CUT!

Ab. Radikal. Heute Morgen wollte ich zum Friseur. Haare ab. Neuer Schnitt. Ich kam aus meinem Zimmer, ging ins Bad und dachte. Denkende Blogger, so’n Quatsch. Was da bei rauskommt. Cut! Haare ab. Maschine raus. Spiegel, Waschbecken, Stecker, Aufsatz, 3 mm. Angesetzt. Durchgezogen. Nein, ihr bekommt kein Foto. Gibt keins.

Stattdessen ein Foto aus den Cinque Terre, das mir heute vor die Füße gefallen ist. Ab und an poste ich Fotos auf Pinterest und Tumblr. Auch ein paar Texte, die manchmal hier nicht erscheinen. Mal so, mal so.

Cut. Mal gedanklich wegbeamen hier. Ruhe. Im Sommer wieder. Drei Wochen. Italien, Meer. Piper Bar. Fahrrad fahren. Vom Meer rauf zum Kloster auf 500 Meter. Mittagessen, Cappuccino auf der Terrasse. Ich hoffe, das Kloster hat das Unwetter im letzten Jahr überlebt. Bin gespannt, welche Spuren da hinterlassen wurden. Ob man wieder nach Vernazza rein kann. Ihr könnt immer noch spenden. Rechte Blogseite oben.

Dieser Tag auf dem Foto. Es war so heiß, der Zug hatte Verspätung, wir saßen in der prallen Sonne, tranken Wasser aus dem Wasserhahn auf dem Bahnsteig. Ich glaube, es ist der Bahnhof in Riomaggiore. Aus dem langen Tunnel heraus, an dem Heimatmuseum vorbei, durch die Unterführung und dann liegt es da, das Meer. Wie immer. Die Sonne spiegelt sich, draußen schweben die Segelboote. Die Luft ist voller Licht, der Bahnsteig voll von blühendem Oleander. Üppig. Alles ist üppig. Nur ganz selten Wolken.

Ich sollte hier nicht im Büro sitzen und bei 17 Grad im T-Shirt bloggen, während ich an Italien denke. Gänsehaut. Schön doof. Freunde, ich muss los. Cooper meldet sich. Hey, spät dran. Haarschneideaktion, sorry. Out of time. Kann ja mal passieren. Gleich ein Telefontermin. Job. Heute Abend Elternabend. Vorbereitung Klassenfahrt. Nächste Woche, mit Zoes Klasse drei Tage an die Mosel. Fahrrad fahren. Ich begleite. Ciao, ciao. Bis demnächst:)

One Day in Paradise

Advent, Advent. 1. Dezember. Da geht das erste Türchen auf und was finde ich dahinter? Ein Geschenk von Gitta Becker. Sie sendet mir einen Lieben Gruß an den Fiftyfiftyblog in ihrem Blog. Sie hatte gestern meinen Beitrag Ruhe bewahren! Bewahren Sie die Ruhe! kommentiert und das Foto mit der Bank, den Ruheplatz am Wasser, in ihrem Blog verlinkt und so waren wir ins Plaudern geraten. Nizza. Sie war in Nizza, ich war in Nizza.

Nun möchte ich auf Gittas Nizza-Beitrag mit einem Nizza-Beitrag antworten. Im Frühjahr 2009 war ich mit Ela dort. Oder sie mit mir. Letztlich wir miteinander. Wir waren einen Tag durchgefahren bis Lyon, hatten ein nettes Abendessen in der Altstadt, haben uns am nächsten Tag kurz Avignon angesehen, um an die Küste zu kommen. In Sanary sur Mer, wo viele deutsche Schriftsteller im Exil lebten, schlenderten wir über einen typisch französischen Markt. Fühlten uns wohl. Aßen im Hafen mit Blick auf ein altes Holzschiff, das gerade renoviert wurde. Wir fuhren nach St. Tropez und ins Hinterland der Provence zum Wandern und von dort über Grasse einen Tag nach Nizza. Parkten das Auto an der Promenade, weit entfernt vom Stadtzentrum und eroberten die Stadt von Westen her. Auf diesem Weg entstand das Foto mit der Bank. Am Morgen, als es noch ruhig war.

Am Hotel Negresso vorbei schlenderten wir bis in die Altstadt. Besuchten den Markt, ließen uns durch die Gassen treiben, die uns irgendwann wieder ausspuckten. Wir hatten Hunger. Der im Kopf, die Sehnsucht nach Bildern, Meer, Sonne, war größer als der im Bauch. Wir ließen uns vom Hafen anziehen, setzten uns in ein kleines, gut gefülltes Restaurant draußen auf die Terrasse mit Blick auf die Boote des Yachthafens. Boote sind einfach immer sehr hoffnungsvoll und vielversprechend. Bewegliche Inseln. Fernweh.

Wir aßen gut, tranken Wein, Kaffee. Mit dem schreibenden Erinnern nun kommen die Bilder. Der Trubel dort, die pausierenden, erzählenden Menschen. Wir sind dann nicht an der Küste entlang zurück in die Stadt, sondern quer über den die Stadt trennenden Hügel. Rauf und runter. Und wir sind auch nicht die Promenade entlang zurückgelaufen, sondern durch eine hintere Straße. Dort entdeckte ich das Hotel Eden. Durch einen Zaun hindurch fotografiert. Eine schöne Szene, ein toller Name, dazu diese Unwirklichkeit der Baulücke mit dem parkenden Mercedes in Blau. Ein modernes Himmelreich. So also sieht er aus, der Himmel auf Erden.

Am nächsten Tag sind wir über Italien nach Hause gefahren. Haben fünf Stunden am Gotthard-Tunnel im Stau gestanden, was und nichts ausmachte. Die Bilder im Kopf, die schöne Reise und wir hörten “Gut gegen Nordwind”. Die Zeit verflog, wir kehrten zurück in den Alltag, trafen unsere Kinder wieder, den Hund. Alles schön, alles gut. Manchmal ist das Leben einfach ein kitschig schöner Rummelplatz vollen Farben und Eindrücke. Ich erinnere mich gerne. Ich denke, das ist der tiefere Sinn des Reisens, das eigene innere Bilderbuch mit Eindrücken zu bereichern. Vielleicht schaut ihr mal, was an Überraschungen hinter eurem ersten Türchen des Adventskalenders wartet, wenn ihr ein wenig tiefer hineinschaut und auf Entdeckungsreise geht.

Ojemine, Fernweeh.

Wie schreibt man eigentlich Ojemine? Keine Ahnung. Mach ich mal so. Bei Fernweeh habe ich ein e reingebastelt, weil das dann mehr nach Ferne klingt. Dauert länger, bis man ankommt. Ist ja das Wesen von Ferne. Und das weeh ist größer, wenn es länger ist. Was haben die eigentlich bei der Rechtschreibereform die ganze Zeit gemacht?

Gestern flogen die Kraniche übers Haus. Ich hörte es zunächst schnattern und dachte, Michaels Gänse wären mal wieder ausgebrochen und hätten sich als Selbstmordkommando auf der Landstraße positioniert, um sich highnoonmäßig dem Duell mit den Vierzigtonnern voller Grauwacke aus dem Steinbruch zu stellen. Also bin ich raus, um zu retten, was zu retten ist. Ich war schon auf Mund-zu-Mund-Beatmung und Wiederbelebung durch Herzmassage eingestellt, als mir klar wurde: Das sind die Kraniche. Mein Herz öffnete sich.

Das Vogelzug-Schauspiel im November – spät dran die Reisegruppe. Hatten sich vielleicht verschnattert und dann gleich verflogen oder so. Meine Kamera war nicht schnell genug da, deshalb zwei Fotos oben vom letzten Jahr, das einige von euch schon kennen. Kurz darauf landete ein Gedicht in meinem Postfach. Von Claudia Schönfeld in Brighton geschrieben. Ich hätte es gerne hier präsentiert, aber Claudia wird es in einem amerikanischen Magazin unterbringen. Und da gehört es auch hin. Ein in Sprache und Bildern gleichzeitig radikales wie feinfühliges Gedicht. Sehr mutig, sehr tief nachgefühlt, sich eingelassen auf die Situation. Sie hat mir erlaubt, es hier zu verlinken: Brighton androgynous

So ist das, wenn man in der Ferne weilt. Die Sicht verändert sich und der Horizont gleich mit. Kräfte werden freigesetzt, Impulse schwirren durch Körper und Kopf. Gerade interviewe ich 34 Menschen, die eine Zeit im Ausland gelebt haben. Per Telefon. Damit reise ich auch durch die Welt. Von Moldawien über London bis Kenia. Es ist sehr spannend, mit diesen Menschen zu telefonieren und ihre Geschichten aufzuschreiben. Ein Luxusjob. Nun bin ich also mittendrin in der Welt der Reisenden – Menschen, Vögel, die in der Ferne leben oder die dort hinziehen oder auf Besuch sind.

Das weckt in mir ein ungeheures Fernweeh. Freunde von uns wollten mit Ela und mir im nächsten Frühjahr nach New York. Wir haben abgesagt, weil Ela ihre Yoga-Ausbildung macht und so eine Reise nicht ganz billig ist. Und dann ist da ja auch der CO2-Footprint. Nicht zu vergessen. Bis über den Teich bläst so’n Jumbo oredntlich was raus. Außerdem fliegt Jim nächstes jahr für fünf Wochen nach Kanada. Landwirtschaftspraktikum. Die werden jetzt im neunten Schuljahr aus dem Nest geschubst und müssen mindestens 250 Kilometer von Zuhause weg. Da haben wir gedacht, dann doch lieber einige tausend Kilometer in eine andere Welt. Neue Eindrücke sammeln, Englisch lernen. Die Interviews mit den Menschen haben mich bestärkt, dass das goldrichtig ist.

Und was ist mit meinem Fernweh? Ich möchte im nächsten Jahr unbedingt nach England. Nach London und vielleicht auch an die Küste. Ich war noch nie auf der anderen Seite des Kanals und habe nun, nach einem Gespräch mit einem Modedesigner in London, das dringende Bedürfnis, dorthin zu fahren. Mit Ela. Mal sehen, vielleicht klappt es Ostern. Euch allen einen schönen Tag mit ein wenig Fernweeeeeh.

Vollmond über Vernazza.

50.000.000 €. Das ist die Summe der Schäden, die in Vernazza entstanden sind. Sehr viel für eine Stadt, die 1.000 Einwohner hat. Kann eine Stadt das stemmen? Sicherlich nicht ohne Hilfe. Es besteht die Gefahr, dass einer der schönsten Orte Italiens (Behaupte ich jetzt einfach mal. Einige habe ich auf meiner “Italienischen Reise” auf den Spuren Goethes gesehen.) den Bach runtergeht. Das wäre schade. Insbesondere auch für mich, weil ich Vernazza liebe. Liebe.

Meinen 40. Geburtstag habe ich dort gefeiert. Ela und ich hatten uns bei Gianni Frantzen eingemietet. Ein kleines Zimmer mit Balkon oben am Berg Richtung Turm. Blick auf das Meer. Wir waren oft da, haben bei Gianni unter den bunten Sonnenschirmen unten am Platz am Hafen lecker gegessen. Von Levanto bin ich in jedem Urlaub mit dem Fahrrad nach Vernazza gefahren. 500 Höhenmeter in Serpentinen bis zum Kloster hoch, dann die kleine Küstenstraße entlang und die Serpentinen nach Levanto runter. An einer Stelle dann: Von oben der Blick auf Vernazza, auf den Hafen. Wer das mal gesehen hat, ist verloren. Die bunten Häuser, das Grün der Natur, das blaue Meer.

Dann mit Highspeed runter, Fahrrad unten in der Bahnhofsunterführung (die ist jetzt voller Schlamm) abgestellt. Die Hauptstraße herab und bei Gianni rein, einen Cappu an der Theke bestellt und dann hinten an einen kleinen Holztisch gesetzt, um in die Küche schauen zu können. Alle arbeiten, alle probieren, schmecken ab. Überall brodelt es, zieht es. Die Kellner kommen rein, schauen in die Töpfe, nehmen sich ein kleines Tellerchen, kosten, gehen. Trinken einen Espresso. Gianni wirkt wie eine große Familie, als würden alle dort wohnen. Es ist Mittagszeit, es wird gerade nicht gegessen. Weder draußen auf dem Platz noch drinnen im Gewölbe. Es laufen die Vorbereitungen für den Abend. Ich könnte hier stundenlang sitzen, wenn ich nicht fliehen müsste, weil mein Drang, die Küche zu stürmen und mitzukochen zu groß wird.

Meine Badehose habe ich in der Tasche. Sonst habe ich außer Geld nichts dabei. Gehe vorne im Hafen an den Bootsanleger, ziehe blank und schlüpfe in meine Boardshorts. Mit Anlauf in die Tiefen, wo sonst die Ausflugsboote liegen. Tauche tief im klaren Wasser, schwimme rüber zum hohen Felsen, von dem gerne die jungen knackigen Amis runter springen. Wir hatten am Tag des Feuerwerks über dem Hafen (Hach, so ein Feuerwerk. Standen oben neben der Kirche und waren nur 100 m weg von der Abschussrampe. Fast mittendrin im Sternenfunkeln, Freudentaumeln) zwei Californian Dreamboys getroffen. Dieses smarte Lächeln, dieses freundliche Englisch, diese braunen Körper und weißen Zähne. Bestimmt zwei Wellenreiter, weil die dieses Schwimmerkreuz hatten.Schmale Hüften, breites Kreuz. Einer war mir anderhalbfachem Salto rückwärts vom Fels gejumpt. Die Kinder waren tief beeindruckt. Einer war Fotograf auf Europatour und kam gerade aus Madrid.

Ich schwamm also auch zu diesem Mörderfelsen, zog mich aus den Wellen heraus auf den Stein, kletterte ihn hoch, sprang. Vernazza. So viele Erinnerungen. Das Foto oben habe ich im letzten Urlaub von Monterosso aus geschossen. Wir waren von Levanto herüber gewandert. Abends fast ganz allein den Küstenweg entlang. Die Sonne ging unter, der Mond ging auf. Direkt über Vernazza. Sehnsucht. Wie dieser Mond seine schützenden Strahlen über die Bucht legte, wie in Vernazza die Licher angingen, bei Gianni gegessen wurde. So, so schön. Und nun sind die Lichter aus. Kein Strom. Zerstört. Voller Steine und Erde die Stadt. Die Menschen evakuiert. Was soll werden? Ich will zurück nach Vernazza, ich will bei Gianni sitzen, ich will von der Hafenmauer springen, auf den Fels klettern, mit dem Farrad dort hin fahren.

Sobald ich ein vertrauensvolles Spendenkonto entdeckt habe, werde ich die Infos hier posten. Ich bitte euch zu entschuldigen, dass ich hier so viel über Vernazza schreibe. Aber in Liebesangelegenheiten gibt es einfach kein Halten. Eine Sache des Herzens. Was ich für Vernazza tun kann, möchte ich tun. Schreiben, berichten, informieren ist ein Weg.

Infos zur Katasprophe findet ihr im Beitrag: Vernazza, Monterosso zerstört oder was?

Gianni Franzi: http://www.facebook.com/photo.php?fbid=2269242568953&set=a.2269195647780.2113937.1185265382&type=3&theater

P.S. Es gibt nun einen Verein “Zukunft für Vernazza”, der Spenden für den Wiederaufbau sammelt. Ihr könnt auf der Seite einfach auf “Donazione” (spenden) klicken und dann im Formular oben als Land Deutschland auswählen, denn werdet ihr in Deutsch durch den Spendenprozess geführt. Bitte gebt! 2, 3, 4, 5, 100 Euro – egal. Zeigt einfach eure Anteilnahme, auch mit kleinen Beträgen. Würde mich freuen!

Hier der Link zur Spendenseite: http://vernazzafutura.blogspot.com/

Vernazza wird evakuiert!

Es geht also nicht anders, es ist zu viel Schlamm im Ort, die Schäden sind zu groß und am Wochenende werden neue schwere Regenfälle erwartet. Es gibt keinen Strom, kein Gas, kein Wasser. Die Bevölkerung muss gehen, nur das Militär bleibt. Diese Infos habe ich von einer amerikanischen Facebook- und Internetseite. Rick Steves, amerikanischer Reisejournalist, ist großer Vernazza-Fan. Er hat Freunde vor Ort und setzt sich für die Stadt ein. Rick Steves auf Facebook, seine Internetseite.

Das freut mich sehr, weil Vernazza nun dringend Hilfe braucht. Momentan weiß niemand, was wird. Es liegen 35.000 Kubikmeter Schlamm und Steine in der Hauptstraße und in den Erdgeschossen der angrenzenden Häuser. Ein großes Problem ist das Nadelöhr nach unten zum Meer hin. Kurz bevor man zu Giannis Restaurant kommt, vor dem Platz am Hafen, ist die Gasse sehr schmal. Da können keine schweren Bulldozer fahren, sondern nur kleines Räumgerät. Also wird es dauern, bis der ganze Schlamassel aufgeräumt ist. Zudem sollen einige Häuser beschädigt sein. Von der Feuchtigkeit, die jetzt überall in den Mauern steckt ganz zu schweigen.

Noch habe ich keine Spendenadresse gefunden. Auf der Facebook-Seite der Cinqueterre ist das Spendenkonto des italienischen Roten Kreuzes angegeben. Das ist aber ein allgemeines Spendenkonto. Rick Steves überlegt da wohl gerade, etwas einzurichten und wird dann auf seiner Seite berichten.

Möchtet ihr mir einen Gefallen tun? Denkt an Vernazza, betet für die Menschen in der Region. Möge alles ein gutes Ende nehmen und mögen Monterosso und Vernazza wie Phönix aus der Asche wiederauferstehen. Die Cinqueterre sind zu schön, um sie zu verlieren. Sie gehören zum Weltkulturerbe und das kommt nicht von ungefähr. Vielleicht reist ihr einmal hin. Das ist der beste Weg der Unterstützung des Wiederaufbaus.

Links, Fotos, Videos zur Katastrophe hier im fiftyfiftyblog.

Umfassende Infos liefert der Cinqueterre-Blog.