Mit Delfinen schwimmen in Neuseeland!

Alles ist immer eine Frage der Perspektive. Bist du gerade oben oder unten? Mitten im Winter oder mitten im Sommer. Unsere Antipoden mixen gerade ihre Adventsdrinks für den Strand. Caipirinha oder Sex on the Beach neben dem aufblasbaren Adventskranz als Badeinsel. Der Blick in den Blog der Wesslings baut mich gerade regelmäßig auf. Erstens, weil viel Licht und gute Laune rüberspringt. Zweitens, weil ich an unsere Neuseelandreise 2007 denke. Nee, was war das schön.

Wie der Titel dieses Beitrags schon verrät, möchte ich euch eines der vielen Highlights dieser so unglaublichen Reise mit der ganzen Familie näherbringen. Wir sind mit Delfinen geschwommen. Die ganze Familie. Das war in Kaikoura, dort, wo das Meer so tief abfällt, voller Plankton ist und jede Menge Wale anlockt. Wir kamen vom Milford Sound, wo wir Weihnachten gefeiert hatten und waren auf dem Rückweg nach Nelson, wo Elas Bruder mit seiner Familie lebt, um dort Silvester zu feiern (was ein Reinfall war, die Kiwis gehen um 11 Uhr ins Bett – an SILVESTER!!! Eine Rakete am Himmel! Eine!).

In Kaikoura überlegten wir dann: Wale oder Delfine oder überhaupt? Beides ist ziemlich teuer und reißt ein dickes Loch in die Reisekasse. So richtig erlauben konnten wir uns das nicht. Aber dann, süß. Die Kinder sagten: Wir wollen unbedingt. Wir waren hin und her gerissen. Ich meine, wann kann man schon mit Delfinen schwimmen? In freier Wildbahn? Die Kinder sagten dann: O.K. Wir geben unser Weihnachtsgeld von den Omas dazu. Perfekt. Das ist ein Deal. Machen wir.

Kleines Problem: Am Dolphin-Counter wurde uns gesagt, dass die Termine über zwei Monate hinweg ausgebucht sind. Naive deutsche Touristen. Mal eben buchen. Ts. Nun waren wir aber hartnäckig. Haben gefragt, ob da nicht manchmal Gäste abspringen? Kann sein. Aha, Fuß in der Tür. Erzählen sie doch mal… Wir sollten einfach vorbei kommen, wenn es los geht und schauen, ob jemand abgesprungen ist. Haben wir dann zwei Tage lang gemacht. Und siehe da: tatsächlich. Es ist niemand abgesprungen, aber die dachten wahrscheinlich: Die wollen wirklich. Uns wurde eine Art Stand-by angeboten. Ihr könnt mitfahren, aber nur ins Wasser, wenn einer der gebuchten Gäste rauskommt. Oder wir lassen euch am Ende kurz rein. Denn: Es dürfen immer nur 12 Leute im Wasser sein. Die werden vom Boot aus von Rettungsschwimmern beobachtet, damit niemand in die ewigen Delfingründe abtaucht. Ist ja O.K.

Mit einem superschnellen Motorboot sind wir dann in die Bucht geheizt. Allein das war schon atemberaubend. 1.000.000 PS oder was? Riesige Fußspur hinter uns. Zwischendurch eine kleine unbedeutende Pause. Da war ein Touristenboot, von dem aus Albatrosse gefüttert wurden. Haben wir gleich mal zugesehen. Als kostenloses extra. Albatrosse! Sehr beeindruckende Tiere. Als wir dann in der Bucht ankamen, sahen wir sie. Eine ganz Delfinschule – 300 bis 400 Tiere. Die schwimmen auf der Jagd nach Futter in der Bucht immer von rechts nach links und wieder zurück. Kommen sie, springen die Menschen mit Neopren, Taucherflosse und Brille bewaffnet ins Wasser und machen Lärm. Das lockt die Tiere an, weil die scheinbar neugierig sind. In Neuseeland wird sehr auf die Natur geachtet. Forscher haben dieses Konzept mitentwickelt und so ausgearbeitet, dass es für die Delfine in Ordnung ist. Stand da.

Wir schauten zu. Waren ja nur auf Stand-by. Schon kam ein Paar aus dem Wasser. Seekrank. 1.000.000 PS. Deutsche. Danke. Jim sprang als erster mit Ela. Später kamen noch welche wieder an Bord, Zoe und ich konnten auch rein. Und dann Gänsehaut. Blick durch die Brille unten ins Meer. Da kamen sie auf uns zu. Schauten uns an. Sahen aus, als würden sie lächeln. Neben Zoe schwamm kurz ein Muttertier mit ihrem Kleinen. Zoe spürte den kleinen Delfin an ihrem Arm. Jetzt könnte man glauben, die Schönheit der Tiere wäre das Beeindruckende. Auch, klar, selbstverständlich. Was aber wirklich bleibt und zu Herzen geht, ist die Atmosphäre, die Ausstrahlung. Die Freundlichkeit, die spürbar ist. So, so, so schön. Wenn ich jetzt die Bilder sehe, wird mir noch ganz anders. Gänsehaut. Wir sind mit einem breiten Grinsen zurückgefahren. Wir hatten schon einen Berg bestiegen, den größten Teil der Südinsel umrundet, hatten den Milford Sound erlebt, sind von einem Seelöwen von einem Strand vertrieben worden, konnten Robben live erleben und dann die Delfine. Geschenke des Himmels. Super Bilder fürs Kopfkino zwischendurch.

Euch wünsche ich heute ein paar schöne, warme, sonnige Gedanken. Hawaii, Lockerheit in den Hüften, Tanzen durch die Welt, Gedanken fliegen lassen, warum nicht abheben? Wie hat mein Daddy immer gesagt: Was kostet die Welt! Ciao.

Tell me why, tell me why, tell me why…

Und dann kam in dem Song etwas mit live together. Welcher Song war das? Egal. Die Frage nach dem Warum beschäftigt mich heute Morgen. Nö, keine Sinnkrise. Mir geht’s gut. Keine Sorge. Ich frage mich, warum hatten wir gestern den kältesten 1. Dezember seit Aufzeichnung, von, von, von – ach allem. Wir haben diese Klimakatastrophe. IPC-Daten, Klimakonferenzen, Klimamodelle. Gestern las ich einen Spiegel Online Bericht aus dem Jahr 2008. Die Sommer werden trockener, im Winter wird es keinen Schnee mehr geben.

O.K. Jetzt herrschen draußen minus 9 Grad. Scheißekalt, echt, hab’s eben getestet, während ich das Foto oben geschossen habe. Ich möchte nun nicht sagen: „Hey Leute, Klimakatastrophe fällt aus wegen is nich.“ Nein. Aber ich würde gerne wissen, weshalb wir jetzt schon Ende November, Anfang Dezember eine Woche Schnee haben. Der letzte Winter erst war ziemlich hart. Cooper und ich wissen, wovon wir reden. Schnee von Dezember bis März. Und nun? Der nächste strenge Winter in aller Munde. Und nirgends lese ich, weshalb das nun so ist. Sag mal, Mr. Klimaforscher, was ist denn nun? Kannst du nur, wenn’s wärmer wird, erklären? Sag doch mal. Mach mal. Hey?

Das Problem ist ja folgendes: Wenn es hier so grausam kalt ist, wer glaubt denn da noch an Klimawandel mit steigenden Temperaturen? Kältester 1. Dezember. Schnee bis März. Kühler Sommer. Wie passt denn das? Hier im Dorf sagen die Leute, das Wetter ist eher wie früher. Und wenn ich da komme, die Klimamodelle sagen aber, dann kann ich das gleich lassen. Die gefühlte Wirklichkeit liegt weit entfernt von den universitären Weitblicken.

Also: Was jetzt? Blickt jemand durch? Müssen wir jetzt mehr Auto fahren, damit es wärmer wird? Sind das hier nur Kapriolen oder Langzeittrends? Fragen über Fragen. Da werden doch ziemlich viele Leute dafür bezahlt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Jetzt mal Butter bei die Fische, Visier aufgeklappt, Hosen runtergelassen und nix als die Wahrheit auf den Tisch. Hier und jetzt. Ich mach mir erst ma nen warmen Tee…

Falls ihr Antworten habt, könnt ihr die gerne hier posten. Vielleicht bringen wir ja gemeinsam Licht ins Dunkel. dann würden wir alle etwas klarer sehen. Klare Sicht wünsche ich euch dann heute mal. Und immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel, damit ihr gut in Fahrt bleibt. Oder nehmt ihr heute den Schlitten? Quatsch hier. Spassss auch. Ciao.

Jetzt zählt’s!

Die Tür mach auf, die Tor mach weit. Der Countdown läuft. 24, 23, 22. Es kommt der Herr der Herrlichkeit. Und es geht was, wie Ela gestern Abend schmerzlich feststellte. Wir haben die Adventskalender vorbereitet. Keine mit Türchen und Schokolade. Mit Säckchen. 48-mal einzeln befüllt. Ela hatte die letzten Tage alles Mögliche Kleinzeugs zusammengesucht. Dazu war sie bestimmt in eine Million Läden. Was sie da alles hatte.

Sie holte die Kalender vom Speicher, wir breiteten die Säckchen aus, legten auf jedes eine Kleinigkeit, verpackten die in Papier (damit man nicht in die Säckchen von oben reinschauen und vorher nachsehen kann!), steckten jedes Teil in ein Säckchen und hängten sie an die beiden Holzbretter mit den 24 Häkchen. Ich sagte: Was für eine Arbeit. Ela sah mich melancholisch an. Kann man jetzt an den Fingern abzählen, wie oft noch. 11 und 13. Wie lange wollen Kinder, Jugendliche einen Adventskalender? Allmählich werden sie groß. Der Countdown läuft. Wenige Jahre noch. Türchen auf, Türchen zu.

Also: Keine Arbeit, Freude. Tatsächlich. Immer eine Frage der Perspektive. Wir sind dann in die Zimmer geschlichen, wo die Kinder längst noch nicht schliefen. Das war auch mal anders. Los, Kopf unter die Bettdecke. Ihr kriegt jetzt mal gerade nichts mit. O.K. Guck über die Bettdecke. Hey!!! Zum Auftakt heute Morgen gab es ganz klassisch Schokolädchen. Morgen dann…

Ich wünsche euch ein schönen ersten Tag mit Türchen auf und leckren Sachen und leuchtenden Augen. Ciao.

Die Einsamkeit der Primzahlen…

…von Paolo Giordano. Ela hat das Buch aus der Bücherei mitgebracht. Sie hat es gelesen und für gut empfunden. Wir geben hier intern immer Empfehlungen ab, wenn wir ein Buch gelesen haben. Weil wir dauernd lesen, gibt es viele Empfehlungen. Mit der Zeit sind wir scheinbar kritischer geworden, denn wirklich überzeugte Top-Empfehlungen sind rar. Desto schöner ist es, wenn ein „das wird dir sicherlich gefallen“ kommt.

Nun habe ich gestern angefangen, die Einsamkeit der Primzahlen zu lesen. Leider wurde es spät. 12 Uhr. Um sieben Uhr muss ich raus, bleiben also sieben Stunden Schlaf. Geht. Aber acht Stunden wären deutlich besser. Nun. In dem Buch geht es um zwei Außenseiter – zwei Primzahlen. Zwei zunächst Kinder, dann Jugendliche, die durch ihr Schicksal und die Umstände einfach anders sind. Harte Schule des Lebens. Die ersten Seiten, die Einführung der Figuren tut weh. Au. Wie kann man so sein? Wie kann man so mit seinen Kindern umgehen? Was soll aus denen werden? Die Antwort folgt: Interessante Romanfiguren. Verdreht, verletzt, verbogen. Spannend. Eben weil sie Primzahlen sind.

Das gemeine an dem Buch: Es hat ein 1982 geborener Italiener geschrieben. Weshalb gemein? Purer Autorenneid. Wie kann ein so junger Mann ein so dichtes Buch schreiben? Nun, er hat wahrscheinlich genau hingesehen. Hat sich die Nerds vorgenommen und überlegt, wie es dazu kommt, so anders zu sein. Und das hat er in seinem Buch umgesetzt. Beim Lesen fühlt man sich teils wirklich unwohl. Dem will man nicht zusehen. Teils hätte ich gerne gerufen: Nein, Stopp, macht das nicht. Sie haben es getan…

Noch bin ich am Anfang. Im ersten Drittel würde ich sagen. Jetzt wird es schöner. Das Schmerzhafte, die Basis für alle weitere Entwicklung ist vorbei. Hoffe ich. Diese Sehnsucht nach Schönheit, Ruhe, Harmonie. Kaum auszuhalten, wenn alles genau dagegen läuft. Natürlich wird der Blick über so einen Roman immer auch auf das eigene Leben geführt. Wie gut, dass meine Kinder einen anderen Weg gehen können. Eine normale Entwicklung.

Bei Jim kommt gerade vermehrt das andere Geschlecht ins Spiel. In seiner Klasse haben die Jungs und Mädchen plötzlich andere Sachen im Kopf. Jetzt gehen welche miteinander. Und als der Mathelehrer nach den drei wichtigsten Dingen in der Mathematik fragt, kommt die Antwort prompt: „90 – 60 – 90“. Was für ein Alter. Hormonausschüttungen im tiefen Winter. Was gibt das im Frühling? Und im Sommer? Dann habe ich das große Vergnügen, mit der Klasse eine Woche als Betreuer auf Klassenfahrt zu gehen. Frankreich. Ardèche. Klettern, Kanu fahren, Canyoning. Und aufpassen. Nach den Primzahlen sehen…

Euch einen wunderbaren Schneetag. Brrr. Sitze hier mit fettem Wollpullover. Habt ihr eine unbedingte Leseempfehlung, könnt ihr sie hier gerne nennen. Lesefutter für die dunkle Jahreszeit – kann man ja immer brauchen. Ciao.

Projekt Elaine (Teil 10)

Das Zimmer war groß, hatte für ein Mädchenzimmer luxuriöse Ausmaße. Cat hatte es in einer Mischung aus modern und alten Möbeln eingerichtet. Ihre Mutter hatte sie unterstützt. Von der Tür aus fiel der Blick geradeaus durch die Fenster des Erkers in den Garten, unter den beiden Sprossenfenstern rechts des Erkers stand Cats Bett, ein japanisches Bett ohne Rahmen. Der Futon auf einem flachen Tatami, einer Matte aus Reisstroh. Rechts an der Wand, neben dem Bett, stand ihr Klavier, ein altes deutsches Modell mit Rennermechanik und tiefem Klang. Ein Erbstück, eine kleine Kostbarkeit, ein Bechstein. In die Mitte der Wand links hatte sie ihr Jugendstilsofa, auch ein Erbstück. gestellt. Kitschig elegant verschnörkelt mit neuem Samtbezug. Auf dem Boden rund ums Zimmer waren, an die Wand gelehnt, Cats Schätze, ihre Bücher, aufgereiht. In der Mehrzahl Bildbände, Kunstbände. Viele Renaissance-Klassiker und noch viel mehr Contemporary Art, moderne Architektur und modernes Design. Über dem Jugendstilsofa hing eine Original Andy Warhol Lithografie. Joseph Beuys, Cats Kunstidol, mit Hut und festem Blick, in nummerierter Auflage. Ihre Mutter hatte die Lithografie über Umwege und einen befreundeten Galeristen besorgt. Es war Cats Konfirmationsgeschenk, ihr Stolz, die Seele ihres Zimmers. Ganze Nachmittage verbrachte Cat damit, in ihren Kunstbänden zu lesen. Selbst traute sie sich nicht, einen Pinsel in die Hand zu nehmen, oder einen Stift, eine Bleistift, einen Marker. Im Atelier war alles vorhanden. Ihre Mutter hatte es ihr oft angeboten. „Wenn du malen willst, zeichnen, Ideen hast, dann steht dir mein Atelier jederzeit offen. Geh runter, geh rein, nimm was du brauchst. Papier ist im Schrank, Stifte und Maluntensilien in den Schubladen. Ich würde mich freuen, einmal etwas von dir zu sehen. Dein Kopf muss voller Bilder sein. Lass sie raus, Catherine.“ Cat reagierte nicht auf das Angebot ihrer Mutter, sie ignorierte es. Sie. Nach außen. In ihr tobte längst ein Kampf. Gerne hätte sie es ausprobiert. Aber sie hatte einen besonderen Ehrgeiz entwickelt, eine Vorstellung von Perfektion. Sie wollte nicht kopieren, nicht einfach an Themen anschließen, sie aufnehmen, variieren. Sie wollte ihre eigene Kunst.

Susanne hatte einige der Bücher durchgesehen. Sie dachte, wenn sie die Bücher verstehen würde, wüsste sie ein wenig mehr. Mehr über Cat. Kunst war ihr gleichzeitig eine so nahe und so fremde Welt. In Berlin war ihr überall Kunst begegnet. Alle machten Kunst, fast alle. Sue nicht, sie war davon umgeben, begab sich aber nicht in diese Welt. Zao war Künstler. Sue hatte Zao vor ihrer Abreise, ihrem Wegziehen aus den Augen verloren. Lief er ihr sonst einfach über den Weg, war er nun wie vom Erdboden verschwunden. Sie hatte, vor allem als der Umzugstermin näher kam, rumgefragt. War in die Galerien gegangen, in denen Bilder oder Skulpturen von Zao ausgestellt waren. Niemand wusste, wo er war. Niemand war beunruhigt, denn es war scheinbar normal, dass er auftauchte und abtauchte. Allgemeiner Tenor war, er wäre irgendwo in einem Atelier hängen geblieben. Zao hatte keine feste Adresse, keinen Wohnsitz, keinen Festnetzanschluss oder ein Handy. Er war unerreichbar. Das hatte Sue so an ihm fasziniert. Zao war ein wenig älter, etwas über Zwanzig vielleicht. Genau konnte Sue das nicht einschätzen und sie hat ihn auch nicht gefragt. Das hätte keinen Sinn gehabt, weil er ausweichend geantwortet hätte. „Weiß nich“ oder „Hab ich vergessen“ oder „Interessiert nich“. Was sie von ihm wusste, war, dass er Sohn vietnamesischer Einwanderer war. Das hatte sie während einer Vernissage in einer Galerie am Prenzlauer Berg auf einem Zettel gelesen. Die Galerie hatte drei Arbeiten Zaos ausgestellt. Großformatige Ölbilder. Niemand wusste, wie die Galerie es geschafft hatte, drei Bilder zusammen zu bekommen. Zaos Bilder entstanden spontan. Zumindest in der Umsetzung. Er tauchte irgendwo in der Stadt im Atelier eines Künstlers auf und fragte, ob er malen könne. Seine Pinselmappe hatte er dann dabei und alles Zubehör für den Zusammenbau eines großen Rahmens. Anfangs hatten die Künstler ihn aus Mitleid bei sich malen lassen, hatten ihn für einen Spinner gehalten. Als Zaos Bilder dann größer wurden, eine eigene Sprache, Welt, entwickelten, wurde die Szene aufmerksam. Erste Galerien versuchten, sich Zaos zu sichern. Das war nicht einfach, weil Zao kein festes Atelier hatte. Seine Werke waren verstreut. Manchmal hatte er sie einfach zurückgelassen. Als Bezahlung, als Ateliermiete. Einfach so. Wortlos. Er hätte die Bilder sowieso nirgends aufbewahren können, er hatte keine feste Bleibe, keinen dauerhaften Unterschlupf. Mit dieser Art zu leben passte er zu der Stadt, die das Ungewöhnliche liebte, das Schräge. Einer, der Kunst macht, sich aber nicht um sie schert.

Zaos Bilder bekamen einen Wert. Einige Sammler hatten angefangen, zu recherchieren und aufzukaufen. Die Preise waren noch nicht hoch, weil die Unsicherheit zu groß war. Zao war nicht fassbar, nicht stringent vermarktbar. Wie hätte man Interviewtermine vereinbaren sollen? Andererseits machte das Geheimnis, das ihn umgab, spannend. Er entzog sich. Als Sue ihn zum Abschied suchte, war er wie vom Erdboden verschwunden.

Blätterte sie in Cats Bildbänden, musste sie an Zao denken. Sie hatte sich in ihn verliebt, in den merkwürdigen Vietnamesen, der mit so wenigen Menschen sprach. Wenn er sie sah, hatte er sie angelächelt. Mit leichten Grübchen. Ein kleines Lächeln, das für ihn schon eine große Geste war. Sie waren teils so etwas wie ein Paar gewesen. Gerade so eng aneinander gebunden, wie Zaos Art, die Dinge, das Leben zu sehen und leben, es zuließ. Jetzt, wo er weg war, wo sie weg war, wusste sie, dass sie ihn liebt. Er fehlte ihr so. Die Sehnsucht, das Gefühl im Bauch, die Verzweiflung, hier in dieser fremden Stadt gefangen zu sein. Ihn womöglich nie wiederzusehen. Hatte er sie verlassen oder hatte sie ihn verlassen? Manchmal wurde ihr übel vor Angst. In Cats Zimmer war sie Zao nah. Wegen der ihr unbegreiflichen Kunst, wegen Cat.