Kunst- und Dresdenwoche hier im Blog. OSTRALE’013.
Nachdem ich nun recht umfassend über DAVIDS Auftritt und die Stadt geschrieben habe, hier nun ein Blick auf die Ausstellung. Ich habe mir erlaubt, sechs Künstler/innen heraus zu picken. Denn die OSTRALE ist ein aus dem Boden gestampftes Museum für moderne Kunst, das 90 zeitgenössische, internationale Künstler/innen präsentiert – und das in einer Form, wie man sie sich nur wünschen kann. Mit viel Raum, Freundlichkeit, Lockerheit und einer sehr schönen Atmosphäre in beeindruckender Kulisse. Letztlich verantwortlich für all das zeichnet Andrea Hilger, die auch diese 7. Internationale Ausstellung zeitgenössischer Künste unter ihre Fittiche genommen hat. Auf dem Ausstellungsgelände ist sie omnipräsent und kümmert sich – zusammen mit den vielen anderen. Man spürt die Menschen, die hinter der OSTRALE stehen. Das tut der Kunst, dem Projekt gut.
Die Werke der OSTRALE’ 013 hängen, stehen, liegen, leuchten, klingen, bewegen sich, lassen sich begehen in den Futterställen und Heuböden des von Hans Erlwein vor über hundert Jahren entworfenen Schlachthofgeländes. Das Schöne, das Gute: Fein ausgewählte Kunst trifft auf die atmenden Möglichkeiten der Improvisation. Nichts ist wie aus dem Ei gepellt. Keine Glasfassaden, kein Edelstahl, kein Parkettboden. Alles so, wie es mal war, als hier noch Tiere ihren letzten Weg gegangen sind. Das Überzeugende am Gelände und an den Bauten ist die Abwesenheit von gewollter Perfektion. Das gibt einen subversiven Rahmen vor, der Kunst authentisch präsentiert und ihr die Möglichkeit gibt, fernab von Hochglanz lebendig zu bleiben. Die OSTRALE ist angenehm weit weg von Investitionen, die zum Beispiel die Zeche Zollverein zu einem institutionalisierten, fixen Kunstraum machen. Mit allen umgesetzten, vermeintlichen Notwendigkeiten.
So, nun viel Spaß mit dem, was es zu sehen gibt und was ihr, wenn möglich, live erleben solltet. OSTRALE’ 013.
Das Titelfoto oben zeigt eine Rauminstallation von Sebastian Hempel aus Leipzig. Metallfäden sind etwa einen halben Meter über dem Boden quer durch den Raum gespannt. Dazwischen sind Leuchtdioden angebracht, die den Raum in blaues Licht hüllen. Yves Klein. Als Sprachmensch kam mir die Assoziation The Big Blue, Luc Besson. Der Raum hat etwas von einem Hallenbad. Als könne man eintauchen, was letztlich auch möglich ist – im übertragenen Sinne. Sphärische Musik begleitet das Licht, nimmt es auf, verstärkt das Leuchten. Ein beeindruckendes Bild gleich zu Beginn der OSTRALE (Tor 10).
Sehr gut gefallen hat mir die Arbeit von Gunda Förster. MURMELN (2013). Sie hat Leuchtkästen mit Glaskugeln gefüllt, tarnsparenten und farbigen. Ein schönes Bild. Leuchtende Kindheit. Das Kribbeln in den Fingern, sie anfassen, die glatten, handschmeichelnden Oberflächen spüren, imaginieren. Sich nähern, die einzelnen Murmeln entdecken, den Lichtreflexionen nachgehen. Eine Arbeit, die lächeln lässt, berührt, umschmeichelt, die den Raum in der Anordnung der murmelgefüllten Leuchtkästen füllt.
Ein Tor weiter zeigt der Japaner Takehito Koganezawa GRAFFITI OF VELOCITY (2008). Lichtprojektionen schwirren durch den Raum. Man steht mittendrin und sucht Halt. Wohin schauen? Wie das Gesehene halten? Die Bilder ändern sich, der Raum ist voller Farben und Formen. Ein Lichtspektakel, das einlädt, auffordert. Sich im Raum zu bewegen, sich einzulassen, aufzunehmen.
Tor 6. Rocco Dubbini. Drei alte Kühlschränke. Die Türen leicht, verschämt geöffnet. Aus den Türspalten tritt grünes Licht, orangenes Licht. Wer hat vergessen, sie zu schließen? Was tritt aus? Was ist im Innern? Ein Kopf, im Kühlschrank mit dem grünen Licht. Ein Opferraum. Zu dritt stehen sie dort, die Türen voneinander abgewandt. Alt, rostig, wie vergessen im Keller. Altes Eisen, alte Zeiten. Und doch groß, heroisch, füllend. Die Raumkonstellation, das Verhältnis der Drei untereinander erzeugt Spannung. Die Inhalte erzählen die Geschichte.
AND AGAIN (2012) von Katrin Caspar. Fünf Slinkys. Diese faszinierenden Metallspiralen, die irgendwo zwischen Kinderspielzeug, Wohnzimmerdeko und Naturwissenschaftsphänomen rangieren. Dort stehen sie aufgereiht wie die Orgelpfeifen nebeneinander auf dem Betonboden, recken die Spiralen zur Decke und lauschen den Klängen der Lautsprecher. Kabel führen zu ihnen, die ein Gewirr auf den Boden zaubern. Kleine schwarze Plättchen am Ende, die irgendetwas mit den kleinen, filigranen Bewegungen der Slinkys zu tun haben. Sie tanzen. Schüchtern, zurückgenommen. In ihrer Bescheidenheit liegt ein menschlicher Zug. Unaufdringlich sind sie und doch magisch.
Und. Eine Arbeit, die ich mir mehrfach angesehen habe. Mit Anziehungskraft. Olaf Mooij, RELICS OF A BYGONE ERA (2010). Einmachgläser wider des Vergessens. Eingelegte Autos, Reifen, Räder. Wie Pfirsiche, Birnen, Möhren im Kellerregal. Einst werden wir uns erinnern… Zeit, Realität in Formaldehyd eingelegt. Alles sieht sehr schön aus, die Farben sind stimmig und doch verbindet sich im Gehirn die Kunst mit dem Erlebten. Embryo im Glas. Anfang. Ende. Es gibt viel zu sehen in diesem Kellerregal der Kuriositäten einer noch nicht vergangenen Zeit.
dankeschön
Liebste Viveka,
es war mir ein ausgesprochenes Vergnügen.
kkk
Jens