Glaube, Liebe, Hoffnung

Statisch die Zeit 

galoppierendes Fluchen 

Arabesken, merkwürdig

Schicksalsschnitzereien

Fall out 

Am Ende des Alphabets schreits, jammerts, klagts

Zorn und Zirrhose

Im Vorgarten ertrinken die Erfrorenen 

Die Lippen blutend 

geplatzt

die Brüder küssen einander 

nimmermehr

In Europa schaufeln sie Gräber

Gepiercte Seelen, tätowiert

geritzt

februar 2023

Zeitenwende

Alles sieht gleich aus

Das Haus, der Tisch

das Auto

Der Garten

Mein Rechner

die Tasten

Eh wie je

Es sind Dinge geschehen

Schleichend groß

unsichtbare Drachen

mit Pranken

und Lächeln

In einer Röhre war ich

ein Hologramm meiner selbst

Um mich Ringe

wie die des Saturns

Flach

übereinander angeordnet

entlang der Zentralachse meines Körpers

Ringe wie Regler

von Lautstärke bis Fühlen

Mein Wesen

meine Empfindungen

meine Welt

durcheinander

fremd justiert

Anfangs nur leichte Drehungen

sanfte Einstellungsverschiebungen

Wenige Grad auf der Skala

einzelne Ringe leicht gedreht

alles nachvollziehbar

Spürbar, fühlbar

im Dunstkreis der Empathie

für mich selbst

Mein Herz, meine Seele

meine Einstellungen

justiert entlang meines bekannten Ichs

Ich kenne mich

weiß

wer ich bin

bin mir bekannt

die Relationen stimmen

der Horizont

die Erfahrungen

gestern

passen zum heute

Die Logik des Ichs gibt mir mein Gefühl meiner Realität

Nun

bin ich David Bowie

Thomas Jerome Newton

Die Gesetze der Schwerkraft gelten nicht länger

In meinem Gesicht eine Brille

im Eis bin ich unterwegs

höre fremde Töne

nur nicht schneeblind werden

Die Ringe

meine Einstellungen

verdreht

dass es zerrt

Mein Körper schmerzt

der Horizont steht Kopf

die Pole verschwunden

Würde ich fliegen

als Pilot der Zeit

in den Kräften der Zeit

wüsste ich nicht

wo oben

wo unten

zu welcher Zeit

Alles sieht gleich aus

die Kaffeemaschine am Morgen

das kuschelige Bett abends

die Zeit zwischendurch eine

Normalität in bekannten Bildern und Farben

Wer hat diese Fassade gebaut?

Die Realitäten vertauscht?

Alles gleich

alles fremd

eine Farce

Spiele ich mit

ein Erdianer

in der Zwischenwelt

Haben mich die Götter geholt?

Die wahren, die falschen

Weil ich an meinem Leben hänge

den schönen Momenten

lebe ich mit der Aufgabe des Wahren

Es schmerzt nicht

die Verwirrung ist erträglich

Eine Aufgabe

ein Bingo

eine Buchstabensuche

Ist das noch der Planet meiner Geburt?

Ich küsse

es muss doch real sein

das Gefühl der sich küssenden Lippen

ist so echt

sie ist

Wir schlafen miteinander

ihre Brüste

der Moment

die Haut

das Haar

so echt

Wann kam der Fake?

Irgendwann während Covid

Ukraine

Klima

die heißen Sommer

kein Wasser

kein Regen

die Tonnen ausgetrocknet

In der Hängematte auf einem fremden Stern

weggebeamt

bewusst

Mit dem Flieger geflohen

Die Musik auf Spotify

wie immer

die Vorschläge montags

meine Liste

ein Geschenk

das bin ich

Wer sagt das?

Die AI

souffliert

Ein leichtes Einreden

sie meint es gut

sie will nichts

Sie macht mich zur Hülle meiner selbst

Es löst sich die Hoffnung auf

ich wäre ein Wesen

autark

Die Illusion

ich bin ich

das Konstrukt Ich

wackelt

Draußen toben die Stürme

Sand wie Worte

schleifen die Feste

Einen meiner Arme sehe ich

sich lösen

Meine Leber im Orbit

ein Fuß

ein Organ, die Leber

mein Schwanz

die Eier

Die Integrität

eine Fatamorgana

egal

wo Teile des Ichs sind

meine Erinnerung macht mich eins

Die Gedanken

vernetzt

durch alles hindurch

Meine Arme müssen nicht mehr am Körper hängen

das Gehirn nicht mehr im Schädel zentriert

Ich bin nicht mehr dieses bekannte irdische Wesen

diese harmonisierte Materie erklärbarer Zusammenhänge

Das Zeitalter Wissen ist in Feuer aufgegangen

keine Theorie hat länger Bestand

wir sind aufgelöst

Noch spüre ich den Holzboden unter meinen Füßen

die Liebe zu ihr

meinen Kindern, den Brüdern

den Menschen

Wird abstrakter

Die Unendlichkeit hat begonnen

in Auflösung

Die Partikel, Strukturen, Teile

ordnen sich neu

Nicht länger steht das Erworbene da

wie Stein und Beton

Die immer neue Zeit

beginnt 

Ein neues Zeitalter

vollkommen unbekannt

Auf Null

das Erworbene

auf den Müll

Schmeißt alles weg

verbrennt es

einfach Feuer dran

lichterloh

Die Kaffeemaschine

eine Hülle

Fassade

gestern

januar 2023

Die Wellen

Weil ich wie

wo

Die Gezeiten der wechselnden Farben

Gestade

Durch die Zeiten

Vermischen sich die Meerestöne

Adieu

liebe Heimat

liebe liebe Heimat

Das Feuer im Ofen

die Pfanne

auf dem Herd

der Kopf

ganz woanders

Durch die Zeiten

die Tage, die Wochen

die Bilder

Das Puzzle ordnen

nach Farben

Gefühlen

Wie es nun wirklich ist

Die Wellen

am Strand

Die Wellen

dEZEMBER 2022

INTERSTELLAR 227 – zwischen den Sternen, den Welten, den Seelen, allem

Und wenn sie kommen, dann laufen wir.

Die Aliens, ihre UFOs.

Ich begegne ihnen täglich, fast beinahe.

Dem Himmel so nah. Dem All. All dem Unbekannten.

Gestern INTERSTELLAR 227 im BLOCK7. Köln. Vom Land geflohen mit immensem Kunsthunger. Der Mensch lebt nicht vom Gras allein und Wolken machen nicht satt. Viel Arbeit derzeit, die Agentur reitet mich hart durch die Dornen. Mag ich. Aber nur, wenn ich dann fliehen kann. Die Platte putzen, das Hirn ablenken, verführen, auf andere Gedanken bringen. Es braucht starke Bilder, die sich breit machen.

20 Uhr. Barbara Schachtner und Dorrit Bauerecker haben eingeladen. Die Damen aus dem All mit all diesen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Frau muss schon von einem anderen Stern kommen um zu können, was sie können.

Virtuosinnen im Sein.

Sie spielen. Mit Genres. Schauspiel, Gesang, Bilder, Töne, Geräusche, Musik. Du hast etwas in der Hand, das du kennst. So etwas wie einen Teig. Den nimmst du dann und ziehst, verzerrst, spielst, lächelst.

Als hättest du bunte Knete in den Fingern.

Norbert van Ackeren hat den Spielplatz gebaut, den Raum geschaffen, den Double Space. Vakuumräume. Sie kommen vom Mars, sie brauchen keinen Sauerstoff, sie sind halt nicht von dieser Welt.

Zwischenräume, zwischen den Welten. Mal schnell umschalten. Vom Landleben auf Stadt, auf Köln, auf das All, die Sphären. Lande mal.

Den RAUM betreten, diese anderen Welten, in denen Barbara und Dorrit herrschen, den Takt vorgeben, den Ton an. Sie sind Meisterinnen im Beherrschen des Raums. Sie machen, was sie wollen. Und du, ich, wir stehen da und lauschen und staunen mit offenem Mund.

Es ist ein Luxus, den man nicht kaufen kann. INTERSTELLAR 227 DOUBLE SPACE gab es nach irdischer Zeitrechnung nur genau 1x am 25. Oktober 2022 in der Zeit von 20:08 bis 21:00:28 mitteleuropäischer Zeit. 52 Minuten. Ein Husarinnenritt, eine Zeitreise. Sind Supernova mit bloßen Ohren zu erkennen. Tschiuuu.

Wir durften als Ausgewählte an Bord gehen, wir waren wenige Erdlinge, hatten Raum, zu sehen, zu hören zu sein. Im Fluss des Abends.

Sie können es, ein Raumschiff fliegen wie die Tasten fliegen lassen, die Töne, Stimmen. Man möchte nicht, dass sie aufhören.

Zu Beginn eine Geschichte, nachvollziehbar, ein Mann von der Bushaltestelle mit Sommersprossen. Mit einem Duft. Sein Rücken.

Das Zählen an der Theke, das Alien-Skat, reizen. 1,2,3. 4, 27. Eine Kakophonie des Rationalen. Zahlen sind gute Argumente, glauben. Manche. Vielleicht. Egal. Die verzerrte Polka oder was auch immer.Zeitverzerrt, aus dem Rhythmus gefallen. Disharmonie ist wenn der Raum sich spannt, das schwarze Loch alles schluckt und sich die Unendlichkeit zurück an den Anfang begibt. Verstehe einer Unendlichkeit und die Verkantung des Raumes an den Übergängen. Nun. Was solls. Ich kann und will nur Sprache und Klang und Harmonie. Den Rest sollen die Rationalisten (bei allem Respekt, euer Potenzial alles richtig zu machen und trotzdem in der Ödnis der Langeweile zu quälen, nervt. Einigen wir uns auf manchmal.) machen. Haut rein.

Barbara spielt. Sie ist Sängerin. Und Schauspielerin. Ihr Genre sind Töne, Geräusche, Irritationen. Darin ist sie, virtuos. Wie Dorrit. Beide. Stimmen, Instrumente, Spiel. Den Raum nehmen, die Szene, die Bilder, die von außen durch den Vorhang strömen.

Well inszeniert bis wunderschön uninszeniert.

Im schnellen Rhythmus, beschleunigt, gebremst. Vom Schrägen ins Reale mit einem Fingerschnipps. INTERSTELLAR. Der Raum zwischen den Sternen.

Für mich sind solche Abende silber glitzernder Sternenstaub, den ich nach Hause trage und auf den Schultern lasse.

Wenn ihr mögt, seht selbst, in kurzen Sequenzen. Ich habe mir erlaubt, Mondgestein in die Tasche zu packen. Eine Welt mitzunehmen, die in vielem schöner ist als die Welt, in der wir gerade leben. Es ist gut, manchmal ganz weit raus zu fliegen …

Und am Ende. Nun. Was bleibt? Landen.

Susanne Waltermann und Thomas Schindler gezeigt von Sebastian Linnerz im Labor Ebertplatz

Lange nicht hier gewesen, im Blog, im Labor.

Die Mail kam rein von Sebastian Linnerz, eine Einladung zur Ausstellung upside down. Bilder von Susanne Waltermann und Fotografien von Thomas Schindler. Kuratiert von Sebastian Linnerz, der beide bereits in seiner Galerie raum+ gezeigt hat. Leider gibt es die Galerie nicht mehr, desto schöner, dass Sebastian und das Labor zusammenarbeiten.

Viveka und ich haben Gil in Köln vom Hauptbahnhof abgeholt, unsere Nachbarin Lilo mitgenommen und uns gemeinsam auf den Weg gemacht.

Schön, so viele zu sehen. Menschen an diesem wunderbaren Ort der Kunst und Galerien. Ein wenig subversiv, Subkultur eine Etage tiefer im besten Sinne des Wortes. Dieses Betonkonglomerat gibt einen sehr besonderen Rahmen. Ein Schutzraum für Künstlerinnen, Künstler und all die Kunstliebenden.

Da saßen und standen sie und sprachen und tranken und schauten und erzählten. Schön lebendig, ein großes Wohnzimmer, ein Treffpunkt.

Mir war sofort das größte Bild ins Auge gefallen. Ein Strommast, der auch auf der Einladungskarte zu sehen ist. Großer Strommast 2 von Susanne Waltermann.

Ich brauchte Zeit, mich zu nähern. Corona hat in mir eine Distanz geschaffen, einen inneren Abstand. Rausgegangen in die Welt, Frankreich, Paris, Fecamp, Calais, Ungarn, Budapest, Rumänien, Bukarest, Italien, Ligurien, Mallorca. War viel unterwegs, dem Homeoffice entkommen, den schwierigen Themen der Zeit.

An unserem Haus vorbei führt eine große Stromtrasse. Irgendetwas mit Kilovolt-Leitungen, KV, die Leitungen hängen wie satte Bäuche über den Wiesen und Wäldern. Ich mag die Strommasten, die sehr erhaben in der Landschaft stehen. Groß sind sie, mächtig, stark, genietet, mit dicker Farbe bemalt. Sie tanzen im Licht, werfen sich gegenseitig die Leitungen in die Arme.

Nun also der Große Strommast 2 hier im Labor.

Was ist der Reiz, dachte ich. Weshalb zieht mich das Bild an? Was gibt es mir, womit lockt es?

Wir saßen draußen, ich ging rein, eine oberflächliche Runde. Es dauert, bis man da ist, bis ich bereit bin, mich einlassen kann. Die Trennung zwischen Alltag und dem ausgestellten Schaffen. Dann bin ich hingegangen, zum Bild.

Mit 124 x 162 cm hat es eine mittlere Größe. Die erste Überraschung war die Materialität. Von Tusche auf Papier war ich ausgegangen. Nö. Papier ja, aber keine Tusche. Fäden, tausende Stiche, es hat Monate gedauert, das Bild fertigzustellen. Es hatte eine erste Version gegeben, es wurde “kurzfristig” eine zweite benötigt.

Susanne Waltermann ließ die Finger fliegen.

Sie hat ungleichmäßige Rechtecke aus welligem Japanpapier zusammengenäht. Mit groben Stichen alles miteinander verbunden. Als hätte ein Wundarzt klaffende Wunden mit weitem Stich verschlossen. So, dass Narben bleiben würden.

Lebendig ist dieser Hintergrund, der das Bild trägt und ihm eine Dimensionalität gibt. Plastisch, changierend, leicht hervorgehoben. Die Welt um den Strommast, der Wind, der Regen, die wabernde Luft, die Zeiten, die ihre Falten hinterlassen.

Schon das allein eine Qualität mit Wirkung. Tiefe in mehrfacher Hinsicht.

Dann die Fäden. Schwarz, weiß, grau gemischt, um auch hier mit Tiefe zu spielen. Die Fäden wirken gefranst, was ihnen etwas Weiches gibt. Plüschig wie der Mantel einer Hummel. Diesen Strommasten möchten man streicheln, kuscheln. Er ist nicht mächtig aus Stahl, er ist groß in Weichheit. Ein gutes Gefühl gibt er.

Susanne Waltermann hat die Nadel immer wieder angesetzt, noch eine Schicht, bis es gepasst hat. Und ja, es passt.

Ich mag dieses Bild sehr, weil es in seiner Alltagsbotschaft Versöhnlichkeit ausstrahlt. Es ist ein weicher Blick auf die Welt, der sich dem Rationalen entzieht. Es geht nicht um Strom, Energie, Preise, Deckel, Ukraine. Vielmehr ist Wahrnehmung das Thema.

Genau die gelingt Großer Strommast 2 mit einer überaus charmanten, sympathischen Leichtigkeit. Im Vorübergehen quasi.

Mit Links.

Geschickter Übergang zu zwei weiteren Bildern.

Mit Links schreibt Susanne Waltermann die Textzeilen ihrer naiv anmutenden Stickbilder. Auch die so wundersam warm. Das vertraute Gespräch zwischen Mann und Frau. Die Worte treten zurück hinter die Tiefe der Verbindung. Wenn Seelen einander gehören, wenn die Tore des Zweifels über die Jahre und Jahre verschlossen wurden. Gemeinsam, miteinander, zusammen sein, einander spüren, fühlen ohne Wertung. Das entsteht einfach, ist einfach entstanden, hat sich beiläufig ergeben. So ist Leben.

Daneben der schöne Satz: kannst du dich noch an mich erinnern. Sätze kann man in vielen Kontexten sprechen. Diesen zum Beispiel auf einem Klassentreffen, auf dem man Menschen einfach nicht wiedererkannt hat nach all den Jahren. Ach, du bist es, klar. Jetzt erkenne ich dich.

Nun hängt der Satz aber neben dem Frau-Mann-Gespräch. Ich finde, dort hängt er goldrichtig und ist wie in einem Film gesprochen. Existenziell in seiner Bedeutung. Tief interpretierbar. Siehst du mich noch? Fühlst du mich noch? Was ist da? Wie ist dein Blick auf mich? Verlieren wir uns im Banalen? Im Alltäglichen? Ist da noch etwas vom Anfang, von Tiefe, von Bedeutung?

Man stelle sich vor: Am Küchentisch, ein Tee, ein Kaffee, frisch zubereitet. Die eigene Hand wird genommen, gehalten als Ankündigung und Forderung nach Aufmerksamkeit. Dann der Blick, der den Gegenblick fordert, ein in die Augen schauen. “Kannst du dich noch an mich erinnern”. Puh. Ich stelle mir die Frage selbst und sehe einen Film ablaufen wie am jüngsten Tag.

Eine schöne Ausstellung, wie nicht anders zu erwarten. Sebastian Linnerz ist in Kölner Kunstkreisen bestens vernetzt und hat neben der Erfahrung einfach dieses feine Gespür. Und so hat er mir wieder einen besonderen Abend geschenkt. Wenn ich jetzt nicht über die Fotografie von Thomas Schindler geschrieben habe (sorry!), dann ist das keine Wertung.

Schlicht und ergreifend war es einfach der Strommast, der mich in seinen Bann gezogen hat. Deshalb hier nur kurz meine beiden Favorites. Die Kabel, der Mensch durchs Gitter, die Form eines Helmes, die Farben. Von oben, von unten. upside down.

Die Ausstellung läuft bis zum 21.10. und ist täglich von 15 bis 20 Uhr geöffnet. Einfach mal reinspazieren. Ihr könnt euch die Bilder und Fotos nicht nur ansehen, ihr könnt sie auch kaufen. Den Großen Strommast 2 auf Anfrage.