Jetzt wird durcheinander getumblred!

Heute machen wir hier im Blog mal ein wenig Netzkunde. Also alle bitte setzen, aufhören zu quatschen und Augen und Ohren auf. Das gilt auch für Meyer hinten in der letzten Bank. Da kehrt jetzt mal bitte Ruhe ein. Herrje. Ich bitte mir ein klein wenig mehr Disziplin aus, sonst wird das hier nichts. Wie soll man denn da arbeiten. Also. Geht doch.

Unser Thema heute: Durcheinander bloggen. Ja, wild durcheinander. Das Netz der Netze, in dem wir mittlerweile zappeln wie irrtümlich gefangene Delfine, Tümmler der Neuzeit, bietet immer neue Möglichkeiten. Irgendwo in Amerika sitzen ständig ein paar Jungs, ja es sind meistens Wesen männlichen Geschlechts, und hauen was in ihre Tastatur, besorgen sich Risikokapital und werden irgendwann reich und berühmt. Einer davon ist David Karp.

Der wohnt und lebt in New York City und hat sich von einem Deutschen aus München inspirieren lassen, Tumblr zu gründen und aufzubauen. Das macht er mit einigen Kapitalgebern im Hintergrund seit 2007. Sehr erfolgreich. Zurzeit sammelt er Menschen im Netz, die bei ihm mitmachen. Das heißt, die sich für die Idee des durcheinander Bloggens begeistern. Ich bin über diese dänische Seite mit dem frivolen Namen (siehe Beitrag letzte Woche) auf Tumblr gestoßen. Als ich mich mit der Seite beschäftigte, war ich von der Idee fasziniert, Dinge im Internet zu sammeln und zu veröffentlichen. Genau das kann man mit Tumblr tun.

Es ist ganz einfach. Man surft auf die Seite und richtet sich in wenigen Minuten einen Blog ein. Einfach Designvorlagen auswählen und schon kann es losgehen mit dem Schreiben von eigenen Texten, dem Veröffentlichen von Fotos. Der besondere Kick aber ist: Es besteht die Möglichkeit, sich einen Button in die eigene Browserleiste zu pappen. Ist man im Netz unterwegs und findet etwas Spannendes – ein Foto, ein Video, einen Song – drückt man den Button und schon ist das Betreffende im eigenen Tumblr-Blog veröffentlicht.

Nun kann das Veröffentlichte niemand kommentieren. Geht nicht. Zumindest nicht im eigenen Blog. Andere Tumblr-Blogger können das Veröffentlichte rebloggen und dann bei sich im Blog einen Kommentar darunter schreiben. Weil so Material aus dem gesamten Netz zusammengetragen wird – ich würde urheberrechtlich mal sagen, das ist alles nur geklaut -, kommen tolle Sachen zustande. Tumblr ist für mich wie eine riesige Kramsschublade, in der man stöbert. Dabei tritt ein Zeitgeist in Erscheinung. Es entsteht ein Gefühl für die Ästhetik der Zeit. Da sind ziemlich viele junge Menschen, für die Surfen seit ihrer Kindheit integraler Bestandteil ihres Lebens ist. So kommt es mir vor.

Ehrlich gesagt, komme ich mir da mit meinem Blog ein wenig antiquiert vor. Bitte jetzt nicht trösten, ich stehe voll und ganz hinter dem was ich tue. Es ist nur so, dass ich mit meinen gefühlt jungen 46 Jahren schon aus einer anderen Zeit komme. Ich schreibe Gedichte, die aus einer anderen Zeit kommen, die aus meiner Vergangenheit heraus entstehen. Und die liegt teilweise schon lange zurück. Bei Tumblr sind diese jungen, kreativen Menschen, die einfach richtig gute Seiten machen aus dem Hier und Jetzt heraus. Deshalb bin ich nun auch bei Tumblr. Ich habe dort einen Blog in meinem Stil eingerichtet und kann nun bei den anderen zuschauen. Über mein “Dashboard”, die Verwaltung, kann ich einfach Themen auswählen. Zum Beispiel Landschaften. Und dann werden jede Menge Blogs gezeigt, die Landschaftsfotos veröffentlichen. Richtig gute Landschaftsfotos.

Das gibt mir zwar, ganz ehrlich, ein klein wenig das Gefühl, dass es schon alles, alles gibt, aber gleichzeitig inspiriert es mich auch. Moderne Bilderbücher. Magazine direkt aus dem Leben. Lebendig, authentisch. Bislang in der Hauptsache amerikanisch beeinflusst, denke ich. Wo das nur alles hinführt… Mehr Informationen zu Tumblr gibt es in einem TAZ-Artikel, den ihr hier findet.

Ich hoffe, ich habe euch mit diesem Beitrag nicht zu sehr durcheinander gebloggt. Euch allen wünsche ich einen schönen Tag. Geht mal raus in die Natur. Ist gerade sehr spannend. So viele Grüntöne, für die ich keine Namen habe. Am liebsten habe ich diese kleinen Knospen, die am Ende der Zweige kleine grüne Fitzchelchen in die Welt schicken. Babyblätter. Guckt euch die mal an – süß:) Viel Spassss dabei. Und überhaupt.

White Lily – Days go by

Kürzlich hatten Ela und ich einen Streit. Kommt ja vor. Aufflammende Emotionen. Katharsis, Zeit der Reinigung. Zurechtrücken. Das ist sehr anstrengend, aber auch sehr gut. Am Tag danach – the day after – habe ich ihr weiße Lilien geschenkt. Nein, kein Grabschmuck. Ihre Lieblingsblumen. Die Schönheit der Lilien, der Song von Laurie Anderson: White Lily. Eine Sängerin aus einer anderen Zeit. Oben ist das Foto der Lilien, unter der Songtext und ein Video.

Fassbinder. Ich war der Regieassistent von Walter Bockmayer und Walter Bockmayer war der Regieassistent von Fassbinder. Manchmal hat mir Wally (Walter Bockmayer) während der Proben von den alten Zeiten erzählt. “Days go by”. Manchmal denke ich an die Zeit, als ich Ela kennengelernt habe. Und mit ihr auch Laurie Anderson und vieles mehr. Ich glaube, ich sollte mal wieder einen Fassbinder-Film sehen. Abtauchen in die Vergangenheit. Warum eigentlich nicht. Auch wenn uns die Tage endlos in die Zukunft treiben. Das war eine Zeit, als Worte groß sein durften. Stark. Getragen. Ausdruck einer tiefen Sehnsucht. Wie schön, diese Zeilen.

“What Fassbinder film is it?
The one-armed man walks into a flower shop and says:
What flower expresses days go by
and they just keep going by endlessly
pulling you into the future.
Days go by
endlessly
Endlessly pulling you into the future.
And the florist says:
White Lily.”
(Text Laurie Anderson, White Lily)

Hier der Link zum Laurie Anderson-Song auf Youtube.

Euch allen eine schöne Woche.

fuckyouverymuch.dk – erfrischend anders:)

Fotografiona ist der Twitter– und Künstlername eine Fotografin aus Berlin. Auf Twitter lese ich ab und an ihre Nachrichten und schaue auch mal in ihrem Blog vorbei. Berlin ist einfach immer eine Nummer cooler als das Leben hier auf dem Land. Zudem dürfte sie eine ganze Ecke jünger sein und betrachtet die Welt ohne Kinder und Familie aus einem anderen Blickwinkel. Spannend für mich. Und: Sie schreibt aus dem Leben einer Fotografin. Fotografie hat sich bei mir ins Leben gedrängelt. Irgendwie ist seit einiger Zeit die Kamera einfach oft dabei. Ich glaube, die hängt sich mir morgens um den Hals, wenn ich Cooper rufe.

Fotografiona hat gestern einen Tweet – so heißen die Nachrichten auf Twitter – mit einem Link getwittert. Das heißt, sie hat ihn retweeted. Also wiedergegeben. Die Nachricht sah dann so aus: “#ff!! RT @fyvm: Photo: We don’t give a damn. http://tumblr.com/xmv1y1flym” VORSICHT! Hier wird es erotisch. Bevor ihr diesen Link klickt, muss ich euch sagen, dass ihr eine nackte Frau in einem Kombi sehen werdet. In eindeutiger Pose. Ich weiß, das macht nichts. Wir leben im Jahr 2011. Ich wollte es euch nur sagen.

Als ich dieses Foto sah, musste ich lächeln. So frech. So wunderbar frech, dieses Foto, dieser Blog. Der trägt den verwirrenden Namen fuckyouverymuch. Und den Untertitel: fuck you is the new thank you. Jetzt könnte man natürlich denken: Oh, Schmuddelszeug. Schön, mal schnell heimlich hinsurfen und ein wenig gucken. Ist ja in Ordnung. Aber so ein Blog ist das nicht. Der ist – unbeschreiblich anders.

fuckyouverymuch ist ein fotografisches Tagebuch. Die Macher sind Sine und Kristoffer aus Dänemark. “Two friends trying to manage their relationship through this visual diary. These are their thoughts on everything.” Ich konnte nicht aufhören, das Tagebuch zu durchstöbern. Die beiden suchen aus dem Internet Fotos zusammen und schreiben ihre Gedanken darunter. Kurz. Sehr kurz und sehr prägnant. Keine Arabesken, nichts Barockes. Einfach straight. So wie die Fotos, die sie aussuchen. Aus dem Netz. Sie surfen, entdecken irgendwo ein Foto, das sie anspricht, posten es auf ihrer Seite, verlinken es mit der Ursprungsseite und schreiben ihre Botschaft darunter. Ein modernes Bilderbuch. Lyrisch, sexy, frech, anarchisch. Ein Abbild der Zeit. Ihrer Zeit. Meiner Zeit? Eurer zeit? Weiß nicht. Egal.

Dabei steht dieses fuckyouverymuch auch für eine Netz-Subkultur. Unten auf der Seite steht einfach: “The images on fuckyouverymuch are found all over the amazing internet. We use them because they invoke certain feelings in us and in our readers. Click on the pictures and it should lead you to the source – but if we happen to violate any copyrights you might have, please do not hesitate to contact us and we will remove the picture. Please note that some of the images on fuckyouverymuch contain nudity. Additionally; if you know the author of an unknown post please drop us an email. Play it safe and be cool. Fuck you very much. s x k”

Das heißt, die leihen sich die Fotos ungefragt. “Play it safe an be cool.” Cool. Ja, das ist die Seite. Ich bin bis zum September des letzten Jahres gekommen und freue mich, den Rest auch noch zu entdecken.