Schmetterling, Cooper, Fischrettung

Seid ihr schon einmal von einem Schmetterling geweckt worden? Gestern Morgen flatterte einer bei mir am Schlafzimmerfenster und wollte raus in die warme Novemberluft. Zuvor hatte er wochenlang in einer Zimmerecke gehangen und uns war nicht ganz klar, ob er schläft oder gar nicht mehr lebt. Er lebt. Ich habe ihn dann ganz vorsichtig genommen, ohne mit den Fingern an seine Flügel zu kommen, und habe ihn dann draußen fliegen lassen. In einen schönen blauen Novemberhimmel mit weißen Wolken.

Jim, Cooper und ich sind dann raus in die Natur. Runter zu den vom Hochwasser des Bachs überschwemmten Wiesen. Cooper ist rumgejagt wie ein Irrer – immer wieder rein in die Suppe, Stöcke holen. Jim und ich haben uns dann Stück für Stück das Tal runtergearbeitet. Ich hatte keine Gummistiefel an und musste alle möglichen Feuchtgebiete umgehen. Die gibt es nicht nur in Büchern, sondern auch in der Natur. Als ich gerade über eine Riesenpfütze springen wollte, sah ich einen Fisch. Der lag im flachen Wasser auf der Seite. Ich dachte, er wäre tot. Dann habe ich Gras beiseite geschoben, das seinen Kopf bedeckt hatte, und sah sein lebendiges Auge und sein sich bewegendes Maul. Er atmete. Jim hat ihn dann genommen und in den Bach gebracht, wo er sich gleich berappelte und los schwamm. Hat der ein Glück gehabt. An der Stelle, hinter so vielen Zäunen, ist normalerweise nie ein Mensch. Und heute Morgen war da schon kein Wasser mehr. Manchmal muss man einfach Glück haben.

Das wünsche ich euch für heute und die ganze Woche. Vielleicht mal Lotto spielen oder doch lieber auf die eigenen Talente und Fähigkeiten besinnen? Oder beides. Wie ihr wollt. Ciao.

Sweet Dreams are made of this!

Während ein Sturmtief über Deutschland fegte, um unsere Köpfe frei und unsere Verklemmungen wegzublasen, während in Köln der Bär am Alter Markt tobte (endlich, endlich…), zog in unserem Dorf eine kleine Schar Unerschrockener los, eine alte Tradition zu begehen. “Sankt Martin, Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind…” Von Haus zu Haus. Die Kinder mit Laternen und Fackeln vorne, die Paps und Mams als grooviger Backround-Chor dahinter. Dieses Mal bei einem Wetter, das einem die Schuhe ausgezogen hat. Wind, Sturm, peitschender Regen. Der Mann am Boden hat nur Lumpen an, Brrrr. Herrje.

Wie ihr oben seht, waren die Menschen in unserem Dorf nur all zu bereit zum Teilen. Es waren diesmal nur 14 Kinder, die Taschen voll Sweets nach Hause getragen haben. Und Geld. Das gibt’s auch immer. Fast 20 Euro pro Kind. Respekt. Die Süßigkeiten sind für die gerechte Aufteilung erst einmal bei uns im Schulzimmer gelandet. Da, wo früher die Kinder des Dorfes von der ersten bis zur achten Klasse von vorne nach hinten geordnet gesessen haben. Eine Nachbarin gab mir ein Foto, das ich nicht veröffentlichen kann, weil ich damit Persönlichkeitsrechte verletzen würde. Wenn unsere Schule 2014 150 Jahre alt wird, werden wir es in einer kleinen Ausstellung zeigen.

Nun liegt da dieser Haufen Sweets. Weil einige Familien das Wetter gescheut haben, war die Zahl der Kinder kleiner als der Berg der Gaben. Das reicht für zwei Jahre bei normalem Konsum. Pst, Geheimscheiß: Wir werden bei unseren Kids Sachen verschwinden lassen… Das freut sonst nur den Zahnarzt mit seinem “Fucking Gitarrenladen”. Der Gute.

Während wir uns durch das Wetter quälten, was zu Mitleidsbekundungen an allen Türen führte, wurden wir Erwachsenen mit Alkohol getröstet. Zum Ende hin gingen die Frauen vor, um die Kinder ins Warme zu bringen. In die warme Blockhütte in der Dorfmitte gleich neben dem Buchenwald mit den 350 Jahre alten Bäumen. Dort gab es Kakao und Waffeln. Große Augen, glänzende Gesichter, großer Hunger. Derweil waren wir Männer beschäftigt, uns mit den Alten zu unterhalten. Die trifft man nicht so oft. Und die wollten gerne die Gelegenheit nutzen, einen gepflegten Schnaps zu trinken. Korn. Pah! Puh! Gestandene alte Kerle. Straßenbauer mit Unterarmen wie… Anstoßen mit einem “Männer” und einem Lächeln. Rituale des Dorfes. Wie haben die sich gefreut, uns zu sehen. Die jungen Männer. Im Vergleich. Nicht nur wegen des Schnapses. Es war schon ein wenig wie im Western. Whiskeygläser im Saloon. “Männer”. Wir haben die Kurve gekriegt, das Feuerwasser überstanden und sind aufrecht im Blockhaus gelandet. Absprung im rechten Moment. Das nennt man Timing, die Haaresbreite zwischen alles bleibt gut und ihr wisst schon. Alka Seltzer. Raues Dorfleben, alte Zeiten.

Auf jeden Fall ist es immer wieder schön, mal fast alle Dorfbewohner an einem Abend gesehen zu haben. Kurze Gespräche zwischendurch. Die Lieder, die Kinder, der Feuer- und Kerzenschein. Teilen. Zeit teilen. Sankt Martin. Gut. Bis zum nächsten Heiligen. Am St. Nikolaus sehen wir dann viele wieder. Euch wünsche ich einen sturmfreien Tag, an dem ihr vielleicht schöne Zeit mit netten Menschen teilt. Vielleicht nicht gerade bei Schnaps. Ciao.

Übrigens war ich kurz auf Youtube, um die von den Eurythmics geklaute Überschrift, sagen wir mal zitierte Überschrift, live zu erleben. Dort bin ich auf eine Rough-Version des Songs getroffen. Überraschend. seht und hört selbst: Sweet Dreams.

Tolle Truppe, starkes Ensemble!

Shakespeare hatte seine Theaterkompanie. Eine Schauspieltruppe, die die Bühnenwelt verändert hat. Unser Dorf nun geht auch in die Kulturoffensive und öffnet den Vorhang. Nikolaus im Dorf. Die Dorfgemeinschaft und die Feuerwehr arbeiten Hand in Hand. Kinder und die Alten beglücken. Am Samstag vor Nikolaus treffen sich die Alten zum Kaffee. Der Pfarrer kommt, es wird geklönt, die Frauen des Dorfes haben Kuchen gebacken. Normalerweise treten die Kinder auf und spielen ein Nikolausstück. Am Sonntag dann wird die Feuerwehrhalle ausgeräumt. Die drei großen Autos werden raus gefahren, die Biergarnituren der Dorfgemeinschaft aufgebaut sowie die kleine Bühne aus den Brettern, die die Welt bedeuten.

Kerzen brennen, Servietten und kleine Blumengebinde schmücken die zum Saal gewordene Halle. Es wird voll, Eltern und Großeltern kommen mit ihren Kindern. In Körben wird Geschirr mitgebracht und Kuchen für alle. Leckere Sachen. Kakao, Torten, Kinderaugen. Irgendwann kommt der Nikolaus. Wer will, kann ein Gedicht aufsagen. Es wird gesungen. Jedes Kind geht nach vorne und bekommt ein kleines Geschenk. Die Rabauken dürfen sich eine Kleinigkeit anhören – ein funktionierendes System. Eine gute Form, gegenseitigen Respekt einzufordern.

Dieses Jahr nun gibt es eine Neuerung. Nicht die Kinder führen ein Nikolausstück auf, einige Erwachsene machen das. Für die Kinder und Alten. Mich rührt das. Respekt. Miteinander. Füreinander. Ich durfte das Stück schreiben, in dem es um den echten Nikolaus und den Wunsch einer alten Frau geht. Es treten ein Pfarrer, ein Bauer, ein Knecht, eine Nachbarin, die Schwiegertochter und besagte Maria auf. Weil ich die Menschen, die für diese Rollen in Frage kommen, mittlerweile seit zwölf Jahren kenne, haben ich ihnen die Rollen auf den Leib geschrieben. Und: Sie haben sie angenommen. Letzte Woche gab es ein leichtes Rumoren des Bauern, der mit seiner Rolle nicht ganz einverstanden war. Gestern Abend kam er lachend zur Probe. Er hat seinen Text auf Platt umgeschrieben. Wunderbar. Die Alten werden begeistert sein. Wir haben viel gelacht. Gute Stimmung, das Stück entsteht. Auf der Bühne ist hohes Tempo angesagt. Der Knecht hat die Lösung des Problems, der Bauer lässt ihn nicht aussprechen, muss ihm auf Stichwort immer wieder ins Wort fallen.

Die Proben laufen gut. Alle bringen sich ein, liefern Ideen, überlegen sich Kostüme, arbeiten an den Charakteren. Ländliches Method-Acting. Wie bin ich eigentlich? Wer bin ich? Weshalb sag ich das so? Ich gebe vorsichtig Subtext rein. Das Zauberwort, wenn es darum geht, die Bühnensprache für das Publikum mit Figuren zu füllen. Aus Schauspielerinnen werden Bühnenfiguren. Metamorphose. Aufbau einer Aura. Die Zuschauerinnen erleben etwas, was sie nicht sehen können. In Mannheim am Nationaltheater haben wir damit viel rumgedoktert. Bei den Proben unten im Saal der Feuerwehr klappt es auch. Die Texte kommen, alle fangen an zu spielen. Kleine Gesten. Wie plötzlich eine Kaffeetasse genommen oder ein Stuhl gerückt wird. Kleine Sachen, große Wirkung. Das wird gut, das Stück klappt, hat Tempo, Witz. Weiß man ja vorher nicht, wenn man es schreibt und noch nicht auf der Bühne gesehen hat. Immer wieder diese Spannung. Funktioniert ein Text. Tag für Tag. Jetzt auch. Nach sex sells gestern mit absolutem Besucherrekord heute wieder zurück aufs Dorf. Harte Landung im sanften Kontext des Lebens. Worauf kommt es an? Was zählt? Ist tatsächlich alles eins?

Ich freue mich auf die Aufführung des Stückes. Habe die große Bühne verlassen und arbeite nun hier mit einem Bauern, einer Bäuerin, einer Taxifahrerin, einem Achsentester, eine Zahnarzthelferin und einem LKW-Fahrer. Perfekt. Leben auf dem Lande. Heimat im besten Sinne des Wortes. Ich wünsche euch einen schönen Tag mit ein klein wenig weiterem Ankommen in dem, was euer Leben ausmacht. Trippelschritte vorwärts. Freude. Ciao.

Gänseblümchen von Gitta Becker

Gänseblümchen werden meist von kleinen Kindern verschenkt. Im Sommer, wenn sie barfuß über den Rasen laufen, sie pflücken und dann ankommen: Hier. Ich mag Gänseblümchen sehr und lasse beim Rasenmähen immer welche stehen. Ein wenig sentimental bin ich, vielleicht. Als ich letzte Woche aus Berlin zurück kam, lag ein Gänseblümchen in Buchform in unserem Briefkasten. Oh wie schön, Post. Ein Geschenk von Gitta Becker. Vielen, vielen Dank.

Gitta habe ich über Twitter kennengelernt. Wir folgen uns gegenseitig und schauen, was die/der andere so treibt und schreibt. Da lag es natürlich nahe, dass ich ihr Buch lese. Nun gab es aber einen Grund, weshalb ich mich gesträubt habe. In dem Buch geht es um ihren Sohn Andreas, der gestorben ist. Ein eigenes Kind, das stirbt. Puh! Ich wollte nicht. Als Vater zweier Kinder ist das für mich der Worst Case. Eine schreckliche Vorstellung. Deshalb hat mein Inneres die Krallen ausgefahren und Nein gesagt. Hinzu kam, dass Andreas mit einer geistigen Behinderung geboren wurde und unter Anfällen litt, die ihn immer wieder ins Krankenhaus gebracht haben. Auch hier hat mein Inneres zunächst Nein gesagt. Mein Vater ist behindert, seit er im Alter von 42 Jahren einen Schlaganfall hatte. Ich war damals elf Jahre alt, als er fast gestorben wäre. Einen Vater zu haben, der linksseitig gelähmt ist, ist für einen Jungen nicht ganz einfach. Kein gemeinsames Fußballspielen. Den eigenen Vater anziehen, von der Toilette heben. Ich hätte mir etwas anderes gewünscht. Es ist ein Thema, das für mich nicht ganz einfach ist.

Als Gittas Buch dann vor mir lag und ich Andreas Foto auf der Rückseite gesehen habe, da war das ungute Gefühl weg. Vorstellungen, die nichts mit der Realität zu tun haben. In ihrem Buch hat Gitta, getragen von ihrer Mutterliebe, etwas Faszinierendes geschafft. All die Probleme, die auftauchten, die Zeiten im Krankenhaus, die Anfälle, die Verletzungen, erzeugen kein Unbehagen. Beim Lesen des Buches war es so, als stünde Andreas bei mir im Zimmer. In seiner beschriebenen Fröhlichkeit, mit seinem mitreißenden Lachen. Einer, den man mögen muss. Mir hat das Buch gut getan, weil es so optimistisch ist. Weil es nicht um Verlust und Trauer geht, sondern um Lebenslust und Gewinn.

Wie Gitta und Ihre Familie, ihre Töchter mit allem umgegangen sind und wie sie das alles in ihrem Buch beschreibt, ist einfach toll. In einem Kapitel schreibt ihre Tochter Claudia über ihren Bruder. Beeindruckend. Für mich ist Gänseblümchen ein wirklich gutes Buch und ich bin froh, dass ich es trotz meiner anfänglichen Skepsis gelesen habe. Eine Bereicherung, eine Horizonterweiterung. Eine Möglichkeit mit dem umzugehen, was unsere, meine Ängste wachsen lässt. Gänseblümchen zeigt, wie viel Gutes und Kraftvolles auch in dem liegt, was wir, was ich als Schrecken sehe und empfinde. In diesem Fall irrtümlich gesehen und empfunden habe. Ich möchte euch empfehlen, euch das im ACABUS-Verlag erschienene Buch zu kaufen und zu lesen.

Möchtet ihr mehr über Gitta Becker und ihr Buch Gänseblümchen erfahren, klickt hier. Möchtet ihr Gitta auf Twitter folgen, dann hier.

Ich wünsche euch einen richtig guten Tag. Ciao.

Salomon von Jim Richter/ 2007


Salomon, Jim Richter 2007 (Rügen, Nosbach)

Gestern habe ich einen Kunsttag eingelegt, beziehungsweise eine Kunstnacht. David und ich haben uns in die Kölner Museumsnacht gestürzt. Irre. Stundenlang Kunst, Kunst, Kunst. Köln gehört, was Kunst betrifft, zu den Metropolen der Welt. So viele große, bedeutende Museen. Ich bin im Museum Ludwig gestartet, während David noch auf einer Party war. Für 15 € bekam ich ein Bändchen um den Arm, das mir freien Zugang zu fast allen Museen der Stadt verschaffte.

So viele Menschen haben sich mit mir in diese Nacht gestürzt. Ein Tohuwabohu. Teils kam es mir vor, als stiegen die Menschen aus den Bildern und Wänden. Trotz der vielen Leute nirgends Genervtheit. Eher Fröhlichkeit. Alle gut drauf. Alle interessiert, fasziniert. Im Museum Ludwig bin ich im Keller gestartet, in meinem Lieblingsraum. Dort, wo Jasper Johns Amerikafahne hängt. Die Pop-Art Abteilung. Warhol, Roy Lichtenstein, Rauschenberg. Nebenan neue Videokunst. Schräge Blicke in die Gegenwart oder gerade Blicke in eine schräge Gegenwart? Männer zerstören ein Klavier mit Axt und Hammer. Männer in weißen Hemden. Das Klavier schreit, bis die letzte Saite gerissen ist. Menschen stehen drum herum. Schauen zu. Ein Vater und ein Sohn. Experimente.

Aus dem Keller nach oben zu A.R. Penck. “Ich in Deutschland (West)” aus dem Jahr 1984. Sechs mal zwölf Meter groß, in 35 Stunden am Stück gemalt. Danach ein Blick in die französische Boheme. Picasso in Paris. Fotos. Zeitzeugen. Bilder zu den Vorstellungen, die ich bislang zum Leben am Montmartre Anfang des letzten Jahrhunderts hatte. Weiter durch die Räume. Fotografien aus Japan. Und dann mein Highlight. Ein aufgeschnittener Sternmotor. Kolben und Ventile heben und senken sich, treiben eine Achse an, ein Kontergewicht. Eine Gebetsmühle, ein automatisierter Rosenkrank. Aus einem Lautsprecher strömen Kirchenklänge: Vater unser, Maria, gebenedeit…

Kann mich kaum losreißen. Gehe dann doch Richtung Wallraf-Richartz-Museum. Hatte ich bislang noch nicht besucht. Dort treffe ich David, der in Paris gelebt und gemalt hat, der in Tokio gelebt hat, dessen Bilder beeindrucken. Ihr könnt sie euch hier auf Flickr ansehen. David verbringt hier viel Zeit. Er führt mich durch die Räume – zu Rembrandt, Rubens, Monet, Much. Er sagt mir was zu den Maltechniken, zu den Perspektiven, zum Licht. Vor einem Monet aus dem Jahr 1915, die Seerosen haben sich allmählich diffus in die Moderne hin aufgelöst, sie sind nur noch angedeutet, dafür sind die Pinselstriche fest, überzeugt, dynamisch. Malen während des ersten Weltkriegs. David erzählt von der Orangerie in Paris, nahe des Louvres, für die Monet speziell Bilder gemalt hat. Jetzt erst einmal Köln. In den Keller des Museums – die Ausstellung “Auf Leben und Tod”. Fotografie des 20. Jahrhunderts gemischt mit Meisterwerken der europäischen Malerei. Ein junger, schöner Mann in moderner, weißer Unterhose. Bart, lange Haare nach hinten gekämmt. Trainierter Body, Sixpack. Der Oberkörper voller Narben. Wie von Stichwunden. Ein moderner Heiliger neben einem alten Heiligen. Zeiten treffen sich. Welche Bedeutung Kunst doch hat. Und wir leben unser Leben und nehmen uns kaum Zeit, sie wahrzunehmen. Wie wichtig Kunst ist und wie oft sie herablassend belächelt wird. Würde es nicht die utopischen Preise für einzelne Werke geben, wie ernst würde Kunst dann genommen?

Es geht auf Mitternacht zu. Zwei Häuser noch. Das neue Rautenstrauch-Joest-Museum, das mir überhaupt nicht gefällt. Kulturen der Welt. In meinen Augen präsentiert wie in einem Flagship-Store. Zwischen Kulissen, gewollten Inszenierungen. Fotos afrikanischer Stämme in weiß lackierten Barock-Dekorahmen. Zu viel Tütü. Arabesken. Die Kleidung eines Sioux-Häuptlings hinter Glas. Wie neu. Kein Fleck. Fehlt nur das Preisschild. Nicht mein Museum. Wir gehen noch ins Museum für angewandte Kunst. Schauen uns das Design vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute an. Bauhaus. Le Corbusier. Mies van der Rohe. Gropius. Bis hin zum iMAC. Kann nichts mehr aufnehmen. Wir machen uns auf den Weg, am Dom vorbei über die Eisenbahnbrücke mit den vielen Vorhängeschlössern, die Verliebte angebracht haben (die Schlüssel landen im Rhein) bis zum Messegelände. Dort steht mein Auto. Bringe David nach Overath und eine Polizeikontrolle hinter mich und falle spät in der Nacht ins Bett. Träume gut.

Heute Morgen dann präsentiert mir Jim den Holzsockel aus Kirsch. Wir hatten ihn letzte Woche beim Holzmachen für den Winter mit der Kreissäge zugeschnitten. Jim hat ihn glatt geschliffen, per Hand, und geölt. Ein Handschnmeichler. “Was soll ich damit machen?” Kunst. Sein Salomon, ein Lehmkopf, den er vor drei Jahren auf Rügen aus Lehm geformt hat. Der steht bei uns im Ofenzimmer. Ich sage ihm, der würde gut zu seinem Salomon passen. Als Sockel. Wir probieren es aus. Wunderbar. Darf ich ihn fotografieren und im Blog präsentieren? Passt zum Thema Kunst. O.K. Danke, Jim. Oben ist er. Mich beeindruckt er. Natürlich auch, weil er von Jim ist. Vor drei Jahren war Jim 10.

Euch eine schöne Woche. Vielleicht habe ich euch ein wenig Lust auf Kunst gemacht und ihr habt irgendwo ein Zeitfenster, euch mal wieder ein Museum anzusehen. Falls ja, wünsche ich euch überaus viel Spaß und Inspiration beim Museumsbesuch. Ciao.