Schon wieder.
Ich meine, diese Welt hat genügend Probleme. Echte Probleme. Menschen, die um ihr Leben fürchten. Die fliehen müssen. Weil sie sonst einfach und ganz banal: NICHT ÜBERLEBEN.
Das war in Deutschland auch so. Menschen mussten sehen, dass sie Land gewinnen. Bis 45. Irgendwie rauskommen. Nicht wissen, wen man zurücklässt, verliert. Ob man es selber schafft.
Jetzt kann man den verblendeten Nazis, mein Großvater väterlicherseits war einer (er bezahlte für sein Abendessen im heimischen Rathaus mit Adolf Hitler mit 6 Jahren Krieg, 5 Jahren russischer Kriegsgefangenenschaft, 2 Jahren Entnazifierung (Waldarbeit für die Briten) und einem an alles anschließenden, erbärmlichen Darmkrebs. Mein Vater pflegte ihn bis zum Schluss, den Vater, den Nazi.
Mein Opa wusste es nicht besser. Seine Menschlichkeit war vom Kaiserreich, vom 1. Weltkrieg, vom Vertrag von Verdun, vom Schwarzen Freitag, von Arbeitslosigkeit und Währungszerfall korrumpiert worden. Es waren die Zeiten. Und es ist, trotz allem, ich möchte meinen Opa nicht verlieren, unverzeihlich. Das Nazitum einer Generation trägt weiter und giftet. Ihr Nazi-Vollpfosten habt keine Ahnung, was ihr tut.
Vor allem: Ohne Not.
Kein Vertrag von Verdun. Kein schwarzer Freitag. Kein Hunger.
Kinder eines der reichsten Länder der Erde. Aufgehoben, umsorgt, getragen von Systemen eines Sozialstaates. Nun gut, der ist mehr als er sollte freimarktwirtschaftlich ausgerichtet und hofiert nicht gerade seine unteren Schichten. Stolz und Ehre können da schon einmal einen Knick bekommen. Unschön, das Gefühl, X.-ter Klasse zu sein. Klar, verständlich.
Aber kein Problem im Vergleich mit dem, was es heißt, in einem Land mit echten Problemen zu leben. Was es heißt, aus Syrien zu entkommen. Da sind Leute, die schaffen es gegen alle Widerstände, unter Einsatz ihres Lebens, sich nach Deutschland zu retten. Das sind Leute, die wissen, was es heißt, dem Tod ins Auge zu sehen.
Und die Nazis in Deutschland, die dann die Unterkünfte anzünden? Die glauben, so hart zu sein? Wann in eurem Leben musstet ihr wirklich mal hart sein? Wann habt ihr etwas geleistet, das irgendeine Bedeutung hat? Man muss nichts leisten, was Bedeutung hat. Man kann ganz einfach ruhig und friedlich leben. Aber wenn man sich selbst als so arisch und besonders beschreibt, dann muss man doch mal vor sich selbst zeigen und bewahrheiten, dass da irgendetwas Besonderes ist. Die Glatze (Chinaladenrasierer für 9,99), die schwarze Jacke (ebay 19,00 €), die Streichhölzer (Aldi 29 Cent).
Versuche ich mal, mich in einen Nazi-Hausanzünder hineinzuversetzen. Mit dem Benzinkanister unterwegs, um Menschen zu verbrennen. Von irgendwelchen CDs die Stimme Adolf Hitlers im Ohr. Das Gefühl in sich, etwas Gutes zu tun. Aller Menschlichkeit entledigt. Hassdurchzogen. Wäre ich nun ein Nazi, wäre es so: Ich fühle Ungerechtigkeit. Ich fühle Hass. Ich will nicht, dass andere Menschen mit mir in einem Land leben. Menschen, die fremd sind. Ich hasse Fremde, ich hasse Andersartigkeit. Ich hasse. Und das, was ich hasse, verbrenne ich.
Tja, was soll man sagen, es hört nicht auf. Wahrscheinlich hört es nie auf. Die einen schneiden Köpfe ab, die anderen verbrennen Menschen. Und beide fühlen sich im Recht. Finde den Fehler. Und beiden wird man schlecht sagen können: Das gehört sich nicht! Ohren zu, Gehirn festgefroren: ICH WILL TÖTEN.
Nur, warum? Der Islamische Staat ist zu weit weg. Räumlich, kulturell. Ich habe keine Ahnung, was da los ist. Bei unseren Nazis und Pegida-Nazi-Sympathisanten ist das anders. Die wohnen nebenan, das ist der Klaus oder die Heidrun. Irgendwann hatten die nur noch die komischen Freunde mit dem gereckten rechten Arm. Heil. Die haben eigentlich alles. Satt zu essen. Wohnungen. Handys. Autos. Zweithandys. Toaster, Toaster, Toaster, Mikrowelle, Mikrowelle, Riesen-Riesen-Aufmarsch-TV. Und genügend Geld, sich das alles noch mal zu kaufen. Und Springerstiefel. Und noch ein Paar. Und Bomberjacke. Und Zugticket zum Aufmarsch. Und CDs und Nazibücher aus dem Naziversand.
Genauso verwöhnt wie wir alle. Verwöhnte Nazi-Konsumkinder mit allem Tamm-Tamm. Kinder der Bundesrepublik Deutschland, die keinerlei materielle Not leiden. So what? Deutschland den Deutschen? Aber nur den Deutschen, die nicht links oder homosexuell sind. Also ganz schön viele Leute raus aus Deutschland. Nur noch Nazis. Die Intelektuellen auch weg und die Künstler und Behinderten und die Zugewanderten und die Franzosen im Land und die verbliebenen Juden. Raus.
So richtig Gedanken scheint ihr euch nicht zu machen. Dumpf dagegen. Ein Nazi-Anleitungsbuch gelesen und raus. Machen, was der Führer sagt.
Ab 1983 haben in Deutschland Häuser gebrannt. Die CDU hatte Feuer gelegt zusammen mit Bild: Das Boot ist voll. Sofort haben sie den braunen Hulk in sich erkannt und gezündelt. Familie Genc in Solngen. Hoyerswerda. Das waren Einzelfälle, jetzt brennt es überall. Die Nazis haben so ein schönes Gefühl im Bauch: Jetzt geht es ab, wir sind am Drücker.
Es werden wieder andere Zeiten kommen. Es werden Nazis ihre Bomberjacken ausziehen und ein bürgerliches Leben leben. Nicht jeder ist dazu geboren, Menschen zu verbrennen. Da gehört schon einiges dazu. Da muss man innerlich über viele Grenzen der Menschlichkeit gegangen sein. Da muss in einem selbst schon viel verbrannt sein. Da ist nicht mehr viel, was glücklich macht, da ist nur noch die Sehnsucht, den Hass zu stillen. Aber das ist nicht möglich.
Günther Grass ist gestorben, Biedermann und die Brandstifter sind unterwegs und wir müssen als Demokratie da durch. Das tut weh. Ruhe bewahren, Geduld haben, zusehen, aufmucken, Partei ergreifen, Flüchtlinge schützen und willkommen heißen. Denn: Wir haben unser Leben, unser Essen, unsere Freiheit. Die Flüchtlinge in Deutschland leben in versifften Unterkünften, müssen mit ihren Erinnerungen klar kommen, wissen überhaupt nicht, was wird und leben in der ständigen Angst, von Nazis verbrannt zu werden. Das gibt den Nazis ein gutes Gefühl, dass es Menschen gibt, die Angst vor ihnen haben.
In diesem Land könnte alles so schön sein. Elysium. Alles da. Essen, Trinken, Arbeit, Geld, Museen. Wir könnten teilen, gastfreundlich sein, profitieren. Aber nein, manche brauchen was anderes. Es muss weh tun. Anderen. Und ihnen selbst auch. Scheinbar ist auch das irgendwie menschlich und deutsch. Es ist manchmal zum Verzweifeln.
danke, danke, danke…und gassho! aus dem herzen gesprochen. so wahr. für mich. auch.
Danke !
Gerne:)