Netzstecker im Kopf

Plugin. Das gibt es nicht nur für Autos und Computer. Auch für Menschen. Dich, mich, uns. Der Stecker ist unscheinbar wie das Kabel, mit dem er verbunden ist. Grau, schwarz, transparent. Er kommt aus der Wand der Häuser, in denen wir leben, lieben, arbeiten. Meist zwei unscheibare Kupferdrähte, die sich seit Bell kaum verändert haben. Kupferlitzen. Sie bringen uns das Web. Das Netz. Was wird mit einem Netz gemacht?

Freitag hatte ich einen Gedanken, der sich aus den Tiefen meines Hirns irgendwie nach oben gearbeitet hat. Ich saß am Rechner, dachte über die Texte für einen Kunden nach, kam nicht recht voran, weil ich über die ganze Sache noch nicht geschlafen hatte. Da nutzte dieser Gedanke die Gunst der Stunde und schob sich an allem vorbei in den Vordergrund. Habe ich dann gleich getwittert, was hätte ich sonst mit dem Gedanken machen sollen? Wegwerfen? Speichern? Datenmüll produzieren?

Auf Twitter erschien also die fiftyfiftyblog-Meldung: “Bist du im Netz, bist du findbar. Gehst verloren. Wirst verschoben, veränderst dich, löst dich auf. Wirst verlinkt, vielleicht neu geboren.”

Was geschieht mit uns im Web? Technisch gesehen, ist es relativ klar. Wir vernetzen uns weiter und tiefer. Technisch. Immer mehr Daten werden über uns gesammelt, immer mehr Lebenszeit verbringen wir hier. Zum Shoppen, Preise vergleichen, Informieren, Plaudern, Schimpfen, Kontaktieren, Werben, Beworben werden, Verlieben, Online-Sex treiben…

Apple hat gerade das neue Handy 4S auf den Markt gebracht. Das hat nun ein funktionierendes Sprachtool. Ein echter Sekretär, der intelligent arbeitet. Man kann nun seinem Telefon sagen, es möchte einen Termin verschieben. Das Telefon hört zu und schaut im Terminkalender nach, ob der gewünschte Termin frei ist, verschiebt den und meldet das und merkt sich den. Oder es gibt, verbunden mit der Datenbank WolframAlpha Antworten auf die bescheuertsten Fragen. Oder interessante Fragen. Wie viel Kalorien haben ein Hamburger und eine Coke? Oder wie viele Menschen leben auf der Erde? Antwort: Im Jahr 2009 6,79 Milliarden. Testet mal http://www.wolframalpha.com. Müsst ihr auf Englisch eingeben.

Das heißt, wir sind nicht nur mit den beiden Kupferlitzen verdrahtet, sondern auch durch die Luft per Datenbeam vom Sendemast. Das wiederum heißt, wir sind permanent online. Datenschutztechnisch durch Datenkraken wie Google und Facebook ein Supergau. Facebook versucht ständig, meine Mobilnummer zu bekommen. Dreiste Anmache, wo Zuckerberg sich sicherlich nicht mit mir zum Essen verabreden möchte. Ich kann mich erinnern, dass gegen Volkszählungen mal demonstriert wurde. Heute…

Und jetzt die zentrale Frage: Was macht das mit uns? Wie wirkt sich die Vernetzung auf uns auf? Auf dich? Auf mich? Wie sehr verändern wir uns? Ich verbringe jeden Tag Stunden vor diesem Bildschirm, der letztlich ein Channel, ein direkter Zugang zu meinem Unterbewusstsein ist. Ich weiß gar nicht, was da alles reingeflogen kommt. Ich sehe diese Pixel vor mir, versuche das alles schön zu gestalten und liefere mich aus und mache mit. Twitter, Facebook, Google+, Tumblr, Klout, Brigitte Woman Blog, fiftyfiftyblog… Ich füttere, werde gefüttert.

Bin ich noch der, der ich war, bevor das Netz kam? Die Datenwolke, der Webschwarm? Sicherlich nicht. Versuche zu verstehen, wie die Dinge funktionieren, wie sie miteinander zusammenhängen und was welche Auswirkungen hat. Ein ständiger Prozess des Antizipierens. Spiele das Spiel der Spiele mit. Dieses faszinierende Spiel. Dieses große Spiel. David Grasekamp, mein persönlicher Webguru, der mich mental ins Netz gebracht hat, ins neue Denken und Kommunizieren, hat mir gestern getwittert, dass wir eventuell gemeinsam an einem Special der stART Conference teilnehmen werden. Mit einem Live Erzählblog. Mal sehen…

Ich hatte ihm das mal vorgeschlagen. Den fiftyfiftyblog als Live-Web-Act. Virtueller Blog und analoge Lesung an einem Ort. Interaktiv. Zurück auf die Bühne! Nach über 20 Jahren wieder eine Lesung. Nur ganz, ganz anders. Das versuche ich gerade zu denken und in ein Konzept zu packen. Was wird das dann sein? Ein next Step, eine weitere Veränderung? Wird das Netzkabel zu meinem Hirn noch dicker? Gehe ich im Netz verloren oder gewinne ich ein neues Leben? Wird Jens Schönlau, werden wir alle neu geboren? Als digitalisierte Menschen mit Glasfaserkabel-Vernetzung? Ihr seht an den vielen Fragezeichen, dass ich recht wenig weiß und eher die Fragen zu den Antworten habe, die wer kennt? Noch weiß ich nichts und blicke bei weitem nicht durch…

Eine schöne Web-Woche wünsche ich euch. Und zwischendurch, so wie Peter Lustig von Löwenzahn immer gesagt hat, mal schön ausschalten und raus in die Welt mit den Menschen, denen man in die Augen sehen kann. Diese schönen Gestalten, mit Ausstrahlung und Aura, mit Mimik und Lauten. Multidimensionale Wesen. Echt anfassbar.

P.S. Ich wusste heute Morgen schon bei der Wahl des Themas, dass das ein etwas chaotischer, verwirrender Beitrag wird, der ein wenig ratlos zurücklässt. Das ist der Vorteil von Blogs gegenüber den klassischen großen Medien. Wir Blogger haben die Freiheit, auch mal rumzuspinnen und einfach ein Thema unkontrolliert in die Runde zu werfen. Fragen zu stellen…

Sonia, you make me smile!

Ach!!! Was für ein Tag gestern. Rubbel, rubbel durch die Gedankenmühle. Ganz schön anstrengend, dem Ansturm standzuhalten. Der Zauberlehrling. Die Geister, die ich rief. Ursache und Wirkung. Bin gestern Abend mit einem leicht unguten Gefühl zum Training gefahren. Die Anspannung war da, weil die Diskussion – was hätte ich eigentlich anderes erwartet – doch ins Persönliche abzudriften drohte. Nach dem Training war das dann weg. Rausgelaufen, wie ein junger Hund über den Fußballplatz getobt. Weg.

Heute Morgen dann dachte ich: Was schreibste denn jetzt? Nach gestern? Mal wieder Besucherrekord mit einem provozierenden Thema. Hetze ist mir auf Twitter vorgeworfen worden, Undifferenziertheit, Enttäuschung schlug mir entgegen, dass ich nach meinen sonst eher sanften Geschichten so etwas schreibe. Und viel Zuspruch kam. Zum Beispiel von Ela, die sich bedankt hat. Was mich wiederum sehr gefreut hat.

Ungemütlich ist es, solche Themen zu präsentieren. Und ich merke: Wichtig. Als Blogger muss ich mir dann allerdings sagen: Du verlässt die Komfortzone. O.K. Ab und an mache ich das, auch wenn ich kein Stefan Niggemeier bin, der das mit dem Bildblog täglich praktiziert. Hut ab, ein starker Mensch. Einer mit einer Aufgabe, der sich Abmahnungen durch die Bild stellt. Der hat einen Arsch in der Hose. Es zeigt sich, wie wichtig Blogger sind, weil sie in ihrer Unabhängigkeit von Redaktionen und Werbekunden frei schreiben können. Ohne gleich zum/ zur Redaktionschef/in oder Werbekunden-Beauftragten gerufen zu werden.

Und dann geschah über Nacht in meinem Postfach märchenhaftes. Ein Engel hatte mir geschrieben. Sonia. Dafür liebe ich diese mir unbekannte Frau. Hat mich einfach rausgeholt aus den Grübeleien. Zeter, zeter. Mit ein paar sehr netten Worten und einem himmlischen Link. Hach!!! Ich zitiere:

“Vielen Dank für diesen Artikel. Bei mir wirkt übrigens von Steinen bis zu Placebo alles und wenn ich fett Erkältet bin, hol ich mir lecker Belladonna Globuli in der Hom. Apotheke yummie :-) hehe
Und: Placebo wirkt bei mir IMMER! Liebe Grüße -Humor ist, wenn man trotzdem lacht:-)”

Sonia hat einen sehr netten Blog, den ich jetzt einfach mal empfehle: http://soniagalai.wordpress.com/

Tja, und dann hat sie mir noch etwas geschickt, nachdem sie vorher schon ein Lächeln in mein Gesicht und meine Seele gezaubert hat (Humor ist, wenn man trotzdem lacht). Ein amerikanischer Kurzfilm. 16 Minuten lang. Romantisch, kitschig, herzallerliebst wunderschön und typisch fifty-fifty. Danke, Sonia. Wie Sonne. Das Leben, wie es auch sein kann. „Validation“. Auf Youtube zu sehen – und oben.