Wir leben im Jahr 2011. Das klingt schon ein wenig nach Cyber-Reality – zumindest, wenn man wie ich im Jahr 1965 geboren ist und von Kindesbeinen an irgendwelche Sciencefiction-Sachen im Kopf hat, die ab dem Jahr 2000 laufen. Wir können immer noch nicht beamen, aber auch ohne Mr. Spock und Scottie hat sich die Welt reichlich genug verändert. Ich blogge hier und die ganze Welt kann das rein theoretisch lesen. In Echtzeit. Now! Also das ist doch schon fast wie beamen. Die größte Verbreitung eines persönlich verfassten Textes war in meiner Jugend das Schreiben für die Schülerzeitung.
Und wie sieht es mit der klassischen Familie aus? Nun, die lebt 2011 fiftyfifty. Löst Geschlechtergrenzen auf und bewahrt sie. Wir hatten gestern Boys- und Girlsday. Mittags kamen zwei Freunde von mir aus Stuttgart und Frankfurt. Die waren auf der Durchreise und hatten sich angekündigt. Große Freude. Also stand ich ab dem Frühstück in der Küche und habe gekocht und gebacken, während Ela ihr Treffen mit zwei Freundinnen am Nachmittag vorbereitet hat. Bei mir ist ein Käsekuchen entstanden, als Dessert, sowie ein Steinpilzrisotto mit italienischen Scaloppine.
Für die Scaloppine habe ich versucht, bei unserem heimischen Metzger Kalbfleisch einzukaufen. Der Metzger ist ein robuster Mann mit ganz eigener Meinung. Kalbfleisch gibt es nur auf Bestellung, ist zu teuer und man kann genauso gut Schwein nehmen. Ah. O.K. Aber bitte ganz dünn geschnitten. Hat er versucht, ist ihm nicht gelungen. Er hat dann die klassischen Schnitzel mit dem Haubeil platt gekloppt. „Das geht noch dünner“. Weshalb er die nicht gleich dünn schneiden konnte, weiß ich nicht. Eine Frauenstimme im Hintergrund warf ein „So dünn ist das nix.“
So. War dann doch. Eingelegt in Olivenöl mit frischem Thymian und Salbei aus dem Garten. Die ersten hellgrünen, samtigen Blätter. Dazu noch ein Bärlauchpesto – der Bärlauch explodiert gerade bei uns im Garten. BUMM! Wunderbar. Die beiden kamen, wir haben lecker gegessen, einen gekühlten Rosé genossen, Kaffee und Kuchen. Derweil hat sich Ela auf den Weg gemacht, eine Freundin zu besuchen. Frauentag mit Quatschen, in der Sonne liegen, Beautyanwendungen und ich nehme an jede Menge erzählen. Schön.
Als meine Jungs dann wieder weg waren, bin ich mit Zoe und Jim und Cooper durch den Wald. Eine neue Strecke in Richtung Schloss Crottorf. Erst auf einem Höhenweg mit Blick ins Tal, dann quer durch den Wald einen steilen Abhang herunter bis zum Bach. Die Kinder haben ihre Schuhe ausgezogen und sind durch Wasser gelaufen, ich hab mich in die Sonne gelegt. Cooper konnte sich zwischen beidem nicht richtig entscheiden. Die Sonne war so warm, die ersten Löwenzahnblüten waren so gelb und das Leben war so schön. Ganz ohne Cyber, 2000-Gedöns. Und das Beamen, das findet eh im Kopf statt. Beim Augenschließen. Besser geht das gar nicht. Und schneller auch nicht.
Ich glaube, so richtig viel hat sich gar nicht getan. Die Menschen sind nach wie vor dieselben mit gleichen Sehnsüchten und Bedürfnissen. Es geht darum, dass es schön ist. Angenehm. Ausgeglichen. Ich kann mich gut an solche Sonntage in meiner Kindheit erinnern. Die waren nicht ganz so fiftyfifty, aber in der Sonne und im Summen des Frühlings genauso schön. Wie immer: Es gibt keine Rezepte. Es lässt sich nicht planen und aufschreiben. Mal passt es, mal passt es nicht. Was wir tun können, ist das Schrauben an den Reglern der Rahmenbedingungen. Die fangen in uns an und gehen über unser Denken und Handeln bis weit in die uns umgebende Welt. So entsteht aus uns heraus eine selbst beeinflusste Wirklichkeit. Wir erzeugen Realität. Ausgeklügelte Wirklichkeitsmaschinen. Das zeigt, wie wertvoll wir sind. Wie wichtig für die Welt. Mir gibt das ein gutes Gefühl – vor allem, wenn es klappt:)
Euch wünsche ich eine schöne Frühlingswoche. Vielleicht habt ihr Lust und Zeit, euch in die Natur zu stürzen. Euch die vielen Grüntöne anzuschauen, für die wir keine Namen haben. Gestern stand ich unter dem großen Blütenbaum der Nachbarn, eine japanische Pflaume, und lauschte dem Summen. Hunderte Bienen und Hummeln veranstalteten ein Konzert. Für mich ist der Frühling die aufregendste Jahreszeit. Über jede Blattknospe freue ich mich, über jede Löwenzahnblüte. Bald wird unser Kirschbaum blühen, die Rosen treiben ihr Grün hervor, der Lavendel bekommt neue Blätter, der Thymian duftet schon…

