Was macht die WG?

Läuft hier mal wieder gerade alles anders. Ich hatte schön geplant, um 7:30 Uhr am Schreibtisch zu sitzen, zu bloggen und dann zu arbeiten. Dann haben Ela und ich uns zu ‘nem Tee zusammengesetzt. Gibt’s überhaupt was zu bequatschen? Klar, Termine checken, kurzes Orga-Meeting. Ela meinte schon, sie hätte gar nix zu sagen. Ich auch nicht. Und dann ra-ra-ra. Es gibt doch einfach so viel zu bereden. Was da alles raussprudelt, was raus muss, will.

Ich denke, das ist ein guter Weg, sich abzunabeln. Wir waren jetzt einfach 20 Jahre ein Paar. Haben immer zusammengewohnt, haben zusammen gearbeitet, die Kinder groß gezogen. Alles. Da kann man nicht einfach gehen und Tschüss sagen. Deshalb ist es schön, dass wir die Gelegenheit haben, nun all das Nichtgesagte auszusprechen und Wunden heilen zu lassen. Kleine Kräuterpflaster.

Nach dem Reden bin ich raus auf den Berg und habe mit Cooper die Sonne genossen. Die Morgentemperatur war unter Null. Also habe ich mich dick in die Daunenjacke eingemummelt und dann mit dem Gesicht in die Sonne gestellt. Ist das schön. Eigentlich wollte ich über den Morgenspaziergang schreiben und den Rest außen vor lassen. Aber dann hat Julia im Kommentar gefragt, was die WG macht. Und ich habe gespürt: Das interessiert mich viel mehr, das Thema. Ich hoffe, es nervt euch nicht total.

Was macht die WG? Sie lebt. Sie ist gut. Es wird viel gelacht. Die Kinder schauen nach uns, beginnen, uns zu veräppeln, Späße zu machen. Nehmen mich auf die Schippe, weil ich jetzt eine neue Frau finden soll. Ich glaube, sie fühlen sich wohl. Gestern war Jims Freund da und weil der mittlerweile ein assoziiertes Mitglied dieser Experimental-Familie ist und im Sommer mit nach Italien fährt (in welcher Zusammensetzung auch immer wir dann fahren werden – es kommen jetzt an allen Ecken und Enden immer Fragen und Wenns und Abers) , ist das alles unerwartet locker. Da Ela sowieso auf Wolke Sieben schwebt und einen scheinbar wirklich tollen neuen Freund hat, hängt es an mir, diese Lockerheit zu halten und mitzutragen.

Das ist möglich, weil etwas sehr Unangenehmes weggefallen ist, was Ela und mich seit Jahren blockiert hat. Also bin ich traurig und glücklich zugleich, dass es ist, wie es ist. Das hätte ich mir vor zwei Wochen nicht vorstellen können.

Und wie sieht es konkret mit dem neuen Leben aus? Es geht weiter. Wir haben Termine in den verschiedensten Konstellationen. Heute Abend fährt Ela zu Jens nach Köln, morgen gehen Ela und ich wahrscheinlich gemeinsam zum Sport, am Freitagabend ist Ela bei Jens in Köln, um am Samstagabend hierher zu kommen, um mit mir auf Jims Abschlussball des Tanzkurses zu gehen. Wir werden zusammen tanzen. Am Sonntag dann kommt Jens, um die Familie kennenzulernen.

Wir haben uns schon ausgemalt, wie das ablaufen wird: Erst einmal Stuhlkreis, um die Runde aufzulockern. Alle tragen Namensschilder und stellen sich der Reihe nach vor. Titel des Ganzen ist: Die Familie inklusive Papa lernt Mamas neuen Freund kennen. Jeder sagt dann was, wie er sich fühlt und welche Erwartungen vorhanden sind. Ich werde dann aufstehen und als Zeichen der Zuneigung meinen Teddy aus Kindheitstagen an den neuen Freund übergeben. AAAHHH! Fremdschämen. Nein. Wir werden einfach einen gemeinsamen Tag verbringen. Und soll ich euch was sagen: Ich freue mich drauf. Hört sich jetzt komisch an? Klingt unglaubwürdig? Mag sein. Ist aber so.

So läuft’s also in der WG. Wie es über den Sonntag hinaus weitergeht, kann ich natürlich noch nicht sagen. In den Ferien werden Ela und Jens nach Schottland fliegen und dort Urlaub machen, Zoe ist mit einer Freundin in Holland, Jim an der Küste segeln und ich werde hier sein, arbeiten, meditieren, mein Zimmer streichen und einrichten und ausgehen und mich treffen und sehen was passiert. Ein wenig Schiss, dass mir dann die Decke auf den Kopf fällt und ich mich als zurückgelassenes hässliches Entlein fühle, habe ich natürlich schon. Ich meine, insgesamt habe ich einen Höllen-Respekt vor all dem, was noch kommt. Als könnte ich nicht wirklich akzeptieren, dass es gut läuft. Irgendwie ist dieses Konzept von “das dicke Ende kommt noch” in mir drin. Dabei weiß ich, dass “kein dickes Ende” kommt. Auch das nur eine Vorstellung, ein Denkmuster. Ein Abziehbild. Diese Mistdinger lauern überall.

Update Beziehung 2.0!

Ihr Lieben, gerade ist es zwei Wochen her, dass mich Ela hier unten im Büro anrief und mich vom Bloggen zum Gespräch rief. Seither ist viel passiert und ich weiß aus vielen Rückmeldungen und persönlichen Gesprächen, dass viele Menschen ein wenig schockiert, ratlos und interessiert waren und sind. Viele fühlen mit und unterstützen uns und sind für uns da. Obwohl wir uns das alles selbst eingebrockt haben.

Wie ist nun der Stand der Dinge? Wir arbeiten. Ela muss gerade die Teilung ihres Lebens in zwei Lebensschwerpunkte hinkriegen und wird dabei von einer Welle des Glücks und des Verliebtseins getragen. Es ist schön, sie jetzt endlich glücklich und sehr oft lachend zu sehen. Sie fährt mit ihrem neuen Jens jetzt eine Woche nach Schottland und ich freue mich für die beiden. Tatsächlich.

Wie geht es mir? Gut. Nicht sehr sehr, aber gut. Derzeit stehe ich unter strenger Beobachtung. Unter meiner eigenen strengen Beobachtung. In den ersten beiden Wochen habe ich ein ziemliches Tempo der Veränderung vorgelegt. Was für eine Veränderung? Eine innere. Wie ihr wisst, war ich ziemlich überrascht und musste von einem Moment auf den anderen reagieren und zurechtkommen. Ich habe mich entschieden, konsequent den buddhistischen Weg zu gehen. Also das, was ich in den letzten sechs Jahren gelernt und erfahren habe, konsequent anzuwenden.

Wichtigstes Element ist das Wissen um “Ursache und Wirkung”. Die Entscheidungen, die ich jetzt treffe, bestimmen mein weiteres Leben. Logisch. Mein Verhalten jetzt bestimmt, wie der Weg weitergeht. Ob wir weiter zusammen mit den Kindern leben können, oder ob wir alles komplett trennen müssen. Also habe ich mich hingesetzt und bin meine Optionen durchgegangen. Klassisch reagieren oder buddhistisch? Wütend werden, zornig, deprimiert, in ein Loch fallen, alles aufgeben? Es gab Menschen, die haben mir zum Zorn geraten. Ich solle es raus lassen, nicht in mich hineinfressen, mir nicht alles gefallen lassen. Tatsächlich war da bei mir eine Restsorge, es könne mich auffressen, wenn ich nicht stark emotional reagiere. Letztlich habe ich mich entschieden, in den Keller zu gehen und zu schreien. Ich hatte zwei Tage Halsweh, aber das Schreien war gut. Tatsächlich ist da was gegangen. Sehr profan. Aber hilfreich.

Der andere Weg ist der Weg, den ich jetzt gehe. Allmählich kristallisiert sich heraus, dass er trägt. Ich war unsicher, traute mir selbst nicht. Klappt das? Hält das Seil? Machst du dir was vor? Frisst sich da was in dich hinein? Am Wochenende war ich bei einem sehr guten Freund in Stuttgart. Ein Buddhist seit Jahrzehnten. Ein Freund auf dem Weg. Wir haben uns viel und lange unterhalten und er ist einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt und nachfragt. Tiefer geht. Ich wusste also, er würde mir sagen, wenn er das Gefühl hat, dass etwas nicht stimmt, dass ich mich selbst belüge und irgendein Konstrukt aufbaue, das dann irgendwann wie ein Kartenhaus zusammenbricht. Trennungszeiten sind Zeiten der Unsicherheit. Ihr wisst das.

Gestern Abend bin ich zurückgekommen. Mit einem sehr guten Gefühl. Wieder war da jemand, der mir seine Zeit geschenkt hat, der mir zugehört hat, der mir Energie gegeben hat. Die Unterstützung, die ich seit zwei Wochen von Freunden und auch hier im Blog bekomme, ist gigantisch. Das spornt mich an, dranzubleiben. Mittlerweile habe ich sechs Kilo abgenommen. Bewusst. Nicht, weil ich leide. Das gibt mir gerade eine große Kraft. Ich brauche tatsächlich weniger Schlaf und bin fitter. Ich stehe jetzt morgens früher auf, um mehr Zeit zum Meditieren zu haben. Das gibt Klarheit, um mit den aufkommenden Gefühlen umzugehen.

Und: Das alles funktioniert. Mein Vertrauen wächst, die Zweifel werden weniger. Ihr könnt euch vielleicht nicht vorstellen, wie sich das anfühlt. Es ist, ich kann es nicht anders sagen: Ein Geschenk.

Bislang war ich nicht in der Situation, so intensiv auf die Mittel und Lehren angewiesen zu sein. Desto glücklicher bin ich nun zu erfahren, dass sie tatsächlich anwendbar sind. Ich weiß nicht, ob ihr das alles nachvollziehen könnt oder ob sich das nun total abgedreht anhört. Auf jeden Fall: Es läuft gut, der Zustand wird normaler, ich freue mich jeden Tag, dass es ist, wie es ist und realisiere bei aller Trauer um das Verlorene, dass es so gut, besser ist. Und ich glaube, es wird Gutes geschehen. Die Angst der ersten Tage lässt nach. Ich freue mich auf mein neues, freieres Leben. Ich freue mich, mit den Kindern und Ela, so lange sie das kann, hier weiter zu leben. Wir werden sehen. Ein spannendes Experiment. Ich bin gerne mittendrin dabei und lerne…

Die Kinder frisieren mich, die Zeit der Katharsis beginnt

Hi. Das hier wird jetzt zum richtigen Tagebuch. Ich hatte erst gedacht, ich würde jetzt aufhören, über das alles hier zu schreiben. Würde wieder zurückkehren zu einfacheren Themen. Ich hatte das Gefühl, es würde jetzt reichen und ich könnte hier nicht dauernd drüber schreiben oder gar rumjammern oder so. Aber dann habe ich auf die Seitenstatistik geschaut. Hey. Da schreibe ich seit zwei Jahren und ausgerechnet meine Trennung zieht am meisten Menschen an. Besucherrekord, längste Verweildauern auf der Seite, höchste Zahl angeklickter Seiten ever.

Ich meine, das ist nicht wichtig. Der fiftyfiftyblog ist kein Business. Er ist einfach ein Teil von mir. Meine Bühne, auf der ich immer stehen wollte. Nur möchte ich natürlich nicht das Gefühl haben, Zeugs zu schreiben, dass niemanden interessiert. Mein guter, lieber Freund Armin hat mir gestern am Telefon gesagt: “Hey Jens, vielleicht kannst du für irgendwen Beispiel sein. Wenn du das tatsächlich hinkriegst, was noch in den Sternen steht, dann hilft das eventuell irgendwem, es auch hinzukriegen. Das wär doch toll.” (ich freue mich sehr darauf, mit ihm das Wochenende in Stuttgart zu verbringen.) Nun wollen wir aber mal aus dem Herrn Schönlau keinen Heiligen machen. Ich kann euch versichern, ich habe genügend Dreck unter den Fingernägeln. Mir werden keine Flügel wachsen. Im Augenblick habe ich einfach das Glück, dass ich seit sechs Jahren meditiere und ein wenig mit Bildern und Gedanken umgehen kann. Die Betonung liegt auf “ein wenig”. Glaubt mir, auch so wackelt das Boot ordentlich und ich werde regelmäßig Seekrank und stehe an der Reeling. Einfach sieht anders aus.

Aber. Ja, es gibt so viele schöne Abers. Die liegen in der Intensität des Augenblicks. Ich weiß nicht, ob ihr das versteht? Gehe an die Orte, die du fürchtest. Das mache ich gerade in vollster Intensität. Ich schaue genau hin, lasse nichts vorbeigehen, bin hellwach. Ich trinke keinen Schluck Alkohol, esse nur so viel, wie mein Körper gerade braucht. Morgens steh ich um sechs Uhr auf und meditiere. Ich gehe früh zu Bett, lasse die Bilder durchziehen, lasse sie sich entwickeln, damit sie keine Angstbilder werden und gehen können. Dadurch kann ich morgens entspannt aufwachen und den Tag beginnen. Mein erster Gedanke heute Morgen war: Andreas. Ein sehr alter Freund von mir, den ich auf dem Weg verloren habe. Eine alte Geschichte. Jetzt, wo ich nicht mehr mit Ela zusammen bin, können wir vielleicht wieder aktiv Freunde sein. Wenn er noch will. Ich werde ihm gleich mailen.

Gestern Abend kam ich nach dem Fußball rein (wir haben 4 : 1 auf heimischem Platz verloren. Kotz!). Ela spielte Klavier, Jim lernte am Computer, Zoe titschte hin und her. Ich habe mich dazwischen gesetzt und mich sehr, sehr an allem gefreut. Was Wert hat und Wichtigkeit. Ela ist irgendwann in ihr Zimmer verschwunden und ich hatte Zeit mit den beiden. Sie schwirren gerade sehr um mich herum. Suchen die Nähe, den Körperkontakt. Selbst Jim, der sonst immer sehr autark ist. Jim hat mich mit seinem iPod fotografiert. Er hat viele Apps, um Fotos zu bearbeiten. Seit seinem Praktikum bei einem Fotografen spielt er viel mit dem Medium. Er hat mich fotografiert und das Foto direkt bearbeitet. Ich habe mir nicht gefallen. “Ich war irgendwie so traurig…” Hatte ich doch kürzlich erst hier. Er hat ein Neues gemacht. Und dann fingen die beiden an, mich schön zu machen. Mit Gel in den Haaren. Da waren vier kleine Hände an meinem Kopf und haben mich gestylt, damit ich schön aussehe und bald eine neue Frau finde, damit ich glücklich bin. Ich hätte heulen können. Das ist natürlich ihre Vorstellung: Der Papa soll jetzt auch eine Frau bekommen, damit auch er glücklich ist. Ihr seht, alles gar nicht so einfach…

Dabei bin ich nicht tief unglücklich. Im Gegenteil. Ich bin voller Hoffnung. Ich habe zum Beispiel jetzt endlich eine Idee, wie mein Zimmer aussehen soll. Mit einem neuen Bett. Und in die Dachschräge lasse ich ein Fenster einbauen, damit ich in den Himmel sehen kann. Das Bild des neuen Zimmers entsteht. Als ich gestern Abend im Bett lag, habe ich die Bilder kommen lassen, um sie vor dem Einschlafen gehen lassen zu können. Überraschung. Es kamen sehr schöne Bilder. Da war eine Frau. Ein Portrait. Der Kopf vor schwarzem Hintergrund. Ich dachte: Ja, die ist sehr nett. Aber nicht jetzt. Nun beginnt die Zeit der Reinigung. Ich brauche einen sauberen Übergang. Die Zeit muss reif sein, ich muss reif sein. Bereit sein. Muss das dann können. Irgendwann. Nicht jetzt. Katharsis.

Und wie war euer Wochenende?

Hattet ihr es schön? Das Wetter war ja nicht so gut:) War ja eher zum Drinbleiben. O.K. – ich denke, ihr möchtet vielleicht wissen, wie die Story hier weitergeht. Es ist verrückt. Teils bizarr, skurril. Wie ein Film mit merkwürdigem Drehbuch. Alle Befürchtungen die ich hatte, alle Annahmen, die in mir herumschwirrten, werden keine Realität. Was hatte ich für eine tiefe Angst vor dem Moment, vor dem Augenblick des Endes. Genau vor einer Woche habe ich oben in der Küche gesessen und habe den entscheidenen Satz gehört. Und was ist danach passiert? Viel und wenig. Die Erde dreht sich weiter. Und bei mir hat sich ein Gefühl von Freiheit, Stimmigkeit, Erlösung eingestellt. Unglaublich.

Am Samstag habe ich mich in Gartenarbeit gestürzt. Ich habe den Wunsch, aufzuräumen. Wegzuräumen. Mein Körper hat plötzlich immense Kräfte und eine große Tatkraft. Ablenkung. Einerseits. Andererseits das schöne Gefühl, dass ich jetzt auftauchen kann. Jim und ich haben Teile des Gartens vom Herbstlaub und -dreck befreit und in den Wald gefahren. Mit dem Traktor. Kerlsarbeit. Irgendwann kam Ela aus Köln zurück und hat die Autos geputzt. Alles ein wenig unwirklich. Sonntagmorgen bin ich um sieben Uhr aufgestanden und zum Bäcker gejoggt. Ins Nachbardorf. Über den Mühlenberg. Anschließend habe ich lange meditiert. Ich kann jetzt, abgesehen von meinen Familienaufgaben, so lange meditieren wie ich will. Und das mache ich. Und das ist gut.

Anschließend habe ich mein Zimmer aufgeräumt. Pläne geschmiedet. Erste Einrichtungslösungen gefunden. Das “Ehebett” werde ich nun endlich, endlich, endlich ersetzen. Auch das ist ein gutes Gefühl. Befreit. Aufgeräumt, alles Überflüssige rausgebracht. Staub geputzt. Alten Staub weggeputzt. Was sich alles angesammelt hat. Mittags habe ich für die Familie gekocht, danach haben Ela und ich das große Foto fürs Besprechungszimmer aufgezogen. Es bewegt sich was. Wieder. Hier passiert was. Dann hatte ich das skurrilste Erlebnis meines Lebens. Dazu später. Ein Kaffeetrinken mit einem speziellen Gast.

Am Abend war ich mit einem Freund aus. Hat das gut getan. Wir haben so gelacht. Über alles mögliche geredet. Geplaudert. Fernab des Themas. Er hat mir von seiner Lehre als KFZ-Mechaniker erzählt. Wie ihm sein Chef, der nach Jahren in Kenia hier eine Texaco-Tankstelle übernommen hatte, ihm einen kaputten Mini-Cooper geschenkt hat. Er hat ihn repariert und dann sind die beiden Rennen auf Zeit gefahren – um die Zapfsäulen herum. Wilde Jahre. Sein Chef hat ihn zum Fliegen mitgenommen. In einer Cessna. Der Tower meldete “Noch nicht starten, der Wind ist zu stark”. Der Cheft meinte nur “Alles Weicheier hier” und gab Vollgas. In der Luft merkte er, dass sie die Karten vergessen hatten. Also mussten sie im Tiefflug zur Autobahn runter, um die Verkehrsschilder zu lesen. Gambacher Kreuz. Außerdem, aaaaah, hatte er von britischen Piloten in Afrika gelernt, wie man eine Maschine ins Trudeln bringt und wie man das ins Trudeln geratene Flugzeug wieder abfängt. Ich musste so lachen.

Dann kam die Kellnerin und nahm eine neue Bestellung auf. Ich hatte schon eine Apfelschorle getrunken und einen Pfefferminztee (10. Achte auf dich – unternimm schöne Dinge, iss gute Sachen, meide Alkohol (der befeuert die bösen Dämonen:)). Also fragte ich sie, was sie an Tee zu bieten hätte, der nicht anregt. Das hat sie falsch verstanden und gegrinst. “Äh, also, ich meine…” Stotterei. “Keinen schwarzen Tee oder Grüntee oder so.” Dann sagte sie, und sie war sehr jung und sehr hübsch: “Soll ich sie überraschen?” Und wie sie es sagte. Also wirklich. Überraschungen gibt es. Ein so schöner, lustiger Abend. Ich bin mit einem breiten Grinsen nach Hause, habe Zoe kurz noch eine Gutenacht-Geschichte erzählt und bin dann friedlich in meinem “neuen” Zimmer, dass irgendwie schon da ist, eingeschlafen.

Aber zum Kaffeetrinken. Wer war da? Jens. Noch ein Jens. Also Jens, ich. Dann ist da der Jens, mit dem ich in der Kneipe war (der nicht beim Kaffeetrinken war) und beim Kaffeetrinken der Jens, der Elas neuer Freund ist. Alles Jens, oder was? Was für ein Chaos. Ela ist mit ihm nach einem Spaziergang am Nachmittag vorbeigekommen. Die beiden hatten sich sehen müssen. Waren mit Cooper eine Runde gelaufen. Vorher hatte Ela Kuchen gebacken und alle gefragt, ob wir ihn kennenlernen möchten. Ja, wollten wir. Und so standen Jens und Jens plötzlich im Wohnungsflur voreinander. Highnoon. Was für eine Szene. Ich dachte, das glaubt mir jetzt keiner. Wir gaben uns die Hand, sahen uns tief in die Augen und zitterten leicht.

Wir wussten beide nicht, wie wir jetzt damit umgehen sollen. Ich meine, das lernt man nicht. Das kommt im Film so nicht vor. Das Klischee wäre gewesen, wir hätten das wie echte Kerle im Faustkampf ausgetragen. Da war kein Funken Aggression oder Wut. Wir haben uns leicht zittrig an den Tisch gesetzt. Ich auf der einen Seite, Jens und Ela auf der anderen Seite. Jens und ich einander gegenübersitzend. Marmorkuchen. Lebensfreude-Tee. Is nich wahr, ne? Doch. Ich sag’s euch. Genauso. Unfassbar. Ich spürte, wie sehr die beiden ineinander verliebt sind und hatte ein gutes Gefühl. Ich weiß, es klingt, als würde ich spinnen. Als wäre ich nicht normal. Als würde ich irgendetwas unterdrücken. Und ich frag mich auch selbst, was mich reitet. Was mich so ruhig sein lässt. Aber es ist so. Es passt. Weiß der Henker, was da los ist. Allein, Ela so glücklich zu sehen, endlich ein Strahlen im Gesicht, im ganzen Körper. So schön. Und ihr Jens passt. Trägt sie mit Wärme.

Ich kann nur sagen: Es ist ein Gefühl von “die Dinge sind in die richtige Ordnung gerutscht.” Das stimmt irgendwie. Mir geht es gut dabei, ich bin tatsächlich froh, frei zu sein. Jens kann gerne zu uns in die Schule kommen, hier wohnen, wann er will. Ich bin dann gefahren, um den anderen Jens zu treffen. Wir haben uns kurz umarmt. Das wars. Unfassbar. Gut. Komplett anders. Die Geschehnisse von sieben Tagen. Sieben Tage, die die Welt veränderten. Meine Welt. Und doch wurde sie nicht verändert. Ich weiß jetzt, wo mein Platz ist, was ich will und was ich nicht will. Sehr klar. Das ist ein gutes, starkes Gefühl, das trägt. Wir werden sehen, wie es weitergeht.

P.S. Ich hatte Ela und Jens gesagt, sie müssten keine Sorge haben, ich würde nicht darüber im Blog berichten. Sie meinten beide, das sei in Ordnung. Ich solle das ruhig schreiben. O.K.

“Good Morning, Vietnam!”

Wenn alles wackelt. Wenn das Chaos ausgebrochen ist und die Fetzen fliegen, dann hilft nur eines: Reden, reden, reden. Ich könnte euch gerade, und mache es ja auch, ein Klavier ans Knie quatschen. Oh, Mann, was für ein Redebedarf. Heute Morgen bin ich eine Stunde vor der Weckerzeit aufgewacht. Ihr kennt das. Wach liegen im Dunkeln. Im Kopf fängt es an zu arbeiten. Argumente werden hin und her geschoben, Bilder fliegen rein. Die reinste Multimediashow.

Alles hat sich miteinander verbunden. Job, Chaos, Zukunft, Vergangenheit, Ela. Das ist, als wäre ich als Crashtest-Dummy unterwegs. Durchrütteln, rutschen, drehen, vor die Wand fahren, im Airbag landen. Gestern Nachmittag hatte ich für einige Stunden Pause, weil ich eine Präsentation hatte. Da war alles weg. Nur Job. Irgendwie eiskalt durchgezogen. Großes Unternehmen, großes Projekt, umfassendes Konzept. Alle Augen auf mich gerichtet. Der Kopf leer, nur auf die Präsentation ausgerichtet, sonst nix. Satz für Satz gesprochen, die eigene Begeisterung für das Thema gespürt. Das hat richtig, richtig Spaß gemacht. Merkwürdig, wie wir als Menschen funktionieren. Wie sich die Themen im Kopf an- und ausschalten lassen.

Heute Morgen nach der Stunde spürte ich Unsicherheit. Da stimmte was nicht. Ich bin in die Küche gegangen, habe für Jim Frühstück gemacht und Damien Rice aufgelegt, um mich abzulenken. Die O, das erste Album. Dann lief Blower’s Daughter. Musik von Ela und mir. Melancholie. Ach, herrje. Lauern jetzt überall im Alltag die Fallen? Erinnerungen? Regel 11: Wenn die alten Emotionen hoch kommen, freu dich bedingungslos an den schönen Gefühlen und Erinnerungen.

Und so bin ich durch die Küche getanzt. Habe mich von der Musik tragen lassen und habe mich wohl gefühlt. Why not? “Good Morning, Vietnam!” Scheiß drauf. Das ist das Bilderbuch der Gefühle vergangener Zeiten. Ein Schatz.

Ich habe Jim zum Bus gebracht, habe meditiert, bin mit Cooper zum Bach runter und habe mich zum Bloggen hingesetzt. Plötzlich spürte ich: So kannst du das nicht machen. Nicht wie immer. Du musst weiter reden. Ich habe Ela gerufen, wir haben uns einen Augenblick genommen. Wie gut das tut, jetzt alles zu bequatschen und behutsam zu formen. Jetzt können wir frei reden! Was für eine Chance. Das Leben mal wieder neu erfinden. Ihr könnt mir einen Gefallen tun, und uns für das neue Leben, das Familienprojekt gute Wünsche schicken. Habt ihr ja schon, weiß ich. Aber ich glaube, wir brauchen da so viel Energie. Ich hoffe, das ist nicht zu egoistisch. Wenn ihr was habt, mailt mir, dann bin ich auch gerne für euch da und schicke euch gute, starke Wünsche. Macht einfach.