Ich kann mich gar nicht entscheiden, es ist alles so schön grün hier.
Grün ist die Hoffnung. Mensch. Also wirklich. Heute Morgen hatte ich einen Termin in Köln. Als freier Texter, was den Vorteil hatte, dass ich nicht auf die Uhr schauen musste, sondern tun und lassen konnte, was ich wollte. Ist meine Zeit. Mein Geld. Und irgendwie fühle ich mich der 3. Nachkriegsgeneration nah, der Generation Y, den jungen Menschen, die zwischen 1980 und 2000 geboren sind. Also teils auch schon über 30 Jahre alt, aber doch eine ganze Ecke jünger als ich. Die wollen leben. Im Beruf etwas erreichen, aber nicht in Form von Prestige und Geld, sondern inhaltlich. Die suchen nach Sinn, nach Aufgabe, nach Bewegendem. Im Rahmen eines Jobs durfte ich kürzlich Studien lesen. Das hat mich nachhaltig beeindruckt. Die Milleniums-Generation. Coole Typen. Hut ab. Die haben davon profitiert, dass ihre Eltern deutlich lockerer sind. Dass Schlagen verboten ist, weshalb häusliche Gewalt auf dem Rückzug ist. Die haben viel Selbstbewusstein, durften früh eine Meinung haben und sind rundum gefördert worden. Die haben was auf dem Kasten. Schön.
Also habe ich nach dem Termin einen kleinen Ausflug gemacht. Habe einen persönlichen Wandertag veranstaltet und bin mit der Kamera losgezogen. Denn vor dem Termin, ich war zu früh, hatte ich das Kölner Waldlabor entdeckt. Zartes Grün der jungen Triebe. Kirschblütenblätter. Obwohl sich die Sonne Stück für Stück zurückgezogen hatte, war Köln ziemlich beeindruckend. Hier auf dem Land ist die Natur zurück. Wir liegen 300 Meter höher, was rund drei Grad Temperaturunterschied ausmacht. Bei uns werden gerade die Büsche und erste Baumspitzen grün, in Köln stehen die Kirschbäume in voller Blüte und die meisten Bäume sind komplett grün. Dieses junge Grün, dieses zarte Grün.
Je näher ich der Stadt kam, desto grüner und weißer wurde es rechts und links der Autobahn. Ein wunderschönes Bild. Glückshormone. Nach dem Termin habe ich mir gesagt: Weißt du Jens, Carpe Diem, geh dorthin, schau es dir an, freu dich, lächle, wandle. Im Kölner Waldlabor gibt es neben dem Energiewald und dem Klimawald nämlich auch einen Wandelwald. Garten der Lüste. Sinneswald. Ein weicher Pfad, den momentan leuchtend gelbe Löwenzahnblüten säumen. Bei uns kommen die Anfang Mai. Nächste Woche irgendwann, wenn ich in der Schweiz bin. Job.
Also wandelte ich. Lustwandelte. Ging in die Wälder, durch die Wälder, an die Wälder heran und schaute sie mir durch das Objektiv meiner Kamera an. Grün atmen. Gelb. Braun. Wenn ihr mal in der Nähe seid, schaut ihn euch mal an…
Eigentlich wollte ich jetzt noch etwas Positives über einen der Hauptsponsoren schreiben. Eine Automobilfirma mit Sitz in Köln. Nicht weit vom Waldlabor entfernt. Aber die waren nicht nett zu mir. Ich habe das Hauptgebäude, das von wundervollen Kirschbäumen eingerahmt ist, fotografieren wollen. Da kam sofort der Werksschutz. Zwei Jungs im dunklen Kombi. “Was machen Sie da?”. “Sind sie von der Presse?” Herrje. Deutschland. Dieser Ton. Diese Freundlichkeit. Der Charme eines knurrenden Schäferhundes. Wenn Männer eine Aufgabe haben… Wieso gibt es Security nicht mit Stil und Verstand? Weshalb gleich dieser Ton, der wie Anklage klingt? An der Grundstücksgrenze fängt Marketing an. Nicht gerade charmant. Deshalb hier kein postives Wort zum Wald- und Umweltengagement. Stattdessen Fotos. Vom Waldlabor. Ciao.
Hallo Jens,
Waldlabor, das hört sich interessant an. Und Deine Fotos sind auch schön, schön grün, wie hier bei uns auch schon. Aber daß dieser Autobauer Dir die Tour vermasseln, ist ja nicht die feine Art. Das ist Kasten-Denken. Brauchen wir das? Nein. Sind wir schon im 21. Jahrhundert? Ja.
Ich wünsche Dir – trotz Regen – ein schönes Wochenende.
LG
Annegret
Hi Annegret,
Köln war echt der Knaller. Essen ist wahrscheinlich auch schon weiter. Als ich kürzlich die Villa Hügel besichtigt hatte, was der Rasen dort schon richtig grün. Hier wartet alles tatsächlich noch auf den Kick. Der Autobauer. So sind diese großen Konzerne. Weil alles geordnet sein muss, laufen die Dinge nach Schema F. Handeln nach Blaupause. Es ist schwierig, eine Unternehmenskultur zu etablieren, die wirklich menschlich ist. Alle haben immer Angst, Fehler zu machen. Lieber hart durchgreifen, bevor was passiert. Eine Grundhaltung. Egal. War einfach unschön und unsympathisch.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und deinem Sohn gute Besserung.
Liebe Grüße
Jens
Hallo Jens,
wir im Ruhrpott sind etwas weiter als bei euch, da ihr ja auch ein bißchen höher liegt. Es ist schön, dem Grünen zuzuschauen. Ich liebe das Grün, daß ich von meinem Wohnzimmer aus sehen kann. Meine Tochter ist jedes Jahr fasziniert von einem Baum mit roten Blüten, die sich gerade voll entfalten. Frag mich bitte nicht, wie der Baum heißt (bei uns heißt er einfach “roter Baum”). Ja, ich weiß, ich als Bauerntochter sollte es besser wissen.
Mein Sohn ist bisher noch tapfer und bleibt in der Klinik. Es ist so ätzend. Gestern wurde nur eine Untersuchung gemacht. Und jetzt muß er ausharren bis Montag. Seine Laune ist auf einem Tiefpunkt. Ich hoffe, daß er nicht einfach abhaut. Er hasst Krankenhäuser.
LG
Annegret
Hi Annegret,
hier fehlt eine Antwort, die ich schon gegeben hatte. Wo ist die geblieben? Hat wahrscheinlich unser WLAN gefuttert.
Vor meinem Fenster ist auch ein Baum mit roten Blättern und rosa Blüten – bei mir ist es eine japanische Pflaume. Der sieht momentan sehr schön aus.
Krankenhäuser. Ah. Als Kind durfte ich meinen Vater dort zwei Jahre lang regelmäßig besuchen. Nach seinem Schlaganfall. Reha und all der Kram. Seither mag ich sie auch nicht so sonderlich. Da kann ich deinen Sohn gut verstehen. Ich wünsche ihm weiterhin gute Besserung und Geduld.
Liebe Grüße
Jens