The American. Gestern Abend. In Siegen im Kinocenter. Vorbei an einer zu verpachtenden Kneipe, Designläden. Die Rolltreppe rauf, der Blick auf schwitzende Menschen hinter den Fensterfronten der Billigmuckibude. An der Tanke hatte ich mir Dosenbier und eine Tüte Katjes Kinder gekauft. Verboten, aber ein Bier im Kino kostet 3,90 €. Die wollen auch leben? Egal. Das Ticket habe ich mir Online gezogen. Hatte keine Lust auf Schlange stehen.
Der Film beginnt. Ein Paar kommt rein, sucht hinter mir eine Kuschelbank, unterhält sich, lacht. Noch nicht angekommen. Ich drehe mich um: “Hey, ihr kommt zu spät, ihr lauft rum, ihr quatscht.” Ich lächele. Sie lächelt auch. Er? Weiß nich. Ganz leise “O.K.” Der Film beginnt noch einmal. Mit einer wunderbaren Typo und einem George Clooney mit grauem Wuschelvollbart. George? Bist du es? Der Typ, den Ela und ihre Freundinnen anhimmeln? Dessen Blick Temperaturen jenseits der Stahlschmelze erzeugt? Eine von Elas Freundinnen ist 100% Fan. Ihr haben wir ein T-Shirt geschenkt mit kleinem Aufdruck in romantischer Schrift: Mrs. Clooney. Ein bislang nicht vergebener Status. Er ist leiert, aber nicht verheiratet.
In der ersten Szene liegt sie nackt auf dem Bett. Ihr Po wölbt sich rechts ins Bild. Die Story ist erzählt. In der nächsten Szene erschießt er sie hinterrücks. Blut im Schnee. Die verkorkste Seele ist eingeführt. Die Einsamkeit erklärt, das Terrain für Clooneys einzigartige Stärke bereitet: Verzweifeltes Schweigen. Einer, der leidet, der das mit sich selbst abmacht, der den Mund nicht aufkriegt. Wie viele Frauen dieser Welt möchten dieses Geheimnis lüften. Diese traurigen Augen lächeln machen.
Clooney, Jack, ist die Traurigkeit verordnet. In diesem Fall von seinem Auftraggeber und Boss. “Du schließt keine Freundschaften.” Er besucht eine Prostituierte. Kommt wieder, will nur sie. Sie will ihn erlösen. Keine Freundschaft, Liebe. Probleme. Eine dunkle Seite, hinter die selbst der charmante Dorfpfarrer nicht kommt. Selbst ein Sünder, er hat einen Sohn gezeugt, sieht er die Last. Clooney schweigt.
Und Clooney macht es diesmal ohne sein smartes Lächeln, ohne den leicht schief gezogenen Mund mit dem Leuchten in den Augen. Er wird im Profil gezeigt. Immer wieder. Nicht seine beste Seite. Seine Nase ist nicht wirklich schön. Nicht so schön, wie ich gedacht hätte. Nicht spitz zulaufend, eher kurz und rund und ein wenig knubbelig dick. Wie schön muss dieser Mann sein, dass er mit dieser Nase so aussieht? Hollywood hat der Schönheit ein wenig Dreck beigemischt, um in die faszinierenden Landschaftsaufnahmen der Abruzzen den Hauch eines einst mächtigen italienischen Realismus des Kinos der Fünfziger und Sechziger zu mischen. Selbst die nackte Prostituierte, eine nackte Schönheit mit einem verführerischen Busen. Eine Sophia Loren. Sie erlaubt sich ein wenig Cellulite an den Oberschenkeln. Als Ausgleich für Georges Nase im Profil?
Ein schöner Film. Ein ruhiger Film. Ein ernster Clooney. Nicht das ganz große Kino. Ein schlichtes Kino. Ein wenig europäisch. Mitten in Italien. Kaffee, essen, Wein, Liebe. Schöne Menschen.
Ich wünsche euch einen schönen Tag mit einigen kleinen ästhetischen Highlights und dem Mut, mit den eigenen kleinen Schwächen so souverän umzugehen wie George und seine Geliebte. Im Film. Ciao.