen DIN A4-Seiten abgehandelt wird. Wann sollte ich die lesen? Gestern Abend? War der Plan. Da ich aber seit Monaten im Plan B lebe, hat das nicht geklappt. Ich durfte andere Dinge tun, die mir besser gefallen haben. Mit Menschen reden. Hier, dort. Egal. Wo war ich?

Plan B. Wecker auf 6 Uhr, Ela hat mich mit einem Cappuccino versorgt (was zeigt, dass es sich lohnt, nett zueinander zu sein, auch wenn man annehmen könnte, man solle das nicht tun, aus den aberwitzigsten Gründen, die aus dem tiefen inneren Meer als Brandungswellen mit enormer Kraft herauffluten…). Wach. 13 Seiten. Dr. Deepak Chopra. Amerikanischer Arzt indischen Ursprungs. Heilsverkünder, reicher Mann, Guru der Alternativ-Medizin, Mittler zwischen Wissenschaft, Glaube, Esoterik, New Age. Medizinmann einer Hollywood-Generation. Der FOCUS nennt ihn “Guru mit Homepage und Apps” und kann sich nicht entschließen, ob er ihn hochleben oder verdammen möchte. Ein sehr unentschiedener Artikel…

Nun stehen die Zahlen 0724 unten rechts auf meinem Bildschirm und ich bin 13 dicht beschriebene Seiten klüger als zuvor. Aber wie mache ich es, euch 13 Seiten hier auf wenige Sätze einzudampfen? Nun. Machen wir es so, wie immer in diesem Blog. Reden wir über das Leben.

Die Quintessenz: Was ist das? Leben? Unser Leben? Du, ich, wir? Chopra löst das alles auf. Unsere Körper und die Vorstellung von Wirklichkeit. Alles zerfällt in Atome und die Zwischenräume. CERN. Krawumm! Was ist wirklich? Das, was wir wahrnehmen? Ist das so? Jeder Mensch sieht die Welt anders. Niemand weiß, wie der andere das sieht. Schwarz? Rot? Konditionierung. Iwan Petrowitsch Pawlow. Wir sind seine Hunde. Bestimmt durch das, was wir glauben. Und was wir glauben, basiert auf dem, was wir als objektiv betrachten. Wissenschaftlich fundiert. Selbst erfahren. ECHT. FEST. DEFINITIV. BETON. CONCRETE. Ts.

Das hebelt Chopra aus. Er sagt: Nichts ist so. Am Ende des Tages alles Einbildung. Was wissen wir denn? What the bleep do we know? Wie tief sind wir eingestiegen? Das Gottesteilchen wurde gefunden, der Schlüssel zu allem? Chopra spricht über das Phänomen Zeit. Die ablaufende Uhr. Wir glauben, es gäbe einen Anfang und ein Ende. Alles sei begrenzt. Es würde eine Hülle geben, eine letztlich geschlossene Form. Doch wo ist der Anfang? Der Urknall? Die Schöpfung? Und was, bitte schön, war davor? Und was liegt hinter dem Ende des Universums? Wir nehmen Grenzen an, weil wir sie auf unserem Planeten erfahren.

Und so definieren wir uns selbst auch. Mit Grenzen. Der Vorstellung. Chopra sagt: 95% aller Gedanken (und das seien 60.000 am Tag) würden wir täglich denken. Da grüßt das Murmeltier. Diese Gedanken denken wir aber nicht nur. Sie sind keine wabernde, undefinierte Masse. Nein. Sie sind unser Leben. Yes. Bestimmt durch sich selbst. Wir sind ein sich selbst schaffendes System im Kontext der Welt. Was wir denken, sind wir, werden wir. Wir erschaffen uns. Täglich neu. Was wir heute denken, werden wir morgen sein. Glücklich, unglücklich. Der amerikanische Traum von du musst nur fest genug daran glauben, der hat was. In etwas anderem Sinne.

Krankheiten, meint Chopra, kommen zum Beispiel aus dem, was unsere Zellen leben. Angst, Krebs. Unglück, Herzversagen. Angeblich sterben die meisten Menschen auf der Welt am Montagmorgen. Genau zu der Zeit, zu der die Arbeitswoche beginnt. Unglück sei die Basis für die meisten Herzerkrankungen. Jede Zelle im Körper würde letztlich die Information tragen, die sich durch unsere Gedanken und Gefühle einschleicht. Klingt einfach. Wenn es uns gut geht, geht es uns besser. Wenn wir glücklich sind, ist jede Zelle glücklich. Das sieht man, habe ich gehört. Andere Menschen sagen plötzlich: Du siehst gut aus. Glückliche Menschen leuchten, weil alle Zellen Leuchtkraft besitzen und das nach außen tragen (sie bekommen dafür Lächeln als Antwort, was wiederum glücklich macht and so on). Wie machen Sie das nur? Chopra beschreibt das. Aber das würde hier zu weit führen. Ich muss noch arbeiten und ihr habt sicherlich auch noch was vor. Vielleicht lest ihr ja mal ein Buch von ihm oder schaute den Film “What the Bleep do we know?”, der meines Erachtens in eine ähnliche Richtung geht…

Zum Schluss möchte ich sagen, weil mich die Auseinandersetzung mit dem Thema WIRKLICHKEIT nun schon seit Jahrzehnten begleitet, was ich selbst denke. Erfahre. Aktuell. Nun. Bis vor einem halben Jahr habe ich an andere Dinge geglaubt. Heute bin ich ein anderer als im März 2012. Auf atomarer Ebene, weil dauernd alles ausgetauscht wird, aber auch gedanklich. Da sind einfach Dinge weggefallen, von denen ich immer geglaubt habe, sie würden mich definieren. Das wäre meine Wirklichkeit. So wie man eine Garage abreißen kann, so sind mir Dinge abhanden gekommen. Und ich bin froh, nun, da sie gegangen sind, dass ich sie nicht mehr habe. Sie waren aus Beton und haben sich dennoch in Luft aufgelöst. Paff. Weg.

Chopra: “Im Vorwort des Bestsellers “Eine kurze Geschichte der Zeit” von Stephen Hawking macht Karl Seger die folgende Aussage: Stephen Hawking hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Geist Gottes zu verstehen und ist zu dem Schluss gekommen, dass wir in einem Universum ohne Anfang, ohne Ende, ohne Zeitbegrenzung und ohne räumliche Begrenzung leben.”

Wissen wir alle. Denken und leben tun wir was anderes. Weshalb ist das so? Woran hängen wir?

P.S. Der Vortrag von Dr. Deepak Chopra ist mit “Quantenbewusstsein” überschrieben und im Internet hier zu finden. Kleiner, lustiger Youtube-Clip dazu: hier.

Das Ding Liebe

Ist es nicht kompliziert? Wäre es nicht schön, wenn es einfach einfach wäre? Diese Liebe. Nur ein chemischer Prozess im Körper. Ein paar Hormone, die gemixt werden. Hier eine Verdrahtung im Hirn, dort eine Leitung gelegt. Letztlich für den Fortbestand der Menschheit. Und einige andere Annehmlichkeiten des Alltags.

Sie ist ein luftiges Wesen. Eher Fee als Erdbewohner. Eher trippelnde Leichtigkeit denn tragendes Gewicht. Immer in Bewegung. Immer auf dem Sprung, immer mit Flausen, Fransen, neuen Ideen im Kopf. Ich hatte einmal an die alte, alte, reife, wunderbare Liebe geglaubt. Diesen Zustand, wenn sie eingesickert ist, alles durchwoben hat, satt getränkt. Wenn sie überall liegt, in den Fotos im Kopf, im Geschmack, Geruch. Ein Hauch nur, ein Anflug und sie ist da. Auch leicht, auch tänzelnd, die erfahrene feine Dame. Nicht in Beton gegossen, nicht gezähmt, nicht die Hände gebunden. Vielleicht weise, vielleicht stiller, vielleicht tiefer. Auf jeden Fall ruhiger, weniger zehrend, fressend, gierend.

Die junge Liebe dagegen ist wie ein junger Hund. So schön anzusehen. Süß. Diese Augen, tapsigen Pfoten, das Unbeholfene. Herumspringen, herumtoben, Lebendigkeit. Zu schnell kommt der Übergang, das Herauswachsen. Das Sterne in Blumen in Gepresstes fürs Poesiealbum Verwandeln. Ein rasches Herabsteigen. Und dann? Kommt die Arbeit. Das Schleifen, Formen, Erziehen. Die Liebe erziehen? Wie einen Baum schneiden? Den Wuchs vorgeben? Die Richtung?

Wenn Zwei kommen und sich entscheiden, gemeinsam zu gehen, lauern am Wegesrand die Gefahren des Alltags. Das Profane drängt sich auf. Die Absprachen. Wer trägt was. Wie lang sind die Tagesetappen. Und überhaupt. Nach Tagen, Wochen, Monaten des Laufens kommt die Frage nach dem Ziel, dem Sinn und Zweck als Boden der Liebe. Dann trifft der Vermerk, der Verwaltungsakt das Zentrum der Gefühle und Leichtigkeit beginnt, sich kleine Gewichte ans Gewand zu heften.

Warum ist die Liebe nicht einfach einfach. Wieso gelingt es nicht, sie im Moment zu halten. Immer im Momemt, ohne jemals an Zukunft zu denken. Ich wäre heute an einem anderen Ort. Dort, wo es schön ist. Wo ich mich wohl fühle. Wohl gefühlt habe. Nun sitze ich hier und schreibe. Schreibe. Wie immer. Worte, Worte. Es ist der Morgen des 27. Aprils 2012. Logbuch. Die Segel gestrichen, unterwegs im ruhigen Gewässer, werden später den Sextanten hervorholen und sehen, wohin die Reise geht.

Mein Bruder wird heute 51 Jahre alt. Und ich sitze hier. Mache mir Gedanken über die Liebe. Versuche sie zu fassen und weiß, dass sie mir aus den Fingern flutscht wie ein glitschiger Fisch. Der Morgen war verplant für schöne Dinge. Es wäre gut gewesen. Kaffee. Reden. Nähe. Schließe die Augen für einen Augenblick. Atme tief. Aus dem Bild gehen. Zurückkommen. An den Schreibtisch. Die Realität. Die Realität, die Wirklichkeit, das Spiel und das Leben. Habe gleich einen Termin in Köln. Business. Texte. Geld. Handfestes. Zukunft. Erfolg. Würde.

Wie wollen wir verdammt nochmal leben?

How?

Gehen. Durch den Tag. Durch die Nacht. Gedanken. Was wird? Werden? Sein? Freud, Nietzsche. Die ewige Fragerei, der niemals stillstehende Moment der Entscheidung. Tiefe, Höhe, Fall, Eskalation, Kompromiss, Möglichkeiten, Abschätzungen, Wahrscheinlichkeiten. Züge. Geplant, geformt, ausgeführt, verworfen.

Was ist Leben?

Sich auf den Kopf stellen, die Perspektive wechseln.

These 1: Nichts ist.

Klingt esoterisch. Habt ihr eine Tür in eurer Wohnung, in eurem Haus, in eurem Sein, die offen steht? Könnt ihr rausgehen und die Welt mit anderen Augen sehen in jedem Augenblick? Oder hält euch etwas. Halt, Ort, Wichtigkeit. In jedem Augenblick ist es möglich, von Bord zu gehen. Das Schiff nach Übersee zu nehmen. Das Glück in der Ferne zu suchen oder ein Dorf weiter oder entlang der Autobahn dort hinten an der Abfahrt links. Nichts ist betoniert, was sich nicht auflösen ließe. Niemand zwingt zu irgendetwas. Nur wir selbst.

Blicke durch das Dachfenster. Hänge ein Gedicht auf. LOVE YOU.

Chatte, surfe, fliege.

Was ist Zukunft? Was ist der Plan? Und immer der Plan B. CDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ und dann? Hechten, laufen, planen, planen. Entlang der Wege, Koordinaten, Annahmen. Putzen, machen, tun, Zeit verlieren.

Ich habe doch die Erfahrung. Das Leben formt, gibt die Richtung, erzählt die Geschichte. Die Ziele, die Träume. Sie brauchen Ziel, damit sie wissen, wo die Reise hingeht. Bullshit. Sie brauchen ein Leben. Erst leben, dann planen. Erst fallen lassen, dann auffangen. Das Netz nicht bauen, wenn niemand in der Luft ist.

Kennt ihr Portishead? Habe mir gerade drei CDs bestellt. Sind gestern angekommen. Zwei Songs. Natürlich auf Facebook entdeckt. Over. Glory Box.

Glaubenssätze auflösen. Katharsis. Reinigen. Gewicht abwerfen. Konsequent sein.

These 2: Alles ist.

Jetzt. Hier. Möglich. Der Blick ist es, der die Hand führt. Entfesseln. Das Fernglas weglegen. Die Lupe. Hinsetzen. Geschehen, geschehen lassen. Es geschieht so viel. Der Mann, der an der Bushaltestelle sitzt und jeden Bus passieren lässt. Kein Ziel, kein Wunsch, kein Traum. Angekommen. Sitzt dort, lebt. Was geschieht, egal. Das Gespräch mit der alten Frau. Er sieht den Kuss des jungen Paares. Ein Kind fällt. Eine Zigarette wird weggeschnipst. Bilder, Leben, Fülle. Reichtum ohne zutun. Worauf hinarbeiten? Was noch, noch, noch erreichen wollen? Den höheren Berg? Den noch besseren Menschen?

Auf den Kopf stellen, die Perspektive wechseln. Rausgehen und schreien. Rausgehen und stumm betrachten. Rausgehen. Schutz aufgeben. Entschützen. Öffnen. Passieren lassen. Auf dem Bett liegen. Portishead hören. Zum Fenster rausschauen.

LOVE.

YOU.

YOURSELF.

ME.

Patchwork update X.0

Tja.

Was nun, Herr Schönlau?

Erst einmal eine Warnung für die amerikanischen und sensibleren Leser/innen des fiftyfiftyblogs. Der folgende Beitrag könnte Spuren von Seelen-Exhibitionismus enthalten. Sollten Sie zu Voyeurismus neigen oder schnell das Gefühl haben, sich fremdzuschämen oder peinlich berührt zu sein, empfehle ich dringend ein wegklicken. Ich weiß noch nicht, was kommt, aber es könnte intimer werden, als Sie sich das wünschen. Last Exit. WARNING! Keep out, if…

Heute habe ich Geburtstag. Danke! Ich weiß. Ihr seid wirklich gut zu mir. Ich werde 47 Jahre alt. Geweckt worden bin ich von der Familie. Die Tür ging auf, Zoe kam rein, Jim, Ela, Cooper. Mit einem Tisch und Blumen und Kerzen und Geschenken. Familienidyll. Jens war nicht dabei, aus Rücksicht. Ich hätte mich gefreut, aber es ist nicht ganz einfach, ein Familienleben zu ändern und Experimente Wirklichkeit werden zu lassen. Man muss an Träume glauben und gleichzeitig der Realität standhalten. Kein leichtes Unterfangen. In diesen Tagen spüre ich, was es heißt, zu Entscheidungen zu stehen. Ich sehe, was mein Kopf an Geschichten zu erzählen versucht. Welche Versionen abrufbar sind. Wie dicht Unglück und Glück nebeneinander stehen und es jeweils einer Entscheidung bedarf, eines von beiden zu wählen.

Das Unglück ist stärker. Die Geschichten sind weiter auserzählt und bequemer zu übernehmen. Da kann man sich dick und fett reinsetzen und bekommt dann Mitgefühl und Mitleid. Eine emotionale Falle. Die lauern hier gerade überall. Fettnäpfchen. Alltagskleinigkeiten, die das neue Leben dokumentieren. Gehe ich in den Schmerz? Gelingt mir die Freude? Mal so. Mal so. Wisst ihr, dass es schwieriger ist, das wahre Glück zu greifen? Sich intelligent zu entscheiden?

Heute habe ich mich entschieden, die Geburtstagsstory aus ganzem Herzen zu genießen. Das Geschenk anzunehmen und mich in dieses Gefühl des Getragensein durch Familie zu betten. Ich könnte jetzt behaupten: Das ist eine Lüge. Und Stimmen in mir flüstern das auch. Versuchen mir weiß zu machen, dass ich einem Trugbild aufsitze. Mich vom Leben verarschen lasse. Da ist so eine kleine Wut, die ich in letzter Zeit öfter spüre, die mich versucht in eine falsche Richtung zu lenken. Die Zügel anziehen. Die wilden Pferde zähmen, auf dem Weg bleiben. Eine Übung. Eine sehr feine, filigrane Übung. Eine permanente Selbstkontrolle. Ja, es ist richtig, was ihr jetzt denkt, das ist sehr anstrengend. Und ja, ich brauche Ruhepausen. Verschnaufpausen. Gestern wollte ich meditieren und bin dabei fast eingeschlafen. Dann habe ich mich aufs Bett unter die Decke gelegt, einige Mantras gesprochen und weg war ich.

Nun war gestern ein Tag, der mir die Energien einfach so rausgesaugt hat. Ich hatte eine Entscheidung zu treffen, die ziemlich schmerzhaft war. Wie ihr mitbekommen habt, hatte ich mich verliebt. Fast drei Wochen lang war da eine Frau, mit der ich in dauerndem Kontakt stand. Eine wirklich sehr besondere Frau. Ein endloser Chat, gegen den “Gut gegen Nordwind” eine Kindergeschichte ist. Ich habe wenig geschlafen, geschrieben, telefoniert, sie besucht. Es war so ungeheuer intensiv. Ich habe mit ihr Dinge erlebt, die ich noch nie zuvor getan habe. Es war so nah. Nun standen wir zuletzt vor der Frage, wie es weitergeht. Da hat sie Angst bekommen. Hat sich zurückgezogen, hat von einem Schachbrett gesprochen, das verrät, dass es keine Zukunft gibt. Und: Sie könne nicht akzeptieren, dass ich mit Ela zusammenwohne und zusammenarbeite. Ups. Wie sehr hätte ich es mir anders gewünscht.

An dem Punkt bin ich ausgestiegen. Es geht nicht. Es ist so schon schwierig genug, dieses Patchwork-Experiment auf die Reihe zu kriegen. Ich meine es ernst, wenn ich sage, dass die Kinder an erster Stelle stehen. Ich werde alles tun, dass sie ihr Leben hier erst einmal weiterleben können. Mit so wenigen Kratzern wie möglich. Das ist jetzt schon nicht so, wie ich es gerne hätte. Natürlich nimmt sie das alles mit. Natürlich gibt es schwierige Momente für sie. Nicht alle Bilder, die sie sehen, gefallen ihnen. Das kann ich nicht ändern. Aber ich kann für einen möglichst schonenden, langsamen Übergang sorgen. Rahmenbedingungen schaffen. Das geht nicht, wenn hier Dinge reinkommen, die das Experiment in Frage stellen. Keine Kompromisse, keine Gefangenen. Kein Millimeter Spielraum. Eher werde ich mein Herz in Flammen setzen. Wir sind hier auf einem guten Weg. Ich fühle mich wohl, wenn Jens hier ist. Er ist sehr feinfühlig und bereit, mitzutragen, mitzudenken, mitzumachen. Das ist nicht selbstverständlich. Ela hat eine gute Wahl getroffen.

Und ich muss mich wieder entlieben. War mal wieder zu schnell. Zu schnell gelebt. Zu schnell geliebt. Voreilig das Herz ausgepackt, die Schnüre gelöst, den Karton geöffnet. Eine alte Liebe entliebt mit einer neuen Liebe und nun. Manchmal könnte ich mich auf den Mond schießen. Da denke ich immer so viel und mache mir scheinbar doch keine Gedanken. Grenzenloser Optimist. Da ist dieses generelle Gefühl: Alles ist machbar, wenn man will. Vielleicht sollte ich einfach akzeptieren, dass ich nun Single bin und mich wie alle anderen Singles auf die Internetsuche begeben. Habe mal auf Google gesucht und singleboerse-vergleich.com gefunden. Da steht: Singlebörsen sind hilfreich! Nun gut.

Egal. Heute werde ich feiern. An meinen Vater denken, der mir immer erzählt hat, was an meinem Geburtstag geschehen ist. Es war der Ostersonntag 1965. Die Sonne schien. Meine Mutter im Krankenhaus, mein Vater in der Kneipe am Telefon. Ein Junge! Und er ist losgefahren, von der Straße abgekommen, über einen Acker wieder auf die Straße, von der Polizei angehalten worden und er durfte langsam ins Krankenhaus fahren. 1965. Father and son. Cat Stevens. Ela und die Kinder haben mir ein Teeservice geschenkt. In weiß. Sehr fein. Für meinen Kusmi Detox und mein Zimmer. Mit 47 wachsen die Erinnerungen. Es ist gut, sich darauf zu konzentrieren, was ist. Was da ist. Die Zeit für Träume wird kommen. Jetzt muss ich ausnahmesweise mal mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und meinen Kopf aus den Wolken ziehen. Das gibt nur kalte Ohren.

Ich hoffe, das war jetzt nicht zu schlimm und ihr kommt mit euren Lesegefühlen klar. Ansonsten ruft mich an, ich kümmere mich dann um euch:)

Zoes Geburtstags-Elfchen für mich. Ich darf sie bloggen, hat sie gesagt:

Bett mit Musik
im Kopf nur blau
blau vor Spannung
Vorgeburtstagsnacht

Papa hat Geburtstag
alles Denken nur grün
Grün vor Glück
schön