EHEC. EHEC. Also wirklich. Wer braucht denn dieses hässliche kleine Stäbchenbakterium? Mittlerweile nervt das ziemlich rum und hat auch noch 25 Tote gefordert. Weit über 2.000 Menschen sind infiziert. Schrecklich. Aber, wenn wir mal ehrlich sind, geht es mehr um Angst, als um reale Gefahr. Es könnte mich treffen…
Setzen wir die Zahlen in Relation zu dem, was uns sonst an Gefahren umgibt, dann ist EHEC eher ein kleineres Problem. Teilen wir zum Beispiel 3.750 durch 365: roundabout 10 Menschen, die täglich auf Deutschlands Straßen sterben. Die Zahl der Menschen, die täglich an Darmkrebs sterben: 71. Rund 24 Menschen werden sich rein statistisch gesehen heute in Deutschland das Leben nehmen. Menschen sterben und niemand schreibt darüber, weil diese Todesursachen einfach als ganz normale Todesursachen hingenommen werden. Ja, es kann einen treffen. Der Darmkrebs, der Laster von hinten, die Depression, die so umfassend wird, dass sie scheinbar keinen Ausweg lässt.
EHEC ist in Norddeutschland um den 21. Mai ausgebrochen. Da hatte der Spiegel erstmals berichtet. Das sind also 19 Tage. Seither sind 25 Menschen gestorben, was ich weder bagatellisieren noch herabwürdigen möchte. Ich habe viel Mitgefühl mit den Erkrankten und ihren Angehörigen, weil ich mit Sicherheit nicht am Krankenbett meiner Kinder sitzen möchte, die sich mit EHEC infiziert haben. Nur: In den Zimmern neben den Menschen mit der EHEC-Infektion und dem HUS-Syndrom liegen Menschen zum Beispiel mit Darmkrebs. Und sterben. Das ist irgendwie “normal”, obwohl sich auch dagegen durch Vorsorge einiges unternehmen lassen würde.
Das gemeine an EHEC ist, dass man die Bakterien nicht sieht und dass Verwandte des Bakteriums ganz normal in unserem Darm leben. Wikipedia: “Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC) sind bestimmte krankheitsauslösende Stämme des Darmbakteriums Escherichia coli (E. coli). Das Namenspräfix enterohämorrhagisch (entero von altgriechisch ἔντερον enteron – Darm und hämorrhagisch für Blutung) deutet an, dass EHEC beim Menschen blutige Durchfallerkrankungen (enterohämorrhagische Colitis) auslösen können.” Beim Verzehr von Gurken, Salat, Tomaten oder Sprossen – so das Robert-Koch-Institut (RKI) – könnte also die Übertragung stattfinden, weil die Infizierten eben wohl alle Gurken, Salat, Tomaten oder Sprossen gegessen haben.
Die Angst isst also mit. Vor allem auch, weil EHEC ein gefundenes Fressen für die Medien ist. Killer-Bakterium. Sex sells. Die Angst verkauft. Und dann lassen sich noch super viele Nebenschauplätze aufmachen von Kompetenzgerangel über Ministerversagen bis Europaalarm und Russlandreaktionen. Müssten wir diesen Alarm dann nicht auch schlagen wegen der Menschen, die ihr Leben unter uns nicht mehr ertragen? Müsste es nicht eine Taskforce Selbstmord geben? Und noch so einige andere Taskforces?
Zu gerne spielen wir das Spiel der Angst mit, vor allem, wenn es im Gewand des Unsichtbaren daherkommt. Wenn der Feind nicht zu sehen ist und sich in unsere Häuser, Mägen und Enddärme schleicht. Schleichen könnte. 2.500 von 82.000.000 macht 0,003%. Trotzdem reagieren wir wie die aufgescheuchten Hühner und veranstalten ein Heckmeck, als wäre EHEC überall. Ich selbst nehme mich da nicht aus. Beim Gemüseeinkauf gestern habe ich auf die Tomaten, die normalerweise Standard sind, verzichtet. Und letztlich hat wahrscheinlich auch die mediale Aufklärung dazu beigetragen, dass es bislang nicht mehr als 2.500 Infizierte sind und die Zahl der Neuansteckungen zurückgeht.
Ich würde mir wünschen, dass wir in Deutschland zukünftig mit Krankheitsausbrüchen – wie zum Beispiel auch der Schweinegrippe mit wie vielen verschimmelten Impfdosen? – anders umgehen. Weniger reißerisch in den Medien und panisch in den Straßen. Ein wenig japanische Coolness. Denn EHEC mag einen umbringen, aber auf Dauer “Angst essen Seele auf”. Versuchen wir doch zu sehen, was wirklich ist.