Die wunderschöne Musik des Herrn Ludovico Einaudi

Nun habt ihr vielleicht mittlerweile “Ziemlich beste Freunde” gesehen. Ist euch die Musik aufgefallen? Die Klavierstücke? Die Musik stammt von dem Italiener Ludovico Einaudi. Die Kreise schließen sich. Bei uns im Haus ertönt permanent Einaudi. Seit Wochen. Jim und Ela üben und spielen Einaudi-Stücke auf dem Klavier. Jeden Abend ist die Wohnung voller Ludovico Einaudi.

Heute Morgen habe ich die Kinder mit dem Auto zum Bus gebracht. Minus vier Grad, eisekalt, ich glaube selbst Cooper hinten im Kombi hat gefroren. Der guckt dann so schräg. Ela sagt: Sich der Kälte anvertrauen (Das war eine der ersten Botschaften, die sie mir vor vielen, vielen Jahren hat zukommen lassen. Es folgten viele weitere, die für mein Leben nützlich geworden sind. Es ist gut, wenn man mit einer Frau zusammenlebt, die dem Leben immer auf der Spur ist, die fragt, sucht, findet.) Also nicht verkrampfen, den Abwehrmechanismus loslassen und schon ist es nicht mehr so kalt und aus einem Feind wird ein schöner, frischer Freund. Der hat mich auf dem Rückweg begleitet. Und weil ich gerne Musik höre, habe ich das Radio eingeschaltet, das auf CD-Play stand. Was kam raus? Ludovici Einaudi. Ela war gestern Abend in der Sauna und hat auf der Rückfahrt Einaudi gehört und ich habe heute Morgen (da schreibe ich es schon wieder!) weiter gehört und heute Abend dann, wenn Jim und Ela Klavier üben, dann wird da wieder Einaudi sein und in “Ziemlich beste Freunde” läuft Einaudi und hier im Hintergrund gerade auch, weil ich auf youtube stöbere und nachhöre, was ich euch präsentiere. Einaudi all over.

Was Einaudi komponiert, spielt? Sehr viel! Musik für Film, Orchester, Kammerorchester und auch vor Pop ist ihm nicht fies, weshalb natürlich schnell der Verdacht der verlorenen Ernsthaftigkeit aufkommt. Aber da lassen wir jetzt mal alle bürgerlichen Vorbehalte weg, vergessen unsere verkrampfte Vorstellung von Anspruch und so. Einfach genießen, sich freuen. Klingt so schön rund und harmonisch, was der Herr Ludovico Einaudi aus dem schwarzen Kasten mit Rädern zaubert. Kannn man, nein, kann ich, stundenlang hören. Vor allem, wenn es live aus Zoes Zimmer klingt. Ich habe mich, um euch nicht länger auf die Folter zu spannen, für eine Live-Aufnahme eines Konzertes in der Royal Albert Hall in London entschieden. Das Stück heißt Divenire, was so viel wie “werden” bedeutet. Es wird, es wächst, es kommt. Es ist. Alles schön und gut und klangvoll – mit Einaudi. Hört selbst.

Mehr über Ludovico Einaudi, seine Musik, sein Schaffen, sein Aussehen (immer wichtig:) )erfahrt ihr auf Wikipedia (müsst ihr euch heute beeilen, weil die aus Protest gegen zwei US-Internetgesetze für 24 Stunden den Dienst verweigern und die Server abschalten) und auf Einaudis eigner Page.

Und jetzt alle: Lächeln:)

Heute ist Welt-Lächeltag. Echt. Vom großen Rat des Vereinten fiftyfiftyblogs beschlossen und verkündet. Ich meine, nach dem Spaß gestern mit “Ziemlich beste Freunde” sollten wir die Stimmung noch ein wenig auskosten. Hier im Rheinland beginnt ja so allmählich die fünfte Jahreszeit und alle schunkeln sich mental schon mal ein. Die große Frage, die im Raum steht: Was ziehe ich an? Als was gehe ich?

Heute Morgen – diese Wortkombination schreibe ich ziemlich oft im Blog (Hört sich an wie “es war einmal…”) – hatte ich eine sehr schöne Meditation. Wisst ihr, was eine Meditation ist? Mit wissen meine ich, ob ihr es wirklich wisst. Also: Ob ihr das schon einmal gemacht habt. Wird ja viel drüber geredet und ist in. So wie Yoga. Steht oben auf der “Sollte man machen”-Liste wie Diät oder Sport.

Ich frage mich oft, was Meditation eigentlich ist. Und oft zweifle ich an dem, was Meditation für mich ist. Mittlerweile praktiziere ich – so nennt man das in buddhistischen Fachkreisen – seit Januar 2006. Genau genommen seit dem 18. Januar 2006, als ich bei einer Freundin hier in der Nähe in einem Retreathaus das erste Mal meditiert habe. Danach kam ich raus in eine sternenklare Januarnacht und musste nicht nur lächeln, sondern lachen. Kurz darauf war ich erleuchtet – ich hatte den festinstallierten Blitzer bei uns im Nachbardorf übersehen, als ich zurück fuhr. Es wurde kurz taghell am späten Abend. Breites Grinsen im Gesicht auf diesem Polizeifoto, das eher an Ultraschallaufnahmen von Babys im Mutterleib erinnert. Ich habe es noch…

Bei den Meditationen in den folgenden Jahren war es dann leider nicht immer so lustig. Nix mit dauern naturstoned. Geht ja auch um Klarheit und Erkenntnis, nicht um sich abschießen im Sinne von wegdröhnen. Genau hinsehen. Wie so vieles im Leben und in der Geschichte der Menschheit laufen auch Meditationen in Stufen. Eine Zeit lang passiert nix. Mantras sagen, verbeugen, visualisieren. Es kommt dir vor, als würde sich überhaupts nichts regen. Als wäre das ganze Tun voll für den Arsch. Sorry. Aber diese sogenannten Störgefühle kommen so hoch. Und es kommt nocht mehr hoch, von dem man dachte, das sei längst verdaut. Kinder-Überraschung. In jedem siebten Ei liegen die Schmerzen der Vergangenheit. “Gehe an die Orte, die du fürchtest.” Wer glaubt, Meditation sein pure Entspannung und fortwährendes Vergnügen… Tja.

Heute Morgen nun: Sie ernten, ernten, ernten, was sie säen, säen. Die Fanta4 wissen, wovon sie singen. Ich durfte lange da sitzen und lächeln. Und vieles ist abgefallen, was sich in den letzten Wochen und Monaten angesammelt hat. Dieses wunderbare Gefühl von Ruhe im Kopf, wenn sich der vordere Hirnlappen entspannt. Entkrampft. Als würde in eine selfinflating Isomatte Luft gelassen. (Es knistert tatsächlich hinter der Stirn). Dann ist da dieses Lächeln, bisweilen breite Grinsen und alles, alles, alles ist gut. Für einige Minuten. That’s a big, big Bang and Present. Aus Engstirnigkeit wird Weite.

Mich hat das an ein kleines Weihnachtsgeschenk erinnert, das wir unseren Kunden vor Jahren gemacht haben. Das war eine Schneekugel, in der ein Zettel mit dem Aufdruck “lächeln:)” eingelegt war. Wenn man den Schnee rieseln ließ und der sich gesetzt hatte, dann konnte man das lesen und viele haben anschließend berichtet, sie hätten gelächelt. Schön. Lasst uns doch heute alle lächeln. Lasst uns die Kraft des Lächelns nehmen, die so schön in uns wohnt. Ist es nicht wunder-, wunder-, wunderbar, dass wir lächelnde Wesen sein können? Dass wir beseelt sind von der Kraft des Lächelns, die für so viel Freundlichkeit steht. Lächelnde Menschen sind schön. Lasst uns heute ganz besonders schön sein. Für uns, für andere. Für alle, alles.

Ziemlich beste Freunde

Früher in der Schule hatten wir als Pubertierende einen ziemlich bösen Joke: “Keine Arme, keine Kekse.” Ich glaube, das bezog sich auf Menschen mit Contergan-Behinderung. Natürlich ist das ein absoluter No Go!-Witz. Allerdings. Freitagabend waren wir im Kino. Ela, Jim und ich. Es lief die französische Komödie “Ziemlich beste Freunde”. Und darin kam der Spruch umgewandelt vor und das ganze Kino hat gelacht.

Es kamen noch eine ganze Reihe weiterer makaberer Sprüche und Szenen, über die auch herzhaft gelacht wurde. Saßen da nun alles herzlose Idioten im Kinosaal? Denn gelacht wurde mit und über einen Totalgelähmten im Rollstuhl (Philippe) und seinen persönlichen Pfleger (Driss). Philippe kann nur seinen Kopf bewegen. Sonst nichts. Kein Gefühl abwärts. Beim Paragliding abgestürzt, zweiter und dritter Halswirbel gebrochen. Eine ziemlich unschöne Situation, in der er komplett auf Hilfe angewiesen ist. Also sucht er einen Pfleger, der in seine Stadtvilla einzieht und sich um ihn kümmert. Massieren, duschen, füttern, Zeit vertreiben.

In der angeblich wahren Geschichte trifft Philippe auf den arbeitslosen, nach einem gescheiterten Juwelenraub gerade aus dem Gefängnis entlassenen Driss. Ein Schwarzer aus den Pariser Vororten, aus den Banlieu-Ghettos, der als Achtjähriger aus dem Senegal eingewandert ist. Philippe ist extrem reich, mit Maserati und Privatjet, Driss hat nichts, aus seine unbändige Lebensfreude und Vitalität. Und: Er hat das Herz genau dort, wo es hingehört – am rechten Fleck.

Driss wird Philippes persönlicher Pfleger, zieht in die Villa ein und bringt alles auf Trab. Der gutsituierte, mit seiner Behinderung kämpfende Philippe kann kaum fassen, was alles geschieht. Weil Driss keinerlei falsche bürgerliche Moral kennt und komplett im Augenblick lebt, passieren viele lustige Dinge. Eine Freundschaft entsteht. Natürlich wird Philippe von seinem bürgerlichen Umfeld gewarnt. Ein verurteilter Verbrecher! “Die aus der Vorstedt kennen kein Mitleid!” Da fällt der Schlüsselsatz des Films: “Kein Mitleid. Das ist genau das, was ich will.” Eine Schlüsselsatz, eine Botschaft.

Driss kennt wirklich kein Mitleid! “Keine Arme, keine Schokolade.” Philippe weiß oft nicht, ob er lachen oder weinen soll. Er lacht. Entscheidet sich immer wieder, mit Driss zu lachen. Eine gute Entscheidung, die den Film so wirklich wunderschön macht. Einen solch lustigen, menschlichen, gut gemachten Film habe ich lange nicht gesehen. Das Drehbuch hat so viele schöne Szenen und Dialoge zu bieten. Die Schauspieler sind komplett in ihren Rollen. Durchgehend authentisch, die vielen Zwischentöne des Themas werden immer wieder ausgespielt. Nichts wirkt aufgesetzt. Und so tanzen, heizen, fliegen, lachen die beiden Hauptdarsteller durch Paris, durch den Film und nehmen die Zuschauer mit. Prädikat: Besonders lustig und unbedingt empfehlenswert. Solltet ihr euch gönnen.

Meine persönlöiche Lieblingsszene: “Das ist ein Baum. Ein Baum, der singt.” Im Trailer ganz am Ende:)

Fourtytwo and blue, blue Sky:)

Moin. Alles frisch? Blauer Himmel, 42. Die Themen des Tages:) He? Da konstruiert er mal wieder, der Herr Schönlau. Die Frau Richter hat mich heute komplett aus dem Konzept gebracht. Ich hatte einen Plan, der sowas von überhaupt gar nicht geklappt hat. Ist wahrscheinlich gut so. Alles durcheinander. Egal. 88. 42 x 2 + 4. Punkt- vor Strichrechnung!

Ich saß am Schreibtisch und wollte bloggen. Schreiben. Thema war da. Anderes als das hier. Da flog die Tür auf und die junge Fa stand da im kompletten Ornat und fragte, wo ich bleibe. Äh. Ratter, Gehirn, Windungen durchforstet, war da was? Da standen hundert Kamele auf der Leitung, bis die große Glocke, so groß wie der fette Pitter im Kölner Dom, kräftig zu läuten begann. Hallo wach. Wir wollten joggen. Waren verabredet und ich hatte es vergessen. Kerle, Kerle.

Ich versuchte es noch mit der Bequemlichkeitsnummer von wegen "Äh, weißte, passt gerade nich, bin spät dran und nich vorbereitet und…" Ja, denkste. Nich mit dem Commander, nich mit Ela. "Hallo! Los, in die Klamotten, auf die Strecke, beweg dich, ich warte." Ich meine, sie hat ja recht. Was soll das denn, dies angestelle. Und ist ja auch gut und sinnvoll. Aber draußen war es kalt und nass, also musste ich mich warm anziehen und vor allem dicke Leggings tragen, bei mir ist Katze mit drin, und noch ein wenig dunkel und überhaupt. Bin gerade ein wenig döselig und noch so nicht in 12 angekommen. Muss man übrigens nur 30 zugeben, dann ist man/frau/kind/hund/ streptococcus pyogenes bei 42.

Also gesagt, umgekleidet, gejoggt, getan. Wow. Schön bunt die Welt. Hirnwirrwarr geordnet. Ampulle Lebensfreude. Extrageil. Und dann, und dann, und dann? Mensch, als wäre ich der Zauberer von Oz. Da schob sich alles zur Seite und draußen ging der blaue Himmel auf und jetzt gerade… Sorry, muss nun weg auf eine andere Seite was buchen. Sag ich gleich. Kleine Pause. Momentchen… (Da bin ich wieder. Hélène Grimaud. 13. Mai in der Kölner Philharmonie. Ab 10 Uhr ist der Kartenvorverkauf gestartet. Ich hab vier Tickets geordert. Also wenn ihr sie mal sehen wollt und schnell seid – hier geht es zum Vorverkauf und hier zu meinem letztjährigen Blog-Beitrag. Ich bin doch ein Gewohnheitstier, ne, ne.)

Wo war ich? Ah. Zauberer von Oz. Mit Weltenkraft, beflügelt vom Klang der Trompeten von Jericho schob ich meine Ärmel hoch und ließ den Himmel in ein tiefes Hellblau kleiden. Alle Nebel verschwanden, Vorhang auf, Bühne frei für die Göttin des Lichts. Ela, äh Sonne. Beide. Wie jetzt? Schön auf jeden Fall, wenn es einen Augenblick nicht regnet und man sich nicht vorkommt, als würde man in einem stalinistischen Staat voller Grau und Dunkelgrau und Dunkelstgrau leben.

Und dann? Sagte Ela Bescheid. “Bescheid” Die fünf Elstern, also Boris und Isabel samt Nachwuchs aus zwei Jahren, saßen oben in den Baumspitzen im Sonnenlicht und unterhielten sich über Soaps und Stars und Teeniekram und Familienzeugs und so. Da konnte ich meine neue Kamera mit neuem Zoom (105 mm – also minus 63 = 42) ausprobieren und die muntere Vogelschar ablichten. Photographisch, wie mein Urgroßvater, der lippische Photographenmeister und Haus & Hofphotograph des lippischen Hofes in Detmold August Schönlau, wohl gesagt hätte. Erinnert ihr euch an die Boris und Isabel-Story? Nein? Die habe ich damals im Brigitte Woman Blog geschrieben: http://blogs-woman.brigitte.de/fifty-fifty/2010/03/17/boris-und-isabel/

Ergo: Alles wird gut, ist gut, bleibt gut. Die Vogelzeichen lügen nicht. Und dann ist da ja noch die 42, die ca. einen Meter hoch ist und die neue Nummer meines Büros darstellt. Draußen vor der Tür prangt sie groß und unübersehbar vor meiner Tür an der Wand. Ein bisschen professionelle Ordnung muss ja sein, sonst weiß ja keiner, wo mein Büro zu finden ist. Also Raum 042, da sitzt der Herr Schönlau und quält die Tasten. Bitte klopfen und einzeln eintreten, sonst ist er verwirrt:) Dafür braucht ihr keine Nummern ziehen und die Wartezeiten sind kurz.

Rettet das Ritual!

Rituale. Rituale. Rituale. Was war das noch? Religion, Naturreligion, Tanzen um ein Feuer? Jim kam vor Weihnachten aus der Schule und sagte beim Mittagessen: “Unser ganzes Leben ist geprägt von Ritualen. Alles sind Rituale. Das Zähneputzen morgens, das Mittagessen, das Fahren mit dem Schulbus. Alles.” He? Alles Rituale? Wie das so zwischen Vater und Sohn und Sohn und Vater ist, war ich erst einmal skeptisch. Das kann doch nicht sein, dass alles Rituale sind. Ich meine, das wäre doch total inflationär. Ritual leitet sich doch nicht von steter täglicher Wiederholung ab.

Habe ich dann in etwa so formuliert und wir haben eine ganze Weile diskutiert. Ela und Zoe mögen das zwar nicht, weil Jim Steinbock ist und ich bin Widder, was bisweilen zu sturen Positionskämpfen führt. Der Junge führt in der Sprache ein scharfes Florett, ist schnell im Denken und treibt einen schnell in die Ringecke. Und freut sich. Ich meine, wir beiden freuen uns, dass wir einander als Diskussionspartner haben, weil die Themen, die so aus der Schule kommen, wirklich spannend sind. Das nehme ich doch gerne auf – aber eben nicht 1:1. Was Jim sicherlich auch langweilen würde. Und mich natürlich auch.

Jetzt haben wir Januar und mich beschäftigt das Thema immernoch. Weihnachten, Heiligabend waren wir in der Schule. Dort gibt es einen schönen Festakt mit klassischer Musik. Das ist das Schöne an Waldorf, da gibt es immer richtig gute Musiker. Das hat Stil. Im großen Eurythmiesaal mit den hohen Decken standen große, geschmückte Fichten. Alle saßen auf ihren Stühlen, es war ruhig und angenehm, da kamen die Kinder herein. Die Kleinen. Wurden an der Tür einzeln begrüßt, um sich anschließend in die erste Reihe zu setzen. Es wurde gesungen, es wurde die Weihnachtsgeschichte vorgetragen. Also das war ein Ritual, meiner Meinung nach. Eines mit Saft und Kraft. The same procedure as every year.

Und ich muss sagen, ich finde es gut und schön, dass es solche Rituale gibt. Riten. Denn die sind zu einem raren Gut geworden. Mir scheint, dass sie gar verschwinden. Zurücktreten. Ist in einer zunehmend modernen, technisierten Gesellschaft kein Platz für Rituale? Für Traditionen? Das sind Rituale doch – Traditionen. Oder? Nun stammen viele unserer etablierten Rituale aus dem christlichen Umfeld. Weil die Kirchen aber immer mehr Federn lassen – überall werden Kirchen geschlossen und verkauft, Pfarrstellen gestrichen – gibt es auch immer weniger Raum für Rituale. Christliche Rituale.

Gibt es Ersatz? Entdecken wir uns da gerade neu und substituieren die alten Rituale durch neue? Kürzlich war ich in Köln mit der Familie zum ersten Mal auf einem Poetry Slam. In Köln im Ehernfelder Kultur-Bahnhof. Gerammelt voll der Laden. Zweihundert, dreihundert Literaturinteressierte! Auf der Bühne junge Menschen, die ihre Texte sprachen. Auswendig, überwiegend. Sehr spannend, sehr unterhaltsam, bestens moderiert. Das Publikum, wir, hingen an den Lippen der Autoren/innen. Nach jeder Runde wurde abgestimmt, wer weiterkommt. Es ist ein Wettbewerb. Es gab lustige, ernste, politische, lange, kurze Storys und Gedichte. Die, die da oben standen, hatten tatsächlich was zu sagen. Persönliche Botschaften für ein mehr als interessiertes Publikum. Ist Poetry Slam ein neues Ritual? Die Kirche der Gegenwart? Die Messe der jungen Generationen?

Dass ein Wandel stattfindet, spüren wir wohl alle. Die Zeiten ändern sich. Der Zeitgeist. Ich merke, dass ich tatsächlich etwas tun muss, um Schritt zu halten, um alte, ehrwürdige, wohl gehütete Denkmuster zu überwinden. Ich sitze in einem Poetry Slam und versuche zu verstehen, was da passiert. Es ist so anders und ich merke, dass es mir schwerfällt, zuzugeben, dass das wirlich gut ist. Wieso? Weil ich mein Ego überwinden muss, um in eine neue Zeit zu kommen? Weil ich dazu alte, liebgewonnene Ansichten über Bord werfen oder zumindest grundrestaurieren muss? Läuft die Zeit zu schnell oder bin ich mit 46 in einem Alter, wo das Alter beginnt? Es fällt immer leicht zu sagen “Früher war alles besser. Die Werte verfallen, die Jugend hat nur noch Konsum im Kopf. Keine Rituale mehr.” Stimmt so nicht.

Die Kirche versucht dem teils durch Anpassung entgegenzukommen. Eine Bekannte erzählte mir, dass im Weihnachtskrippenspiel in ihrer Gemeide vermeintliche Jugendsprache gesprochen wurde – Josef sagte zu einem der Hirten “Hey Alter!”. Und es gibt mittlerweile wohl so eine Art Heiligencomics für die Kleinen, in denen Jesus ein Handy hat. Aua. Das ist wohl nicht der Weg. Alte Rituale, neue Rituale. Ich merke, ich bin da hin und her gerissen. Das wird mich wohl noch eine ganze Weile beschäftigen. Mir sind Rituale wichtig, deshalb möchte ich, dass sie gerettet werden. In irgendeiner Form. Aber dieser Rettungsgedanke “Save the…” ist wohl mittlerweile auch eher antiquiert. Ich glaube, ich muss da noch mal Jim konsultieren:)