Tja.
Was nun, Herr Schönlau?
Erst einmal eine Warnung für die amerikanischen und sensibleren Leser/innen des fiftyfiftyblogs. Der folgende Beitrag könnte Spuren von Seelen-Exhibitionismus enthalten. Sollten Sie zu Voyeurismus neigen oder schnell das Gefühl haben, sich fremdzuschämen oder peinlich berührt zu sein, empfehle ich dringend ein wegklicken. Ich weiß noch nicht, was kommt, aber es könnte intimer werden, als Sie sich das wünschen. Last Exit. WARNING! Keep out, if…
Heute habe ich Geburtstag. Danke! Ich weiß. Ihr seid wirklich gut zu mir. Ich werde 47 Jahre alt. Geweckt worden bin ich von der Familie. Die Tür ging auf, Zoe kam rein, Jim, Ela, Cooper. Mit einem Tisch und Blumen und Kerzen und Geschenken. Familienidyll. Jens war nicht dabei, aus Rücksicht. Ich hätte mich gefreut, aber es ist nicht ganz einfach, ein Familienleben zu ändern und Experimente Wirklichkeit werden zu lassen. Man muss an Träume glauben und gleichzeitig der Realität standhalten. Kein leichtes Unterfangen. In diesen Tagen spüre ich, was es heißt, zu Entscheidungen zu stehen. Ich sehe, was mein Kopf an Geschichten zu erzählen versucht. Welche Versionen abrufbar sind. Wie dicht Unglück und Glück nebeneinander stehen und es jeweils einer Entscheidung bedarf, eines von beiden zu wählen.
Das Unglück ist stärker. Die Geschichten sind weiter auserzählt und bequemer zu übernehmen. Da kann man sich dick und fett reinsetzen und bekommt dann Mitgefühl und Mitleid. Eine emotionale Falle. Die lauern hier gerade überall. Fettnäpfchen. Alltagskleinigkeiten, die das neue Leben dokumentieren. Gehe ich in den Schmerz? Gelingt mir die Freude? Mal so. Mal so. Wisst ihr, dass es schwieriger ist, das wahre Glück zu greifen? Sich intelligent zu entscheiden?
Heute habe ich mich entschieden, die Geburtstagsstory aus ganzem Herzen zu genießen. Das Geschenk anzunehmen und mich in dieses Gefühl des Getragensein durch Familie zu betten. Ich könnte jetzt behaupten: Das ist eine Lüge. Und Stimmen in mir flüstern das auch. Versuchen mir weiß zu machen, dass ich einem Trugbild aufsitze. Mich vom Leben verarschen lasse. Da ist so eine kleine Wut, die ich in letzter Zeit öfter spüre, die mich versucht in eine falsche Richtung zu lenken. Die Zügel anziehen. Die wilden Pferde zähmen, auf dem Weg bleiben. Eine Übung. Eine sehr feine, filigrane Übung. Eine permanente Selbstkontrolle. Ja, es ist richtig, was ihr jetzt denkt, das ist sehr anstrengend. Und ja, ich brauche Ruhepausen. Verschnaufpausen. Gestern wollte ich meditieren und bin dabei fast eingeschlafen. Dann habe ich mich aufs Bett unter die Decke gelegt, einige Mantras gesprochen und weg war ich.
Nun war gestern ein Tag, der mir die Energien einfach so rausgesaugt hat. Ich hatte eine Entscheidung zu treffen, die ziemlich schmerzhaft war. Wie ihr mitbekommen habt, hatte ich mich verliebt. Fast drei Wochen lang war da eine Frau, mit der ich in dauerndem Kontakt stand. Eine wirklich sehr besondere Frau. Ein endloser Chat, gegen den “Gut gegen Nordwind” eine Kindergeschichte ist. Ich habe wenig geschlafen, geschrieben, telefoniert, sie besucht. Es war so ungeheuer intensiv. Ich habe mit ihr Dinge erlebt, die ich noch nie zuvor getan habe. Es war so nah. Nun standen wir zuletzt vor der Frage, wie es weitergeht. Da hat sie Angst bekommen. Hat sich zurückgezogen, hat von einem Schachbrett gesprochen, das verrät, dass es keine Zukunft gibt. Und: Sie könne nicht akzeptieren, dass ich mit Ela zusammenwohne und zusammenarbeite. Ups. Wie sehr hätte ich es mir anders gewünscht.
An dem Punkt bin ich ausgestiegen. Es geht nicht. Es ist so schon schwierig genug, dieses Patchwork-Experiment auf die Reihe zu kriegen. Ich meine es ernst, wenn ich sage, dass die Kinder an erster Stelle stehen. Ich werde alles tun, dass sie ihr Leben hier erst einmal weiterleben können. Mit so wenigen Kratzern wie möglich. Das ist jetzt schon nicht so, wie ich es gerne hätte. Natürlich nimmt sie das alles mit. Natürlich gibt es schwierige Momente für sie. Nicht alle Bilder, die sie sehen, gefallen ihnen. Das kann ich nicht ändern. Aber ich kann für einen möglichst schonenden, langsamen Übergang sorgen. Rahmenbedingungen schaffen. Das geht nicht, wenn hier Dinge reinkommen, die das Experiment in Frage stellen. Keine Kompromisse, keine Gefangenen. Kein Millimeter Spielraum. Eher werde ich mein Herz in Flammen setzen. Wir sind hier auf einem guten Weg. Ich fühle mich wohl, wenn Jens hier ist. Er ist sehr feinfühlig und bereit, mitzutragen, mitzudenken, mitzumachen. Das ist nicht selbstverständlich. Ela hat eine gute Wahl getroffen.
Und ich muss mich wieder entlieben. War mal wieder zu schnell. Zu schnell gelebt. Zu schnell geliebt. Voreilig das Herz ausgepackt, die Schnüre gelöst, den Karton geöffnet. Eine alte Liebe entliebt mit einer neuen Liebe und nun. Manchmal könnte ich mich auf den Mond schießen. Da denke ich immer so viel und mache mir scheinbar doch keine Gedanken. Grenzenloser Optimist. Da ist dieses generelle Gefühl: Alles ist machbar, wenn man will. Vielleicht sollte ich einfach akzeptieren, dass ich nun Single bin und mich wie alle anderen Singles auf die Internetsuche begeben. Habe mal auf Google gesucht und singleboerse-vergleich.com gefunden. Da steht: Singlebörsen sind hilfreich! Nun gut.
Egal. Heute werde ich feiern. An meinen Vater denken, der mir immer erzählt hat, was an meinem Geburtstag geschehen ist. Es war der Ostersonntag 1965. Die Sonne schien. Meine Mutter im Krankenhaus, mein Vater in der Kneipe am Telefon. Ein Junge! Und er ist losgefahren, von der Straße abgekommen, über einen Acker wieder auf die Straße, von der Polizei angehalten worden und er durfte langsam ins Krankenhaus fahren. 1965. Father and son. Cat Stevens. Ela und die Kinder haben mir ein Teeservice geschenkt. In weiß. Sehr fein. Für meinen Kusmi Detox und mein Zimmer. Mit 47 wachsen die Erinnerungen. Es ist gut, sich darauf zu konzentrieren, was ist. Was da ist. Die Zeit für Träume wird kommen. Jetzt muss ich ausnahmesweise mal mit beiden Beinen auf dem Boden stehen und meinen Kopf aus den Wolken ziehen. Das gibt nur kalte Ohren.
Ich hoffe, das war jetzt nicht zu schlimm und ihr kommt mit euren Lesegefühlen klar. Ansonsten ruft mich an, ich kümmere mich dann um euch:)
Zoes Geburtstags-Elfchen für mich. Ich darf sie bloggen, hat sie gesagt:
Bett mit Musik
im Kopf nur blau
blau vor Spannung
Vorgeburtstagsnacht
Papa hat Geburtstag
alles Denken nur grün
Grün vor Glück
schön