Das Ding Liebe

Ist es nicht kompliziert? Wäre es nicht schön, wenn es einfach einfach wäre? Diese Liebe. Nur ein chemischer Prozess im Körper. Ein paar Hormone, die gemixt werden. Hier eine Verdrahtung im Hirn, dort eine Leitung gelegt. Letztlich für den Fortbestand der Menschheit. Und einige andere Annehmlichkeiten des Alltags.

Sie ist ein luftiges Wesen. Eher Fee als Erdbewohner. Eher trippelnde Leichtigkeit denn tragendes Gewicht. Immer in Bewegung. Immer auf dem Sprung, immer mit Flausen, Fransen, neuen Ideen im Kopf. Ich hatte einmal an die alte, alte, reife, wunderbare Liebe geglaubt. Diesen Zustand, wenn sie eingesickert ist, alles durchwoben hat, satt getränkt. Wenn sie überall liegt, in den Fotos im Kopf, im Geschmack, Geruch. Ein Hauch nur, ein Anflug und sie ist da. Auch leicht, auch tänzelnd, die erfahrene feine Dame. Nicht in Beton gegossen, nicht gezähmt, nicht die Hände gebunden. Vielleicht weise, vielleicht stiller, vielleicht tiefer. Auf jeden Fall ruhiger, weniger zehrend, fressend, gierend.

Die junge Liebe dagegen ist wie ein junger Hund. So schön anzusehen. Süß. Diese Augen, tapsigen Pfoten, das Unbeholfene. Herumspringen, herumtoben, Lebendigkeit. Zu schnell kommt der Übergang, das Herauswachsen. Das Sterne in Blumen in Gepresstes fürs Poesiealbum Verwandeln. Ein rasches Herabsteigen. Und dann? Kommt die Arbeit. Das Schleifen, Formen, Erziehen. Die Liebe erziehen? Wie einen Baum schneiden? Den Wuchs vorgeben? Die Richtung?

Wenn Zwei kommen und sich entscheiden, gemeinsam zu gehen, lauern am Wegesrand die Gefahren des Alltags. Das Profane drängt sich auf. Die Absprachen. Wer trägt was. Wie lang sind die Tagesetappen. Und überhaupt. Nach Tagen, Wochen, Monaten des Laufens kommt die Frage nach dem Ziel, dem Sinn und Zweck als Boden der Liebe. Dann trifft der Vermerk, der Verwaltungsakt das Zentrum der Gefühle und Leichtigkeit beginnt, sich kleine Gewichte ans Gewand zu heften.

Warum ist die Liebe nicht einfach einfach. Wieso gelingt es nicht, sie im Moment zu halten. Immer im Momemt, ohne jemals an Zukunft zu denken. Ich wäre heute an einem anderen Ort. Dort, wo es schön ist. Wo ich mich wohl fühle. Wohl gefühlt habe. Nun sitze ich hier und schreibe. Schreibe. Wie immer. Worte, Worte. Es ist der Morgen des 27. Aprils 2012. Logbuch. Die Segel gestrichen, unterwegs im ruhigen Gewässer, werden später den Sextanten hervorholen und sehen, wohin die Reise geht.

Mein Bruder wird heute 51 Jahre alt. Und ich sitze hier. Mache mir Gedanken über die Liebe. Versuche sie zu fassen und weiß, dass sie mir aus den Fingern flutscht wie ein glitschiger Fisch. Der Morgen war verplant für schöne Dinge. Es wäre gut gewesen. Kaffee. Reden. Nähe. Schließe die Augen für einen Augenblick. Atme tief. Aus dem Bild gehen. Zurückkommen. An den Schreibtisch. Die Realität. Die Realität, die Wirklichkeit, das Spiel und das Leben. Habe gleich einen Termin in Köln. Business. Texte. Geld. Handfestes. Zukunft. Erfolg. Würde.

Wie wollen wir verdammt nochmal leben?

How?

Gehen. Durch den Tag. Durch die Nacht. Gedanken. Was wird? Werden? Sein? Freud, Nietzsche. Die ewige Fragerei, der niemals stillstehende Moment der Entscheidung. Tiefe, Höhe, Fall, Eskalation, Kompromiss, Möglichkeiten, Abschätzungen, Wahrscheinlichkeiten. Züge. Geplant, geformt, ausgeführt, verworfen.

Was ist Leben?

Sich auf den Kopf stellen, die Perspektive wechseln.

These 1: Nichts ist.

Klingt esoterisch. Habt ihr eine Tür in eurer Wohnung, in eurem Haus, in eurem Sein, die offen steht? Könnt ihr rausgehen und die Welt mit anderen Augen sehen in jedem Augenblick? Oder hält euch etwas. Halt, Ort, Wichtigkeit. In jedem Augenblick ist es möglich, von Bord zu gehen. Das Schiff nach Übersee zu nehmen. Das Glück in der Ferne zu suchen oder ein Dorf weiter oder entlang der Autobahn dort hinten an der Abfahrt links. Nichts ist betoniert, was sich nicht auflösen ließe. Niemand zwingt zu irgendetwas. Nur wir selbst.

Blicke durch das Dachfenster. Hänge ein Gedicht auf. LOVE YOU.

Chatte, surfe, fliege.

Was ist Zukunft? Was ist der Plan? Und immer der Plan B. CDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ und dann? Hechten, laufen, planen, planen. Entlang der Wege, Koordinaten, Annahmen. Putzen, machen, tun, Zeit verlieren.

Ich habe doch die Erfahrung. Das Leben formt, gibt die Richtung, erzählt die Geschichte. Die Ziele, die Träume. Sie brauchen Ziel, damit sie wissen, wo die Reise hingeht. Bullshit. Sie brauchen ein Leben. Erst leben, dann planen. Erst fallen lassen, dann auffangen. Das Netz nicht bauen, wenn niemand in der Luft ist.

Kennt ihr Portishead? Habe mir gerade drei CDs bestellt. Sind gestern angekommen. Zwei Songs. Natürlich auf Facebook entdeckt. Over. Glory Box.

Glaubenssätze auflösen. Katharsis. Reinigen. Gewicht abwerfen. Konsequent sein.

These 2: Alles ist.

Jetzt. Hier. Möglich. Der Blick ist es, der die Hand führt. Entfesseln. Das Fernglas weglegen. Die Lupe. Hinsetzen. Geschehen, geschehen lassen. Es geschieht so viel. Der Mann, der an der Bushaltestelle sitzt und jeden Bus passieren lässt. Kein Ziel, kein Wunsch, kein Traum. Angekommen. Sitzt dort, lebt. Was geschieht, egal. Das Gespräch mit der alten Frau. Er sieht den Kuss des jungen Paares. Ein Kind fällt. Eine Zigarette wird weggeschnipst. Bilder, Leben, Fülle. Reichtum ohne zutun. Worauf hinarbeiten? Was noch, noch, noch erreichen wollen? Den höheren Berg? Den noch besseren Menschen?

Auf den Kopf stellen, die Perspektive wechseln. Rausgehen und schreien. Rausgehen und stumm betrachten. Rausgehen. Schutz aufgeben. Entschützen. Öffnen. Passieren lassen. Auf dem Bett liegen. Portishead hören. Zum Fenster rausschauen.

LOVE.

YOU.

YOURSELF.

ME.

Quixquaxnuxknurz.

Oh, Mann. Sometimes. Really. At the moment. Ich müsste eigentlich mit ganz anderen Dingen beschäftigt sein, als mir mal gerade die Welt um die Ohren fliegen zu lassen. Es ist kein Speedtrain, es ist ein Starfighter, in dem ich unterwegs bin. Könnt ihr mir bitte mal eine runterhauen und sagen, dass ich jetzt bremse und wieder in irgendeiner Form normal werde?

Die letzten Wochen waren die schnellsten, komprimiertesten, irrwitzigsten meines Lebens. Ich war in Gedanken und auch körperlich nur unterwegs. Habe kaum geschlafen, gegessen. Kann schon kaum mehr auf die Waage schauen. Jetzt muss ich bremsen. Mal nichts machen. Es war so viel. Ich war an so vielen Orten mit so vielen Menschen und habe so viel geredet. Geredet, geredet, geredet. Was natürlich sehr gut war.

Übergänge. Männer können keine Übergänge. “Ein wichtiges Thema war: Männer können keine Übergänge. Die fallen in ein Loch, die Energie trudelt ins Nichts, die Stimmung sinkt.” Habe ich geschrieben in Die alte, alte, schöne, schöne Liebe. Da stehen so einige Sachen drin. Herrje. Wie schrieb Polly: Blauäugig. Ja, ich habe zwei große blaue Augen:) Da rettet mich nur der alte Spruch “Was interessiert mich mein blödes Geschwätz von gestern.” Cut. Neu. Das ist es, was gerade passiert. Wenn ich überlege, was alles hier im Blog steht, was ich alles in der Vergangenheit geschrieben habe, möchte ich einmal komplett löschen. Serverattack. Eraser. Blogkiller.

Der Übergang. Zwischen schwarz und weiß liegen die Farben. Smartiewelt. Alles so schön bunt hier, kann mich gar nicht entscheiden. Doch, in einem Punkt schon. Aber über den schreibe ich hier nicht. Zu schnell, zu viel, zu besonders. Schatzkiste. Ende der Offenheit. Privat. Tür zu.

Das war jetzt wahrscheinlich der verworrenste, durcheinanderste Blogbeitrag im fiftyfiftyblog überhaupt. Mir steckt dieses Wochenende in den Knochen. Wie viele Highlights verträgt ein Mensch in 72 Stunden? Hangover 3. Wie schnell darf sich ein Leben verändern? Wie schön kann, darf Leben nach einer Trennnung sein? Wieso dürfen sich Dinge jetzt so gut anfühlen? Mir fehlen die Worte, die Antworten. Tatsächlich ist mein Kopf aktuell sprachlos. An anderer Stelle habe ich sehr kürzlich geschrieben: “…bringt in meinem Kopf Sachen durcheinander. Da passen die Kartons in den Regalen nicht mehr. Alles war so schön eingeräumt. Alles an seinem Platz und plötzlich muss ich umräumen, wegwerfen…” Mich trifft diese Zeit vollkommen unvorbereitet. Ich dachte, “den Tiger zu reiten” würde bedeuten, zu trauern, Schwierigkeiten zu überwinden. Und jetzt das. Einmal auflösen, wegbeamen, Teile des Körpers verlieren, der Identität und anfangen neu zusammenzusetzen. Keine Ahnung, was geschieht, was dabei rauskommt. “Ich bin dabei, du bist dabei, wir sind dabei uns zu verliern.”

1986. Es ist lange her. Aber ein Gefühl ist abrufbar. Die Kassette ins Autoradio. Dreieck gedrückt. Start.

Weggeschwemmt

Unter Wasser treiben
mit dem Fluss
Pianoakkorde im Ohr
drehen, fliegen

Als Wolke treiben
unter Wasser
Seifenblase

Hände weit
die Welle
hebt die Füße
rollen

Mit dem Fluss
treiben

Weiter
geschlossne Augen
langsam
Zeitlupe
eingedreht
den Kopf geneigt

Komm mit
er trägt
der Fluss

Die Akkorde
unter Wasser
Hände am Rücken
Körper

Treiben im Fluss
unter Wasser
weiter, weiter
kein Bleiben
kein Ort
keine Zeit

Irgendwo
deine Hand

märz 2012

Wie aufregend kann Leben sein?

Entwicklung geschieht an den Kanten. The edge. Geschichte verläuft in Sprüngen. Es bahnt sich an, staut sich auf, bricht los. Renaissance, Aufklärung, französische Revolution, der Weg in die Moderne, die westliche Demokratie. Mit idiotischen Rückschlägen und unnötigen Arabesken. Shit happens.

Die Ontogenese enthält die Phylogenese. Die Entwicklung des Einzelnen bildet die Gesamtentwicklung ab. In der Zeit als Embryo. Auf der Ebene der Erscheinung sind es die verbliebenen, rudimentären Merkmale des Körpers. Die kleine Ecke in den Augen, der Blindarm. Wir bewegen uns permanent in einem großen Entwicklungszusammenhang.

Trotzdem leben wir unser eigenes Leben. Hier und jetzt. Gestern, morgen. Dieses Leben ist eingebunden in die Gesamtentwicklung, in der es Sprünge gibt. Und es gibt die Sprünge in der Individuelentwicklung. Die Dinge laufen parallel und jeder Mensch könnte seinen eigenen Graphen an die große Welt- und Menschheitslinie anlegen und schauen, wo er steht. Es ist ein Mitgehen. Sich trennen, nah dran sein, Augen verschließen, nicht wollen, begeistert sein und, und, und.

Kommen wir zum Thema. PUNKT, wie eine sehr gute Freundin schreiben und sagen würde. Diese besondere Frau. Ach. Tagebucheintrag am 4. April 2012: In den vergangenen Wochen war das Meer rau. Der Himmel hing voller leuchtender Sterne, was das Navigieren extrem vereinfacht hat. Die Wellen waren hoch wie Türme. Die Sicht mal weit und klar, mal war da nur die Wand. Nur Welle, nur Tal, sonst nichts. In Seenot geraten. Gekämpft. Aufs Deck geknallt, umgeschmissen. Zurück in die Wanten, mehr Segel. Trotzen. Das Schwert griffbereit. Die Nase blutig geschlagen, der Körper voller blauer Flecken. Brüche.

Nun: Ist da ein weites Land. Überraschend. Die Fahrt war kurz. Den stürmischen Atlantik in Tagen. Dennoch. Es fühlt sich anders an, dieses Leben. Plötzlich. Frei, leicht. Schön. Es ist aufregend. Das Leben tanzt. Ich tänzele. Es scheint, eine Stufe genommen zu sein. Es liegen schöne Dinge vor mir. Und wenn ich zurückblicke, liegen da mehr schöne Dinge als doofe. Ich muss oft lachen. Mit Menschen. Und loslaufen. Ich kann wieder laufen. Schnell, weit, leicht.

Mein Dachfenster ist eingebaut. Das neue Bett steht darunter. Musik fliegt mir zu, die ich in die Anlage werfe. Gestern Abend lag ich nach einem langen Tag in der Badewanne. Kerzen. Duft. Aus meinem Zimmer klang ein jazziger Sting. Es ist der Augenblick, der zählt. Moment für Moment. Bei mir ist gerade so viel Platz für Neues, neue Gedanken, neue Menschen, dass ich denke: Wie aufregend kann Leben sein?

Für dich. Du weißt.