Liebste Ela,
da du Muttertag nicht sonderlich magst, aber Mohnblumen, hier ein Blümchen für dich. Viel Spaß auf der Burg.
j.

Landleben, Lyrik & Lebensgeschichten von Jens Schönlau
Das ist doch mal ein wahrlich schönes fifty-fifty-Thema. Macht, tut, lasst euch gehen. Nicht unbedingt gleich auf der Stelle (wenn’s passt, dann auch das!), aber in der Perspektive des Tages, des Wochenendes. Gebt euch der Leidenschaft hin. Nicht nur so. Das könnt ihr natürlich auch in Shakespearscher Manier „Wie es euch gefällt.“ Nein, mit einem Ziel. Zeugt. Schafft Nachwuchs. Das erste, das zweite Kind. Das dritte? Denn: Deutschland schrumpft.
Gestern habe ich die Zahlen im Radio gehört. 2009 teilten wir uns dieses Land mit 81.879.975 anderen Menschen. Ganz schön viele. Sagt die Weltbank. Und die Banken wissen das wohl am ehesten, weil die damit rechnen. Jetzt nehme ich meinen Taschenrechner raus und subtrahiere mal eben so 38.000.000 Millionen Menschen. Mich ziehe ich auch ab. Nicht weil ich auswandere (vielleicht später), sondern weil ich im Jahr 2100 nicht mehr als Jens Schönlau hier weilen werde. Dann werde ich bereits wiedergeboren sein und als Middle-Ager auf Hawaii leben. Wenn alles gut läuft. Der Taschenrechner: 38 Millionen hin, mich im Sinn, Minustaste gedrückt und da stehen 43.879.975. Ganz schön wenig für so ein großes Land. Geht fast auf die Hälfte zu. Beeindruckende Zahl.
Am Dienstag hat die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung (DSW) eine Projektion der Bevölkerungszahlen der Vereinten Nationen vorgestellt. Kenn wir ja alle. Es werden immer mehr. Am 31. Oktober wird ein Junge geboren, heißt es, der dann der sieben Milliardste Mensch auf der Welt ist. 2050 sind wir dann, wenn es noch genügend Essen zu verteilen gibt und wir nicht im Klimawandel verdorrt sind, 9,3 Milliarden Menschen. Hauptsächlich, weil sich die Afrikaner/innen verdreifacht haben werden. Tja, Afrika. Es heißt: Je mehr Bildung, desto weniger Kinder. Desto weniger Bildung, desto mehr Kinder. Vielleicht aber auch auf der menschlichen Seite einfach mehr Spaß an Körperlichkeit?
Wie auch immer, bei uns wird es dann gemütlich oder ungemütlich? Im Restaurant ist jeder zweite Tisch frei, im Kino auch und jedes Haus dürfte dann auch nicht mehr bewohnt sein. Komische Sache. Bei uns im Dorf dann jedes zweite Haus leer? Uah, eher gruselig. Verfall. Apokalypse. Mad Max. Nun lasst mich mal nicht so schwarz malen. Oder doch: Vielleicht gerade das. Ich meine, wenn es dann in Afrika so voll ist und bei uns so leer, dann könnten wir doch ein paar Gäste einladen. Sollten wir vielleicht jetzt schon mit anfangen. Denn momentan werden in Deutschland gegenüber der Vergangenheit nicht nur weniger Kinder geboren – ganz genau sind es 1,36 Kinder pro Frau (komische Zahl) -, sondern es ziehen auch mehr Menschen weg. Und es kommen weniger hinzu. Da würde es doch Sinn machen, Einladungen auszusprechen. Liebe Afrikaner, liebe Afrikanerinnen – bei uns in Deutschland läuft es in den Schlafzimmern zwischenmenschlich nicht so gut. Weil wir so gebildet sind, lesen wir lieber. Dadurch haben wir aber leider in der Perspektive zu wenige Freunde. Das heißt: Bildung macht einsam. Nun haben wir gehört, dass ihr so viele seid. Hättet ihr Lust, also so einige von euch, ein wenig bei uns zu wohnen? Wir könnten Freunde werden und vielleicht in beide Richtungen etwas voneinander lernen? Wie wär’s?
Es sieht so aus, als müssten wir uns was überlegen. Irgendwo läuft da was schief. In Deutschland und in Afrika. Da sollten wir in den kommenden 90 Jahren etwas näher zusammenrücken und uns gemeinsam ein paar gute Gedanken machen. Am besten jetzt schon damit anfangen, weil alles immer so lange Vorlaufzeiten hat. Angie, ich hätte da ein paar Ideen, ruf doch mal an…
Mitte letzter Woche hatte ich mich bereits ins Wochenende verabschiedet. Schiermonnikoog mit Ela. Niederländische Insel. Cooper war auch dabei, der hat sich irgendwie in den Kombi geschmuggelt, das alte Rudeltier mit der knuffigen dicken Nase. Die Kinder waren mit der Oma in einer Großeltern-Enkel-Freizeit – also bestens untergebracht und versorgt. Zeit für Zweisamkeit. Ganz früh morgens sind wir aufgebrochen und durch das Münsterland vorbei an meinem Geburtsort Meppen nach Groningen gefahren. Einfach immer wieder schön. Kleine Unistadt mit Grachten – ein kleines Amsterdam. Tolle Atmosphäre. Mit Ela schlendern, Freiheit genießen, jeden Schritt. Tief atmen.
Die Fähre ging von Lauwersoog. Die Autos der Nicht-Einheimischen bleiben im Parkhaus an Land. Der Wind „krachte“ – wie an allen vier Tagen mit vier bis fünf Windstärken aus Nord-Ost. Sonnenschein plus kühle Brise. Sehr frisch. Wir sind ordentlich durchgepustet worden. Unser Appartement – man weiß ja nie so genau, was einen erwartet – war sehr nett. Großes Fenster zum Meer. Direkter Blick auf den Strand.
Aber zunächst stand am Freitag etwas anderes auf dem Programm. Die königliche Hochzeit. Haben wir uns angesehen. Kate und William. Hach. Wie romantisch. Ganz in weiß. Da saßen wir beiden und nutzten die Tatsache, dass wir mal einen Fernseher hatten. Im historisch richtigen Augenblick.
Nun sind wir beide ja gänzlich unverheiratet und haben auch nicht vor, das zu ändern, aber vielleicht gerade deshalb waren dieser ganze Prunk, die Geheimniskrämerei um das Brautkleid und die vielen Hüte so aufregend. Natürlich war das alles ziemlich kitschig, aber dennoch so schön. Am besten hat mir die Rede dieses Pfarrers auf der Kanzel gefallen. Richard Chartres, der 132. Bischof von London. Sehr weltliche Worte hat er gewählt. Viel von Liebe gesprochen, von Beziehungen, die wachsen, die den einzelnen nicht überfordern, ihm nicht zu viel abverlangen. Es ging darum, den anderen nicht verändern zu wollen. Sehr beeindruckend, dieser Mann der Kirche.
Als hätten wir noch nicht genug Royales an diesem kurzen Wochenende erlebt, fanden wir uns am Samstag inmitten des Koeniginnendages wieder. Schiermonnikoog in Oranje. Überall geschmückte Häuser und kleine Mädchen mit Krönchen. Um elf Uhr spielte die Dorfkapelle die Nationalhymne, ein Kinderchor sang vor dem Rathaus und orangene Luftballons mit Grußkarten stiegen in den Himmel. Liebe Beatrix, an dieser Stelle auch liebe Grüße von mir.
Bei so viel Königlichem war ich froh, mit meiner Königin unterwegs zu sein. Mit der Königin meines Herzens. Ohne weißes Kleid und Krönchen. War das schön, sie mal so ganz für mich zu haben. Viel Zeit. Lange Spaziergänge. In den Dünen liegen. Essen gehen. In Ruhe frühstücken. Ein ganz anderes Tempo. Habe ich sehr, sehr genossen. Kann ich jetzt noch fühlen.
Nun bin ich aber trotzdem froh, wieder hier zu sein und die komplette Familie um mich zu haben. Da herrscht gleich wieder ein ganz anderes Tempo. Die Geschwindigkeit des Alltags. Ganz unadelig. Einfach normal. Auch das gefällt mir…
Guten Morgen ihr Lieben. Hattet ihr auch ein so schönes Osterfest? In diesem Jahr war es nun wirklich schwierig, die Zeit nicht auszukosten. Für mich war es außerordentlich schön, weil es so ruhig war. Da mich eine fiebrige Erkältung in der letzten Woche hingestreckt hatte, habe ich meine Aktivitäten alle herunter gefahren. Kein Blog, kein Facebook, kein Tumblr. Nothing. Für einen Kunden hatte ich einen sehr schönen Job zu schreiben, das ging. Hat Spaß gemacht und war ein gutes Projekt mit netten, engagierten Menschen.
Nun sitze ich hier und bin wieder gesund. Ela und ich waren eben joggen, die Kinder sind mit ihrer Oma in den Ferien. Letztes Jahr waren wir zu der Zeit auf Kreta. Nun, another year later, fahren wir am Donnerstag für das Wochenende nach Schiermonnigkoog. Wir haben dort ein kleines Appartement gemietet und freuen uns schon. Es gibt also auch diese Woche nur zwei Beiträge.
Gestern Abend waren Ela und ich im Kino. Weil in Siegen, Olpe und Köln nicht so richtig was lief, was uns interessierte, sind wir im Lichtspielhaus-Center in Meinerzhagen gelandet. Das ist so ein kleines Kino unten in der Stadthalle. Mit dem Charme einer Eisdiele oder Tanzschule aus den achtziger Jahren. Ich glaube, insgesamt waren fünf Zuschauer/innen da. Genau die richtige Atmosphäre für den Film, den wir gesehen haben. ANOTHER YEAR von Mike Leigh. Ein älteres Ehepaar mit erwachsenem Sohn, beide noch berufstätig. Sie ist Therapeutin, er Geologe. Gemeinsame Leidenschaft ist der Garten im Grünen. Die beiden könnten ein ruhiges, beschauliches Leben leben, wären da nicht die verrückten, leidenden, trinkenden, weinenden Freunde und Familienangehörigen. In dem Film wird fast nur geredet. Es wird gegessen, getrunken, im Garten gearbeitet und immer geredet. Über das Leben, das Leiden, Pläne, Vergangenheit, Zukunft.
Die Schauspieler/innen haben das wunderbar gespielt. Auch wenn manche Szene fast unerträglich war, weil man insbesondere die hyperaktive Freundin Mary schütteln wollte. Kaum zum Aushalten, aber eben letztlich doch richtig gut gespielt. Da saßen Ela und ich nun in diesem kleinen, alten Kino und sahen diesem alten Paar zu, wie sie durch den Frühling, Sommer, Herbst und Winter hindurch lebten. Das Schöne war die Ruhe, die sie ausstrahlten. Und die Zuneigung und der Respekt, die und den sie füreinander empfanden.
Ein kleiner Film. Kein großes Kino. Kein Blockbuster. Ein toller Abschluss für dieses Osterfest, an dem auch Ela und ich den ganzen Samstag mit Gartenarbeit zugebracht haben. Unkraut gejätet, Rasen gemäht, eingesät und den Kompost umgeschichtet und mit Zucchini und Kürbissen bepflanzt. Ein schönes Gefühl, wenn im Garten alles wächst und gedeiht. Jetzt können wir ganz beruhigt nach Schiermonnigkoog abdampfen. Another year…
Ganz anders? Männer? Ganz anders als was? Sanfter, zarter, als allgemein angenommen? Von wegen. Da gibt es dieses Lied von den Ärzten – Männer sind Schweine. Ist natürlich eine verbotene Pauschalisierung, weil das Individuum in seiner allgemeinen Entwicklung und seinen Möglichkeiten negiert wird. Nun. Gestern waren Zoe und ich in Köln. Sie hatte sich zu Weihnachten den Besuch eines Heimspiels ihres Lieblingsvereins gewünscht. Ich hatte überlegt, dass ein Besuch frühestens im April gut wäre, wegen des Wetters. Also habe ich Karten für gestern, für die Partie gegen Stuttgart besorgt.
Zoe war ziemlich aufgeregt und hatte im Vorfeld alles vorbereitet. FC-Trikot von einem Freund besorgt, weil ihres samt Turnbeutel verschwunden ist (Grand malheur mit Mehrfachtränen. Schiere Verzweiflung.) Schals für sie und mich bereit gelegt. Fotoapparat mit frischen Batterien bestückt. Wir sind dann in die Nähe des Stadions gefahren, haben dort geparkt und haben den Rest mit der Straßenbahn, der Straßenbahn voller Fans zurückgelegt. Da ging es schon los. Fangesänge. Lästertiraden über den Lieblingsgegner Borussia Mönchengladbach, der letzte Woche Köln mit sechs Toren gedemütigt hatte. Ein historischer Untergang für den FC. Also sangen die Fans jetzt von diesem Gladbacher Sch…-Verein und dass das alles Wix… sind. Oh, oh. Liebe Zoe, das sagt man so aber nicht. Zoe grinst, die Fans um mich herum auch. Dazu muss ich sagen, dass ich, was eigentlich nicht möglich ist, Fan von Köln und Mönchengladbach bin. Kann man so aber nicht laut sagen…
Am Stadion dann Stuttgart-Fans, Köln-Fans, jede Menge Sonnenschein, berittene Polizei und ein ausverkauftes Stadion. Über 40.000 Menschen. Mittendrin Zoe und ich. Huhu. Im Stadion musste ich kurz auf Toilette. Zoe habe ich derweil auf der Damentoilette geparkt, damit sie nicht unter die Räder kommt. Ich habe mich an die Pinkelrinne gestellt und dachte an die Pipibecher in der Durchreiche. Ihr wisst. Das hier war ganz schön eklig. Eine Rinne mit Gefälle und die ganze Suppe zieht ihre Bahn bis zum Abfluss am Ende. Irgendwie sind im fiftyfiftyblog gerade Pipi-, Kaka-, Aa-, Pupstage.
Wir haben uns das Spiel angesehen. Direkt neben der Stuttgarter Fankurve. Haben die laut gesungen. Und dann schießen die Stuttgarter drei Tore. Spielen viel besser als die Kölner. Sind agiler, kraftvoller. Handelfmeter direkt vor unserer Nase. Zack drin. Und Podolski schlappt müde über den Platz. Ab und an schaltet er sich mal ein, wird auch gefährlich, macht aber viel zu wenig. Das war natürlich doof. Mit einer Heimniederlage heimfahren. So isses.
Vorher musste ich dummerweise noch einmal auf die Toilette. Jetzt waren gefühlte 1.000 bierselige Männer auf dem Klo. In Dreierreihen vor der Rinne. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie das gerochen hat. Ziemlich eklig. Das erinnerte mich an das Gedicht von Charles Bukowski: Auf der Rennbahn. Als der Mann neben ihm währendessen einen Hamburger vertilgt. Ich dachte nur: Gleich isst hier einer ’ne Bratwurst. Ich war dran. Mann steht dort dicht an dicht, packt aus, lässt laufen und sieht in der Rinne: Ob Kölner oder Stuttgarter, alles eins. Und nicht nur in der Rinne, auch auf dem Boden. Männer sind… Sagte Bukowski am Ende des Gedichtes auch – auf der Rennbahn gibt es nicht nur Pferde:)
Allerdings. Kleiner Ausflug. Freitag waren Ela und ich auf dem Weg nach Siegen. Ich habe morgen Geburtstag und am Abend kommen ein paar Menschen. Deshalb schreibe ich diesen Text bereits heute, Sonntag. Morgen habe ich keine Zeit. Job und Geburtstagsvorbereitungen. Freitagabend war ich also in der Metro, um einige Köstlichkeiten zu besorgen. Ela war in der Stadt, weil sie etwas (ich glaube für mich) abholen musste. Auf jeden Fall: Auf dem Weg nach Siegen drängelt ein VW Golf hinter mir. Das alte Modell II. Unverwüstlich, heißt es. Die Karre breiter, tiefer, lauter, mit Böser-Blick-Scheinwerfern in blau. Und: Ganz dicht drauf. Der Golf hat mich quasi über die Landstraße geschoben. Und wer saß drinnen? Eine junge Frau mit Pferdeschwanz und Tom Cruise-Ray-Ban-Piloten-Sonnenbrille. Eine Hand lässig am Lenkrad. 50 cm zwischen unseren Karren.
Ich meinte zu Ela: Auch eine Form der Emanzipation. Frauen dürfen jetzt auch diesen männlichen Machomist machen. Oder besser gesagt, weiblichen Machoinnen-Mist. Sich das Recht nehmen, andere von der Straße zu pusten. Fand ich dann irgendwie wieder gut. Das Recht umsetzen, Arschlöchin zu sein. Ts. Ein neuer Aspekt der Emanzipation. Sie hat mich dann mit Highspeed überholt und ihren aufgemotzen II’er Motor neben mir aufheulen lassen. Die aus dem Auspuff züngelnden Flammen schrieben ein „Ciao Baby“ in die Luft. Männer. Frauen. Kennste eine, kennste einen, kennste alle. Fiftyfifty.
Euch einen guten Wochenanfang. Es sollen 20 Grad werden. Na dann mal los…