Vernazza. Immer wieder Vernazza. Das Dorf lässt mich nicht los. Erst recht nicht seit der Flutkatastrophe am Tage des 25. Oktober 2011, als der Himmel über Vernazza brach und in wenigen Stunden die halbe Regenlast eines ganzen Jahres niederging. Das Wasser aus den Bergen sammelte sich. Ab 15 Uhr war die Hauptstraße des für mich schönsten Cinque Terre-Ortes ein reißender Fluss. Um 18 Uhr hatte dieser Fluss eine Höhe von rund drei Metern erreicht. Aus den Bergen kam Schlamm, es wurden Autos mitgerissen. Die Macken an den Häusern sind überall zu sehen. Das Dorf wurde durch Schlamm geflutet, teilweise wurden Häuser weggerissen.
Dieses Jahr war ich während des Levanto-Urlaubs oft in Vernazza. Als müsste ich dort sein, um meine Verbundenheit zu zeigen. Ein Mal bin ich mit dem Fahrrad hingefahren. Von Levanto den Berg rauf, am Kloster vorbei, die Küstenstraße hoch über dem Meer entlang bis nach Vernazza runter. Die Straße ist gesperrt. Überall sind Teile abgebrochen. Schneisen der Verwüstung haben sich in die Landschaft gegraben. An einer Stelle lagen plattgewalzte LKW flach am Boden. Die Räder von sich gestreckt, die Aufbauten weggerissen. Boote hingen noch in Büschen, ein Baucontainer lag irgendwo – neben den Häusern im Tal, die teils rechts und links umspült worden sind. Was muss das für ein Gefühl gewesen sein. Der Tag der Sintflut.
Einen Abend waren wir mit allen plus Freunden in Vernazza. Wir waren von Corniglia die Küste entlang gewandert, waren vorne am Anleger schwimmen und springen. Wir haben uns Pizza besorgt und Bier und haben gelacht, getobt, den x-ten Sonnenuntergang gesehen und Vernazza genossen, wie man nur Vernazza genießen kann. Elegant gekleidete Menschen auf der Straße, die unter den bunten Sonnenschirmen von Gianni Franzi oder im Gambero Rossi essen. Beim Vorbeigehen spinxe ich gerne auf die Teller und sehe, wie Köstlichkeiten Stück für Stück verschwinden.
Auf dem Weg vom Anleger ins Dorf bin ich in der Ausstellung von Andrea Erdna Barletta gelandet. Ein Grafiker und Fotograf aus Levanto, der die Folgen der Katastrophe und die Aufräumarbeiten dokumentiert hat. Irre Fotos. Ausgestellt in einem kleinen Raum im Hafen von Vernazza. Hoffnung und Verzweiflung. Der Helfer, der im Schlamm eine italienische Fahne findet und sie an eine schlammverschmierte Fassade in die abgerissenen Kabel hängt. Feuwehrleute, die verschüttete Türen aufschneiden. Immer mit der Angst, sie könnten jemanden finden, der es nicht geschafft hat oder aus den Bergen hinabgespült wurde. Das Foto der beiden jungen Frauen mit Mundschutz. Große Gummihandschuhe an den Händen – die eine küsst der anderen auf die Stirn. In den Augen ist das Lächeln zu sehen, die Freude, der Zusammenhalt. Teilweise seht ihr die Bilder oben auf dem Foto mit Andrea Erdna Barletta im Hintergrund. Einige Fotos gibt es auf Flickr zu sehen. Nicht nur von den Aufräumarbeiten, sondern auch von den Aktionen, die die bösen Geister der Vergangenheit vertreiben sollen. Unter anderem ein riesiges Mandala, dass die Bevölkerung geschaffen hat. Ein Foto das zeigt, wie die Zukunft Vernazzas aussieht. Bunt, lebendig, froh, mit dem Lächeln dieses Ortes. In Vernazza wird viel gelacht, gelächelt…
Copyright Jens Koch. 2012. (Danke, Jens:) )
Ich habe mich mit Andrea Erdna Barletta unterhalten, habe sein Buch gekauft. Der Erlös kommt www.vernazzafutura.it zugute. Eine schöne Aktion, um irgendwie die 80.000.000 € rein zu bekommen, die die “Alluvione” im Meer versenkt hat. Ich habe ihm versprochen, über die Aktion zu bloggen. Er hat mich, uns, fotografiert, ich habe ihn fotografiert (oben). So kann ich ein wenig mehr für Vernazza tun. Hoffentlich. Der Spendenbutton ist weiter auf der Startseite für die, die noch nicht haben und gerne möchten. Wer auf facebook ist, kann die Aktion mit einem “Gefällt mir” auf der Seite “Libro: Alluvione a Vernazza” unterstützen. es geht weiter…
Hallo Jens,
es ist beeindruckend, wie die Stadt kämpft. Sie haben nicht aufgegeben, sich und die Stadt. Das finde ich super!
LG
Annegret
Hi Annegret,
sie lachen. Sie arbeiten. Sie machen weiter. Übertünchen, renovieren im Herbst. Bleiben, trotz Ungewissheit.
Liebe Grüße
Jens
Hallo Jens!
Danke für diesen Beitrag!
Es hat Andrea und mich sehr gefreut, dass Du unsere Buch-Spenden-Iniziative in Vernazza unterstützt hast und sie immer noch von deinem Blog aus unterstützt!!!
Wir hoffen Dich bald wieder in Cinque Terre zu treffen.
Liebe Grüße,
Monika und Andrea
Liebe Monika, lieber Andrea,
gerne geschehen. Danke für die Antwort. Wenn alles klappt, bin ich im nächsten Sommer wieder drei Wochen in Levanto.
Wenn ich euch irgendwie in irgendeiner Form unterstützen kann, mache ich das gerne. Einfach anrufen, mailen, Bescheid sagen. Ich freue mich, etwas für Vernazza und die Cinque Terre zu tun.
Liebe Grüße
Jens